Love against all Reason von Ukiyo1 (Liebe gegen jede Vernunft) ================================================================================ Kapitel 33: ------------ Mimi Mein Wecker klingelt und ich bin wirklich mehr als müde. Dennoch kann ich nicht anders, als mit einem fetten Grinsen im Gesicht aufzuwachen. Tai, der Typ ist echt nicht von dieser Welt. Da hat er mich doch allen ernstes in der Küche der Kidos verführt. Mit hochrotem Kopf denke ich an die letzten 48 Stunden zurück. Gestern bin ich viel zu fertig gewesen und nur noch ins Bett gefallen. Jetzt strecke ich mich durch und blicke auf mein Tagebuch. Oh, du wirst dich wundern. Ich verlasse mein Bett, nehme meinen Lieblingsstift und setze mich mit meinem Tagebuch auf die Fensterbank. Wer weiß, vielleicht werde ich eines Tages eine Biografie schreiben, denn dann sind meine Tagebucheinträge Goldwert. Als ich fertig bin, gehe ich duschen und mache mich fertig für den Tag. In meinen Klamotten fühle ich mich gleich wohler. Da ich weiß, dass Haruiko immer um acht Uhr die Villa verlässt, gehe ich vorher auch nicht runter. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass er mich noch nicht auf den veränderten Ehevertrag angesprochen hat. So eine Gelegenheit lässt er sich doch sonst nicht entgehen, aber ich beschwere mich nicht. Vielleicht ist das auch nur die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Gleich erwartet mich wieder mein alltägliches Frühstück mit Joe. Yeah. Frau Kido erwartet mich heute ebenfalls wieder und ich will am liebsten nur weglaufen, denn die Lektionen mit ihr sind mit Abstand die langweiligsten. Mit einem rosanen Faltenrock und einem weißen T-Shirt betrete ich die Dachterrasse. Joe mustert mein heutiges Outfit. “Du hast wohl nichts längeres”, stellt er amüsiert fest. “Stört es dich?” “Nicht im geringsten.” Er beugt sich zu mir und will mich tatsächlich mit einem Kuss begrüßen. Oh nein, wird das jetzt immer so laufen? Er trifft meine Wange und ich bin froh, dass Tai gerade nicht da ist, obwohl ich ihn vermisse und mich frage, ob ich ihn heute sehen werde. “Dann ist es ja gut”, lächle ich ihn an und begutachte, den reichlich gedeckten Tisch. “Hast du heute wieder einen so vollen Tag?” “Ja, leider. Aber dafür werde ich immer alles tun, um gemeinsam mit dir zu frühstücken. Tatsächlich etwas was ich vorher nicht getan habe.” “Bist du immer nüchtern ins Krankenhaus gefahren?”, erkundige ich mich, lege auf mein Graubrot eine Scheibe Käse und drapiere zum Schluss Gurken und Tomatenscheiben darauf. Lecker. “Na ja, eine Tasse Kaffee intus und dann meist direkt los.” “Wow, dass ist aber nicht sehr gesund, werter Herr Doktor.” Joe lächelt und nickt mit dem Kopf. “Wohl wahr und tatsächlich tut es mir auch wirklich gut. Wirst du heute wieder mit meiner Mutter den Tag verbringen?” “Ja, ich habe wohl noch ein wenig Nachholbedarf.” “Ich finde es toll, dass du dir soviel Mühe gibst.” “Na ja, jede Japanerin beziehungsweise jeder Japaner sollte Ramen kochen können.” Tais Worte, nicht meine. Nachdem ich mein Käsebrot aufgegessen habe, genehmige ich mir noch eine Schüssel Müsli mit leckeren Früchten. “Ja, ich habe mich Mal daran versucht, aber eigentlich durfte ich nie wirklich beim Kochen oder Backen helfen. Mein Vater hat uns nicht mal erlaubt, als Kinder die Küche zu betreten.” “Was? Warum das denn nicht?” “Für ihn ist es Frauenarbeit und Männer haben nichts in der Küche zu suchen.” Haruiko, du Faschist. Wie kann man nur so Frauenverachtend sein? Zum Glück, hat er nie ein Mädchen gekriegt. “Und wie siehst du das? Welche Werte würdest du deinen Kindern vermitteln wollen?” “Meine Kinder sollen tun, was immer sie wollen. Wenn mein Sohn backen möchte, soll er backen und wenn meine Tochter Fußball spielen will, dann soll sie dies tun.” Ich lächle und freue mich über diese Antwort. Irgendwie ist Joe so ganz anders, wie der Rest der Kido Männer. “Wie kommt es, dass du so anders bist, wie Jim?” Jim ist durch und durch wie sein Vater. “Na ja, ich glaube, ich hatte Glück, der Zweitgeborere zu sein. Dadurch hatte ich nicht soviel Druck wie Jim und ich hatte früher ein sehr liebes Kindermädchen, sie hieß Ayaka Yano und hat immer heimlich mit mir gebacken. Meine Mutter hat sich, glaube ich, auch darüber gefreut. Sie hat zumindest nie etwas Gegenteiliges gesagt. Na ja, mehr wie Muffins kam zwar ohnehin nie dabei heraus, aber immerhin.” Ach Joe, du verdienst eigentlich eine ganz liebe Frau an deiner Seite, die dich so nimmt und sieht, wie du bist. Es macht mich traurig, dass er glaubt, dass ich diese Frau sein könnte, obwohl ich es besser weiß. Ob es zu viel verlangt ist, danach noch mit ihm befreundet zu sein? “Ich finde das wirklich super, Joe.” Ich lächle ihn aufrichtig an und Joe erwidert es. “Mimi, wie ich sehe, bist du ja schon da. Oh, störe ich?” “Alles gut, Mutter, ich muss ohnehin gleich los.” “Sehr gut, Mimi und ich haben heute noch viel vor.” Ich lächle Frau Kido an und kann es natürlich kaum erwarten. “Ja, super.” “Vielleicht bin ich ja sogar am späten Nachmittag zurück und kann euch ein wenig zusehen.” Das wäre doch ne großartige Belohnung, nach so einem tollen Tag und würde das Ganze etwas auflockern. Zwar wäre mir eine andere Person deutlich lieber, da ich aber nicht so offen nach Tai fragen kann, muss ich einfach darauf hoffen, ihn nachher zu sehen. Joe verabschiedet sich und ich folge Frau Kido in die Villa. Wir setzen uns auf die Couch und Frau Kido hält ein Bambusstrauch in die Höhe. Muss ich das verstehen? “Ich dachte, ich erkläre dir erst nochmal was über die Japanischen Feiertage. Denn immerhin steht in sechs Tagen eines an.” Oh, es steht bald ein Feiertag an? Verdammt. Es ist Sommer, was feiert man denn da? “Ja, ich freue mich schon richtig auf das Fest. Eins der besten”, lüge ich. Sie wird absolut verzweifeln, wenn sie merkt, dass ich keine Ahnung habe, wovon sie redet. “Ich habe mir schon gedacht, dass das eins deiner Lieblingsfeste ist. So geht es doch den meisten Frauen”, schwärmt Frau Kido. Ist Valentinstag hier vielleicht nicht im Februar, sondern im Juli? Muss ich nachher unbedingt googlen. “Ja, ich liebe es.” Übertreib nicht so, Mimi. Du weißt ja nicht mal, um welchen Feiertag es sich handelt und wenn Frau Kido diesbezüglich jetzt irgendwas fragt, fliege ich gleich auf. “Welchen Kimono möchtest du dann anziehen?” Einen Kimono zieht man da also an, interessant. “Äh, ja also ich glaube den Rosanen." Ich habe ja einige mit Tai zusammen gekauft, aber wusste nie wofür. Welchen er wohl am schönsten davon fand? Wie er mich in so typischer Festkleidung überhaupt finden wird oder ist er gar der Meinung, dass mir so etwas gar nicht steht? “Mit dem Blumenmuster? Ja, der ist perfekt. Kannst du den Obi binden?” Ich schüttle den Kopf. Nein, absolut keinen Plan. “Habe ich mir gedacht. Magst du mal deinen Kimono holen, dann üben wir das zusammen. Auch die Frisur müssen wir besprechen und wie du dich darin bewegst. Es muss alles ganz anmutig und graziös sein. Am Anfang kann das eine ganz schöne Herausforderung sein.” “Ja klar, ich hole ihn.” Sofort eile ich in mein Zimmer zurück und rufe direkt Tai an. “Na Prinzessin, vermisst du mich schon?”, begrüßt er mich und macht alleine durch seine Begrüßung am Smartphone meinen Tag soviel besser. “Ich vermisse dich immer, aber der Grund meines Anrufs ist ein Notfall.” “Ein Notfall? Was ist passiert?”, fragt Tai gleich mit angespannter Stimme nach. Ups, das Wort Notfall sorgt natürlich gleich dafür, dass er sich Sorgen macht. “Also nicht so ein Notfall. Hier ist doch bald irgendein Feiertag. Kannst du mir sagen, was hier gefeiert wird? Ich soll nämlich meinen Kimono holen”, erkläre ich ihm. “Ach meine Schöne, du bist so süß. In sechs Tagen ist Tanabata.” “Tanabata? Noch nie gehört.” “Wirklich nicht? Dabei muss dieses Fest genau dein Ding sein.” “Sowas in der Art hat Frau Kido schon erwähnt. Ich habe mir natürlich nichts anmerken lassen und gesagt, wie sehr ich mich auf das Fest freue.” Ich bin gerade dabei, meinen rosanen Kimono aus meinem Kleiderschrank herauszuholen, als Tai mir das Fest Tanabata erklärt. “Tanabata bedeutet siebte Nacht und bezieht sich auf eine uralte Legende von zwei voneinander getrennten Liebenden, die sich nur einmal im Jahr treffen dürfen.” Sofort setze ich mich mit meinem Kimono auf die Fensterbank und schaue nach draußen. “Das klingt schön und traurig zugleich. Warum dürfen die sich denn nur einmal im Jahr sehen?” “Na ja, nach der Legende wurde die fleißige Himmelsweberin von ihrem Vater, dem Himmelskaiser, mit dem Hirten Hikoboshi verheiratet …” “Ach was? Eine arrangierte Ehe?” Ich bekomme fast Gänsehaut. Sowas scheint hier wirklich ganz normal zu sein. Immer schon. “Ja, nur die Beiden waren tatsächlich total verliebt ineinander und zwar so sehr, dass die Beiden ihrer Arbeit nicht mehr nachgingen …” “Na ja, kann ich irgendwie verstehen.” Ich bin auch ständig unkonzentriert, weil ich die ganze Zeit nur an Tai denke und mich frage, was er gerade macht und wann ich ihn wiedersehen werde. Total verrückt. “Und der Himmelsvater war darüber so wütend, dass er seine eigene Tochter Orihimi und Hikoboshi auf die jeweils andere Seite des Himmelsflusses, besser bekannt als Milchstraße, verbannte.” Ich schlucke einen Kloß im Hals herunter. Wie kann man nur so grausam sein und sowas seinem eigenen Kind antun? Haruiko ist bei ihm bestimmt in die Lehre gegangen. “Das ist total gemein, was soll das denn für ein Himmelsvater sein? Der spinnt doch.” Ich rege mich immer noch total auf, als Tai versucht, mich zu beruhigen. “Es ist nur eine Legende, Prinzessin.” Für mich aber nicht. Für mich fühlt sich das alles unglaublich real an. “Und wie ging es dann mit den Beiden weiter?” Das kann doch nicht das Ende ihrer Liebe gewesen sein. Nein, das darf einfach nicht sein. “Na ja, die Liebenden waren so unglücklich und der Liebeskummer so groß, dass sie ihre Arbeit trotz allem nicht wieder aufgenommen haben.” “Verständlich, richtigen Liebeskummer hält man ja auch kaum aus und dann?” Ich halte fast die Luft an, weil ich wirklich auf ein Happy End hoffe. “Dann hat sich der Himmelsvater auf einen Kompromiss eingelassen, er gestatte den Liebenden, dass sie sich einmal im Jahr treffen dürfen. In der siebten Nacht des siebten Neumondes. Am Himmel werden sie verkörpert als die Sterne Wega und Altair, weil die Sterne zu dieser Zeit des Jahres am nächsten sind.” “Einmal im Jahr? Und mehr haben sie nicht bekommen?” Wie traurig. Ich stelle mir gerade vor, ob ich mit so einem Kompromiss leben könnte. Zwar mit Joe verheiratet zu werden, aber einmal im Jahr mit Tai zusammen zu sein, mich meiner Gefühle für ihn ganz hinzugeben und sonst das ganze Jahr auf ihn zu verzichten. Ein Jahr, immer wieder auf ihn warten. Ein Jahr, ihn jeden Tag vermissen. Ein Jahr jeden Tag die Tage zählen, wann ich ihn endlich wiedersehe. Nur für diesen einen Tag des Jahres zu leben. Jahr für Jahr. “Ich würde auch auf dich warten. Ich würde für diesen einen Tag im Jahr mit dir alles geben.” Ich schaue aus dem Fenster, halte das Smartphone nah an mein Ohr und wünsche mir, Tai wäre jetzt bei mir. Ich höre Tai schwer atmen, aber schließlich antwortet er: “Ich auch. Aber nachdem wir eine Nacht zusammen hatten, weiß ich, dass es mir definitiv zu wenig ist und genau deshalb werde ich auch alles dafür tun, dass du frei kommst. Weißt du …” “Was ist los, Tai?” Irgendwas gefällt mir gerade, an seiner Tonart nicht. “Es tut mir so leid.” Ich verstehe nicht ganz, was er meint. “Was meinst du?” “Na ja, als die Wahrheit raus gekommen ist, wollten die Kidos dich rauswerfen und nur wegen meiner blöden Idee ist alles anders gekommen. Ich wünschte, ich hätte das nie vorgeschlagen. Dann wäre jetzt alles anders.” “Nein, mach das nicht, Tai. Du irrst dich. Glaubst du wirklich, dass Haruiko sich dann weniger gerächt hätte? Er hätte mich nicht einfach so ziehen lassen. Er hätte mir auch dann das Leben zur Hölle gemacht. Nur dass ich dann nicht mal hätte meinen Vater aus der Untersuchungshaft holen können. Also mach dich deswegen nie wieder fertig, hörst du?” Ich bekomme keine Antwort und das gefällt mir nicht. Schließlich räuspert er sich und er spricht wieder mit mir. “Hast ja Recht. Du kannst erst wirklich frei sein, wenn wir ihn stürzen und das wird mir auch gelingen.” “Danke, dass du das machst. Ich wünschte, ich könnte dir mehr helfen.” “Du machst doch schon, was du kannst, du hältst durch.” “Immerhin darf ich dich noch fast jeden Tag sehen.” Tai lacht, wie gut das tut. “Sei lieber froh, dass du gerade eine Pause vor mir hast, sonst wärst du längst fällig.” Ich kichere und werde prompt rot im Gesicht. Ich hätte absolut nichts dagegen. “Können wir bitte zusammen auf das Fest gehen?” “Na klar. Immerhin weiß ich genau, was ich dieses Jahr auf meinen Zettel schreibe.” “Zettel?”, frage ich neugierig nach. “Ja, in der japanischen Tanabata Tradition heißt es, dass Wünsche die man an diesem besonderen Tag auf einen Zettel schreibt und an den Bambusstrauch hängt, in Erfüllung gehen. Deswegen ist es hier quasi das Fest der Verliebten.” Ah, deshalb hatte Frau Kido eben einen Bambusstrauch in der Hand. “Ich freue mich richtig auf das Fest.” Oh man, ich weiß auch ganz genau was ich mir wünsche. Werden die Götter dafür sorgen, dass er in Erfüllung geht? “Danke für die Erklärung. Du, sag mal, welchen Kimono fandest du denn am schönsten?” “Alle waren schön.” “Jetzt sag schon. Ich habe den rosanen Kimono genommen.” “Eine gute Wahl. Angenehmer Stoff, schönes Blumenmuster. Passt damit perfekt zu Tanabata und zu dir.” Ich betrachte meinen Kimono und freue mich jetzt tatsächlich darauf, ihn gleich anzulegen und etwas neues zu lernen. “Dann ist meine Wahl ja richtig.” “Du wirst wunderschön darin aussehen, aber das tust du ja eh immer.” Ich werde gleich wieder rot um die Nase. Am liebsten würde ich jetzt noch Stundenlang mit Tai telefonieren, mit ihm verliere ich jedes Zeitgefühl und nur der Moment zählt. Es ist so heftig, weil ich so etwas noch nie erlebt habe und immer der festen Überzeugung war, dass es so etwas auch gar nichts gibt. Frau Kido wartet auf mich, daher muss ich mich dummerweise verabschieden. “Ich muss jetzt leider weitermachen. Wann sehen wir uns wieder?” “Wahrscheinlich erst morgen, ich habe hier noch ziemlich viel zu tun, aber rufe mich heute Abend wieder an und berichte, wie es gelaufen ist.” “Mach ich. Bis später.” Wieder unten angekommen wartet Frau Kido bereits auf mich. Auch sie hat bereits einen Kimono angezogen. Sie trägt einen hellblauen mit weißen Fischen drauf. Neben ihr ist eine Kleiderstange mit verschieden weißen Kleidern drauf. Oh Gott, muss ich jetzt noch ein Brautkleid aussuchen? “Ich kann den Kimono inzwischen im Schlaf anziehen. Komm her, zeig mir mal dein Prachtexemplar.” Ich halte mir meinen vor meiner Brust. “Wirklich schön. Bevor wir dir aber den Kimono anziehen, müssen wir erstmal das passende Unterkleid finden.” “Unterkleid?” “Natürlich, mein Kind. Du würdest niemals diese festliche Garderobe direkt über deiner Unterwäsche anziehen.” “Okay.” Das wusste ich bisher nicht. Beim anprobieren habe ich auch immer direkt den Kimono selbst angezogen. “Die erste Schicht, ist der sogenannte Hadajuban.” Frau Kido zeigt mir ein schlichtes weißes Kleid. Der Stoff ist ganz dünn und leicht. “Der Stoff ist aus Seide und sehr atmungsaktiv. Daher ist es nicht schlimm, wenn du mal schwitzt.” Ich fühle über das Kleid, es fühlt sich sehr bequem an. Ich ziehe mich bis auf meine Unterwäsche aus und hoffe wirklich, dass niemand der Angestellten jetzt ins Wohnzimmer kommt. Ich ziehe mir das Unterkleid über und es geht mir tatsächlich bis zu den Knöcheln. “Puh, da habe ich gleich die richtige Größe für dich herausgesucht. Als nächstes kommt der Kragen, wir sagen auch: Eri-sugata dazu.” “Man zieht einen speziellen Kragen an?” “Natürlich, das ist sehr wichtig. Man trägt den Kragen um den Hals herum und sorgt somit für den perfekten Halt. Es darf schließlich nichts verrutschen.” “Es sorgt eher dafür, dass meine Oberweite jetzt viel flacher aussieht.” “Genau. Push-BHs oder selbst Bügel-BHs sind nicht gestattet. Es empfiehlt sich eher ein Sport BH drunter zu ziehen. Ich trage immer einen speziellen Kimono BH.” “Okay.” Finde ich zwar ein bisschen schade, aber wenn das die Tradition ist, werde ich dies selbstverständlich beherzigen. Frau Kido legt mir den Kragen um den Hals, bindet diesen einmal um meinen Rücken und befestigt ihn vorne wieder. Meine Güte, wie werde ich das alles jemals alleine hinbekommen? “Du machst es mir nicht leicht”, sagt Frau Kido und zieht ihre Stirn kraus, als sie meinen Körper mustert. “Was mache ich falsch?” “Nein, das meine ich nicht. Du hast einfach viel zu viele Kurven. Ein Kimono wird aber immer ganz flach und gerade getragen.” Bisher waren meine Kurven nie ein Problem. Im Gegenteil, sie haben mir mein Leben deutlich leichter gemacht. “Ach, das müssen wir einfach ein wenig auspolstern.” Okay, ich wusste gar nicht, dass es beim Tragen so viele Punkte zu beachten gibt. “So sollte nichts mehr verrutschen. Perfekt. Jetzt können wir dir den Kimono anziehen.” Ich fühle mich eher, als hätte jemand meine Brust mit Kreppband abgeklebt. Total seltsam. Aber dieses Fest will ich auf jeden Fall feiern. Also binde ich eben meinen Busen ab. Tai weiß auch so, wie ich darunter aussehe. Bei dem Gedanken daran, wird mir doch glatt wieder heiß und ich fühle, wie mir die Röte ins Gesicht schießt. “Alles okay?” “Äh klar, nur wirklich anstrengend mit den ganzen Schichten.” Frau Kido kommt gerade mit dem grünen Obi an und ich bin froh, dass wir schon so weit gekommen sind. So viele Schichten, so viele Schärpen. Wahnsinn. “Ja, das kann einen am Anfang wirklich einschüchtern. Aber Übung macht bekanntlich den Meister und wie findest du es?” Frau Kido tritt zur Seite und ich sehe mich im Spiegel an. Ich trage das erste Mal einen Kimono in meinem Leben und zwar genauso wie es sich gehört. Und auch wenn das festliche Gewand zwar nicht meine Kurven zeigt, so sieht es dennoch wahnsinnig schön an mir aus. “Es sieht wunderschön aus.” “Dann fehlen nur noch die passenden Schuhe. Geta Schuhe sind Schuhe aus Holz, die bei jedem Schritt klackern, aber ein ganz festes Ritual in unserer Familie sind.” Solche Schuhe habe ich noch nie getragen. Wie man darin wohl geht? “Alle unsere Schuhe sind Einzelstücke. Wir haben eine Manufaktur die extra alle anpasst und herstellt. Heute sollst du deine eigenen Geta Schuhe bekommen.” “Ihr habt Schuhe für mich hergestellt?”, frage ich ungläubig nach. “Aber selbstverständlich. Du gehörst doch zur Familie.” Ich lächle, fühle mich jedoch schlecht. Frau Kido dreht sich von mir weg und holt aus einem Schuhkarton die Geta Schuhe heraus. “Ich habe sie zusammen mit Kaori entworfen. Ich hoffe, sie gefallen dir.” Mein Herz fühlt sich ganz schwer an und ich fühle mich schlecht. Frau Kido ist so nett zu mir und ich, ich will doch nur weg von hier. “Mimi, du machst meinen Sohn wirklich sehr glücklich. Dafür danke ich dir.” Super. Jetzt fühle ich mich noch mieser, während ich die Holzschuhe betrachte, die einen so hohen Stellenwert in dieser Familie haben. “Na los, probiere sie an.” Ich nicke und schlüpfe hinein. Es ist etwas komisch, darin zu stehen. Sie sehen aus, wie Flip Flops aus Holz, aber durch den Absatz hat man einen ganz anderen Halt. Darin zu laufen, ist ungewohnt und ich bin froh, heute darin zu üben. Ich möchte mich auf keinen Fall nächste Woche blamieren. “Sie passen tatsächlich. Gefallen sie dir?” Ich nicke. Natürlich sind das keine Schuhe, die man im Alltag tragen würde, aber es sind Schuhe die eine Geschichte erzählen. Es sind Schuhe, die zu einer Tradition gehören. Eine Tradition, die irgendwie ein Teil von mir ist. “Ich danke dir. Sie sind etwas ganz besonderes und ich freue mich schon richtig auf Tanabata.” “Ja, sehr gerne. Jetzt müssen wir nur hoffen, dass das Wetter gut wird.” “Das stimmt. Danke, aber ich weiß nicht, ob ich das bis zum Fest alles alleine anziehen kann, aber ich werde jeden Tag üben. Ich habe ja noch ein wenig Zeit.” Ich gehe in meinem neuen Look nochmal auf und ab, um ein wenig mehr Sicherheit zu gewinnen und bekomme nicht einmal mit, wie sich der Tag langsam dem Ende neigt. Noch sechs Tage dann ist Tanabata und ich hoffe wirklich, dass die Götter uns im Anschluss beistehen werden, denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir diese Hilfe brauchen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)