366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 58: 27.02.024 - ändern ------------------------------ Stöhnend lehnte sich Marvin auf dem Stuhl, auf dem er saß, nach hinten fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit über einer Stunde saß er gemeinsam mit seinem Mitstudenten Stefan in ihrem WG- Zimmer und arbeitete einen Vortrag aus, den sie bereits morgen halten sollten. Sie studierten beide Medizin und sollten einen Vortrag darüber halten, wie sich Gewalt in Medizin und Pflege nicht nur auf den Patienten, sondern auch in ihrem persönlichen Alltag auswirkte. Marvin hielt allgemein nicht viel von Gewalt und hatte sich anfangs auch gegen das Thema gewehrt, aber Stefan hatte ihn davon überzeugt, dass es sich positiv auf ihre Noten auswirken könnte, wenn sie ein Thema wählten, über das sonst keiner reden wollte. “Wir haben den Text jetzt schon so oft geändert, aber trotzdem klingt es irgendwie total falsch und macht eher den Anschein, als wären wir nicht gegen die Gewalt im Pflegealltag, sondern dafür”, sprach er Stefan schließlich an, woraufhin dieser eine Augenbraue hob. “Wie würdest du den Text denn ändern wollen, damit er für dich akzeptabel klingt?”, hakte Stefan nach, woraufhin Marvin kurz mit den Schultern zuckte. “Ich weiss es nicht, aber so wie jetzt klingt es eher, als wären wir dafür, dass man einen Patienten mit Medikamenten ruhig stellt, statt andere Methoden anzuwenden.” “Was wären denn andere Methoden?” Skeptisch sah Stefan seinen Freund an und zog leicht eine Augenbraue nach oben. “Mit dem Patienten reden, auf ihn eingehen und danach fragen, was ihn beschäftigt. Diese schnelle Abfertigung eines Patienten ist nicht nur in unserem Klinikalltag ein Problem, sondern auch in der Pflege danach. Das müssen wir ändern, daran müssen arbeiten!”, entgegnete Marvin und diesmal nickte Stefan. “Du hast ja Recht, aber wie willst du das ändern, ohne dass unsere Arbeit darunter leidet? Wir können nicht jeden Patienten danach fragen, was ihn beschäftigt. Oft haben wir so viele Notfälle auf einmal, dass wir gar nicht anders können, als in Hektik oder eine Art Abfertigung zu verfallen”, gab Stefan zu bedenken, woraufhin sich Marvin mit der Hand über das Gesicht fuhr. “Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich den richtigen Weg eingeschlagen habe”, fing er an, wodurch Stefan ihn erneut skeptisch ansah. “Was meinst du?” “Ich meine, wir arbeiten in einem Krankenhaus, wo Unfälle und Notfälle an der Tagesordnung sind. Wir haben oft kaum Zeit zum Durchatmen oder auf den Patienten einzugehen. Ich würde stattdessen viel lieber in die Pflege wechseln. In ein kleines Altenheim, wo ich die Chance habe, mir auch wirklich Zeit für die Menschen zu nehmen, mit denen ich zusammenarbeite", erwiderte Marvin und Stefan zuckte direkt wieder mit den Schultern. “Ich bin mir nicht sicher, ob du da wirklich besser aufgehoben wärst. Oder ob es da nicht sogar noch schlimmer ist”, entgegnete er und verschränkte nun selbst seine Arme vor der Brust. “Du kennst all die Berichte im Fernsehen und wie schlecht es in der Pflege manchmal aussieht. Wie willst du etwas ändern, dass so offensichtlich erscheint, dass es sich kaum ändern lässt? Wir können nicht alles gleichzeitig und irgendetwas bleibt dabei immer auf der Strecke”, wollte er erneut wissen und Marvin schwieg im ersten Moment. “Siehst du? Da weisst du gar nicht erst, was du antworten sollst!”, triumphierte Stefan und sah zu, wie sich Marvin erhob. “Ich glaube, es ist besser, wenn du den Vortrag alleine hälst “, richtete er das Wort an Stefan, woraufhin dieser seine Augenbrauen zusammenzog. “Warum? Was hast du denn jetzt?”, entgegnete er, während Marvin seine Sachen in seinen Rucksack packte. “Weil ich das Gefühl habe, dass dir das Wohl eines Patienten egal ist und du nur darauf auf bist, möglichst viele Patienten abzufertigen”, erwiderte er und als er Stefans Antwort hörte, bestätigte sich sein Eindruck der letzten Minuten tatsächlich. “Mehr Patienten bedeutet mehr Geld.” Kopfschüttelnd wandte er sich von seinem Mitbewohner ab und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. “Es dreht sich nicht immer alles nur um das Geld, Stefan. Natürlich ist es ein Zusatz, der das Leben in andere Bahnen lenken kann, aber ich für meinen Teil will etwas daran ändern, dass diese Abfertigung und die Gewalt in der Pflege aufhört!”, sprach er ihn an und schnappte sich anschließend seinen Rucksack, um in Richtung Tür zu laufen. “Viel Glück! Am Ende des Studiums wird abgerechnet und dann sehen wir, wer wirklich etwas aus seinem Leben gemacht hat und sich für den richtigen Weg entschieden hat!” Stefan höhnische Stimme in seinem Rücken brachte ihn erneut zum Kopfschütteln. Er hatte den Anderen völlig falsch eingeschätzt, aber noch war genug Zeit, um etwas zu ändern und eine andere Richtung in seinem Leben einzuschlagen. Und diese Chance wollte er nutzen, sodass er seinen Professor um ein klärendes Gespräch bat. Jetzt sofort! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)