366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 103: 12.04.2024 - pflegen --------------------------------- Geschafft ließ sich Nelly auf das Sofa in ihrer Wohnung fallen und lehnte den Kopf nach hinten auf die Lehne. Sie schloss für einen kurzen Moment ihre Augen und genoss die Stille, die sie in ihrer eigenen Wohnung ergab. Seit zwei Jahren arbeitete sie in einem Altenpflegeheim und seit vier Monaten befand sich auch ihre Mutter in diesem Altenheim. Seitdem hatte sie in jeder Schicht keine ruhige Minute mehr und sie sehnte jede ruhige Minute förmlich herbei. Sie verstand, dass es für ihre Mutter eine große Umstellung war, in ein Pflegeheim zu ziehen, aber sie verstand nicht, dass sich die ältere Frau seitdem regelrecht an sie heftete. Sie klingelte pausenlos und das manchmal sogar wegen Belanglosigkeiten, sodass sich Nelly sogar schon einen Rüffel von ihrem Chef eingefangen hatte. Als das Telefon klingelte und sie die Nummer des Altenheimes darauf erkennen konnte, seufzte sie leise auf. “Kramer?”, meldete sie sich knapp und sofort hörte sie die Stimme ihrer Kollegin Gitta. “Deine Mutter fragt nach dir und wann du wieder arbeiten musst.” “Ich habe Wochenende, Gitta. Du weißt, dass ich erst am Montag wieder arbeiten muss”, entgegnete sie und fuhr sich mit einer Hand leicht über das Gesicht. Nachdem sie sich noch einen Moment lang mit Gitta unterhalten hatte, ließ sie das Telefon sinken und warf frustriert ein Kissen an die Wand. Sie fühlte sich ausgelaugt und sie wusste, dass es so nicht weitergehen konnte, wenn ihre Mutter schon wieder nach ihr fragte, sobald sie gegangen war. Dabei hatte sie ihr sogar erzählt, dass sie am Wochenende nicht da sein würde. Mit einem Ruck erhob sie sich und schnappte sich erneut ihr Handy und auch die Handtasche. Sie musste zurück ins Altenheim und mit ihrem Chef reden, denn sie hatte einen Entschluss gefasst, der ihr hoffentlich Linderung verschaffen würde. Eine halbe Stunde später saß sie im Büro der Pflegedienstleitung und schilderte ihrem Chef ihr Anliegen. “Und ich kann sie wirklich nicht umstimmen?”, hakte der Dunkelhaarige nach, woraufhin Nelly mit einem Seufzen den Kopf schüttelte. “Meine Mutter ist erst seit vier Wochen wieder hier im Heim, aber in diesen vier Wochen bin ich wirklich schon an meine Grenzen gekommen. Ich gehe mit Bauchschmerzen zur Arbeit und schaffe es nicht, mich richtig um die anderen Patienten zu kümmern, die wir hier pflegen, weil mich meine alle zehn Minuten zu sich ruft. Ich kann das nicht mehr und wenn ich wieder Freude an meinem Beruf wiederfinden will, muss ich in ein anderes Altenheim wechseln”, entgegnete sie, auch wenn es ihr wirklich schwer fiel, das Haus überhaupt zu verlassen. Sie hatte sich hier von Anfang an richtig wohl und aufgehoben gefühlt, aber sie konnte nicht hierbleiben, wenn sie tagtäglich ihrer Mutter ausgesetzt war und ein erneuter Umzug kam für die ältere Frau nicht in Frage. “Ich möchte sie ungern ganz gehen lassen und würde ihnen eine Stelle unserer Zweigstelle in der Nachbarstadt anbieten. Natürlich zu den gleichen Konditionen wie hier”, bot der Dunkelhaarige ihr überraschend an und nach kurzem Zögern stimmte sie direkt zu. Der richtige Grundstein für ihr eigenes Glück war gelegt, jetzt musste sie nur noch ihrer Mutter klar machen, dass sie schon in den nächsten Tagen in ein anderes Pflegeheim wechseln würde und sich nicht mehr jeden Tag um sie kümmern konnte. Aber das würde sie morgen oder nächste Woche erledigen, jetzt wollte und musste sie sich das Wochenende Zeit für sich nehmen. Nur für sich und ihre Bedürfnisse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)