366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 73: 13.03.2024 - Schmecken ---------------------------------- Geschockt ließ Sönke den Löffel fallen, mit dem er gerade die Suppe abgeschmeckt hatte. Der Löffel fiel klirrend zu Boden und Sönke wich direkt einen Schritt zurück. Fassungslos starrte er auf die Suppe und leckte sich immer wieder über die Lippen hinweg. “Sönke? Ist alles okay?” Als er die Stimme seiner Kollegin Anissa hörte, schüttelte er direkt den Kopf und drehte diesen in ihre Richtung. “Ich kann nichts mehr schmecken”, erwiderte er und Panik schwang in seiner Stimme mit. Er war mit Leib und Seele Koch und nichts mehr schmecken zu können, war für ihn der absolute Supergau. “Was meinst du damit, du kannst nichts mehr schmecken?”, hakte seine Kollegin nach und beugte sich nach unten, um den Löffel vom Boden aufzuheben. “Ich kann nichts mehr schmecken”, wiederholte Sönke die Worte, die er eben schon benutzt hatte und starrte wieder auf den Topf mit der Suppe. Er hatte sie abschmecken wollen, um herauszufinden, ob noch irgendetwas an Gewürzen fehlte, aber er schmeckte absolut nichts. Keiner seiner Geschmacksnerven fühlte sich angesprochen, herauszufinden, ob noch irgendetwas fehlte. “Bist du dir sicher?”, wollte Anissa erneut wissen und der Kopf Sönkes ruckte sofort in ihre Richtung. “Natürlich bin ich mir sicher, Anissa. Ich bin seit über zehn Jahren Koch und weiß, wann ich nichts mehr schmecke!”, fuhr er sie direkt an und ballte kurz die Hände zu Fäusten, bevor er sich von ihr abwandte und aus der Küche stürmte. Noch auf dem Weg nach draußen riss er sich die Kochschürze von den Hüften und warf sie achtlos in eine der Ecken. Er überlegte gar nicht lange, sondern legte direkt den Weg zu seinem besten Freund Kieran ein, der zufälligerweise auch sein Hausarzt war. In der Praxis stürzte er auf die Theke zu, hinter der Melinda, die Frau Kierans, saß und trug ihr panisch sein Anwesen vor. Sie blinzelte erst verwirrt, bevor sie ihren Mann davon informierte, dass Sönke hier war und was für ein Problem er hatte. Nicht einmal fünf Minuten später saß er in einem Behandlungszimmer und ließ sich von Kieran untersuchen. “Und das ist von jetzt auf gleich aufgetreten?”, wollte Kieran wissen und Sönke nickte. “Ich habe vorher noch das Dessert abgeschmeckt und da war alles in Ordnung. Aber bei der Suppe habe ich absolut keinen Geschmack mehr im Mund gehabt. Nicht mal den Kürbis, den die Suppe eigentlich hat. Was soll ich denn jetzt machen, Kieran? Wenn ich nichts mehr schmecken kann, ist mein Job in Gefahr und ich kann die Kochschürze gleich an den Nagel hängen”, entgegnete er verzweifelt und sah zu seinem besten Freund auf. “Mal nicht gleich den Teufel an die Wand”, versuchte Kieran ihn zu beruhigen, während er sich wieder auf seinen Schreibtisch zubewegte. “Es kann viele Ursachen haben, eine plötzliche Geschmacksveränderung wahrzunehmen. Ich schlage vor, dass ich dir erst einmal Blut abnehme und morgen kommst du zu einem weiteren Termin und zur Besprechung in die Praxis”, richtete er zusätzlich das Wort an ihn und Sönke nickte kaum merklich. “Kann ich dann trotzdem wieder arbeiten gehen?”, wollte er wissen und sah seinen besten Freund fragend an. “Natürlich. Du wirst zwar Anissa oder einen anderen Kollegen den Rest des Tages bitten müssen, die Speisen für dich abschmecken zu müssen, aber dagegen, sie trotzdem selbst zuzubereiten, spricht nichts”, antwortete Kieran und sah seinen besten Freund zuversichtlich an. “Das ist nicht dasselbe”, murmelte Sönke leise und verließ das Behandlungszimmer wieder, um sich von Melinda etwas Blut abnehmen zu lassen. Am nächsten Tag lag er auf einer Liege in einem der Behandlungszimmer. Die Blutergebnisse waren über Nacht da gewesen und Kieran hatte ihn direkt darüber informiert. “Ist das wirklich nötig?”, wollte er wissen, nachdem Kieran ihm gesagt hatte, dass er einen Ultraschall der Schilddrüse machen wollte. “Ja, denn deine Blutergebnisse zeigen deutlich eine Unterfunktion der Schilddrüse und ich würde mir diese gerne einmal im Ultraschall ansehen”, entgegnete der Arzt, bevor er mit seiner Arbeit begann. “Und was bedeutet das jetzt?”, hakte Sönke nach, nachdem Kieran ihm die Diagnose bestätigte. “Deine Schilddrüse arbeitet tatsächlich nicht richtig. Durch die Unterfunktion gerät dein Hormonhaushalt durcheinander und beeinträchtigt deinen Geschmackssinn”, klärte Kieran ihn auf, auch wenn Sönke nur die Hälfte verstand, von dem, was Kieren wirklich erzählte. “Und was heisst das jetzt für meine Arbeit? Kann man dagegen was tun? Kommt mein Geschmacksinn irgendwann zurück?”, sprudelte es aus Sönke heraus, bevor er erleichtert aufatmete, als sein bester Freund nickte. “Mit der richtigen Medikation wird sich auch dein Hormonhaushalt einpendeln und dein Geschmackssinn wird im Laufe der Zeit wieder zurückkommen. Ein paar Wochen wirst du das Abschmecken zwar noch deinen Kollegen überlassen müssen, aber danach wird alles wieder so sein wie vorher”, entgegnete der Arzt und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, während sich Sönke auf der Liege wieder aufrichtete. “Gott sei Dank. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie mein Leben ohne das Kochen aussehen könnte”, sinnierte er und trat auf den Schreibtisch zu. “Das musst du ja Gott sei Dank auch gar nicht”, lächelte Kieran und händigte ihm das Rezept aus. “Wenn irgendwelche Probleme oder Nebenwirkungen auftauchen, kannst du dich natürlich jederzeit melden”, sprach Kieran, während er ihm das Rezept entgegen hielt. “Danke”, hörte Sönke sich lediglich antworten, bevor er die Praxis verließ. Nicht jedoch, ohne Kieran und auch Melinda für den Abend ins Restaurant einzuladen. Als Dankeschön dafür, dass sie immer für ihn da waren, egal was ihn belastete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)