Die Kindheit eines Wolfs von Kazumi (Hogwarts 1971 - 1978) ================================================================================ Kapitel 1: 1.I.Post mit Folgen ------------------------------ ~~~~~ 1.Akt: Kapitel I: Post mit Folgen ~~~~~ Es war ein ruhiger Julimorgen im Hause Lupin. Vor wenigen Minuten war Mr. Lupin zur Arbeit aufgebrochen. Er arbeitete im Komitee für muggelgerechte Entschuldigungen, welches ein Teil des Zaubereiministeriums war. Er und seine Kollegen waren dafür zuständig das die Muggel - Nichtmagier - von den Aktivitäten der Zauber und Hexen sowie magischen Geschöpfe nichts mitbekamen und mussten sich die heikelsten Ausreden einfallen lassen. Oft erwies sich das als nicht ganz einfach. Beispielsweise hatten zwei Riesen vor ein paar Jahren eine - mehr oder weniger - kleine Auseinandersetzung - wenn man es in dieser Größenordnung noch so nennen konnte -, nachdem sie sich wohl ein paar Butterbiere zu viel genehmigt hatte. Unwissend waren sie in der Londoner Innenstadt gelandet - um genauer zu sein vor dem Buckingham Palace. Zu ihrem Glück waren die meisten Muggel bereits zu Bett gegangen, war es mitten in der Nacht gewesen. Die Zauberer des Ministeriums waren schnell vor Ort gewesen und hatten das Problem beseitigt. Die nichtmagischen Individuen, die das Spektakel mit angesehen hatten, hatte man eine falsche Erinnerung gegeben. Die anderen, welche die Vibrationen gespürt hatten, die die Riesen verursacht hatten, war ein starkes Erdbeben vorgegaukelt worden. In dieser Hinsicht war Mr. Lupins Job alles in allem recht abwechslungsreich - zudem auch relativ gut bezahlt. Mr. Lupin hatte ein kleines Haus, welches auf einem der Hügel mitten in Swansea stand. Swansea war eine recht ansehnliche Stadt an der Küste Wales'. Zwar war das Wetter, wie in Großbritannien so üblich, nicht das Beste, doch der Sonnenschein kam in diesem Sommer nicht allzu kurz. Mr. Lupin war ein recht gut gebauter Mann, der die Dreißig gerade einmal überschritten hatte. Sein Haar war leicht zerstrubbelt, was ihn jedoch keineswegs ungepflegt erschienen ließ. Die Farbe war schwer zu beschreiben, ein ins Rot gehende Braun mit einem leichten aschblonden Schimmer darin. Eine äußerst ungewöhnliche Haarfarbe. Während der Sommermonate blich die Sonne seine Haare jedoch stark, sodass sie in dieser Zeit ein Haselnussbraun besaßen. Seine Augen glitzerten wie Smaragde hinter den kleinen, recht dünnen Brillengläsern. Sah man länger in sie, so verlor man sich nur allzu leicht in ihnen, hatten sie etwas seltsam anziehendes an sich. Mr. Lupin war bereits zwölf Jahre glücklich mit seiner Frau verheiratet. Sie hatten einen gesunden Jungen - gute zehn Jahre alt - zur Welt gebracht und lebten friedlich in ihrem Haus. Doch ganz so sauber war diese kleine Welt doch nicht. Sie hatte zwei gravierende Fehler. Zum Einen war da Mrs. Lupin. Sie war eine wirklich reizende Frau mit sehr guten Manieren - sehr wohlerzogen, da sie aus gutem Hause kam. In punkto Aussehen stand sie ihrem Mann in nichts nach. Sie wirkte sehr jung und aufreizend. Manche meinten sogar eine ihrer Vorfahrinnen sei eine Veela gewesen. Ihr blondes Haar glänzte wie Gold, wenn das Sonnenlicht auf es fiel. Ihre Augen ähnelten zwei wunderschönen, geschliffenen Bernsteinen. Auch ihr Körper war wohlgeformt und ihre gesamte Erscheinung erinnerte mehr an eine Achtzehnjährige, als an eine Frau, knapp über dreißig. Doch all dies täuschte über die Wahrheit hinweg. Zwar war sie wunderschön, doch glich sie mehr einer Porzellanpuppe, als einem lebenden Menschen. Ihre Haut war schneeweiß. Schon seit ihrer Kindheit litt Mrs. Lupin an einer schweren Krankheit. Von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer und irgendwann würde sie wohl daran zu Grunde gehen. Die Lupins hatten schon eine Menge Zaubertränke und Zaubersprüche ausprobiert, doch nichts half. Keiner der Mediziner konnte ihnen helfen die Krankheit auszuschalten. Auch die Muggel konnten nur wenig für sie tun. Dank ihnen hatte Mrs. Lupin eine Medizin, die ihre Krankheit hinauszögerte und die Schmerzen linderte. Allerdings kostete sie ziemlich fiel und daher, trotz des guten Verdienstes ihres Mannes, hatte die junge Familie nur begrenzte Mittel. Zwar äußerte Mrs. Lupin des Öfteren den Wunsch ebenfalls arbeiten zu gehen, doch Mr. Lupin lehnte dies vehement ab. Zum einen wollte er sie schonen, zum anderen musste jemand auf ihren Jungen aufpassen. Zudem meinte er, dass es ihnen doch an nichts fehle und er mit seiner Arbeit genug Geld verdiene. Doch da war auch noch das andere Problem. Ihr Zehnjähriger, Remus Lupin. Der Junge war äußerst wissbegierig und sehr klug. Für einen Jungen seines Alters stellte er ungewöhnlich viele Fragen. Er interessierte sich für vieles und war für neue Sachen offen. Mit vier Jahren hatte er schon das Schreiben und Rechnen gelernt. Mit sieben hatte er angefangen sich für die verschiedensten magischen Wesen zu interessieren und mit acht hatte er begonnen davon zu schwärmen wie schön es doch wäre nach Hogwarts zu gehen, einer Schule, in der Zauberei und Hexerei unterrichtet wurden. Wie viel er dort lernen würde! Nicht auszudenken! Doch so neugierig wie er war, so verständnisvoll war er. Er wusste, dass er wahrscheinlich nie nach Hogwarts gehen konnte. Und dafür gab es zwei gute Gründe. Zum Einen war da die Krankheit seiner Mutter. Er konnte seinen Eltern nicht noch zusätzliche Kosten für Schulbücher oder Ähnliches zumuten. Dies war ein finanzieller Belast, bei welchem er sich kaum sicher war, dass seine Eltern ihn tragen konnten - wie konnte er sich da als Kind auch sicher sein? Zum Anderen stand ihm - und seinen Träumen von Hogwarts - dieser verhängnisvolle Tag vor einigen Jahren im Wege. Remus war damals fünf Jahre alt. Es war Silvester gewesen und seine Eltern waren mit ihm nach London gefahren, um dort mit einigen Freunden zu feiern. Sie hatten Flohpulver benutzt, doch Remus war einige Kamine zu weit geflogen, hatte er nicht recht zugehört, als ihm der genaue Wortlaut genannt worden war. Der Junge war in einem der Läden in der Winkelgasse gelandet. Er beschloss auf eigene Faust nach Mutter und Vater zu suchen. Seine Eltern hatten ihm geraten zu Gringotts, der Zaubererbank, zu kommen, falls etwas schief gehen und sie sich verlieren sollten. Die riesige Fassade besagter Bank war auch schon in Sichtweite geraten, als er ein Heulen und einige entsetzte Schreie hinter sich vernommen hatte. Verwirrt hatte er sich anno dazumal umgedreht. Die Menge in der Winkelgasse war auseinander gestoben und da fasste er die Ursache für das Getöse auch schon in seinen Blick: ein riesiger Werwolf, der durch die Zauberer und Hexen schoss. Panik hatte sich in dem Jungen breit gemacht, als das Monstrum auf ihn zugehalten hatte. Am liebsten wäre er Hals über Kopf davon gestürmt, doch sein Körper war wie gelähmt gewesen. Einige der Anwesenden hatten geschrien er solle sich in Sicherheit bringen, doch er hörte sie zu jener Zeit nicht. Ein schreckliches Rauschen hatte seine Ohren gefüllt. Das ganze Geschehen vor ihm war für ihn regelrecht bruchstückhaft abgelaufen. Erst war der Werwolf einige Meter von ihm entfernt gewesen und im nächsten Moment hatte er sich auch schon auf ihn gestürtzt und seine scharfen, spitzen Zähne in Remus' Fleisch vergraben. Den Angriff seinerzeit hatte er nur knapp überlebt. Mehrere Tage lang mussten seine Eltern um das Leben ihres Sohnes bangen, doch glücklicherweise hatte er es überlebt und war schnell wieder genesen. Doch von da an verwandelte er sich in jeder Vollmondnacht in einen gefährlichen Werwolf, der schwer zu bändigen war. Und das war das gravierendere Problem. Selbst wenn er nach Hogwarts gehen konnte, so wäre er eine Gefahr für jeden dort. Somit hatte sich der junge Lupin damit abgefunden, dass er wohl nicht die Möglichkeit haben würde auf die Schule für Zauberei und Hexerei zu gehen und würde versuchen sich so viel wie möglich selbst beizubringen. Nichts desto trotz träumte er weiter davon dort zu lernen und eines Tages einen Abschluss zu machen, damit seine Eltern stolz auf ihn sein konnten. Remus verabschiedete seinen Vater, der gerade disapparierte. Danach frühstückte er gemeinsam mit seiner Mutter, als eine Eule zum Fenster hereingeflogen kam. Überrascht darüber, da die Post für gewöhnlich erst viel später eintraf, band Mrs. Lupin den Brief, der an dem Bein der Eule festgebunden war, los und sah erstaunt auf, als sie den Absender festgestellt hatte. "Der Brief ist für dich Remus... Von Hogwarts." "Von Hogwarts?!", rief er aufgeregt. Seine Mutter überreichte ihm den gelblichen Umschlag, worauf er sofort das Siegel brach und einen der Papierbögen herausholte und zu lesen begann. HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI Schulleiter: Albus Dumbledore (Orden der Merlin, Erste Klasse, Großz., Hexenmst. Ganz hohes Tier, Internationale Vereinig. d. Zauberer) Sehr geehrter Mr. Lupin, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen sind. Beigelegt finden Sie eine Liste aller benötigten Bü- cher und Ausrüstungsgegenstände. Das Schuljahr beginnt am 1.September. Wir erwarten Ihre Eule spätestens am 31.Juli. Mit freundlichen Grüßen Minerva McGonagall Stellvertretende Schulleiterin Remus konnte seinen Augen nicht trauen. Hier stand wirklich schwarz auf weiß - oder eher schwarz auf gelb, um genau zu sein -, dass er - ER nach Hogwarts gehen durfte. Er machte einen Freudensprung und wirbelte durch die Küche. "Mama, das ist toll! Ich darf nach Hogwarts! Ich darf! Sie nehmen mich wirklich! Mama, ist das nicht - Mama?" Seine Mutter schien sich überhaupt nicht über das Schreiben zu freuen - im Gegenteil. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Sie schien besorgt. "Remus..." Sie atmete tief ein, bevor sie ihn ernst ansah. "Remus, mein Lieber. Ich weiß es ist schwer zu akzeptieren, aber du kannst nicht nach Hogwarts gehen." "Aber wieso?!" "Remus, das weißt du doch selbst gut genug, oder etwa nicht? Sag du es mir." Er bebte vor Wut. Vor Wut auf sich selber und über die unbeugsame Wahrheit. "Ich bin ein Werwolf und eine Gefahr für andere Menschen. Deshalb - deshalb darf ich nicht nach Hogwarts. Hab ich Recht?" "Ja, Remus. Leider. Es tut mir wirklich Leid. Ich kann mir denken, wie du dich fühlst und ich würde alles dafür geben, dass du glücklich bist, aber das geht einfach nicht. Du verstehst mich doch." "Ja..." Der Junge war gebrochen. Was sollte er schon tun? Seine Mutter hatte Recht und er konnte es nicht abstreiten. So schnell wie die Hoffnung auf ein normales Leben als Zauberer gekommen war, so schnell war sie auch schon wieder gegangen. Oder etwa nicht? Remus viel auf, dass noch ein paar weitere Bögen Papier in dem Umschlag steckten. Er holte sie heraus. Auf dem einen waren die Gegenstände aufgelistet, die er für sein erstes Schuljahr benötigte. Der zweite war in einer sehr verschnörkelten, dennoch sehr ansehnlichen Schrift geschrieben. Sehr geehrter Mr. Lupin, Mir ist Ihr Problem, welches sich monatlich bemerkbar macht wohl bekannt. Nichts desto trotz möchte ich Sie herzlichst auf Hogwarts begrüßen und hoffe, dass ich bis 31. Juli eine Eule von Ihnen erhalte. Über weitere Maß- nahmen, Ihres Problems wegen, möchte ich mit Ihnen am ersten Schultag gleich nach dem Festmahl in meinem Bü- ro sprechen. Mit freundlichen Grüßen Albus Dumbledore Schulleiter von Hogwarts Und wieder machte sein Herz einen gewaltigen Sprung. Er reichte das Schreiben seiner Mutter, welche es - zunächst etwas verdutzt - entgegen nahm und überflog. Als sie fertig war, sah sie auf und schien mit sich zu ringen. Sie nickte und bestätigte anscheinend ihre eigenen Gedanken. "Schön." Einige Zeit verging still, in welcher der Junge seine Mutter unruhig ansah. Er rutschte auf dem Stuhl hin und her. Was bedeutete das Schweigen seiner Gegenüber? War es ein Ja? Oder war es ein Nein? Warum sagte sie nichts? Warum verließ kein einziges Wort ihre Lippen? Haderte sie noch immer mit sich selbst? Ungeduldig biss sich der Braunschopf auf die Unterlippe. Der Brief war doch unmissverständlich. Besagter - ... - Dumbledore - ! - wusste bescheid und würde Rat wissen. Also was sprach dagegen? Fast schon flehendlich sah er die junge Frau an. Innerlich war er zum Zerreißen gespannt. Langsam sah diese auf. Sie lächelte ihren Sohn an. "Ich werde mit deinem Vater sprechen. Wenn er nichts dagegen hat, dann darfst du nach Hogwarts. Aber so wie ich ihn kenne, sagt er sicherlich ja." Remus' Augen, die die gleiche Farbe wie die seiner Mutter hatten, leuchteten vor Begeisterung auf. Erneut tobte er durch das Zimmer, wobei sein hellbraunes Haar vollkommen zerzauste. Er ergriff die Hände seiner Mutter und führte mit ihr einen kleinen Freudentanz auf. Für gewöhnlich würde er das als peinlich und vollkommen übergeschnappt ansehen, doch in diesem Moment war ihm die Vernunft egal. Er freute sich und lachte zusammen mit seiner Mutter. Heute war ein herrlicher Tag und einer der besten seit langem. Womit hatte er es verdient, dass eine Mutter tatsächlich ja sagte? Es war einfach zu schön um war zu sein. Er konnte seine Freude kaum in Zaum halten, war diese schier grenzenlos. Er tollte durch den Raum - konnte sich nicht einkriegen. Es war für ihn noch immer unfassbar. So viel Glück verdiente er doch gar nicht. Seine Wangen färbten sich rot und vom Tollen stockte ihm nach und nach der Atem. Doch er konnte nicht anders. Er war im regelrechten Rausch. Im Rausch der Gefühle. Und es fühlte sich unsagbar gut an. Die Sonne lachte und der Himmel erstrahlte in einem klaren Blau. Mit großen Augen und nicht allzu minderer Begeisterung lief Remus durch die Winkelgasse und sah sich jedes einzelne Schaufenster an. Seine Eltern lächelten, als sie sahen, wie aufgeregt ihr Junge war. Ein solcher Enthusiasmus tat gut. Seit dem Vorfall vor gut fünf Jahren war es das erste Mal, dass ihr Spross wieder durch diese Straße lief. Trotz der verstrichenen Zeit, hatte sich hier nicht allzu viel geändert. Die Verkäufer waren noch immer die selben und die Geschäfte noch immer an ihrem angestammten Platz. Und das würde sich wohl auch in ein paar Jahren nicht ändern. "Remus!" Der Junge stand gerade vor der Magischen Menagerie und bestaunte die Eulen und Käuze, als sein Vater ihn rief und er zu seinen Eltern zurück lief. "Ja, Papa?" "Deine Mutter und ich gehen kurz zu Gringotts und holen Geld. Kannst du inzwischen zu Madam Malkin's Anzüge für jede Gelegenheit gehen und dir Schulkleidung nähen lassen? Das würde uns wirklich viel Zeit sparen." "Klar!", sagte Remus und lächelte. "Wenn ihr mir sagt, wie ich hinkomme." Sein Vater erwiderte das Lächeln. "Geh einfach weiter gerade aus. Irgendwann kommt eine Eisdiele. Gegenüber ist das Geschäft." "Also auf der gleichen Seite wie die Menagerie?" "Ja, genau." "Ah, okay. Ich glaub ich werde es schon finden. Bis später." Und schon war er losgelaufen und in der Menge verschwunden. Vergnügt schlenderte er die Straße entlang und blieb hier und da stehen. Ein Geschäft machte ihn besonders neugierig. Eeylops Eulenkaufhaus stand in großen Lettern, ehemals mit Gold verziert, welches nun schon leicht abblätterte, über dem Eingang. Es gab die verschiedensten Eulenarten. Schneeeulen, Schleiereulen, Zwergeulen - einfach alles. Im Gegensatz zur Menagerie herrschte hier Ruhe, was Remus nicht weiter wunderte. Soviel ihm bekannt war, waren Eulen nachtaktive Tiere und wurden tagsüber wahrscheinlich nur aktiv, wenn sie etwas zu Fressen bekamen. "Na, junger Mann. Kann ich dir helfen?", fragte eine recht junge Frau, etwas jünger als seine Eltern, so schätzte er. Er lief rot an. "Nein, ich - äh - ich schau sie mir nur an." "Schöne Tiere, nicht?" Sie streichelte die große braune Schleiereule, welche zufrieden ihre Augen schloss und zu gurren begann. "Willst du auch mal?" Er nickte leicht und machte einen vorsichtigen Schritt auf das Tier zu. Langsam streckte er seinen Arm nach ihr aus und wartete einen Moment. Zunächst beäugte sie ihn misstrauisch, doch dann blinzelte sie zutraulich und knabberte an seinem Finger. Vorsichtig strich er mit der freien Hand über ihr Gefieder. Es war weicher, als er gedacht hatte. Die Frau, die ihn begrüßt hatte, lächelte zufrieden. "Sie scheint dich zu mögen." "Sie ist wirklich atemberaubend schön", murmelte Remus und streichelte sie weiter. "Ja, nicht?" Die Verkäuferin lachte. "Willst du sie vielleicht kaufen?" Er schüttelte leicht den Kopf. "Ich würde ja gerne, aber sie ist sicher viel zu teuer." "Hm..." Die junge Frau schien kurz zu überlegen, dann schlug sie mit der Faust in die flache Hand. "Ich hab's!" Remus sah verwirrt auf. "Ich schenke sie dir." "Wie bitte?!" Er konnte seinen Ohren nicht recht Glauben schenken. Hatte er gerade richtig gehört? Hatte sie gesagt, sie wolle ihm die Eule schenken?! Nein. Das konnte unmöglich sein. Sicher hatte er es sich nur eingebildet - wie auch anders nicht möglich. "Was machst du so ein Gesicht? Natürlich nicht ohne Gegenleistung." "Und was stellen Sie sich da so vor?" "Du kommst dieses Jahr nach Hogwarts, richtig?" "Ja..." "Schön, schön." "Ich verstehe noch immer nicht-" "Das ist ganz einfach. Die Ferientermine sind immer gleich. Das heißt, dass du den gesamten August frei hast. Wenn du die Eule gerne möchtest, dann würde ich dich darum bitten, dass du mir dafür nächstes Jahr im Laden aushilfst." "Also den gesamten August über?" "Ja, wenn dir das nicht zuviel Arbeit ist? Natürlich kostet die Eule nicht so viel, wie du verdienen würdest. Du hättest dann noch Geld übrig, aber ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen." Remus lächelte. "Sehr gern." Nun begann auch die Verkäuferin zu lächeln. Sie nahm den Käfig der Eule und reichte ihn ihm. "Aber vergiss es nicht, hörst du. Ich schick dir vorher noch mal eine Eule-" "Remus, Remus Lupin." Sie lachte. "Gut Remus. Also kümmere dich gut um sie und wehe sie sieht nächstes Jahr nicht genau so gut aus, wie jetzt." Er lachte ebenfalls. "Ja, geht klar." Die Schleiereule flog von ihrer Stange und ließ sich langsam auf seiner Schulter nieder, bedacht darauf ihre Krallen nicht zu fest in seine Schulter zu schlagen. Mit einem leichten Winken verabschiedete er sich von der Ladeninhaberin und setzte seinen Weg zu Madam Malkin's fort. Er fragte sich, wie er seinen Eltern bloß das neue Tier erklären sollte. Am besten war wohl doch die Wahrheit. Sonst würde er in den Sommerferien begründen müssen, wieso er bereits einen ganzen Monat eher in die Winkelgasse gehen müsse. Sicherlich würde sein Vater später einen Aufstand machen, aber er konnte es ihm schwerlich verübeln. Ein neues Haustier in nicht einmal dreißig Minuten? Das war schwer zu schaffen. Aber wie es schien nicht unmöglich, hatte er es gerade eben bewiesen. Es dauerte nicht lang und er erreichte endlich sein eigentliches, ursprüngliches Ziel. Er öffnete die Tür, welche bei seinem Eintritt klingelte. Sofort war Madam Malkin, eine etwas rundlichere, nichts desto trotz sehr nett wirkende Hexe, deren gesamte Kleidung malvenfarben war, zur Stelle. "Hogwarts, hab ich Recht?", fragte sie und ihm blieb lediglich Zeit für ein kurzes Nicken, als sie auch schon fortfuhr. "Stell den Käfig doch bitte dort in die Ecke, mein Lieber. Und deine Eule stört auch etwas." Er nickte nur und schritt durch den Raum. Er stellte den Käfig ab und streckte seinen Arm aus. Seine Eule landete auf diesem. Remus öffnete die Käfigtür und setzte seine neue Errungenschaft vorsichtig auf einer Stange ab. Nachdem er die Käfigtür geschlossen hatte, wurde er auch schon nach hinten geleitet. "Stell dich bitte auf den Schemel", wies ihn Madame Malkin freundlich an. "Gut so." Eine zweite Hexe kam zu ihm und die Ladenbesitzerin ging wieder nach vorn. Ein schwarzer Umhang glitt über seinen Kopf und kurz darauf begann die zweite Hexe ihn mit Nadeln in der richtigen Länge abzustecken. Die Tür ging erneut und Remus hörte einige Stimmen wild durcheinander reden. Anscheinend eine Familie. Er konnte den vorderen Teil des Ladens leider nicht sehen. "Folgt mir bitte!", hörte er Madame Malkin sagen, welche kurz darauf mit zwei Jungen im Schlepptau auftauchte. Beide hatten sie schwarzes Haar, doch sahen sie sich nicht sehr ähnlich. Der Eine hatte blaue, der Andere haselnussbraune Augen. Sie schienen in seinem Alter zu sein. Etwas größer als er selbst. "Wer will zuerst?", fragte Madame Malkin. Der Junge mit den wüsten Haaren zuckte mit den Schultern. "Du zuerst?" "Mir egal", erwiderte der Andere. Sein Haar schien gepflegter und stand nicht so wirr von seinem Kopf ab. Ein paar Strähnen fielen ihm auf elegante Weise ins Gesicht. Er stieg auf einen zweiten Schemel und Madame Malkin begann damit seinen Umhang abzustecken. Die beiden hatten Remus ebenfalls kurz gemustert, doch - wie auch er - noch nichts gesagt. Remus hörte erneut Schritte. Eine Frau und ein Mann kamen ebenfalls nach hinten. Die Frau hatte braunes Haar und braune Augen, der Mann rabenschwarzes, wirres Haar und stahlblaue Augen. Hier und da zierten einige graue Strähnen sein Haupt, was darauf hinwies, dass das Paar nicht allzu jung sein konnte. Die Ähnlichkeit zwischen dem Jungen mit den haselnussbraunen Augen und dem Ehepaar war nicht zu verkennen. Das mussten seine Eltern sein. Seltsamer Weise kam Remus der Vater des Jungen ziemlich bekannt vor. Doch woher nur? "James, wir gehen zu Flourish&Blotts und besorgen deine Bücher. Sirius, sollen wir dir deine auch gleich mitbringen?" "Das wäre sehr freundlich von Ihnen", erwiderte der Junge auf dem Schemel. Der Herr lächelte, als sein Blick auf Remus fiel. "Oh, wen haben wir denn da? Bist du nicht der junge Lupin? Remus, stimmt's?" "Ähm, ja." Remus Wangen nahmen einen Hauch von Rosa an. "Du bist aber groß geworden", sagte die Mutter des anderen Jungen. "Wie geht es deinen Eltern?" "Gut, danke der Nachfrage, Mrs. - verzeihen Sie..." "Potter!", lachte sie vergnügt. "Ist wohl doch schon zu lang her, was?" Da fiel es ihm wieder ein. Natürlich! Das waren die Potters! Mr. Potter arbeitete ebenfalls im Ministerium. Vergangenes Jahr hatte sein Vater Mr. und Mrs. Potter zu seinem Geburtstag eingeladen. Seine Eltern und die Potters waren damals gemeinsam in Hogwarts gewesen und sein Vater hatte viel von den Streichen, die er und sein Freund - der heutige Mr. Potter - ausgeheckt hatten, erzählt. Remus lächelte. "Tut mir leid. Es hat etwas gedauert." "Und? Wo sind deine Eltern?" "Bei Gringotts. Sie müssten bald kommen." "Ah, verstehe. Wollen wir nicht warten, Evelyn?" "Gern! Wieso nicht? Wie lang haben wir nicht mehr über alte Zeiten geplaudert?" "So, fertig!", sagte die Hexe, die Remus' Umhang abgesteckt hatte. Remus stieg vom Schemel. "Dein Umhang dauert noch ein Stückchen. Ich stecke erst mal den anderen ab", meinte die Hexe, als sie James bedeutete sich auf den freigewordenen Schemel zu stellen, welcher der Aufforderung nachkam. "Ich bin übrigens James Potter", sagte er endlich zu Remus. Dieser lächelte. "Und das ist Sirius Black." Er wies auf seinen Freund, der verstohlen grinste. "Freut mich!", antwortete Remus. "Remus Lupin, wie ihr wohl inzwischen mitbekommen habt." Die drei Jungen lachten und auch James' Eltern konnten sich ein Kichern nicht verkneifen. "Du kommst dieses Jahr auch nach Hogwarts?", fragte James. Wieder nickte der Angesprochene. "Ja. Ich kann es kaum abwarten. Das wird sicher riesig." "Bist du immer so begeisterungsfähig?", fragte Sirius in einem Ton, den Remus nicht genau einordnen konnte. War das Ironie, Sarkasmus oder einfach nur Neckerei? "Wieso denn nicht?", fragte er etwas schmollend. "Ist nur komisch, nichts weiter!" "Ich bin NICHT komisch!" Sirius grinste noch breiter. "Arg! Hör auf damit!" "Mit was?", war die scheinheilige Gegenfrage. "Damit!" "Womit?" "Arg!" Und wieder lachten sie herzhaft über den kleinen Remus und seine verzweifelten Versuche sich nicht von Sirius klein kriegen zu lassen. Die Tür ging erneut. "Remus?", rief eine Frauenstimme. "Ich bin hier hinten!", rief er sofort, als auch schon seine Mutter und sein Vater auftauchten. "Will, Eve! Was macht ihr denn hier?", rief die Mutter des Braunhaarigen freudig und viel James' Mutter um den Hals. Die Väter begrüßten sich ebenfalls. "Das selbe wie ihr", antwortete Mr. Potter und grinste. Mr. Lupin begutachtete James und lächelte. "Hallo James." Dieser nickte nur. Hatte er doch noch nie das Vergnügen gehabt. Mr. Lupin warf einen Blick auf Sirius. "Wenn mich nicht alles täuscht, dann bist du der junge Black, oder?" Sirius grinste und antwortete mit einem frechen "Hi!" "Ach sagt mal, ist das eure Eule, die da draußen steht?", fragte Mrs. Lupin plötzlich. "Das ist wirklich ein schönes Tier. Aber ich dachte eure Eulen seien noch im bestem Alter." "Nein, das ist nicht unsere", erwiderte Mrs. Potter. "Sie stand schon da, als wir kamen." Remus wollte sich gerade in den vorderen Teil des Geschäftes stehlen, als er die schneidende Stimme seines Vaters vernahm. "Remus Johnathan Lupin! Komm sofort hier her!" Er schluckte schwer und drehte sich mit einem mulmigen Gefühl im Magen um. "Ja?", fragte er scheinheilig. "Ist das DEINE Eule?" "Ja", murmelte er. Das unbehagliche Gefühl nahm zu. Er sah wie James und Sirius über das ganze Gesicht grinsten und sich auf die Standpauke freuten. Dafür hätte er sie am liebsten erschlagen oder ihnen den Hals umgedreht. "Wie kommst du, innerhalb von dreißig Minuten, ohne einen einzigen Knut in der Tasche, an eine Schleiereule?" "Ich hab sie geschenkt bekommen", antwortete er ziemlich eingeschüchtert. "Geschenkt bekommen? Wer in Teufelsnamen verschenkt ein solches Prachtstück?" "Die Besitzerin von Eeylops Eulenkaufhaus. Ihr könnt sie gern fragen, wenn ihr mir nicht glaubt. Ich habe sie ganz legal bekommen." Er sah seinen Vater mit flehendem Blick an. Dieser seufzte nach einigen Augenblicken. Der Anblick, welchen sein eingeschüchterter Junge bot, war einfach zu herzerweichend. "Nein, schon gut. Das erklärst du mir heute Abend noch mal." Remus nickte. "Wie weit seit ihr mit euren Einkäufen?", fragte Mrs. Potter. "Wir haben noch nicht einmal richtig damit angefangen", meinte Mrs. Lupin. "Wir auch noch nicht. Wir könnten die Besorgungen ja zusammen machen", schlug nun wieder Mrs. Potter vor. "Hervorragende Idee, Evelyn!" "Ähm, Mum?" "Ja, Remus?" "Äh, ich hatte gedacht, dass ich zu Flourish&Blotts gehe und ihr in der Zwischenzeit die Sachen, die unter Ferner werden benötigt standen, besorgt. Das dauert doch sonst alles eine Ewigkeit." "Und James und ich wollten uns die neuen Besen im Schaufenster ansehen", warf Sirius ein, der gerade von seinem Schemel stieg. "Na schön", begann Mr. Potter und legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. "Wir gehen die Kessel besorgen und ihr, Jungs, geht die Bücher kaufen. Wir treffen uns dann - sagen wir in einer Stunde - vor Ollivander's und kaufen eure Zauberstäbe. Seit ihr damit einverstanden?" "Ja, Sir!", riefen Sirius und James einstimmig und grinsten einander an. Kurze Zeit später verließen Familie Potter, Lupin und Black Jr. Madame Malkin's. Die Jungen stromerten durch die Winkelgasse, Richtung Flourish&Blotts, wobei James und Sirius vor dem Schaufenster mit den neusten Quidditch-Zubehör stehen blieben. Remus sagte ihnen, er ginge schon vor und setzte seinen Weg fort. Es dauerte nicht lange, als die Buchhandlung auch schon in Sichtweite kam. Als der angehende Hogwarts-Schüler den Laden betrat, geriet er erneut ins Schwärmen. So viele Bücher hatte er noch nie gesehen. Für einen Bücherwurm war es das einzige Paradies. Jeder Teil des Geschäfts war nach Themen unterteilt. Zunächst durchstöberte er die Abteilung der Zaubertrank- und Heilbücher, danach blätterte er in den Büchern über magische Geschöpfe und Pflanzen, anschließend waren die Bücher über Flüche und Gegenflüche an der Reihe. Er wollte schon zum nächsten Regal, als ihm einfiel, wieso er ja eigentlich hier war. Er zückte die Bücherliste und sah sich nach einem Assistenten um, der ihm helfen könnte. "Äh, verzeihen Sie?" "Tut mir leid! Keine Zeit. Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?!" "Entschuldigung." Er wandte sich an die Hexe an der Kasse. "Verzeihung." "Stell dich hinten an, Junge!", rief eine etwas ältere Hexe in der Schlange. Und erst jetzt viel ihm auf, wie viel doch in diesem Laden los war. Die Schlange, die anstand, um zu bezahlen, hatte zwei Windungen und reichte von einem Ende des Ladens zum anderen. "'Tschuldigung", murmelte er und seufzte tief. ,Dann such ich mir meine Bücher eben selbst zusammen', dachte er resignierend und begann nach seinen Schulsachen zu suchen. Das stellte sich als nicht allzu schwierig heraus, da die Schulbücher, die die Hogwarts-Schüler benötigten, in einem Extrabereich aufgehoben wurden. "Also, was brauch ich denn alles?" Lehrbücher Alle Schüler sollten jeweils ein Exemplar der folgenden Werke besitzen: - Miranda Habicht: Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 1 - Bathilda Bagsshot: Geschichte der Zauberei - Adalbert Schwahfel: Theorie der Magie - Emeric Wendel: Verwandlungen für Anfänger - Phyllida Spore: Tausend Zauberkräuter und -pilze - Arsenius Bunsen: Zaubertränke und Zauberbräue - Lurch Scamander: Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind - Quirin Sumo: Dunkle Kräfte. Ein Kurs zur Selbstvertei- digung Die Titel klangen seiner Meinung nach nicht all zu spannend. Aber was sollte er auch anderes erwarten? Immerhin war es das erste Jahr für ihn und sowohl er, als auch einige seiner Mitschüler hatten wohl keinen blassen Schimmer von der Zauberei. Er fragte sich, ob er sich dämlicher anstellen würde, als die Muggelkinder, die noch keinerlei Erfahrungen mit der Magie gemacht hatten, doch dann schob er diese Sorge beiseite. Es würde schon alles glatt laufen. Während der morgigen Zugfahrt konnte er ja einen kleinen Blick in die Bücher riskieren und sich einen kleinen Einblick verschaffen. Also wieso sollte er sich jetzt schon Gedanken machen, obwohl sein erstes Schuljahr noch gar nicht begonnen hatte? Das war einfach nur dumm. Er suchte die richtigen Bücher zusammen und trug den Stapel dorthin, wo er meinte, das Ende der Warteschlange gesehen zu haben. Der Bücherstapel war allerdings so hoch, dass er nicht sehen konnte, wo er hinlief und so kam es, wie es kommen musste. Er stieß mit jemandem zusammen, verlor das Gleichgewicht und landete auf seinen vier Buchstaben. "V-verzeihung", sagte er, als er aufsah und einen Jungen vor sich knien sah. Er schien, wie James und Sirius, in seinem Alter zu sein. Sein Haar war ebenfalls pechschwarz, doch ziemlich schmierig. Seine Nase war etwas gekrümmt und seine Augen wirkten wie schwarze Perlen. Sie glitzerten und sprühten eisige Kälte aus. "Tut mir leid!", murmelte Remus erneut und begann seine Bücher aufzusammeln. Vier, fünf... Nanu, hatte er nicht gerade eben noch acht Bücher gehabt? Jemand hielt ihm drei Bücher vor die Nase. Wieder sah Remus auf. Der Junge, mit welchem er zusammengestoßen war, hatte die restlichen aufgehoben. "Willst du die nicht?", fragte er etwas ungeduldig. "Ich hab meine schon, also?" "Doch - doch!" Eilig stand er auf, wobei er seine Bücher beinahe wieder hätte fallen lassen. "Pass das nächste Mal besser auf", sagte sein Gegenüber etwas kühl und legte die drei Bücher auf Remus' Stapel. "Ja, entschuldige. Ähm, danke." Schwer bepackt lief er zum Ende der Schlange, welche sich zum Glück auf zwei Personen vor ihm reduziert hatte. "Sag mal, mit wem bist du denn da gerade zusammengestoßen?", fragte eine recht raue Stimme. Remus schielte etwas zur Seite. Er sah, wie der Schwarzhaarige, mit dem er gerade zusammengestoßen war, mit einem älteren - schätzungsweise siebzehnjährigen - Jungen sprach. Er war sehr hoch gewachsen und hatte eine breite, wahrscheinlich - so schätzte Remus - muskulöse Statur. Sein Haar war platinblond und seine Augen eisblau. Sein Auftreten wirkte sehr arrogant und die Stimmlage, in der er sprach, lies auf nichts anderes schließen. Der Kerl war Remus sogleich unsympathisch. Er sah, wie der Jüngere mit den Schultern zuckte und kurz darauf spürte er den stechenden Blick des Platinblonden in seinem Nacken. "Sieht ziemlich heruntergekommen aus. Seine Hose und sein Pullover haben Flicken." Er lachte gehässig. "Seine Eltern scheinen ganz schöne Kirchenmäuse zu sein." ,Nicht aufregen, Remus! Das ist alles nur dummes Geschwätz. Hör gar nicht erst hin', versuchte er sich gedanklich zu beruhigen. "Also entweder sind seine Eltern mickrige Zauberer und verdienen nichts oder er ist ein Halbblut. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das da ein Schlammblut ist. So verwahrlost der aussieht. Eine echte Schande für die Zauberergesellschaft. Ich will gar nicht wissen, was für Versager seine Eltern sind." Das war zu viel. Wütend knallte er die Bücher auf die Theke und die Hexe, die dahinter saß, erschrak heftig. Mit bebendem Zorn in sich, ging er auf die beiden zu. "Sag mal, was fällt dir eigentlich ein?!", schrie Remus regelrecht. Mit einem Schlag hatten sie die gesamte Aufmerksamkeit der Kunden. Ein empörtes Tuscheln und Raunen machte die Runde. Der Ältere machte ein gespielt angewidertes Gesicht. "Hast du uns etwa belauscht? Ts ts ts! Deine Eltern haben dir wohl keine Manieren beigebracht, was?" "Von wegen belauscht! Wenn ich jemanden belausche, dann gebe ich mir Mühe jedes Wort zu verstehen, aber euer Gespräch war ja wohl unüberhörbar!" Sein Gegenüber grinste amüsiert. "Ja, und? Es ist doch die Wahrheit." "Wahrheit?! Ich hör wohl nicht recht?! Meine Eltern sind KEINE Versager und wenn hier jemand eine Schande für die gesamte Zaubererwelt ist, dann doch eher jemand wie du! Wer das Wort Schlammblut auch nur in den Mund nimmt, der ist noch weniger wert, als ein Muggel, du affektierter Lackaffe!" "Wenn ich du wäre, dann würde ich mir genau überlegen, was ich sage und was lieber nicht." "Und wieso?!" "Weil ich bereits sechs Jahre Hogwarts hinter mir habe und du noch nicht mal einen Wimpernschlag!" "Das ist mir doch vollkommen egal! Wenn du noch einmal meine Eltern beleidigst-" "Deine Eltern?", rief er spöttisch. "Na was sind denn deine Eltern? Irgendwelche arbeitslosen Muggel, die das große Glück hatten ein magisch begabtes Kind zu bekommen?" Die letzten Worte spie er mit gekünstelter Angetanheit aus und grinste erneut. "Sind sie nicht! Mein Vater arbeitet im Ministerium." "Als was? Als Memo?", erwiderte er garstig und brach in schallendes Gelächter aus, in welches der Junge, mit dem Remus zusammengestoßen war, jedoch nicht mit einfiel. Anscheinend hielt er diese Bemerkung als ebenso witzlos und unpassend, wie auch Remus sie empfand. "Nein! Er arbeitet im Komitee für muggelgerechte Entschuldigungen, wenn du nichts dagegen hast!" "Tse, war ja klar, dass er mit Muggeln zu tun hat. Deswegen wird er auch so schlecht bezahlt." "Mein Vater verdient äußerst gut!", rief Remus erbost. "Und wieso siehst du dann so heruntergekommen aus?" "Das geht dich überhaupt nichts an!" Noch immer zierte ein grausames Grinsen das Gesicht des Platinblonden. "Gehen wir, Severus!" Er wandte sich zum Gehen, hielt jedoch inne, als ihm niemand folgte. "Was ist?" "Tut mir leid", erwiderte der Junge, der die ganze Zeit teilnahmslos zugehört hatte und strich eine schwarze Strähne aus seinem Gesicht. "Mein Eltern wollten, dass ich hier auf sie warte. Du kennst sie doch." Der Ältere nickte. "Gut, dann bis morgen." Er warf Remus einen verächtlichen Blick zu und verließ die Buchhandlung. Der Brünette bebte vor Zorn. "Wie kann er es nur wagen...Dieser...Arg!" Wütend stapfte er zur Theke, knallte sein Geld, welches er von seinen Eltern bekommen hatte, hin und verließ, nachdem seine Bücher eingepackt waren, wutentbrannt das Geschäft. Als er die Straße entlang stürmte, merkte er noch nicht einmal, wie er direkt an Sirius und James vorbei lief und auch ihre Rufe nahm er nicht war. Erst vor Ollivander - Gute Zauberstäbe seit 382 v. Chr. hielt er inne und begann sich wieder zu beruhigen. Wie peinlich das ganze doch gewesen war und wie unverschämt dieser Typ gewesen war. Einfach unglaublich! Er hatte sich mit jemand vollkommen fremden gestritten, obwohl er noch nicht einmal seinen Namen gekannt hatte. Sonst war das ja wirklich nicht Remus' Art. Eigentlich trat er allen recht aufgeschlossen gegenüber und bildete sich über kurz oder lang eine Meinung, doch diesmal war es eindeutig gewesen. Diese unverfrorene Person konnte bei ihm einfach keine Pluspunkte sammeln. Ausgeschlossen. Er sog die Luft scharf ein und stieß langsam wieder aus. Es brachte nichts sich zu viele Gedanken um diesen Jungen zu machen. In Hogwarts würde er wohl noch öfters mit ihm aneinander geraten, das wusste er schon jetzt. Daher wollte er so wenig wie möglich an ihn denken. Remus warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Die Stunde war fast um. Bald mussten die anderen kommen und sie konnten ihre Zauberstäbe kaufen. Die Zauberstäbe? Er sah zum Türschild hinauf, wo das Blattgold bereits abblätterte. Wieso sollte er denn nicht schon rein gehen und sich etwas umsehen? Schaden konnte es ja nicht. Kurzerhand nahm er sein Bücherpaket und betrat den Laden. Wie er schon von außen vermutet hatte, war dieser nicht besonders groß oder geräumig. Dafür ging er doch ein ganzes Stück weit nach hinten. Remus stellte seine Bücher ab und sah sich um. Der Raum war ziemlich leer. Das einzige Mobiliar, was er ausfindig machen konnte, war ein merkwürdig aussehender Stuhl mit langen Storchenbeinen. Der Junge fühlte sich hier etwas unbehaglich. Hatte der Laden doch schon etwas Staub angesetzt. Überall stapelten sich fein säuberlich tausende von schmalen, länglichen Schachteln bis unter die Decke. Remus wollte sich gerade eine davon näher betrachten, als er plötzlich von jemandem begrüßt wurde. "Guten Tag", sagte jemand mit sanfter Stimme. Remus zuckte zusammen, hatte er doch gar keine Schritte vernommen. Langsam drehte er sich um. Hinter ihm, oder nun mehr vor ihm, stand ein älterer Mann mit großen, blassen Augen vor ihm. Da der Laden recht dunkel war, wirkten diese etwas fremd. "Guten Tag", erwiderte Remus etwas nervös. "Ah, verstehe", sagte der Mann und lächelte freundlich. "Sie sind Mr. Lupin, wenn ich recht in der Annahme liege. Sie kommen ganz nach Ihrem Vater. Ihre Augen allerdings erinnern wirklich stark an die Ihrer Mutter." Der Junge wusste nicht so recht, ob er etwas erwidern solle oder lieber abwartete. "Ja ja. Es ist ja noch nicht so lange her, dass Ihre Eltern bei mir waren und ihre ersten Zauberstäbe gekauft haben. Noch ziemlich jung, nicht?" Remus nickte unmerklich. Aus irgend einem Grund flößten ihm die Augen des Mannes Unbehagen ein. Hatte er schon einmal geblinzelt, seit er mit Remus gesprochen hatte? "Nun gut, kommen wir zum Wesentlichen. Also, welche Hand ist Ihre Zauberhand?", fragte er, während er ein langes Bandmaß mit silbergrauen Strichen darauf herausholte. "Äh... rechts?" Es war mehr eine Frage, als eine Antwort. "Gut. Dann strecken Sie bitte Ihren Arm aus. Nein, nicht so. So! Ja, genau." Mr. Ollivander begann damit jeden Zentimeter von seinem Kunden zu vermessen. Er maß er von der Schulter bis zu den Fingerspitzen, dann vom Handgelenk zum Ellenbogen und von der Schulter bis zu den Füßen. So weit so gut, doch dann - so fand Remus - wurden die Messungen lächerlich. Als nächstes maß der Verkäufer vom Knie zur Armbeuge und dann von Ohr zu Ohr. Sogar den Abstand der beiden Nasenlöcher schien ausschlaggebend zu sein. Mr. Ollivander sprach währenddessen weiter: "Wissen Sie, Mr. Lupin: jeder einzelne Zauberstab, der in diesem Geschäft hergestellt wird, besitzt einen Kern aus einem mächtigen Zauberstoff. Wir benutzen Einhornhaare, Schwanzfedern von Phönixen und die Herzfasern von Drachen. Das besondere an den Zauberstäben ist, dass keine zwei Ollivander-Stäbe gleich sind, so wie kein Einhorn, Drache oder Phönix dem anderen aufs Haar gleicht. Und natürlich werden Sie mit dem Stab eines anderen Zauberers niemand so hervorragende Resultate erzielen, wie mit Ihrem eigenen." Er steckte das Bandmaß zurück in seine Tasche und lief zwischen den Regalen umher und zog hier und da ein paar Schachteln hervor. Er legte die Schachteln auf den Tresen und öffnete die erste. "Versuchen Sie es mal mit diesem, Mr. Lupin. Eibe und Einhornhaar. Zehn Zoll. Robust. Sie müssen ihn einfach schwingen." Remus nahm den Zauberstab und schwang ihn leicht, wobei er Funken sprühte. "Nein, nein, nein, nein, nein! Das geht überhaupt nicht! Dieser hier! Eberesche, Phönixfeder. Sechs Zoll. Sehr biegsam." Er entriss Remus den ersten Zauberstab und kaum hatte dieser den zweiten in Händen, so war er im nächsten Moment schon wieder weg. "Hier - Stechpalme und Drachenherzfasern. Dreizehn Zoll. Sehr handlich." Auch diesen schwang Remus, doch Mr. Ollivander schüttelte nur mit dem Kopf. "Nein, das ist auch nicht das Wahre." Er nahm den Stab wieder an sich und schlenderte zu den Regalen. Plötzlich blieb er stehen. "Vielleicht der? - Hm. Wieso nicht?" Er nahm eine vollkommen verstaubte Schachtel heraus und kam damit zurück. "Buche und Kelpiehaare. Zwölf Zoll. Starke Zaubersprüche, peitscht richtig." Remus nahm den Stab aus der Schachtel. Ein kribbelndes Gefühl machte sich in ihm breit. Langsam hob er den Stab und schwang ihn in einer ausladenden Bewegung. Plötzlich fühlte er sich leicht wie eine Feder. Als er nach unten sah, sah er, dass er und Mr. Ollivander in der Luft schwebten. "Hervorragend!", rief dieser freudig und klatschte in die Hände. "Wirklich gut." Es dauerte nicht lange und der Zauber verlor seine Wirkung. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, kam Mr. Ollivander auf den jungen Remus zu und nahm den Stab entgegen. "Interessant. Sehr interessant", sagte er, während er Remus' Zauberstab wieder in die Schachtel zurücklegte. "Was ist denn so interessant?", fragte Remus ungeduldig. "Dieser Zauberstab", sagte der ältere Herr und lächelte. "ist etwas Außergewöhnliches. Er ist der einzige Zauberstab, den Ollivander's bis jetzt hergestellt hat, der Kelpiehaare als Kern hat." "Was sind denn Kelpie?" Mr. Ollivander lachte. "Das wissen Sie nicht?" Remus schüttelte den Kopf. "Kelpie sind Wassergeister. Sie treten in Gestalt von Männern oder schwarzen Pferden auf. Sie leben im Seetang und locken ahnungslose Reisende in die Fluten, wo sie sie dann in Stücke reißen." Remus schauderte. "Sie leben in schottischen Gewässern. An Land sind sie recht harmlos, solang kein Wasser in der Nähe ist." "Aber umgibt sie dann nicht viel eher schwarze Magie?" Und wieder lachte Mr. Ollivander. "Mr. Lupin, bei Zauberstäben geht es nicht um die Art der Magie, sondern um die Stärke der Magie. Kelpiezauber ist genau so stark wie Einhornzauber. Außerdem können Sie nicht so einfach sagen, dass Kelpies schlecht sind. Was würden Sie denn dann zu Drachen sagen? Die sind ja auch nicht gerade ungefährlich und trotzdem verwenden wir ihre Herzfasern für unsere Zauberstäbe." Und wieder wusste Remus nicht, ob er etwas erwidern solle, oder nicht und entschied sich noch einmal dazu zu schweigen. Für ihn war das Gespräch abgeschlossen. Daher zahlte er sieben Galleonen und fünfzehn Sickel und verlies mit Stab und Büchern das Geschäft. Er atmete erleichtert auf, als er endlich wieder draußen war. "He, Remus!" Der Gerufene sah auf, als er seinen Namen hörte. James und Sirius - beide mit Büchern bepackt - kamen auf ihn zu. "Oh, hi. Sorry, hab vergessen, dass ich auf euch warten wollte." "Sag mal, wieso bist du vorhin wie von der Tarantel gestochen durch die Straße gelaufen?", fragte James etwas außer Atem und stellte dabei, wie auch Sirius, seine Bücher ab. "Wie?" "Du bist einfach an uns vorbei gerannt und als wir dich gerufen haben, hast du noch nicht mal reagiert", meinte Sirius etwas vorwurfsvoll. "Wirklich? Oh - tut mir leid." "Was war denn mit dir los?", fragte James. "Du sahst ganz schön sauer aus. War was in Flourish&Blotts? Die haben da alle wie blöd getuschelt und irgendwas von Jugend von heute gefaselt." "Nein, es war nichts." "Remus. Ich glaub dir kein Wort. Du-" "Mum, Dad!" Remus' Eltern und die von Harry kamen gerade bei ihren Sprösslingen an. "Entschuldigt die Verspätung", sagte Mr. Lupin. "War ganz schön viel los." "Schon okay. Sind auch grade erst gekommen", erwiderte Sirius und grinste. "Dann können wir ja jetzt eure Zauberstäbe holen", meinte Mrs. Potter fröhlich. "Ich hab meinen schon", erwiderte Remus knapp. "Ich war schon eher da und wollte nicht die ganze Zeit hier warten." "Na dann", sagte sein Vater und überlegte kurz. "Dann gehen wir wieder in den Tropfenden Kessel. Will, Eve, hättet ihr nicht Lust morgen, nachdem der Zug abgefahren ist, noch eine kleine Tour durch London zu machen und über alte Zeiten zu plaudern?" "Liebend gern!", antwortete Mrs. Potter. "Gut, dann bis morgen bei King's Cross." Man verabschiedete sich in mehr oder minder stürmischer Weise und machte sich auf den Weg. An diesem Abend packte Remus seine Sachen und fütterte seine Eule, die er auf den Namen Cassandra getauft hatte. Als er für die morgige Abreise fertig gepackt hatte, klopfte es an der Tür und sein Vater trat an. Wie bereits am Nachmittag versprochen, erklärte Remus seinem Vater, wie er zu der Schleiereule gekommen war und erntete - zu seinem Glück - Verständnis von seinem Vater. Remus konnte in dieser Nacht kaum ein Auge zutun. War er doch viel zu nervös und gespannt darauf, was ihn in Hogwarts so alles erwarten würde. Noch immer konnte er sein Glück kaum fassen, dass er tatsächlich die Erlaubnis erhalten hatte, die Schule für Hexerei und Zauberei zu besuchen. Es kam ihm alles wie ein wunderbarer Traum vor und er hoffte nicht so schnell daraus zu erwachen. ~~~~~ 1.Akt, Kap.I - Ende ~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)