Love against all Reason von Ukiyo1 (Liebe gegen jede Vernunft) ================================================================================ Kapitel 30: Kapitel 30 ---------------------- Mimi Seufzend lege ich auf, nachdem ich eine Stunde lang mit meinen Eltern telefoniert habe. Ich habe dieses Gespräch so lange wie möglich hinausgezögert, zumindest so lange, bis meine Wunden verheilt waren. Vermutlich, weil es mir so leichter gefallen ist, sie anzulügen und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Mama, Papa, ich habe mich einfach nur umentschieden, das ist alles. Natürlich haben sie mir kein Wort geglaubt, aber ich bin bei meiner Version geblieben: Joe hat mir seine Liebe gestanden und ich habe gemerkt, dass ich Gefühle für ihn entwickelt habe und wollte uns noch eine Chance geben – natürlich mit der Option, jederzeit doch noch die Verlobung zu lösen. Dass ich die nicht habe, habe ich ihnen verschwiegen. Nachdenklich kaue ich auf meinem Kaugummi herum, während ich aus dem Fenster in meinem Zimmer starre. Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich erst gar nicht mitbekomme, dass mein Handy erneut klingelt. Ich gehe davon aus, dass es mein Vater ist, weil ich ihn zuletzt gesprochen habe und hebe einfach ab. „Daddy, ich hab dir doch schon gesagt, dass ich …“ „Daddy? Okay, etwas ungewohnt für mich, aber wenn du drauf stehst, bin ich gerne dein Daddy.“ Sein anzügliches Grinsen kann ich förmlich vor mir sehen. Ich lache. „Hallo, Tai. Und nein, bitte sei nicht mein Daddy.“ Tai lacht ebenfalls, dann sagt er „Hallo, Prinzessin“ ins Telefon und sofort weitet sich mein Herz. Ich muss wieder seufzen, aber diesmal ist es ein angenehmes Seufzen. „Es tut so gut, deine Stimme zu hören.“ Im Hintergrund höre ich ein Rauschen. „Fährst du gerade?“ „Ja, ich bin auf dem Weg zu euch und kann es kaum erwarten, dich zu sehen.“ Wie sehr er mir damit aus der Seele spricht. Ich gehe zum Bett und lasse mich darauf nieder. „Geht mir genauso. Aber warum rufst du an, wenn wir uns gleich sehen?“ Kurz schweigt Tai, dann sagt er: „Ich wollte dich nur vorwarnen. Joe hat mich gebeten, den Vertrag für die Eheschließung aufzusetzen. Es ist derselbe, den Kaori und Jim haben. Er wird dich heute bitten, ihn zu unterschreiben. Und du wirst keine andere Wahl haben, als es zu tun.“ Ich schlucke schwer. Ich dachte, dafür hätte ich noch Zeit, aber offenbar hat Joe es eilig. Oder vielleicht war es sein Vater, der ihn dazu gedrängt hat. „Hast du schon etwas rausgefunden?“, frage ich und kann den Funken Hoffnung nicht verbergen, der in meiner Stimme mitschwingt. Ich vertraue Tai. Er hat gesagt, er findet eine Lösung, aber ich weiß auch, dass uns so langsam die Zeit davon rennt. Zu blöd, dass ich den ganzen Tag mit albernen, unwichtigen Dingen beschäftigt bin und ihn nicht bei seiner Recherche unterstützen kann. „Ich habe eine Spur, aber … sie ist bis jetzt nicht aussagekräftig. Es ist schwierig, an die Leichen eines mächtigen Mannes heran zu kommen. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass er welche hat.“ Ich nicke stumm, auch wenn Tai es nicht sehen kann. Verdammt! Ob Joe vielleicht etwas wüsste? Vermutlich nicht und selbst wenn, er würde niemals seine Familie verraten. „Ich würde gerne irgendetwas tun, um dir zu helfen. Vielleicht könnte ich mich bei Joe unbeliebt machen. Ich meine, so unbeliebt, dass er seinen Vater bittet, die Verlobung aufzulösen.“ Tai lacht, dabei habe ich das ernst gemeint. „Das würde Joe niemals tun.“ „Wieso nicht? Er würde definitiv eine Bessere finden, eine, die richtig zu ihm passt und mit der er golfen und Schach spielen kann.“ „Ja, vermutlich hast du recht. Nein, du hast sogar ganz sicher recht. Aber er wird nicht von seinem Plan abweichen. Oder von dem seines Vaters. Da ist er durch und durch Kido, das würde er niemals machen, egal, wie sehr du ihn ärgerst.“ Ich schürze die Lippen. „Wollen wir doch mal sehen.“ „Mimi, ich bitte dich“, sagt Tai jedoch mit Nachdruck. „Verhalte dich einfach unauffällig, bis ich etwas gefunden habe. Der Professor hat dich eh schon im Visier.“ Ja, das weiß ich auch. Aber dennoch … Ich würde das gerne mit Tai ausdiskutieren, aber da klopft es an meiner Tür. „Warte kurz“, sage ich zu Tai und stehe auf. Als ich öffne, steht Joe vor mir. Ich schalte sofort. „Okay, Daddy, ich muss auflegen.“ „Oh ja, bin ich jetzt doch dein Daddy? Warst du ein ungezogenes Mäd- …“ Ich lege auf. Dieser Spinner. „Hey, was gibt’s? Wir treffen uns doch gleich zum Frühstück.“ Joe sieht mich leicht verlegen an. „Ich wollte dir vorher noch etwas geben.“ Ich sehe auf seine Hände. In der einen hält er einen dicken Umschlag und in der anderen … „Sind das etwa Algen?“ Ungläubig zeige ich darauf und runzle dabei die Stirn, was Joe nur noch nervöser macht. Mit dem Handrücken schiebt er sich schnell die Brille zurecht, ehe er mir die schöne Verpackung mit den getrockneten Algen gibt. Ich glaube, ich habe noch nie so glamourös verpackte Algen gesehen. „Okay“, sage ich offen und ehrlich. „Ich bin verwirrt.“ „Das ist ein Geschenk“, sagt er schließlich. „Nachträglich zur Verlobung. Es symbolisiert Freude und Vergnügen, auch in zukünftigen Tagen.“ Ja. Klar. Freude und Vergnügen. Das sind so ziemlich die letzten beiden Wörter, die mir unter diesem Dach in den Sinn kommen würden, aber gut. „Das ist eine nette Geste, ich danke dir“, sage ich und verbeuge mich höflich. „Ich habe allerdings gar kein Geschenk für dich.“ „Das macht gar nichts. Du wusstest ja nicht, dass ich dir was schenke“, entgegnet Joe gelassen. Ob ich ihm einfach die Algen zurück schenken kann? Würde das auffallen? „Und was ist das?“, frage ich nun neugierig, obwohl ich die Antwort schon kenne. Ich deute mit den Augen auf den Umschlag. „Ach ja“, meint Joe, als hätte er es beinahe vergessen und drückt ihn mir in die Hand. „Unser Ehevertrag.“ Soeben habe ich beschlossen, mich dumm zu stellen. „Wir machen einen Ehevertrag? Vertraust du mir so wenig?“ Ja, er kann ruhig wissen, was ich davon halte. „Darum geht es nicht“, schüttelt Joe den Kopf. „Alle Kido Familienmitglieder haben einen. Wir machen das so, um uns im Fall der Fälle selbst zu schützen.“ Pfft. Fast hätte ich gelacht. Und wer schützt uns? Mich und Kaori? Ich kaue nachdenklich auf meinem Kaugummi herum, was Joe leicht irritiert, verschränke dann die Arme vor der Brust und sehe ihn prüfend an. „Ganz ehrlich, Joe, ich weiß nicht, ob ich das unterschreiben möchte.“ Irgendwie habe ich erwartet, dass ihn mein Widerstand mehr aus der Ruhe bringt, doch er hebt nur die Schultern. „Da wirst du keine Wahl haben. Kein Ehevertrag, keine Hochzeit.“ Ach! So einfach ist das? Kurz stelle ich mir vor, wie ich den Vertrag vor seinen Augen in der Luft zerreiße und erhobenen Hauptes aus diesem Gefängnis raus marschiere. Aber dann rufe ich mir die Worte des Professors in den Sinn und überdenke meine bockige Art. „Ich werde ihn mir durchlesen“, sage ich und Joe nickt. „Tu das. Die Details besprechen wir gleich beim Frühstück.“ Ich schließe die Tür und lege die Algen auf meiner Kommode ab, ehe ich den Umschlag öffne. Es sind locker 50 Seiten. Wie krank ist das bitte? Doch bevor ich ihn lese, rufe ich Tai an, der immer noch im Auto sitzt. „Hi, meine Schöne. Ich dachte schon, du hast mich einfach weggedrückt, aber wahrscheinlich war nur die Verbindung schlecht.“ Ich höre ihn frech grinsen und verdrehe die Augen. „Hör auf, mich aufzuziehen, Joe war grad hier.“ Sofort wird Tai wieder ernst. „Lass mich raten: du sollst dir den Ehevertrag durchlesen.“ „Ist das zu fassen?“, beschwere ich mich und mache eine ausfallende Geste. „Wie können sie denken, dass ich das einfach so tue?“ Tai seufzt. „Du wirst keine Wahl habe.“ Genau die Worte, die Joe auch zu mir gesagt hat. Ich verziehe das Gesicht. „Ich hasse es.“ „Ich weiß“, sagt Tai einfühlsam. „Aber wenn es dich aufheitert, ich habe dir zu Liebe eine kleine extra Klausel mit eingefügt. Na ja, nur für den Fall, dass du doch … dass ihr doch …“ „Hör auf, so was darfst du nicht mal denken“, unterbreche ich ihn. „Du weißt, dass ich dich will. Ich will Joe nicht heiraten.“ „Ich weiß, Prinzessin. Aber wir sollten auf alles vorbereitet sein. Außerdem musst du mitspielen, momentan geht es nicht anders.“ Frustriert schnaube ich ins Telefon. „Und was ist das für eine Klausel?“ „Blättere mal auf Seite 28, Absatz 3, Punkt 10.“ Ich setze mich aufs Bett, lege den Vertrag auf meinen Schoß und tue, was er gesagt hat. Dann lese ich laut vor: „Mimi Kido steht es zu, zwei Mal im Jahr einen beruflichen Auftrag als Visagistin für kleinere oder größere Filmprojekte anzunehmen. Für die Zeit der Abwesenheit verzichtet sie auf Ihr Recht allein Hausfrau und Mutter zu sein und darf sich ganz ihrem beruflichen Erfolg widmen. Joe Kido, ihr Ehemann, ist damit einverstanden.“ Mir stockt der Atem. „Tai … aber … wie hast du … wie geht das?“ „Glaub mir, es war nicht leicht, aber Joe hat meiner Idee zugestimmt, wenn du insgesamt nicht länger als 4 Wochen am Stück weg bist und deine Pflichten als Ehefrau und Mutter nicht vernachlässigst. Glaube, er lehnt sich für dich ziemlich weit aus dem Fenster.“ Wow. Ich bin sprachlos. Damit habe ich nicht gerechnet. Aber Tai hat unrecht. Er war derjenige, der sich für mich weit aus dem Fenster gelehnt hat. „Danke, Tai“, sage ich und könnte heulen. Das bedeutet mir unfassbar viel. „Kein Problem. Ich hoffe ja immer noch, dass es nicht so weit kommt.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Ich auch.“ „Okay, wir sehen uns gleich, Prinzessin.“ Wir verabschieden uns und ich fange an, den Vertrag zu lesen. Kaori hat nicht untertrieben. Und dann kommt mir ein Gedanke und ehe ich es mir anders überlegen kann, gehe ich zu meinem Nachttisch, hole einen Stift und fange an auf dem fein säuberlichen Vordruck rum zu schreiben. Wollen wir doch mal sehen, was ich noch alles rausholen kann oder ob Joe mich dann nicht freiwillig in den Wind schießt. Viel zu spät komme ich auf die Terrasse, wo Joe, Tai, Jim und Kaori bereits frühstücken. Erst bemerkt mich keiner, doch als Kaori ihren Kopf hebt und mich sieht, fällt ihr die Gabel aus der Hand. „Mimi“, bringt sie nur heraus. Alle anderen unterbrechen ihre Gespräche und sehen mich ebenfalls an. Ich habe den langen Rock und die hochgeknöpfte Bluse gegen kurze Jeans Shorts und einem Shirt getauscht. Gott, fühlt sich das gut an! „Äh …“, ist alles, was Joe raus bekommt, während Jim und Kaori mich einfach nur schockiert anstarren, als hätte ich den Verstand verloren. Vielleicht habe ich das auch. Mein Blick geht zu Tai, der die Augenbrauen überrascht hochzieht, sich jedoch ein kleines Grinsen nicht verkneifen kann. „Tut mir leid, dass ich zu spät bin“, entschuldige ich mich, verzichte aber auf die obligatorische Verbeugung und setze mich an den Tisch. Den Ehevertrag lege ich neben mir ab. „Es hat ein wenig länger gedauert, den Ehevertrag zu lesen und zu überarbeiten.“ „Zu … überarbeiten?“, fragt Joe irritiert nach. Kaori, die neben mir sitzt, sieht mich fassungslos an. „Mehr oder weniger.“ Ich schlage mir den Teller mit Rührei voll und Toast und Obst, ich werde heute alles durcheinander essen, einfach so, weil ich Lust dazu habe. „Gibt’s hier Ketchup?“, frage ich und sehe mich suchend nach Ansgar um, der ein paar Meter entfernt von uns steht und schon sehnsüchtig auf neue Anweisungen wartet. „Ansgar, bringen Sie mir bitte eine Flasche Ketchup.“ Der hauseigene Diener der Kidos sieht mich unsicher an. „Es könnte sein, dass wir keinen im Haus haben, Miss Tachikawa.“ Ich winke ab. „Halb so wild, setzen Sie es auf die Einkaufsliste.“ Ansgar runzelt zwar die Stirn, nickt jedoch. „Ähm, Mimi“, sagt Joe und beugt sich leicht über den Tisch. „Geht es dir gut?“ Ich nicke eifrig, während ich mir eine Unmenge an Rührei in den Mund schiebe. „Ging mir nie besser. Hier.“ Ich reiche ihm den Vertrag rüber. Joe nimmt ihn an sich und fängt sofort an zu stutzen, als er die ersten Seiten durchblättert. „Du hast ziemlich viel durchgestrichen“, stellt er nüchtern fest und ich nicke wieder. „Und noch was hinzugefügt“, entgegne ich. „Hinzugefügt?“ Joe sieht zu mir auf, während Kaori neben mir Schnappatmung bekommt. „Mimi! Du hast den Ehevertrag geändert?“ Aus ihrem Mund klingt das wie ein Verbrechen. Jim legt sein Besteck klappernd nieder und lehnt sich zurück. „Großartig. Na, das wird unserem Vater ja gefallen.“ Ich funkle ihn über den Tisch hinweg an, kaue dann auf und schlucke das Essen runter, so wie meine Abneigung. Dann fokussiere ich mich wieder auf Joe. „Um ehrlich zu sein, sind die Änderungen nicht verhandelbar.“ Ich schaue ihn durchdringend an, damit er merkt, wie ernst es mir ist. Dann schenke ich ihm ein Lächeln. „Aber du darfst es dir gerne durchlesen.“ Na, wie fühlt sich das an, wenn jemand anderes plötzlich über dein Leben bestimmen will, Joe? Unter dem Tisch berührt Tai meinen Knöchel mit dem Fuß. Er sieht mich an, als wolle er sagen „Was tut du da nur, Mimi?“ Aber ich lasse mich nicht beirren. Joe beginnt ein paar Zeilen zu lesen, runzelt die Stirn, räuspert sich, blättert um, zieht eine Augenbraue in die Höhe, rückt seine Brille gerade, blättert wieder um … Ich habe das Gefühl, dass gerade alle gespannt die Luft anhalten und darauf warten, dass er was sagt – außer mir, ich genieße in aller Seelenruhe mein Frühstück. Plötzlich lacht Joe ganz trocken. „Absatz 23, Punkt 5: Meiner Ehefrau Mimi steht es zu, sich innerhalb unseres Heims frei zu bewegen. Es ist ihr gestattet, die Kleidung zu tragen, die sie mag und in der sie sich wohl fühlt. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen gilt natürlich weiterhin die klassische Kleiderordnung.“ Er sieht zu mir auf. „Was dein heutiges Outfit erklären würde.“ Ich zucke belanglos mit den Schultern und schiebe mir eine Erdbeere in den Mund. „Keine Sorge, heute Abend auf dem Ball zeige ich mich wieder von meiner besten Seite.“ Joe nickt zwar, aber ich habe keine Ahnung, ob er mir damit signalisieren möchte, dass er einverstanden ist oder dass er es lediglich zur Kenntnis genommen hat. Er blättert um und liest weiter, dann hebt er überrascht die Augenbrauen. „Du willst deinen Namen behalten?“ „Was? Das geht nicht“, entrüstet sich Jim sofort und sieht ziemlich angefressen aus. „Alle Frauen, die in die Familie einheiraten, nehmen den Namen Kido an.“ „Mache ich auch“, sage ich und lehne mich entspannt zurück. „Es soll ein Doppelname werden: Tachikawa-Kido.“ Kaori muss einen großen Schluck Wasser trinken, um das zu verdauen, wohingegen Joe immer noch recht entspannt aussieht. „Joe! Das kannst du ihr nicht erlauben, Vater wird …“ „Ich allein bestimme, was ich meiner Ehefrau zugestehe“, fällt ihm Joe bestimmend ins Wort und kurz muss ich mir doch glatt eingestehen, dass ich so viel Rückgrat nicht von ihm erwartet hätte. Tai sitzt die ganze Zeit angespannt neben mir und sagt kein Wort. Wie gerne würde ich jetzt einfach seine Hand halten. „Gut, wie du meinst“, knirscht Jim zwar mit den Zähnen, aber gibt sich fürs Erste geschlagen. Ich glaube, er würde mir jetzt liebend gern den Hals umdrehen. „Und was ist das?“, fragt Joe irritiert und hält das Blatt näher an sein Gesicht, als würde er nicht richtig lesen. „Du bist mit der Kinderklausel nicht einverstanden?“ Ich nicke. Hat er ernsthaft gedacht, ich mache mich zur Zuchtstute? „Ich finde diesen Punkt äußerst übergriffig“, sage ich ehrlich. „Nach zwei Jahren das erste Kind, dann nach weiteren drei das zweite Kind und falls es nur Mädchen werden, noch ein drittes, mit der Option auf einen Jungen? Ernsthaft? Wieso gehen wir nicht gleich ins Labor und lassen uns ein Baby ranzüchten?“ Joe sieht mich fragend an, als würde er nicht verstehen, worauf ich hinaus will. „Aber was ist daran so verkehrt? Es ist gut, eine Vorstellung zu haben, was die Kinderplanung angeht.“ Ich nicke. „Da stimme ich dir zu. Aber meine Kinderplanung sieht so aus: ich bekomme ein Kind, Punkt. Genau eins. Nicht zwei und auch nicht drei. Und es ist mir egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Ich bin selbst Einzelkind und verstehe nicht, was falsch daran sein soll.“ „Aber sagtest du nicht …?“, fragt Joe irritiert nach und ich weiß genau, worauf er anspielt. „Dass ich fünf Kinder haben möchte? Ja. Das war gelogen.“ „Wie so manches“, zischt Jim verächtlich, aber ich beachte ihn gar nicht. Kaori sieht mich nur mit großen Augen an, als könne sie es nicht fassen, was sich hier gerade abspielt und als Joe dann auch noch nickt, kippt sie beinahe vom Stuhl. „In Ordnung“, lenkt Joe endlich ein. „Ein Kind reicht mir auch völlig. Aber über einen Punkt müssen wir noch sprechen“, verkündet Joe schließlich, als er die restlichen Anmerkungen überflogen hat. „Das Begleichen der Schulden von deinem Vater.“ Wusste ich doch, dass er bei diesem Punkt nicht so einfach zustimmen wird, das hatte ich erwartet. Aber da ich allein durch die Heirat nicht an Joes Vermögen ran komme, verpflichte ich ihn mit dieser Klausel dazu, zumindest die Schulden meines Vaters zu begleichen, sobald wir verheiratet sind. „Von wie viel Geld sprechen wir?“ „Joe, ernsthaft, das kannst du nicht …“, versucht Jim es erneut, doch Joe hebt nur die Hand als Zeichen, dass er sich raushalten soll. „Genau weiß ich das noch nicht, weil inzwischen einige Anklagepunkte dazu gekommen sind. Aber die Summe der Schulden wird auf 15 Millionen Dollar geschätzt.“ Kaori verschluckt sich an ihrem Wasser, während Jim zu wüten anfängt. „Du kleines Biest“, schimpft er auf mich ein. „Wieso sollte Joe den Kopf dafür hinhalten?“ „Er muss nicht den Kopf dafür hinhalten, nur sein Geld“, erwidere ich selbstsicher. Und wenn es ihm nicht passt, steht es ihm frei, die Verlobung aufzulösen. Natürlich wäre ich am Boden zerstört, aber was soll man machen? „Jim, Liebling, beruhige dich bitte“, versucht Kaori ihren Ehemann zu beschwichtigen, doch der ist bereits von seinem Stuhl aufgesprungen. „Diesen Schwachsinn höre ich mir nicht länger an“, sagt er und wirft seine Serviette auf den Tisch. „Kaori, wir gehen. Joe, lass dich weiter von diesem Gör an der Nase rum führen, aber am Ende sammelst du die Scherben allein auf.“ Kaori, ganz die brave Ehefrau, steht auf, entschuldigt sich mit einer tiefen Verbeugung und eilt ihrem Mann nach. „Jim hat recht, Mimi“, sagt Joe schließlich. „Deine Forderungen sind ziemlich hoch.“ Ich lehne mich nach vorne und lege die Arme überkreuzt auf dem Tisch ab. „Das ist mir bewusst, aber wie ich schon sagte – nicht verhandelbar.“ Dann wiederhole ich Joes Worte von vorhin und schlage ihn mit seinen eigenen Waffen. „Kein Ehevertrag …“ „Keine Hochzeit“, beendet er meinen Satz. Dann lacht er kopfschüttelnd und überreicht den Vertrag an Tai. „Überarbeite das in Mimis Sinn.“ Völlig entgeistert starre ich ihn an, als er sich von seinem Platz erhebt. „Wie? Echt jetzt?“ „Offensichtlich habe ich keine Wahl“, entgegnet Joe ruhig. Wow, der ist ja heute so gar nicht aus der Ruhe zu bringen. Ich hatte mir ein wenig mehr Drama erhofft. Das war fast schon zu leicht. Tai nickt und meint, dass er den endgültigen Vertrag in ein paar Tagen überarbeitet hat und zusätzlich noch von einem Anwalt auf seine Richtigkeit prüfen lassen wird, ehe wir ihn zum Unterschreiben zurück erhalten. Joe verbeugt sich und ich starre ihm hinterher, als er sich auf den Weg in sein Büro macht. „Ich kann das grad nicht glauben“, sage ich immer noch fassungslos, woraufhin Tai zischt. „Ich auch nicht. Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Ich grinse ihn schief an. „Wieso? Es ist doch ganz gut gelaufen für mich.“ Tai massiert sich seufzend die Schläfe. „Ist das deine Auffassung von: verhalte dich unauffällig?“ Ich zucke mit den Schultern und beginne zu kichern, weil ich das eben eindeutig als einen Erfolg verbuche. „Hör auf, zu lachen“, ermahnt mich Tai plötzlich viel zu streng. „Meinst du allen Ernstes, ein Kido würde dafür keine Gegenleistung verlangen? Er hat es nicht direkt gesagt, aber so läuft das in dieser Familie. Hier kriegst du nichts aus reiner Nettigkeit geschenkt.“ Ich starre ihn an. Lasse seine Worte kurz auf mich wirken. Plötzlich fühle ich mich schlecht. „Ich will doch nur …“, flüstert Tai und greift unter dem Tisch nach meiner Hand. „Ich will nur, dass dir nichts passiert. Lehne dich bei dieser Familie nicht zu weit aus dem Fenster, Mimi.“ Ach, Tai. Ich versuche die Tränen zu unterdrücken, weil ich inzwischen gar nicht mehr weiß, was ich ohne ihn machen sollte. Seine warmen Augen ruhen auf meinen und es fühlt sich irgendwie magisch an. Als hätten wir eine Verbindung, die niemand spüren kann, außer uns. So muss es sich anfühlen, wenn man sein Herz an eine einzige Person verliert. Ich würde mich immer wieder für dich entscheiden, Tai. Ich würde mich immer wieder in dich verlieben. Noch ganz in Gedanken versunken, bemerken wir gar nicht, wie Frau Kido auf die Terrasse zu uns kommt. Sie bleibt für einen kurzen Moment stehen und sieht uns an. Tai wendet sich sofort von mir ab und lässt meine Hand unter dem Tisch los. Ich hasse es, dass wir uns vor anderen so distanzieren müssen. „Tai, mein Lieber, ich bräuchte da deine Hilfe mit einigen Akten. Wärst du so lieb und würdest kurz rein kommen?“ Tai springt sofort von seinem Stuhl auf und klemmt sich den Vertrag unter den Arm. „Natürlich.“ Er verabschiedet sich nicht mal von mir, nur, um den Schein zu wahren. Die Euphorie meines Erfolges von eben ist schlagartig verschwunden, denn das alles ist einfach nichts wert, wenn ich Tai nicht an meiner Seite haben kann. Wenn er noch nicht voll und ganz zu mir gehört. Am Abend mache ich mich für die Wohltätigkeitsgala fertig. Ich dusche und ziehe mein mintgrünes Kleid an, lege Make Up auf und mache mir mit einem Lockenstab ein paar Locken in die Haare. Dann flechte ich mir an der Seite einen lockeren Zopf und binde ihn hinten in einer eleganten Frisur mit ein. Einige sanfte Wellen lasse ich noch nach vorne fallen, damit der Look für mich perfekt ist. Zufrieden lächle ich in den Spiegel. Ich hoffe, dass es Tai gefällt. Als ich das Bad verlasse, werfe ich einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass ich noch etwas Zeit habe. Also verzichte ich darauf, jetzt schon High Heels anzuziehen und nehme stattdessen mein Tagebuch, um mich auf die Fensterbank zu setzen. Definitiv mein Lieblingsplatz in diesem Haus. Ich ziehe die Beine an und lege das aufgeschlagene Buch darauf, um zu schreiben. Ich muss gar nicht lang überlegen, die Wörter sprudeln nur so aus mir heraus. Ich schreibe ein kurzes Gedicht und seufze verliebt, als ich fertig bin. Für mich ist das immer noch die beste Art, um meine vielen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Ich lächle glücklich, als es an meiner Tür klopft. „Ist offen“, rufe ich und keine Sekunde später betritt Tai den Raum. Überrascht drehe ich den Kopf in seine Richtung. „Tai?“ „Hallo, Prinzessin“, begrüßt er mich, nachdem er die Tür geschlossen hat. Für einen Moment starre ich ihn einfach nur an. Er sieht umwerfend aus. Er trägt einen dunkelblauen Anzug und ein weißes Hemd. Seine Haare sind wild wie immer, aber seine ganze Erscheinung zieht mich in seinen Bann. Wie kann dieser Mann nur so unverschämt attraktiv sein? „Joe hat mich gebeten, dich abzuholen. Seine Eltern sind schon mal vorgefahren“, sagt er und kommt auf mich zu. „Aber ich denke, wir haben noch fünf Minuten für uns.“ Ich strahle ihn an, weil ich über jede Minute, in der ich mit ihm alleine sein kann, dankbar bin. Dann klopfe ich vor mich auf die Fensterbank. „Setz dich zu mir, ich will dir etwas vorlesen.“ Tai folgt meiner Bitte und setzt sich mir gegenüber, zieht ein Bein an, um seinen Arm darauf abzustützen, das andere lässt er auf dem Boden stehen. Neugierig sieht er mich an. „Aus deinem Tagebuch?“ Ich nicke. „Jep. Ich möchte, dass du es hörst.“ Tai hebt die Hand und kreuzt Zeige- und Mittelfinger miteinander, während er die Augen zusammenpresst. „Bitte einen Sex-Traum, bitte einen Sex-Traum.“ Ich lache laut auf und schlage ihm gegen den Oberarm. „Sei nicht albern! Das war nur ein mal.“ „Zu schade“, entgegnet er schmollend, grinst dann jedoch erwartungsvoll. „Okay, ich bin bereit.“ Lächelnd schüttle ich den Kopf, ehe ich Luft hole und ihm meine Zeilen vorlese … „Something about you Do you feel the way I do? There's magic in the room Tell me, do you feel it too? Tell me, what we gonna do? Are you feeling the rush? If so, then I think I know what's going on And are we falling in love? Say yes or no Yes or no Yes or no Are you thinking 'bout us? If so, then I think I know what's going on And are we falling in love? Say yes or no Yes or no Yes or no“ Als ich fertig bin, sehe ich zu Tai auf, der die ganze Zeit still war und mir zugehört hat. Unverwandt sieht er mich an, während ich mit den Schultern zucke. „Es ist nur ein kurzes Gedicht“, sage ich. Im nächsten Moment macht Tai eine schnelle Bewegung und beugt sich zu mir nach vorne. Er legt die Hand in meinen Nacken, zieht mich zu sich und küsst mich. Der Kuss kommt so unerwartet, dass ich kurz wie erstarrt bin, doch dann schlinge ich beide Arme um seinen Hals und erwidere seinen hungrigen Kuss. Das Tagebuch rutscht mir vom Schoß und fällt dumpf zu Boden. Tai löst sich schwer atmend von meinen Lippen und presst seine Stirn gegen meine, während seine Hand immer noch in meinem Nacken liegt. „Ja! Tausend mal Ja! Ich würde immer Ja zu dir sagen. Zu uns. Und ja, ich fühle das, was du fühlst und manchmal macht es mir verdammt viel Angst“, flüstert er an meinen Lippen, so sanft, so ruhig. Ich nicke stumm, weil ich weiß, was er meint. Mir geht es genauso. „Es macht mir Angst, dass ich mich so sehr in dich verliebt habe. Das bedeutet, dass du die einzige Person bist, die mir wirklich weh tun kann.“ Nun öffnet er die Augen und sucht meinen Blick. „Und trotzdem, ja, ich würde dir mein Herz immer wieder schenken, Mimi. Ich würde mich immer wieder in dich verlieben. Ich bin dir hoffnungslos und unwiderruflich verfallen.“ Bei diesen Worten schlägt mir das Herz bis zum Hals und ich habe das Gefühl, dass jegliche Luft aus meinen Lungen verschwunden ist. Tai legt erneut seine Lippen auf meine und für einen winzigen Moment erlauben wir uns, uns in diesem Kuss zu verlieren. Einfach alles andere auszublenden. Zu vergessen, wo wir sind. Es ist unfassbar, dass er solche Gefühle in mir auslöst, mein Herz zum Stolpern bringt und mir eine Gänsehaut beschert, wenn er mich nur ansieht. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich in ihn verlieben würde, aber es ist geschehen und es gibt kein Zurück mehr. Tai ist alles, was ich will. Alles, was ich brauche. Als wir uns endgültig voneinander lösen und ich ihn ansehe, seine warmen Augen, seine weichen Lippen, muss ich lächeln. „Ich könnte die ganze Nacht mit dir hier auf dieser Fensterbank sitzen und dich küssen“, gestehe ich, woraufhin Tai’s Mundwinkel in die Höhe wandern. „Glaub mir, Prinzessin, das könnte ich auch. Und noch so viel mehr.“ Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem verschmitzten Grinsen und mir wird augenblicklich heiß. Herr Gott, was würde ich dafür geben, um diese Nacht mit ihm zu verbringen? „Wir müssen los“, sagt Tai jedoch plötzlich und jegliche Romantik schwindet dahin, vor allem, wenn ich daran denke, gleich Joes Vater auf dem Ball gegenüber zu treten. Tai, der meine ernsten Gedanken wohl bemerkt hat, greift nach meiner Hand. Die andere Hand legt er an meine Wange. „Hey, Mimi, ich weiß, das wird heute Abend schwer für dich. Aber du schaffst das, du bist stark. Und ich schwöre, dass ich dich keine Sekunde aus den Augen lassen werde. Auch wenn ich nicht immer an deiner Seite sein kann, kannst du dir sicher sein, dass ich auf dich aufpassen werde. Haruiko wird dir nicht mehr zu nahe kommen, das verspreche ich dir.“ Ich nicke dankbar und hebe Tai’s Hand an meine Lippen. „Ich bin so froh, dass du heute Abend bei mir bist.“ Tai lächelt. „Ich werde immer bei dir sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)