Love against all Reason von Ukiyo1 (Liebe gegen jede Vernunft) ================================================================================ Kapitel 39: ------------ Mimi Es ist einfach nur wunderschön hier im Fußballcamp. Dass ich das mal sagen würde, hätte ich selber nicht gedacht. Die erste Woche ist nur so verflogen und jetzt brechen schon die letzten zwei Tage des Camps an. Tai und Davis sind ein wirklich gutes Trainerteam und haben beide auch sportlich einiges zu bieten. Selbst ich habe noch etwas beim Fußball dazu gelernt, aber mehr Spaß mit den Kids selbst gehabt. Nachdem Training wurde gebastelt, gesungen und natürlich gehört auch arbeiten wie abräumen und spülen dazu. Hinohara ist wirklich schön und ja, das Wandern kam auch hier nicht zu kurz. Auch wenn wir das “Wandern” gern als Pseudonym verwendet haben, um unserer eigenen Lust nachzugehen. Diese zwei Wochen sind die schönsten Wochen seit der Anreise in Japan gewesen. Tai und ich ganz exklusiv. Es ist wie ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie ein Leben mit Tai aussehen könnte: Bunt, Abenteuerlustig, Aktiv und verdammt heiß. Jeden Abend nachdem ich mit Joe telefoniert habe, habe ich im Anschluss ein Stoßgebet an die Engel im Himmel geschickt. So gern ich Joe habe und das habe ich wirklich, so möchte ich ihn niemals heiraten. Mir vorzustellen, ich würde Tai für immer verlieren, lässt mich förmlich durchdrehen. Nachdem wir dieses Gespräch am ersten Tag des Camps zu diesem heiklen Thema geführt haben, wurde mir das erste Mal bewusst, dass vielleicht bald auch alles vorbei sein könnte. Noch vier Wochen bis zur geplanten Hochzeit. Wenn das unsere letzten vier Wochen sind, muss ich jede Sekunde, so gut es geht, aufsaugen. “Mimi, kannst du mir bitte helfen?” Yuto, der gerade nicht mit auf dem Fußballfeld ist, ist gerade dabei, seinen Stoffbeutel auszumalen. Da wir zehn Anmeldungen zu viel hatten, habe ich immer versucht mir auch Aktivitäten einfallen zu lassen, die nichts mit Fußball zu tun haben. Mal habe ich mit den Kindern eine Tanzstunde gemacht, mal Briefe an die Eltern geschrieben, mal T-Shirts eingefärbt und selbst Kerzen hergestellt. Die Aktivitäten kamen manchmal so gut an, dass die Kids nicht mehr Fußball spielen wollten, weshalb ich es dann in den zweiten Woche wieder eingegrenzt habe und nur noch einen Basteltisch zur Verfügung gestellt habe. Hier sind jetzt die Kids, die nicht mit auf dem Fußballfeld sind. Alle 30 Minuten wird gewechselt, so kommt jeder Mal zu mir an den Basteltisch und jeder kommt dazu, mit den großen Jungs zu trainieren. “Ach, ist das etwa Atomic Yuto?”, kichere ich. “Na klar, ich habe schon ganz viele davon gemalt.” Es freut mich immer noch, dass ich Yuto mit dem kleinen Superhelden so eine Freude machen konnte. Ich mal Atomic Yuto grün aus und zeichne unten in die Ecke noch ein rotes Herz. “Ist das Herz für mich?” “Ja, damit du mich nicht vergisst.” “Das könnte ich gar nicht. Weißt du Mimi, wenn ich groß, kannst du dich gerne bei mir melden, dann werde ich dich nämlich heiraten.” Ich lache laut los, weil es einfach zu süß ist. “Was ist denn so lustig?”, steht Tai hinter uns und schaut auf Yutos Stoffbeutel. Habe ich je erwähnt, wie gut dieser Mann aussieht? Selbst in seinem Jogginganzug, mit einer Trillerpfeife um den Hals und total verschwitzt. Ach, verflucht, gerade das macht ihn so attraktiv. “Ich habe Mimi gesagt, dass ich sie heiraten werde, wenn ich groß bin.” Tai grinst, wuschelt dann aber Yuto durch die Haare. “Da stell dich mal hinten an. Ich bin nämlich auch noch da.” “Wenn ich groß bin, bin ich so stark wie Atomic Yuto, aber du schon ein alter Mann, damit wirst du keine Chance gegen mich haben.” Jetzt halte ich mir schon den Bauch vor Lachen, weil Tai gerade echt sprachlos ist und Yuto nur mit großen Augen anguckt. “Also, auf keinen Fall”, stammelt er. “Mimi, echt, meld dich bei mir.” Ich nicke, lache aber immer noch. “Und ob, ich mich bei dir melden werde.” “Hey.” “Sorry, aber Yutos Argumente haben mich einfach mehr überzeugt.” “Sprach sie, bis zur nächsten Wanderung”, grinst Tai mich anzüglich an und natürlich kann ich es nicht verhindern, dass ich sofort rot im Gesicht werde. Tai zwinkert mir zu, ehe er in seine Trillerpfeife pfeift. “Wechsel.” Yuto legt seinen Stoffbeutel zum Trocknen an die Leine und wechselt aufs Spielfeld. “Den Jungen muss ich unbedingt im Auge behalten.” Ich lache immer noch, während die nächsten Kinder an den Tisch gerannt kommen. Der Vormittag ist wirklich wahnsinnig schnell umgegangen und es ist Zeit für das Mittagessen. Alle Kinder und Trainer kommen in unseren Aufenthaltsraum zusammen. Es gibt einen festen Tagesplan, wer wann den Tisch deckt, abräumt und spült, damit es dort keine Ungerechtigkeiten und Streitereien gibt. Bis auf wenige kleine Kämpfe zwischen ein paar Jungs, waren auch alle sehr friedlich und harmonisch. Gerade wird die Tomatensuppe mit Stangenbrot verteilt. “Ist das heute alles?”, mault Davis. Wie jeden Mittag ist Davis unglücklich über die Auswahl des Mittagessens. “Also nächstes Jahr werde ich höchstpersönlich für alle vernünftige Ramen kochen.” “Das sagst du jedes Jahr”, erwidert Tai gelassen. “Aber nächstes Jahr wirklich. Ich vermisse meine Küche.” Davis führt tatsächlich ein eigenes kleines Restaurant. Er liebt die Japanische Küche und ich habe ihm versprochen, ihm dort mal einen Besuch abzustatten und natürlich Werbung zu machen. Mir schmeckt die Tomatensuppe hingegen sehr gut und ich bin nach dem Brot auch pappsatt. Den Kindern geht es genauso, denn die ersten beginnen bereits die Teller wegzubringen. “Ich glaube, so friedlich wie dieses Jahr war noch kein Camp gewesen”, sagt Tai, während er sich nochmal Nachschlag genommen hat. “Das liegt bestimmt nur an dir.” Ich freue mich, dass das Fußballcamp dieses Jahr für alle Beteiligten so ein großer Erfolg ist. Für mich persönlich war es ein absolutes Highlight und mir ist klar geworden, dass ich nicht nur als Stylistin glücklich und zufrieden bin. Ich glaube, so lange mein Herz an einer Sache hängt, kann ich auch in Davis Restaurant Teller spülen und es wäre genauso okay für mich. Meine Sichtweise auf bestimmte Dinge im Leben hat sich so heftig verändert, dass ich mich manchmal selbst nicht mehr erkenne. “Danke, dass du mich eingeladen hast, mitzukommen.” “Danke, dass du mitgekommen bist.” Tai und ich gucken uns schon wieder viel zu lange in die Augen und die ersten Kinder beginnen bereits zu kichern. Wir konzentrieren uns schnell wieder auf irgendetwas anderes. Tai löffelt seine Suppe und ich bringe meinen Teller weg. Oh man, wenn selbst die Kinder es merken, sind wir wirklich schlecht darin, uns zu verstellen. Tai Während all die Kinder ihr schmutziges Geschirr in die Küche zurückbringen und das Team Küche bereits dem Schmutz den Kampf angesagt hat, bin ich bereits wieder draußen auf dem Fußballfeld mit Davis. Er pumpt die Fußbälle wieder mit genügend Luft auf und ich sammle die leeren Wasserflaschen ein, die während des Trainings ausgetrunken wurden. Davis räuspert sich ein paar Mal, aber so wirklich mit der Sprache rausrücken will er nicht. Er schmeißt einen Ball in den Sack und dreht sich nun doch zu mir um. “Was läuft da zwischen dir und Mimi?” Ich hebe zwei weitere leere Flaschen Wasser auf und zucke mit den Schultern. “Mimi und ich sind nur …” “... Freunde? Ja, nee ist klar.” “Sind wir aber.” Ich habe alle Wasserflaschen eingesammelt und fülle nun den Kasten, um diesen mit den leeren Flaschen aufzufüllen. “Dir ist schon klar, dass ich die letzten dreizehn Tage mit euch verbracht habe und ich euch ziemlich genau beobachtet habe, aber selbst wenn ich das nicht getan habe, wärt ihr mir aufgefallen.” Ich stelle den Wasserkasten auf den Boden ab, schaue zu Davis und überlege, was ich ihm anvertrauen kann. Ich weiß selber, dass wir mit jedem Tag, den wir hier verbracht haben, unvorsichtiger wurden. Es hat sich immer vertrauter, normaler angefühlt, aber vor allem richtig. “Ihr guckt euch immer so komisch an, ihr beobachtet euch gegenseitig und ihr habt immer ein sehr verräterisches Grinsen im Gesicht, wenn ihr vom Wandern zurück kommt und ich würde jetzt Mal die Behauptung aufstellen, dass ihr nicht nur wandern wart.” Ich seufze ergeben, weil er mit allem richtig liegt. “Es ist kompliziert”, rechtfertige ich mich schwach. "Das ist alles? Du schläfst mit der Verlobten deines Freundes und alles, was du dazu zu sagen hast, ist das es kompliziert ist? So hätte ich dich wirklich nicht eingeschätzt.” Ich lege meine Hände verschlossen hinter meinen Nacken und werfe meinen Kopf nach oben. “Es ist nicht einfach nur eine Affäre.” Das war es nie. “Ich liebe sie.” Verdammt, dass habe ich nicht mal zu Mimi gesagt, zumindest nie so deutlich. “Und sie mich auch”, behaupte ich jetzt einfach mal. Zumindest bin ich ihr wichtig und sie hat tiefe, aufrichtige Gefühle für mich. “Und warum seid ihr dann kein Paar?” “Ich sagte doch, dass es kompliziert ist.” Davis schüttelt noch immer fassungslos seinen Kopf und wirft sich den Sack mit den Bällen über die Schulter. “Davis! Wir wollen nichts sehnlicher als zusammen zu sein, dass musst du mir glauben. Ich bin vollkommen verrückt nach Mimi, aber im Moment wird uns, besonders aber ihr das Leben schwer gemacht. Wir hoffen, dass es bald nicht mehr so ist. Denn das Letzte, was wir wollten, ist Joe zu verletzen.” Ich nehme mir wieder den Kasten und laufe Davis hinterher. Er versteht es nicht, aber das kann er ja auch nicht. Für ihn bin ich einfach nur ein mieses Arschloch, welches Joe die Verlobte ausspannt und ich kann es ihm nicht mal übel nehmen. “Davis, warte.” “Warum?” “Du wolltest es doch wissen, dann lass es mich auch erklären.” Ich hab ihn schnell eingeholt. Davis legt den Sack mit den Bällen in einen Schuppen und geht wieder an mir vorbei, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. “Gut, denk doch was du willst”, rufe ich ihm wütend hinterher. Ist mir echt zu blöd. Soll er doch denken, was immer er will. Mimi kommt auf uns zu und sieht irritiert Davis hinterher, ehe sie wieder zu mir blickt. “Habt ihr euch gestritten oder so?” “Ich bin es einfach so leid”, rufe ich verärgert aus und schmeiße die Tür vom Schuppen zu. “Was meinst du?” Mimi steht direkt vor mir und ich weiß selbst nicht, wie ich ihr das erklären soll. “Kari, Davis. Alle halten uns für die Bösen. Ich, der mit der Verlobten meines Freundes schläft … Ein Arsch eben.” Mimi scheint zu verstehen und legt ihre Hand auf meine Wange. “Und was bin ich dann? Ein mieses Flittchen? Tai, du und ich, wir kennen die Wahrheit. Wir wissen, dass es nicht so ist und niemals so war.” “Aber die anderen nicht.” “Nein, noch wissen sie es nicht. Aber wir müssen sie ja auch beschützen. Je mehr sie wissen, umso gefährlicher wird es auch für sie.” Mimi hat Recht und ich weiß das ja auch, aber dennoch regt es mich tierisch auf, dass jeder glaubt, die Familie Kido sei ach so perfekt und wir die, die alle nur belügen und betrügen würden, dabei wäre es nie soweit gekommen, wenn Dr. Kido Mimi nicht angegriffen und bedroht hätte. “Irgendwann wird jeder erfahren, was Haruiko für ein Mensch ist, damit einfach jeder sieht, dass er das Monster ist und nicht wir und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Er wird damit nicht durchkommen.” Mimi legt nun auch die andere Hand auf meine Wange und lächelt mich sanft an. “Ja, wir werden das schaffen. Wir zwei auch gegen den Rest der Welt, wenn es sein muss.” Nun streckt Mimi mir ihren kleinen Finger entgegen. Sie schafft es wirklich, mich wieder zu beruhigen und mich zum Lächeln zu bringen. “Wir zwei gegen den Rest der Welt? Das gefällt mir.” Ich verschließe meinen Finger mit ihren. Ja, wir zwei kennen die Wahrheit und irgendwann wird sie jeder kennen. Mimi Am späten Abend haben wir uns vorgenommen mit den Kindern zum Abschluss ein Lagerfeuer zu veranstalten. Heute dürfen alle länger wach bleiben. Mit Marshmallows und Stockbrot. Die Stimmung zwischen Tai und Davis hat sich noch nicht wirklich gebessert und ich überlege, ob ich mal mit Davis reden soll. Es setzt Tai unheimlich zu, dass er hier so rüberkommt, als ob er das Letzte wäre. Dabei könnte die Wahrheit nicht ferner liegen. Er ist mein persönlicher Held, mein Fels in der Brandung, mein Licht am Ende eines langen Tunnels. Tai ist gerade mit einigen Kids in der Küche und bereitet das Stockbrot für später zu. Ich bin gerade dabei, um die Feuerstelle herum Strohballen und Bänke aufzustellen und mache einen auf Hilfloses Mädchen. “Davis, könntest du mir helfen?” Davis, der gerade mit ein paar anderen Kindern vom Feuerholz suchen zurückkommt, bleibt stehen, legt das Holz ab und kommt zu mir. Ich stoße ihn in die Seite und grinse ihn breit an. “Danke.” Er zwingt sich zu einem Lächeln, aber ich erkenne, dass es nicht ehrlich ist. “Du bist sauer auf uns, richtig?” Ich spreche ihn direkt darauf an. Alles andere macht auch wenig Sinn. “Ihr seid erwachsen, ihr müsst wissen, was ihr tut.” Ich lege meinen Kopf schief und atme lange aus. “Davis, hast du schon mal aus vollem Herzen geliebt?” Davis sieht mich unschlüssig an. Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel über seinen Beziehungsstatus. “Wahrscheinlich nicht. Ich bin eher der, der sich unglücklich verliebt.” “Sowas ist immer schlimm. Ich habe nie an die Liebe geglaubt. Ich bin immer überzeugt davon gewesen, dass es so etwas gar nicht gibt. Nur deshalb habe ich mich überhaupt auf die arrangierte Ehe mit Joe eingelassen. Na ja und weil ich meinem Vater helfen wollte.” Davis scheint überhaupt keine Ahnung zu haben, wovon ich rede. Liest der Typ denn so gar keine Zeitung? “Du weißt echt gar nichts über mich, oder?” Davis schüttelt lachend seinen Kopf und kratzt sich unbeholfen am Hinterkopf. Die Kids laufen gerade noch überall um uns herum. Ich deute Davis an, mir zu folgen. Ich möchte außer Hörweite sein, aber die Kinder dennoch im Auge haben. Wir setzen uns auf eine Bank und schauen auf das Fußballfeld, die Kids spielen einfach, wie es ihnen gefällt, ohne Anweisung. Ich erzähle Davis alles, was ohnehin schon bekannt ist. Warum ich nach Japan gekommen bin, wie es um meinen Vater steht, wie doof ich Tai am Anfang fand und wie ich mich verschätzt habe. Ich vertraue ihm an, dass ich nach unserer Verlobungsfeier in New York, die Verlobung auflösen wollte, um mit Tai in New York zu bleiben und dass alles anders kam, weil ich bedroht und erpresst werde. Ich sage ihm nicht von wem und womit, ich möchte nur, dass er versteht, dass es im Leben nicht immer nur schwarz/weiß gibt. Es gibt unzählig viele Graustufen dazwischen und dass nicht alles, was auf den ersten Blick falsch aussieht, auch falsch sein muss. Davis ist wirklich ein lieber junger Mann und in manchen Aktionen erkenne ich ein wenig Tai in ihm. Nachdem ich ihm alles erzählt habe, lächelt er mich aufrichtig an. “Danke, dass du mir das erzählt hast. Ich kann euch jetzt besser verstehen. Vielleicht sogar würde ich genauso handeln, wie ihr. So oft findet man diese eine große Liebe nicht. Ich würde diese Liebe auch niemals loslassen, sollte ich sie je finden.” “Nein, das tut man ganz sicher nicht, aber Davis, du wirst sie auch finden.” “Glaubst du?” “Na klar, vielleicht taucht sie nächste Woche schon in deinem Restaurant auf, weil ich ordentlich Werbung dafür machen werde.” Ich zwinkere Davis versöhnlich zu. “Wenn du das schaffst, darfst du dein Leben Lang kostenlos bei mir essen.” “Die Herausforderung nehme ich an.” Wir lachen und sind uns einig. Einige Kinder kommen auf uns zugestörmt. “Wann gibt es endlich Marshmallows und Stockbrot?” “Wir können ja mal bei Team zwei fragen, wie weit sie sind.” “Jaaaa.” Und schon laufen die Kinder wieder in den Aufenthaltsraum. Davis steht auf und sieht nochmal zu mir zurück, als er bemerkt, dass ich noch sitzen geblieben bin. “Alles okay?” “Ach ja, ich werde das alles echt vermissen.” “Du darfst nächstes Jahr gerne wieder mitkommen.” Ich stehe auf und wer weiß, vielleicht bin ich nächstes Jahr wirklich nochmal dabei. Ich hätte nichts dagegen. Es ist bereits zehn Uhr am Abend. Es ist fast dunkel, das Feuer brennt, die Kinder halten auf langen Stöcken das Stockbrot und die Marshmallows ans Feuer und warten darauf, es essen zu können. “Kennt hier jemand eine gute Gruselgeschichte?”, fragt eines der Kinder nach. Ja, mein Leben, denk ich ironisch. Ich bin wirklich überhaupt nicht der Gruseltyp, aber so gruselig kann es ja nicht werden, wenn die Geschichten für Kinder sind. “Ich kann euch eine erzählen”, beginnt Davis aufgeregt. Er holt eine Taschenlampe hervor und beleuchtet damit sein Gesicht, okay, das finde ich jetzt schon gruselig. Tai wechselt seinen Platz und setzt sich neben mich. “Nicht, dass du noch Angst bekommst”, lächelt er mich sanft an. “Keine Sorge, Tai, dann bin ich da und werde Mimi beschützen”, ruft Yuto und ich kann es immer noch nicht glauben, wie süß er eigentlich ist. Yuto streckt Tai die Zunge raus und sitzt an meiner anderen Seite. “Tzz, das ist mein Part”, murmelt Tai beleidigt und ich muss schmunzeln, weil er mindestens genau so süß ist, wie Yuto. Auch wenn er das jetzt sicher nicht hören will. “Seid ihr bereit”, flüstert Davis und alle Kinder nicken und sehen gespannt zu Davis. “Es gab einmal vor vielen Jahren eine Geschichte, die hier in Hinohara passiert ist. In einer verregneten dunklen Novembernacht war eine alte, einsame Frau und Punkt Mitternacht klingelte ihr Telefon.” Ich schlucke, okay, es gruselt mich. “Dort war eine raue Männerstimme zu hören und er sprach: Hier ist der Mann mit dem blutigen Finger und ich bin in fünfzehn Minuten bei dir.” Ich schlucke, das ist nichts für Kinder, doch diese finden die Geschichte offenbar gar nicht so schlimm, wie ich. “Die alte Frau legte panisch den Hörer wieder auf, doch nur wenige Minuten später klingelte das Telefon erneut. Wieder ging sie nervös ans Telefon und erneut sprach die Männerstimme: Hier ist der Mann mit dem blutigen Finger, ich bin in zehn Minuten da. Die Frau legte direkt wieder den Hörer auf und legte ihn anschließend daneben, damit sie nicht mehr angerufen werden konnte …” Meine Hand geht wie von selbst zu Tai und ich umschließe seine Finger fest. “Es ist nur eine Geschichte, Prinzessin”, flüstert Tai mir ins Ohr. Ich winke ab, weiß ich doch selbst. “Dann entfernte die alte Frau sich vom Telefon. Sie war überzeugt, dass es sich nur um einen blöden Streich handeln konnte und wollte sich zurück ins Bett legen. Sie betrat ihr Schlafzimmer, als sie hörte, wie ein Auto auf ihre Garagenzufahrt auffuhr. Sie kannte das Auto nicht, aber sie sah, wie ein großer Mann aus dem Auto ausstieg.” Ich halte förmlich die Luft an. Wenn die Kinder diese Nacht kein Auge zubekommen, darf Davis das höchstpersönlich ausbaden. “Mit kleinen Schritten ging er immer näher Richtung Haustür. Man sah sein Gesicht nicht, denn er trug einen großen, schwarzen Hut, dessen Schatten tief ins Gesicht fiel. Er klingelte und man sah, wie das Blut auf den Boden tropfte. Die alte Frau ging mit leisen Schritten und klopfenden Herzen die Treppenstufen runter und blieb vor der Haustüre stehen.” Was, ist die irre? Warum ruft sie nicht die Polizei? Tai streichelt meine Hand und ich versuche ruhig zu bleiben. Es ist nur eine dumme Geschichte, Mimi. “Er klingelte und klopfte und sprach: Hier ist der Mann mit dem blutigen Finger und ich stehe vor deiner Tür. Die alte Frau holt einen kleinen Koffer aus einem Schrank und öffnet die Haustüre und als sie die Türe öffnet, bereit den Unbekannten mit dem Koffer eins überzuziehen, erkennt sie plötzlich … ihren langersehnten Neffen. Hast du vielleicht ein Pflaster für mich Tante Saki? Ich blute am Finger, fragte der Unbekannte und lächelt die alte Frau sanft an.” Was? Davis lacht sich halb schlapp, während ich ihm am liebsten den Hals umdrehen würde. Ich habe nicht mal gemerkt, wie ich die Luft angehalten habe. “Das war ja eine coole Geschichte, Davis”, ruft eins der Kinder. “Ja, noch eine, noch eine.” Die Kinder feiern Davis für seine Gruselgeschichten, während ich immer noch an diesen komischen Mann denken muss. “Ja total”, brumme ich und rolle mit den Augen. So begrüßt doch niemand seine Tante. Echt jetzt, wehe diese Nacht klingelt mein Smartphone, dann kriege ich die Krise. Tai Das Lagerfeuer wurde gegen elf Uhr nachts beendet. Die Kinder müssen schlafen. Morgen fahren wir nach Hause. Nachdem gemeinsamen Frühstück muss jeder seinen Koffer packen und wir treten die Heimreise an. Ich habe schon das Gröbste in meine Reisetasche gepackt und muss morgen nur noch die Sachen aus dem Badezimmer holen. Davis ist ebenfalls mit packen beschäftigt und ich spüre, wie er mich beobachtet. “Wenn du mich beleidigen willst, tu dir keinen Zwang an.” “Nein, will ich nicht. Ich habe vorhin mit Mimi geredet.” Sofort höre ich auf meine Reisetasche zu schließen und sehe interessiert zu Davis. “Was? Wann?” “Als du mit den Kids beim Stockbrot backen warst. Mimi hat mir erzählt, was passiert ist und wie sich das mit euch entwickelt hat.” “Hat sie das?” Ach Mimi, es hat sie sicher wieder mehr mitgenommen als zugeben wollte. “Ja, ich verstehe euch jetzt besser und wünsche euch, dass ihr bald richtig zusammen sein könnt.” “Danke Davis.” “Wenn du willst, darfst du diese Nacht auch rüber zu Mimi. Ich verpetz euch auch nicht.” Ich lache schüttelnd den Kopf und halte ihm meine Hand hin. “Danke.” Davis schlägt ein und nickt. “Keine Ursache. Außerdem glaube ich, dass sie immer noch Angst hat, wegen der Geschichte vorhin.” “Das könnte sogar sein.” Ich nehme mir mein Smartphone und will gerade rüber zu Mimi gehen, als Davis mich nochmal ruft. “Und Tai, seid leise, hier sind Kinder.” Ich grinse. “Schon klar.” Ich schleiche über den Flur, als ich erneut an die Geschichte denken muss. Ich weiß, dass das gerade echt fies ist, aber ich kann einfach nicht anders. Ich klopfe an Mimis Zimmertüre an und spreche mit dunkler und verstellter Stimme: “Hier ist der Mann mit dem blutigen Finger und ich stehe vor deiner Türe." Mimi reißt die Tür auf und hält einen Kerzenständer in die Höhe. “Willst du mich damit erschlagen”, frage ich grinsend nach. "Das ist überhaupt nicht lustig.” Ich trete in ihr Zimmer ein und nehme ihr aus Sicherheitsgründen den Kerzenständer ab. Ich lasse die Türe zufallen und küsse sie währenddessen. Endlich. Heute ist es noch gar nicht dazu gekommen und es hat mir gefehlt. Keine Ahnung, wie ich das die nächsten Tage wieder schaffen soll, ihr körperlich nicht mehr so nah zu kommen. “Moment, was machst du hier?” “Davis, hat mich zu dir rüber geschickt. Immerhin hatten wir heute keine Zeit zum Wandern.” Mimi lächelt und führt mich gleich in ihr Bett. “Du bleibst die ganze Nacht?”, fragt sie aufgeregt, was ich echt süß finde. “Na ja, ich muss mich vor sieben Uhr wieder rüber schleichen, aber ja, ich bleibe die ganze Nacht.” Ich lege mich gleich auf sie drauf und küsse sie. Wird dies unsere letzte gemeinsame Nacht sein? Unsere Küssen werden immer intensiver, immer verlangender. Ich schiebe Mimis Nachthemd nach oben, streiche über ihre feuchte Mitte und will gerade ihren Schlüpfer ausziehen, als mein Smartphone klingelt. Sofort sehen Mimi und ich uns an. “Es ist Mitternacht”, sagt Mimi fast schon ängstlich. “Bestimmt nur Davis”, erwidere ich und greife nach meinem Smartphone, um Mimi auf meinem Display zu zeigen, dass es sicher nichts schlimmes ist. Eine unbekannte Nummer. Okay, das war wohl nichts. “Wer ist das?”, haucht Mimi und beißt sich nervös auf die Unterlippe. Ich hebe ab und Yolei ist am anderen Ende der Leitung. “Tai? Gut, dass du dran gehst und entschuldige bitte die späte Störung.” “Schon okay, Yolei, hast du etwa die Ergebnisse?” Als ich Yoleis Namen erwähne, setzt sich Mimi sofort kerzengerade hin. “Ja, hab ich und wir müssen uns so schnell wie möglich treffen.” “Natürlich.” “Wann bist du wieder in der Stadt?” “Morgen Nachmittag”, antworte ich ihr. “Okay, ich erwarte dich dann morgen Abend.” “Ich werde da sein. Yolei, liegen wir mit unserer Vermutung richtig?” Bitte, bitte sag ja. “Ja.” Ich fasse es nicht. Ich habe wirklich Beweise, die Haruiko überführen werden, dass er ein uneheliches Kind namens Nanami hat. Wir können Mimi aus dieser blöden arrangierten Ehe herausholen. “Und ich habe noch eine interessante Theorie, die dich umhauen wird. Dazu dann mehr, wenn wir uns treffen, aber Tai, das Ganze ist viel größer als du denkst.” Yolei klingt geheimnisvoll, aber ich verstehe, dass sie mir solche Dinge nicht am Smartphone sagen will. Die Leitung ist einfach zu unsicher. “Ich kann dir jetzt schon nicht genug danken.” “Kein Problem. Ich finde es ehrlich gesagt, richtig spannend. Ich komme mir schon vor, wie eine Geheimagentin.” “Du bist viel besser, als jede Geheimagentin. Bis morgen.” “Ja, bis morgen.” Ich beende das Gespräch und lege mein Smartphone zurück auf die Kommode. “Und? Was hat Yolei gesagt? Hat sie was herausgefunden?” Ich lächle so breit, dass Mimi sofort versteht. “Nanami ist Haruikos Tochter?” “Sowie es aussieht, ja. Ich treffe mich morgen Abend mit ihr und dann werde ich alles genau erfahren.” Mimi hält sich ungläubig die Hand vor den Mund. “Tai, wir haben eine echte Chance.” Ich nicke grinsend. Jetzt haben wir wirklich einen Beweis für unsere Theorie und können ihm damit drohen, alles auffliegen zu lassen, sollte er Mimi nicht freigeben. Ich küsse Mimi fest und dränge sie zurück auf die Matratze, während sie sofort ihre Arme um mich schlingt und mich mit ihren Beine fester an sich zieht. Das ist nicht unser Ende, das wird unser Anfang sein. Der Anfang von etwas wundervollen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)