Love against all Reason von Ukiyo1 (Liebe gegen jede Vernunft) ================================================================================ Kapitel 32: Kapitel 32 ---------------------- Mimi Ich sehe in Kari’s angespanntes Gesicht. Sie sitzt mir in der Limousine gegenüber, den Blick starr auf mich gerichtet. Nachdem Tai sich überlegt hat, wie wir am besten verkaufen, dass ich die ganze Nacht lang weg war und erst am frühen Morgen in meinem Ballkleid nach Hause komme, kam er auf die Idee, mich zu Kari zu bringen. Von dort aus habe ich dann den Chauffeur angerufen und mich abholen lassen. So kann ich glaubhaft behaupten, ich wäre nach dem Ball noch bei Kari gewesen und dort eingeschlafen. Und, dass sie mich, gezwungenermaßen, jetzt nach Hause begleitet, unterstreicht meine Geschichte noch mal. Trotzdem. Lust hatte sie dazu keine. Was man ihr ansieht. „Das ist unangenehm“, sage ich zu ihr und meine damit nicht nur die Tatsache, dass sie weiß, dass ich mit ihrem Bruder geschlafen habe. Sondern vor allem diese Situation jetzt. „Du starrst mich an wie ein Jäger, der gleich ein Kaninchen erlegt.“ Ich glaube, sie holt gleich ihr Gewehr raus. Kari holt tief Luft und schnaubt geräuschvoll. Mir wäre es lieber, sie würde mich anschreien. Tut sie aber nicht. „Was habt ihr euch nur dabei gedacht?“ Ich senke den Kopf und fummle peinlich berührt am Stoff meines Kleides herum. Ich komme mir vor wie ein kleines Kind, das etwas Dummes getan hat und nun Ärger bekommt. „Mimi! Wenn das rauskommt! Ihr seid tot – beide!“ „Möglich …“, sage ich kleinlaut. „Aber …“ „Bitte“, unterbricht Kari mich und hebt die Hand. „Sprich es nicht aus. Sag nicht, dass ihr euch liebt, denn wir wissen alle, dass das nicht sein darf. Mimi, ernsthaft, es gibt einen Grund, warum Kaori damals die Beziehung zu Tai sofort aufgegeben hat: weil die Konsequenzen noch schlimmer wären, als eine arrangierte Ehe auszuschlagen.“ Verdammt. Sie hat schon irgendwie recht, mit dem, was sie sagt. Trotzdem bereue ich nicht eine einzige Minute. Soll sie mich doch dafür verurteilen. Und Joe. Und alle anderen Kidos. Soll mich doch die ganze Welt verurteilen, es interessiert mich nicht! Diese Nacht war … magisch. Und ich bereue keine einzige Sekunde davon, keinen einzigen Kuss, keine einzige Berührung. Im Gegenteil, ich wünschte mir, wir könnten das wiederholen. Ich erröte bei der Erinnerung an letzte Nacht, was Kari wohl bemerkt. „Gott, du bist ja ganz liebestrunken.“ Ich schaue zur Decke. „Was würdest du denn an meiner Stelle tun?“ „Ich?“, fragt Kari und ich erwarte schon die nächste Standpauke. „Ich würde wahrscheinlich ganz genau das Gleiche machen wie du.“ Nun schaue ich sie überrascht an. „Aber du sagtest doch eben …“ „Dass ihr beide tot seid, wenn das raus kommt, richtig. Wir wissen, dass das unvernünftig von euch war. Aber … wenn ich in deiner Haut wäre …“ Sie überlegt einen Moment, als müsste sie noch mal kurz in sich gehen, ehe sie einen endgültigen Entschluss fasst. „Doch. Wenn es Takeru wäre … ich könnte mich unmöglich von ihm fernhalten. Das würde gar nicht gehen.“ Ihre Offenheit überrascht mich. Damit habe ich nicht gerechnet. „Ich bin froh, dass du das verstehst“, sage ich und sie lacht gequält auf. „Natürlich verstehe ich dich, Mimi. Ich verstehe euch beide. Ihr habt anscheinend wirklich so etwas wie eine Verbindung zueinander und das habe ich von Anfang an gespürt. Aber das heißt nicht, dass es nicht furchtbar dumm war, sich direkt ins Feuer zu stürzen.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe, während wir die Einfahrt zum Kido Anwesen hoch fahren. Es ist längst hell, 8.15 Uhr, und in der Villa herrscht vermutlich reges Treiben. Ich kann nur hoffen, dass der Herr des Hauses mich nicht sofort empfängt. Kari hat recht – wir haben uns direkt ins Feuer gestürzt. Wenn wir uns jetzt daran verbrennen, ist es unsere eigene Schuld. Aber das war’s wert. „Er bedeutet mir unfassbar viel, Kari“, sage ich, weil ich das unbedingt noch loswerden muss, bevor ich aussteige. „Ich habe noch nie so für einen Mann empfunden, wie für Taichi.“ „Du meinst, du warst noch nie verliebt?“ Kari zieht eine Augenbraue in die Höhe, während die Limousine zum Stehen kommt. Ich schaue aus dem Fenster und sehe bereits Ansgar auf uns zu kommen. „Doch, ich war schon mal verliebt. Aber mit Tai ist es anders. Es ist … intensiver. Es fühlt sich besonders an.“ Als ich mich wieder zu Kari drehe, sehe ich sie überraschenderweise lächeln. „Ich weiß, was du meinst. Bitte seid trotzdem vorsichtig. Ich will mir nicht ausmalen, was passiert, wenn Joe davon erfährt.“ Ich nicke. Will ich mir auch nicht ausmalen. „Tut mir leid, dass wir dich da mit reingezogenen haben.“ Sie rollt mit den Augen, grinst aber gleichzeitig, als Ansgar die Tür öffnet. „Miss Tachikawa, wir haben Sie schon sehnsüchtig erwartet.“ Natürlich. Was sonst? Ich steige aus und sehe, wie Haruiko durch den Eingangsbereich geht. Er ist also zu Hause. Schnell beuge ich mich noch mal zu Kari. „Hey, Kari, wenn du schon mal hier bist … hast du nicht Lust, mit mir zu frühstücken? Joe hat ja heute leider keine Zeit, um mir Gesellschaft zu leisten.“ Zum Glück willigt Kari sofort ein und ich atme erleichtert auf. Gerade habe ich wirklich keine Lust, mit diesen Menschen alleine zu sein. Ich müsste zwar eigentlich eine Mütze Schlaf nachholen, aber das kann ich auch noch später machen. Tai Unfassbar, dass ich gerade ernsthaft in einem Café sitze und immer noch wach bin. Ich trinke gerade meinen dritten Espresso, um mich irgendwie auf den Beinen zu halten. Inzwischen ist es nach 15.00 Uhr und ich hatte nach der letzten Nacht noch keine Gelegenheit, ein Auge zu zu tun. Die letzte Nacht … Gott, das war unglaublich. Ich hätte nie gedacht, dass Mimi und ich in jeder Hinsicht perfekt zueinander passen. Wenn ich daran denke, wie sich ihr nackter Körper an meinen geschmiegt hat, kribbelt es in meinem Bauch. Ich spüre noch immer ihre Lippen auf meiner Haut, die jeden Quadratzentimeter meines Körpers erkundet haben. Ich habe es noch nie so sehr genossen, mit einer Frau zu schlafen, wie mit Mimi. Wir können wild sein und ich kann sie zum Schreien bringen, aber wir können auch zärtlich sein und uns einfach stundenlang lieben, als gäbe es nur uns beide auf der Welt. Als hätte sonst nichts mehr eine Bedeutung. Wie sehr wünsche ich mir diese gemeinsamen Stunden mit ihr zurück. Umso mehr hoffe ich, dass ich heute endlich erfolgreich bin. Für Mimi. Für uns. Ich greife mir fahrig ins Haar und überfliege noch mal die Daten, die ich mühsam zusammengetragen habe. Es gibt eine Frau, 49 Jahre alt, sie heißt Ayaka Yano, ist nicht verheiratet, hat ein Kind und war früher als Dienstmädchen im Hause Kido angestellt. Um genau zu sein, vor 17 Jahren. Ich halte gerade ihren Lebenslauf in den Händen, den ich zum Teil aus alten Akten, aber zum Teil auch selbst recherchiert habe. Im Prinzip ist nichts Merkwürdiges oder Auffälliges daran. Sie hat mit 18 die Schule beendet und dann direkt bei den Kidos als Hausmädchen angefangen. Eine Ausbildung oder ein Studium hat sie nicht gemacht. Wie ich in Erfahrung bringen konnte, hat ihre Mutter bereits bei den Kidos als Köchin gearbeitet, weshalb sie dort schon einen Fuß in der Tür hatte. Ich verstehe zwar nicht so ganz, warum sie sich nicht die Mühe gemacht und eine Ausbildung angefangen hat, aber ich weiß auch, dass die Kidos nicht unbedingt schlechtes Geld zahlen. Sie hatte sicher einen guten Verdient, der ihr zum Leben reichte. Ihre Mutter hörte nach zwei Jahren auf, dort zu arbeiten, während sie selbst insgesamt 14 Jahre dort angestellt war. Das ist eine lange Zeit. Dann hat sie von heute auf morgen gekündigt und in einem Hotel angefangen. Auch das ist nicht ungewöhnlich. Was mich jedoch stutzen ließ, ist die Tatsache, dass sie kurz nach ihrer Kündigung bei den Kidos ein Haus kaufte. Ich habe ihre Adresse gegoogelt und mir ihr Haus bei Google Maps angesehen, sie wohnt dort immer noch. Es ist eine wunderschöne Villa, viel zu groß für eine alleinstehende Frau und ihr Kind und vor allem viel zu teuer. Wie, um alles in der Welt, konnte sie sich das leisten? Glücksspiel? Erbe? Oder steckt da mehr dahinter? Eventuell Schweigegeld? Sie hat genau zu dem Zeitpunkt gekündigt, zu dem auch das ganze andere Personal ausgetauscht wurde. Zufall? Ich denke nicht. Ich habe Frau Yano eine E-Mail geschrieben und sie hat eingewilligt, sich persönlich mit mir zu treffen. Ich bin sehr gespannt, was sie mir erzählen wird und kann es kaum abwarten. Ich hoffe so sehr, dass das endlich eine Spur ist. Als hinter mir die Ladentür aufgeht, tritt gleich darauf eine Frau an meinen Tisch. Ich habe ihr gesagt, dass ich eine blaue Jacke trage und braune Haare habe und offenbar bin ich der Einzige, der hier so aussieht. „Sind Sie Taichi?“ Ich sehe zu ihr auf. Sie trägt einen Hut und eine Sonnenbrille, schwarze Kleidung. Himmel, kommt sie gerade von einer Beerdigung? „Frau Yano? Ja, ich bin Taichi Yagami. Bitte, setzen Sie sich doch.“ Die Frau nimmt mir gegenüber Platz, sieht sich dabei mehrmals nach allen Seiten um. Ich stutze ein wenig. „Werden Sie verfolgt?“ „Das kann man nie wissen“, sagt sie geheimnisvoll und ich fange an zu denken, dass sie vermutlich einen Knall hat. Vielleicht ist sie paranoid. „Und bitte, nennen Sie mich Ayaka.“ Jetzt nimmt sie endlich ihre Sonnenbrille ab und zwei dunkelbraune Augen, um die sich schon einige Fältchen gebildet haben, schauen mich an. „Sie sind ziemlich mutig, dass sie sich mit mir in der Öffentlichkeit treffen wollten. Haben Sie denn gar keine Angst?“, fragt sie. Angst? Wieso sollte ich Angst haben? „Ich dachte, Sie würden niemals kommen, wenn ich Ihnen vorschlage, sich mit mir in einer dunklen, verlassenen Gasse zu treffen.“ Sie lacht trocken auf. „Glauben Sie mir, eine dunkle, verlassene Gasse wäre mir gerade lieber.“ Danach winkt sie den Kellner zu sich und bestellt einen grünen Tee. Diese Frau ist mehr als nur merkwürdig. Oder ist sie einfach nur verängstigt? „Warum haben Sie zugestimmt, sich mit mir zu treffen, wenn Sie solche Angst haben?“, hake ich nach. Sie sieht mich ziemlich ausdruckslos an, aber irgendwie auch fast so, als wäre ich derjenige, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Versteht sie meine Frage nicht? „Ich wollte Sie warnen.“ „Mich warnen? Wovor?“ „Sie spielen mit dem Feuer, mein Lieber.“ Mit dem Feuer? Meint sie Haruiko Kido? Weiß sie, dass es um ihn geht? Ihr Tee wird gebracht und sie beginnt, ihn sorgfältig umzurühren, während sie mich über den Tisch hinweg mit ihren Blicken durchbohrt. „Wissen Sie denn nicht, mit wem Sie es zu tun haben? Sie arbeiten doch auch für die Familie Kido, so wie ich das verstanden habe, oder?“ Ich nicke kurz. „Dann wissen Sie doch vermutlich auch, dass Dr. Kido seine eigenen Leute hat, die ihm Informationen zutragen, nicht? In welcher Position arbeiten Sie für ihn?“ Halt, Moment. Ich dachte, ich stelle hier die Fragen. „Ich arbeite eigentlich gar nicht speziell für ihn, sondern für seinen jüngsten Sohn, Joe Kido. Er ist ein enger Freund von mir.“ „So?“ Erstaunen legt sich auf ihr Gesicht. „Der kleine Joe? Ich kann mich noch gut an ihn erinnern. Er war immer so ein lieber, stiller Junge. Ich habe gehört, er ist auch Arzt geworden, wie sein Vater. Und genauso wie Jim, sein älterer Bruder. Den konnte ich hingegen noch nie leiden. Er war immer so arrogant und von oben herab mit den Leuten.“ Innerlich muss ich grinsen. Da haben wir doch tatsächlich was gemeinsam. „Erzählen Sie mir von sich, Ayaka? Wie kam es, dass sie damals bei den Kidos aufgehört haben als Dienstmädchen zu arbeiten? Ich habe Ihren Lebenslauf aus alten Akten herausgesucht. Sie haben lange da gearbeitet und dann plötzlich nicht mehr.“ Sie rührt ihren Tee um und nimmt einen Schluck davon. „Ich gebe keine Informationen preis“, sagt sie und setzt die Tasse wieder ab. „Warum sind Sie dann gekommen?“ „Um Sie zu warnen, das sagte ich doch schon.“ „Das hätten sie auch am Telefon oder per Mail machen können. Aber Sie sind hier. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mir was mitzuteilen haben.“ Sie wendet den Blick ab und sieht aus dem Fenster. „Meine persönlichen Interessen gehen Sie nichts an. Ich handle in eigener Sache. Es gibt da jemanden, den ich beschützen muss und für den es besser ist, keine Fragen zu stellen.“ Ich falte die Hände auf dem Tisch und sehe sie eindringlich an. „Geht mir genauso. Auch ich möchte jemanden beschützen. Daher brauche ich Ihre Hilfe.“ Jetzt sieht sie mich interessiert an. „Sie möchten jemanden beschützen?“ Ich nicke. „Meine Freundin. Sie …“ Ich überlege, wie viel ich ihr anvertrauen kann, entscheide mich jedoch dann gegen die ganze Wahrheit. „Sie bedeutet mir sehr viel und sie hat Ärger mit den Kidos.“ Ihre Mundwinkel zucken belustigt, als hätte ich einen Witz gemacht. „Dann sollte sie so schnell wie möglich das Land verlassen. Alaska soll um diese Jahreszeit sehr schön sein.“ Alaska. Will sie mich verarschen? Sie verschwendet meine Zeit. „Bitte helfen Sie mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie nichts wissen“, flehe ich sie förmlich an. „Alle anderen, die ich kontaktiert habe, haben sich nicht zurückgemeldet oder gesagt, ich solle sie in Ruhe lassen.“ Ayaka schüttelt den Kopf und verdreht dabei die Augen. „Das wundert mich gar nicht.“ Sie nimmt noch einen Schluck von ihrem Tee, während sie mich über ihre Tasse hinweg ansieht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie mehr weiß als sie zugibt. Vielleicht muss ich in die Offensive gehen. „Haben Sie ihr großes Haus von Ihrem Schweigegeld gekauft?“ „Ich habe kein Schweigegeld bekommen“, antwortet sie in aller Seelenruhe. Also, entweder ist sie eine verdammt gute Lügnerin oder ich tappe hier wirklich im Dunkeln. Allerdings hat mich mein Gefühl noch nie betrogen. Diese Frau weiß was, da bin ich mir ganz sicher. „Woher haben Sie dann das Geld gehabt, um sich so ein prunkvolles Anwesen leisten zu können?“, bohre ich weiter. „Ich habe geerbt.“ „Haben Sie nicht, ich kenne Ihren Stammbaum. Niemand aus Ihrer Familie war jemals reich.“ „Dann haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht“, meint Ayaka zwar anerkennend, tut aber gleichzeitig auch nichts, um Ihre Lüge zu vertuschen. „Was ist mit den anderen Mitarbeitern? Haben die Schweigegeld bekommen? Wieso hat die ganze Belegschaft vor 17 Jahren gekündigt?“ Mein Blick ruht verbissen auf ihr, als wäre sie eine Nuss, die ich knacken müsste. Eine verdammt harte Nuss. Aber diese Frau lässt sich einfach nicht in die Karten gucken. „Sie stellen zu viele Fragen, Taichi Yagami. Glauben Sie mir, das wird nicht gut ausgehen“, sagt sie schließlich und zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Ich weiß nicht, welchen Ärger Ihre Freundin mit den Kidos hat, aber Sie tun ihr einen Gefallen, wenn Sie nicht weiter bohren. Und mir würden Sie auch einen tun.“ Sie trinkt den letzten Schluck Tee aus ihrer Tasse und zieht dann ein paar Scheine aus ihrer Handtasche, um sie auf den Tisch zu legen. Sie will gehen. Ich beiße die Zähne zusammen. „Ich bin nicht hier, um Ihnen einen Gefallen zu tun.“ Sie steht auf, tritt neben den Tisch und sieht von oben auf mich herab. „Dann tue ich Ihnen jetzt einen. Ich sage Ihnen nur so viel: Sie öffnen die Büchse der Pandora, wenn sie weiter im Dreck wühlen. Hören Sie auf Fragen zu stellen und lassen Sie die Vergangenheit ruhen. So ist es für alle das Beste.“ Ich öffne den Mund, um noch etwas zu sagen, aber ich habe keine Chance. Ayaka verlässt das Café genauso schnell wie sie gekommen ist und lässt mich unwissend zurück. „Verdammt“, fluche ich und beiße mir in die Faust, um nicht auszuflippen. Wieso habe ich das Gefühl, dass ich ganz nah an der Wahrheit dran war und jetzt doch wieder mit leeren Händen zu Mimi zurückkehren muss? Wenn Ayaka nichts sagt, dann wird es niemand tun. Verflucht, dieser Mann kann doch nicht so erhaben sein. Niemand ist unantastbar, auch ein Dr. Kido nicht. Mimi Dieser Tag nimmt einfach kein Ende. Nachdem ich mit Kari gefrühstückt hatte, wollte ich mich eigentlich hinlegen und den fehlenden Schlaf nachholen, aber Frau Kido hat mich gleich nach dem Essen zu sich zitiert. Ausgerechnet heute kam sie auf die Idee, mich an ihrem Tagesablauf teilhaben zu lassen, da das ja außerordentlich wichtig ist. Sie hat mich damit so überfallen, dass ich unmöglich nein sagen konnte. Und um ehrlich zu sein, hat es mich schon länger interessiert, was sie den ganzen Tag so treibt. Als ich es jedoch erfahren habe, wünschte ich mir, ich hätte es nicht gewusst. Sie sagt, diese Aufgaben sind äußerst wichtig für die ganze Familie und dass ohne ihre Planung und Organisation hier gar nichts läuft. Sobald ich verheiratet bin wird mein Leben ähnlich aussehen. Joe und ich werden zwar nicht so ein großes Anwesen haben, aber es wird meine Aufgabe sein, mich um alles zu kümmern. Und wenn ich alles sage, dann meine ich auch ALLES. Frau Kido ist Personalmanagerin, Planerin, Innenarchitektin … alles, was Haus und Hof betrifft organisiert sie. Wo welches Bild hängt, wie oft die Bettlaken gewechselt werden, welche Feste gefeiert werden, wann das Personal kommt und geht. Es ist sterbenslangweilig. Nachdem ich ihr den ganzen Tag über bei ihrer „Arbeit“ über die Schulter sehen musste, ist es inzwischen Abend geworden und wir sind zum amüsanteren Teil übergegangen – dachte ich. Zu guter Letzt wollte sie mich in die Familienrezepte einweihen, also stehen wir seit zwei Stunden in der Küche und kochen allerhand Kram, den ich nicht kenne. Ich stelle mich furchtbar dämlich an, versuche jedoch, es mir nicht anmerken zu lassen. „Du musst es in dünne Scheiben schneiden, Kindchen“, erklärt sie mir zum wiederholten Male, während ich dabei bin Gemüse zu schneiden. Auf meiner Stirn glitzern Schweißperlen. „So?“, sage ich und versuche, sie mit meiner Arbeit zufrieden zu stellen, doch sie schenkt mir nur ein gequältes Lächeln. „Vielleicht muss ich erst mal mit den Rezepten vertraut werden, bevor ich mich ans Kochen wage“, sage ich und schiele in den Topf neben mir, aus dem Dampf aufsteigt. Diese Brühe da drin hat irgendwie eine ziemlich ungesunde Farbe, ich weiß nicht, ob das so sein muss. Riecht auch ein bisschen komisch. „Hat dir deine Mutter nie das Kochen beigebracht?“, fragt sie neugierig und es klingt beinahe wie ein Vorwurf. Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich hatte … ähm, andere Interessen.“ Jungs, zum Beispiel. „Aha“, macht sie und kostet die Brühe, die seit einer Stunde auf dem Herd köchelt. Sie verzieht das Gesicht. „Nun ja, dafür kannst du gut tanzen. Wir kriegen das schon noch hin. Es ist Tradition, dass die Ehefrau während der jährlichen Feiertage das Kochen übernimmt.“ Feiertage. Oh Gott, wie viele Feiertage gibt es wohl in Japan? Wahrscheinlich eher nicht so viele. „Das kriege ich schon hin“, sage ich total optimistisch. Sonst wird halt bei Mc Donalds bestellt. Ansgar steckt den Kopf zur Tür rein. „Mrs. Kido, es tut mir leid, wenn ich Sie stören muss, aber da ist ein dringender Anruf für Sie.“ Ja! Meine Rettung! „Das macht gar nichts“, erwidert Frau Kido und wischt sich ihre Hände an einem Küchentuch ab. „Wir sind für heute fertig.“ Oh, dem Himmel sei Dank! „Mimi, wir machen morgen weiter. Für heute ist es genug. Du hast dich wacker geschlagen.“ Ich grinse unsicher, ehe sie den Raum verlässt und ich seufzend in mich zusammensacke, als auch schon die nächste Person die Küche betritt – oder besser gesagt, sind es zwei Personen. Tai und Joe. Oh mein Gott. Verdammt. Ich werde sofort rot, als Tais und mein Blick sich kreuzen. Bilder von letzter Nacht schießen mir in den Kopf, aber ich versuche, sie schleunigst zu verdrängen. „Mimi“, sagt Joe und kommt um die Arbeitsplatte herum, um neugierig in den Topf zu gucken. „Ich habe gehört, du und meine Mutter hatten einen aufregenden Tag.“ „Kann man so sagen.“ Tai bleibt gegenüber von der Kochinsel stehen und hält Sicherheitsabstand zu mir. Er schafft es tatsächlich mich anzusehen, als hätten wir nicht die ganze Nacht lang Sex gehabt. Man, wie macht er das nur? „Darf ich mal kosten?“, fragt Joe und nimmt sich bereits einen Löffel, um die Brühe zu probieren, verzieht jedoch das Gesicht genauso wie seine Mutter eben. „Wow, da ist eine Menge Salz dran. Warst du verliebt beim Kochen?“ Ich fange an zu kichern, als wäre der Witz lustig gewesen und als ich zu Tai sehe, zucken auch seine Mundwinkel belustigt. „Ich muss wohl noch ein wenig üben“, gestehe ich. Joe klopft mir auf die Schulter, als wäre ich ein alter Kumpel. „Mach dir nichts draus. Das lernst du noch.“ Ich schenke ihm ein genervtes Grinsen, während sein Pieper losgeht. Sofort greift er danach und sieht darauf. „Sag nicht, du musst wieder die ganze Nacht lang weg“, sage ich. Ich wäre ja untröstlich. Aber Joe schüttelt den Kopf. „Nein, ich denke nicht, dass es so lange dauern wird. Aber ich muss definitiv hin. Tut mir leid. Morgen frühstücken wir wieder gemeinsam, versprochen.“ Er beugt sich nach vorne und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Am liebsten hätte ich die Hand genommen und ihn mir weggewischt, da ist er schon zur Tür raus. Irgendwie tut es mir leid, dass er absolut keine Ahnung hat, was hier abgeht. „Zum Glück hat er dich nicht vor meinen Augen auf den Mund geküsst“, sagt Tai und sieht mich ernst an. Es muss schwer für ihn sein, mit anzusehen, wie einer seiner besten Freunde dabei ist, sich in die Frau zu verlieben, die er liebt. Das verstehe ich. Und ich werde es so gut es geht vermeiden, dass Joe mich noch mal vor Tai küsst. Trotzdem seufze ich. „Ich fühle mich mies, weil wir Joe nichts sagen können.“ Ich habe bewusst nicht das Wort „betrügen“ benutzt, da Kaori mir ja schon gesagt hat, dass dieses Haus Augen und Ohren hat. Tai steht auf und geht zur Tür, um sie zu schließen. Er will mit mir allein sein. Sofort flammt das Feuer in mir auf, was wir letzte Nacht entfacht haben. So ist es immer, wenn wir alleine in einem Raum sind. Es knistert. Vor allem, wenn er mich mit diesem Blick und diesem Grinsen mustert. „Ich weiß, was du meinst“, sagt er jedoch nur und kommt dann um die Kochinsel zu mir herum. „Und du kannst also nicht kochen, ja?“ „Nope“, sage ich und werfe das Messer endgültig hin. Ich gebe auf. Tai schielt in den Topf rein. „Was sollte das denn werden?“ „Ramen?“ Jetzt zieht er die Augenbrauen zusammen und sieht mich extrem verwirrt an. „Ramen? Einfache Ramen?“ Ich zucke mit den Schultern, weil ich nicht weiß, was am Ende dabei rauskommen sollte. Ich habe schließlich nur Anweisungen befolgt. „Oh man, mach mal Platz da“, höre ich ihn rausposaunen und sogleich schiebt er mich zur Seite. „Hey! Denkst du etwa, du kannst es besser?“ Tais Lippen verziehen sich zu einem triumphierenden Grinsen. „Setz dich, sieh zu und lerne.“ Kopfschüttelnd lache ich und gehe auf die andere Seite der Kochinsel, um mich zu setzen und ihm dabei zuzusehen, was er da tut. Ich muss zugeben, ich bin erstaunt. Tai schneidet das Gemüse und setzt eine neue Brühe auf und ich muss gestehen, je länger ich ihm dabei zu sehe, umso mehr frage ich mich, was dieser Typ eigentlich nicht kann. „Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst“, meine ich nach einer Weile, während er ganz konzentriert bei der Arbeit ist. „Oh, Mimi Tachikawa, ich habe viele Talente“, tönt er grinsend, was mich zum Schmunzeln bringt. „Allerdings. Hast du heute was erreichen können?“ Wieder wähle ich meine Worte mit Bedacht, falls uns jemand abhört. Vorhin hat er mir geschrieben, er hätte sich mit einem ehemaligen Dienstmädchen der Kidos getroffen und ich brenne darauf, zu erfahren, was sie ihm erzählt hat. „Nicht so viel wie ich wollte. Es ist … kompliziert“, gesteht er mir und ich sehe die Anspannung in seinem Gesicht. Verflucht. Warum ist das nur so schwierig? Die Zeit rennt und rennt und wir haben immer noch nichts gegen Haruiko Kido in der Hand. „Willst du mal probieren?“, reißt mich Tai nun aus meinen ernsten Gedanken. Ich nicke und komme zu ihm herum. Tai hält mir einen Löffel mit Brühe hin und ich schlürfe ein bisschen davon. Dann verdrehe ich verträumt die Augen. „Oh Gott, du hast nicht untertrieben. Das schmeckt ja fantastisch. Woher kannst du so gut kochen, Tai?“ Er freut sich offenbar über mein Kompliment, denn er lächelt zufrieden. „Meine Mutter hat es mir beigebracht. Ist nicht schlecht, oder?“ „Nicht schlecht?“, meine ich und reiße ihm den Löffel aus der Hand, um gleich noch mal zu probieren. „Ich würde sterben dafür.“ Ich höre Tais Lachen und es geht mir direkt unter die Haut und erwärmt mein Herz. Warum kann es nicht einfach immer so sein? So unbeschwert, so leicht? Das wünsche ich mir von ganzem Herzen. „Du solltest das wirklich üben, Mimi. Jeder Japaner kann Ramen kochen“, merkt Tai an und es erinnert mich sofort an Frau Kido. Keine Ahnung, warum hier jeder Wert auf so was legt? Ich kann immerhin ganz super toll Tiefkühlpizza aufwärmen. „Was soll ich sagen? Ich kann nun mal nicht kochen und ich will es auch gar nicht können. Meine Qualitäten liegen definitiv woanders.“ „Das weiß ich inzwischen auch.“ Tai grinst mich anzüglich an und tritt hinter mich. Plötzlich liegen seine Hände auf meinen Schultern und fahren langsam meine Arme hinunter, was mir eine Gänsehaut beschert. Nun legt er eine Hand an meine Hüfte, mit der anderen streicht er mein Haar zur Seite. Er haucht mir einen Kuss in die Halsbeuge. Ich schließe die Augen, beinahe hätte ich aufgestöhnt. „Tai“, flüstere ich, während er mich weiter küsst. „Nicht hier. Es kann sein, dass hier Kameras sind.“ „Hier sind keine“, antwortet er leise und ich spüre, wie seine Hand langsam nach vorne zu meinem Hosenbund wandert. „Die Küche ist einer der wenigen Räume im Haus, die nicht unter Beobachtung stehen.“ Puh, okay. Es hat also auch seine Vorteile, wenn man die Kidos seit Jahren kennt und für sie arbeitet. Er öffnet den Knopf meiner Hose und ich spüre, wie mein Puls erwartungsvoll in die Höhe schießt und sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch ausbreitet. Genüsslich schließe ich die Augen, als er meinen Nacken weiter mit Küssen übersäht und seine Hand in meinen Slip gleiten lässt. „Und wenn die Küche stattdessen verwanzt ist? Wir könnten abgehört werden“, flüstere ich und versuche einen Seufzer zu unterdrücken, als er anfängt seine Finger in meinem Slip kreisen zu lassen. Seine Lippen berühren sanft mein Ohr und knabbern daran, ehe er wispert: „Dann musst du wohl ganz leise sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)