Am Anfang war das Schulprojekt von Autumn (JoeyxSeto) ================================================================================ Kapitel 33: Dritte Woche, Mittwoch (Teil 1) ------------------------------------------- Ihr Lieben! Es tut mir wirklich sehr leid, dass es so lange nichts gab, aber da ich an der Uni gerade ein ziemlich wichtiges Semester durchmache und die Zwischenprüfung ablegen möchte, habe ich viel zu tun - außerdem hatte ich eine Zeitlang kein Internet zu Hause und konnte nichts hochladen. Zum Trost gibt's wieder einmal zwei Kapitel auf einmal und ich hoffe, Ihr könnt mir verzeihen, aber das Studium geht nun mal vor. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!^^ Kapitel 17: Dritte Woche, Mittwoch ~~ Miller-Corporation, 8 Uhr 56 Ortszeit ~~ Ellen musterte den Besucher interessiert. Sie hätte schwören können, dass sie dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte, konnte es aber nicht einordnen. Zweifellos war er ein Ausländer, aber er sprach sehr gut Japanisch. „Ich habe einen Termin bei Mr. Miller Junior." „Der Neun-Uhr-Termin? Dann sind Sie wohl Mr. André Cartier? Er wartet bereits auf Sie." Der Franzose bedankte sich mit einem warmen Lächeln und durchschritt das Büro des Herrn Papa, der heute nicht anwesend war und klopfte an die Tür zum Allerheiligsten. „Herein. Ah, du bist es, mein Freund. Setz dich." „Was ist passiert? Hast du deine Einrichtung geändert, Souichi-san?" „Man hat meine alten Möbel weggeschafft, sonst nichts." erwiderte er in peinlicher Erinnerung an Joeys Räumungsaktion. „Nun? Du hast meinen Plan doch bisher abgelehnt. Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?" André biss sich unglücklich auf die Lippen und schwieg. Seine Kehle war trocken und er wollte nicht recht mit der Sprache heraus. „Ich....ich habe die beiden gesehen....Joey-san und deinen Gegner, Seto Kaiba-san. Ich weiß, dass sie sich eigentlich getrennt haben, aber gestern haben sie sich in besserem Einverständnis verabschiedet. Richtig versöhnt haben sie sich nicht, aber sie sind auf dem Wege dazu. Und das....tut weh....!" Souichi, der sich soeben eine Zigarette anzünden wollte, verblieb auf halber Höhe mit dem Feuerzeug und schlug die Flamme an, ohne sie zu dem Glimmstängel zu führen. Obwohl er sich darauf verstand, seine Emotionen zu verbergen, konnte er nicht verhindern, dass sich ein Ausdruck der Bestürzung in seinen Zügen ausbreitete. „Soll das heißen....du hegst Gefühle für diesen blonden Wirbelwind?" „Ja!" Es klang fast wie ein Schrei. „Bislang hatte ich nicht gewusst, dass dein Kontrahent und Joeys namenloser Freund ein und dieselbe Person sind - und ich weiß auch, wie gemein es ist, dass ich ihre Beziehung nicht akzeptieren kann! Ich habe noch nie einen jungen Mann wie Joey getroffen und....und es schmerzt einfach abscheulich, dass er in mir nie mehr sehen wird als einen Kameraden oder Kollegen! Ich beneide Kaiba aus tiefstem Herzen, ich gebe es zu! Ich bin eifersüchtig, das gebe ich auch zu! Und deshalb werde ich dir helfen!" „...." „Was ist? Warum sagst du denn nichts?" „André....ich will, dass du mir aus freien Stücken hilfst, und nicht, weil....weil deine Gefühle verletzt sind. Du willst Kaiba an einer empfindlichen Stelle treffen, weil er mit dem Mann zusammen ist, in den du....verliebt bist. Aber ich möchte, dass du mir hilfst, weil ich es war, der dich darum gebeten hat." Mr. Miller Senior hatte eine Schwäche für das Reisen und war schon mehrere Male in Europa gewesen, auch zusammen mit seinem Sohn. Er lernte Andrés Papa während einer Gemäldeausstellung in Paris kennen und befreundete sich mit ihm. Die beiden Kinder, sechs und neun Jahre alt, bauten eine Art brüderliche Beziehung zueinander auf, weil ihre Eltern selten Zeit für sie hatten und so waren sie einander Stütze und Familie gewesen. „....Dein Plan ist hinterhältig. Ich wollte nichts damit zu tun haben, auch wenn du es bist, der diesen Dienst von mir verlangt. Ich habe dich immer noch sehr gern, Souichi-san, ehrlich. Aber meine Gründe für meine Hilfe sind und bleiben egoistisch, genauso wie deine Gründe für dieses Vorhaben. Du hast recht, ich habe mich in Joey verliebt - und ich ertrage es einfach nicht länger, dass er einem anderen gehört! Es ist falsch und verräterisch....und trotzdem kann ich nichts daran ändern!" „Falsch und verräterisch....und dann behauptest du, du wolltest nichts mit meinem Plan zu tun haben, der ach so hinterhältig ist? Wir sind uns ähnlicher, als dir lieb ist, André. Wir sind beide Karrieremenschen, ehrgeizig, zielstrebig, erfolgsorientiert. Um in den harten Branchen zu bestehen, in denen wir arbeiten, ist Egosismus unerlässlich, denn sonst verliert man. Du bist von deinem Entschluss wohl nicht mehr abzubringen, oder?" „Nein. Du willst Kaiba am Boden sehen. Ich will Kaiba am Boden sehen. Unsere Motive sind verschieden, aber sie bezwecken dasselbe. Das wolltest du doch." „Ja, sicher." Aber er wollte es um seiner selbst willen. Nicht aus Eifersucht und Schmerz heraus. Er zündete sich endlich seine Zigarette an und nahm einen Zug; sein schönes Gesicht glich einer Maske. „Wann wirst du anfangen?" „Heute noch. Das System dürfte hochkompliziert sein, das wird ein hartes Stück Arbeit." „Du packst das schon. Sehen wir uns am Freitag?" „Bei dem Duell? Natürlich." „Gut. Du kannst gehen. Ach, übrigens...." „Was ist denn noch?" „Ich habe dir noch nicht dafür gedankt, dass du mir die Aktien der Kaiba-Corporation verschafft hast. Das war eine hervorragende Leistung." André wagte ein schmales Lächeln. Das war ein Job gewesen wie jeder andere auch, ohne persönliche Betroffenheit. Er wurde seinem Ruf gerecht und wurde gut bezahlt. Er hatte es nicht getan, um seinem Kindheitsfreund einen Gefallen zu erweisen, beileibe nicht. Das war ein gewöhnliches Geschäft gewesen, wie er sie stets abwickelte. Aber diese neue Aufgabe.... erforderte etwas mehr Einsatz als sonst. Und es stand mehr auf dem Spiel. Er fühlte sich schäbig, aber er war enttäuscht, eifersüchtig und im selben Moment auch traurig. Er konnte nicht zurück und das wusste er. „Ich erwarte deinen Rapport. Bis später." „Ja. Bis später...." Die Tür fiel klappernd ins Schloss und Souichi erhob sich von seinem Sessel. Er starrte von seinem Panoramafenster aus auf die Stadt, über der sich ein strahlend blauer Himmel erstreckte, nur ab und zu unterbrochen von ein paar weißen Wattewölkchen. Es war ein herrlicher Tag, und trotzdem schien er ihm grau und düster zu sein. André war verliebt. In einen anderen. Angewidert drückte er die Zigarette wieder aus und lehnte seine erhitzte Stirn gegen das kühle Glas. Er zitterte, obwohl es im Zimmer sehr angenehm war. Ellen, mit einigen Unterlagen in der Hand, trat ein, machte aber auf dem Absatz kehrt, als sie die merkwürdigen Laute hörte, die gepresst über die Lippen ihres neuen Chefs drangen. Sie mochte ihn nicht, aber sie hatte Respekt vor den Gefühlen ihrer Mitmenschen. Er bemerkte sie nicht einmal. Er stand einfach nur da und vergoss Tränen des Kummers und der Enttäuschung. Er verbarg es hervorragend....aber auch er hatte ein Herz. Die zweite Stunde dieses Schultages wurde eingeläutet, Mathematik. Hätte man Joey gefragt (was natürlich keiner tat), so hätte er liebend gern auf dieses Fach verzichtet, zumal morgen ein Test anstand und er von der Materie absolut keine Ahnung hatte. Und lernen? Oh, sicher, das hätte er machen können, wenn sein Kopf nicht mit anderen Problemen vollgestopft gewesen wäre, die in seiner Prioritätsliste viel höher standen als Logarithmen. Ganz davon abgesehen hätte er ohnehin nichts geschnallt! »Honigbärchen....?« »Was willst du denn schon wieder?!« »Warum versöhnst du dich nicht mit Seto-chan? Ihr habt doch gestern beide gemerkt, dass ihr euch noch liebt, unabhängig von eurem schlimmen Streit. Vertragt euch, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitteeeeeeeeeeee....mit einem Sahnehäubchen und einer Kirsche obendrauf???« »Ich weiß, dass er mich liebt - aber er steht nicht zu mir, und solange es in diesem Punkt keine Entscheidung gibt, werde ich mich nicht auf einen neuen Versuch mit ihm einlassen. Am Freitag wird sich herausstellen, wozu er sich entschlossen hat....und ja, ich hoffe, dass er mich wählt, und zwar mit ganzem Herzen, bereit, mich der Welt zu zeigen, und nicht, um mich wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen! Mir ist klar, dass ich nicht gerade wenig von ihm verlange, aber....« »....es muss sein? Ich verstehe dich ja, doch was ist, wenn er sich für sein Image und gegen dich entscheidet?« »Dann hat er mich nicht genug geliebt. Damit werde ich fertig werden müssen, sollte es tatsächlich soweit kommen. Huh?« Ein Briefchen war auf seinem Pult gelandet und er linste zu Yugi hinüber, der das Papier geworfen hatte. Er entfaltete es und las die Nachricht: >Joey, Ryo und ich hätten da einen Plan, bei dem du eine der Hauptfiguren sein könntest. Serenity und Mokuba sind unsere Mitverschworenen und deine Schwester wird dir alle weiteren Details erklären, wenn du sie heute besuchen kommst. Gezeichnet: Y.< Er hob eine Augenbraue und las die Botschaft ein zweites und sogar noch dein drittes Mal. Ein Plan also, ja? Sein kleiner Kumpel wirkte zwar nicht wie ein Sechzehnjähriger, aber er dachte wie ein Sechzehnjähriger und war überhaupt ein kluges Köpfchen. Was hatte er sich wohl einfallen lassen? Nun, Serenity würde es ihm sagen. Er zeigte ein „Daumen hoch", um seinem Freund mitzuteilen, dass er einverstanden war und senkte seine Nase danach wieder in das Mathebuch, verzweifelt darum bemüht, zu kapieren, wovon dieser Herr da vorne an der Tafel eigentlich sprach - aber wie so oft bei derartigen Anstrengungen meldete sich Joeys altbekannte Schulmüdigkeit, sodass er alsbald jegliches Interesse an der Stunde verlor und lieber vor sich hin träumte. Solange, bis....bis ein zweites Stück Papier bei ihm ankam. >Wach auf, Hündchen. Wenn du nicht aufpasst, wirst du die nächste Arbeit wieder vermasseln.< Der Blondschopf ließ ein grollendes Knurren hören und warf einen fürchterlich niederschmetternden Blick auf den Firmenchef, der seelenruhig und überlegen lächelnd neben ihm sass und die Aufgaben, die ihnen der Lehrer vorrechnete, ohne Probleme alleine löste. Der Jüngere angelte nach seinem karierten Block, riss eine Seite ab und schrieb eine Antwort. Mit einem gezielten Wurf platzierte er sie auf Kaibas Stiftschatulle. >Zieh die Arroganzbremse an, Drache. Du bist dabei, dich unbeliebt zu machen!< Seto schmunzelte und schnappte sich ein weiteres Papierchen, das postwendend und punktgenau mit Joeys Kaugummipackung zusammentraf, die dieser zum Missfallen sämtlicher Lehrkräfte immer offen auf seinem Pult liegen hatte. >Was hat das mit Arroganz zu tun? Es ist die Wahrheit. Dein Verstand ist nicht dafür konzipiert, hohe Mathematik zu betreiben.< >Erstens bin ich kein Hund, zweitens ist mein Verstand dafür in manchen Punkten besser ausgerüstet als deiner und drittens warst du in der Zwischenstunde auf dem Klo. Dein Hosenstall ist offen!< Der Brünette wagte es, sein Augenmerk ein wenig tiefer zu setzen und sah, dass es stimmte. Oh Gott, wie hatte denn das passieren können?! Er machte sich unauffällig dort zu schaffen und der Reißverschluss nahm bald wieder seinen gewünschten Platz ein. >Danke. Schön zu wissen, wo du hinschaust.< >Reine Höflichkeit.< >Das soll ich dir glauben?< >Einen Versuch war‘s wert.< Unweigerlich grinsten sie sich an und die Wangen des Models röteten sich leicht. Wortwechsel dieser Art machten ihnen Spaß und erinnerten sie an die Zeit, als sie noch Rivalen gewesen waren, die nicht miteinander konnten - und ohne einander noch weniger. Nächster Zettel. >Aber Mathe ist nicht mein Fall, das stimmt. Wie wär‘s? Gib mir etwas von deiner phänomenalen Gehirnmasse ab, vielleicht bringt es was.< >Du meinst Nachhilfe?< >Du hast mir doch immer vor die Nase gehalten, wie super intelligent du bist. Jetzt will ich es überprüfen.< >Das ist nicht nötig. In diesem Fach habe ich einen Notendurchschnitt von 1,3.< >Was, bloß? Du lässt nach!< >Zurück zu deiner Frage: Ist es dir ernst?< >Das mit der Nachhilfe? Logisch! Du könntest mich zumindest davor retten, noch schlechter zu werden als ich sowieso schon bin!< >Du glaubst, es gibt etwas Schlechteres als 6,0?< >Drache....was ist mit der Arroganzbremse? Ich stehe auf 5,2. Ich. BRAUCHE. Hilfe.< >Du brauchst ein Wunder.< >Sagen wir so gegen Abend? Circa 19 Uhr? PS: Wenn ich ein Wunder brauche, brauchst du einen Benimmlehrer, Mr. Unsympathisch!< >19 Uhr ist okay.< >Seto, da gibt es noch etwas, worüber ich mit dir sprechen muss. Ich bin auf etwas gestoßen.< >Auf was?< „Mr. Kaiba!! Mr. Wheeler!!" Das papierverschwendende Gespräch wurde abrupt beendet, als der Mathelehrer dazwischentrat und von „Rechengenie" auf „Verfechter des autoritären Erziehungsstils" umschaltete und seinen Frust auf die armen und völlig ahnungslosen Schüler herniedergehen ließ. Er war einer der wenigen, die nicht vor Kaibas Namen Halt machten und daraus folgte, dass man ihn wegen zu geringer Aufmerksamkeit zusammen mit Joey auf den Korridor schickte und ihnen befahl, mit je einem Eimer Wasser neben der Tür stehenzubleiben. „Solche Dinge passieren mir immer nur, wenn du dabei bist." bemerkte der Brünette trocken, was der Jüngere mit einem verächtlichen Schnaufen quittierte. „Ich ziehe das Pech eben magisch an, daran müsstest du doch schon gewöhnt sein!" „Ich bin daran gewöhnt, dass du Katastrophen jeder Art anziehst, aber Pech würde ich es nicht nennen. Es gibt eben Menschen, die werden bereits als klassische Versager geboren!" „Du willst mich absichtlich ärgern, oder?" „Diese Frage entbehrt jeglicher Logik. Weshalb sollte ich dich ärgern wollen?" „Weil es dein Lebensinhalt ist? Weil du ohne mich weder richtig schlafen, noch essen, noch trinken, noch denken kannst? Weil du ziemlich gut darin bist, mich zu verletzen?" Der letzte Satz besass keinen scherzhaften Ton, so wie die anderen. Seto biss sich auf die Lippen und starrte schweigend in seinen Wassereimer. Mittlerweile war er zu der Einsicht gelangt, dass er sich nicht taktloser hätte benehmen können. Natürlich hatte er diesem verwünschten und skrupellosen Klatschreporter namens Kagashi um jeden Preis ausweichen wollen, aber dafür seinen Freund einfach sitzenzulassen und ihn mit seinem üblichen Thema (Image in der Öffentlichkeit, sein guter Ruf etc.) abzuspeisen, war schlicht und ergreifend brutal gewesen, zumal er sich viel zu gleichgültig verhalten hatte. Sicher, Joey hatte ihn mit seinem Temperament überrollt wie ein Güterzug und sie hatten sich beide in Wut geredet, doch er trug eindeutig die Hauptschuld an dem Streit, der ihre Beziehung zerrüttet hatte. Zerstört konnte man nicht sagen, denn sie liebten einander noch immer, das war ihnen beiden gestern klar geworden. Aber verziehen hatte ihm der Blonde noch nicht - nicht vollständig. Und er hatte sich noch nicht einmal entschuldigt. »Wenn du‘s nur einsiehst!!« »Ich stehe im Schulflur. Man hat mich - ich betone: mich - aus der Klasse geschickt. Mir wurde die Wassereimerstrafe aufgebrummt. Also spar dir deine Kommentare!« »Denkst du wirklich, ich würde dich in diesem Zustand demütigen??« »Ja, das denke ich!« »....Wie recht du hast! Es war schön, dass du unseren Schatz gestern umarmt hast, aber warum hast du nicht zugegeben, dass du auf André-san eifersüchtig warst? Joey hätte sich hundertpro darüber gefreut und außerdem wäre das sehr süß gewesen!« »Ich bin Seto Kaiba! Ich bin von berufswegen nicht süß!!!« »Ach, ehrlich? Komisch, gegenüber unserem sexy Model hast du ganz andere Seiten von dir gezeigt, die definitiv süß waren....Zuckerhase!« »Nicht schon wieder dieser Spitzname!!« »Was hast du bloß gegen ‚Zuckerhase‘? Sag mal, da fällt mir ein....willst du kein Gentleman sein und ihm den schweren Eimer abnehmen?« »Und ich soll zwei schleppen, oder was?! Für wie blöd hältst du mich eigentlich?!« »....Ist das eine Fangfrage?« Der Jungmillionär erachtete es als unter seiner Würde, darauf zu antworten und sein Gewissen verstummte. Er warf einen Seitenblick auf Joey und betrachtete sinnend sein schönes Profil mit der kecken Nase und den verführerischen Lippen. Wie lange war es her, seit er diesen wunderbaren Mund geküsst hatte? Viel zu lange. So kam es ihm jedenfalls vor, obwohl es in Wahrheit lediglich zwei Tage und ein paar Stunden gewesen waren. „Was ist es, dass du noch mit mir besprechen möchtest?" „Hä?" „Du hast mir doch geschrieben, dass du auf etwas gestoßen wärst." „Ach, das. Ja, ich habe etwas entdeckt. Hast du die Aktien der Kaiba-Corporation zum Verkauf angeboten?" „Durchaus. Ein paar zumindest, für Kunden, die gerne an der Börse ihr Geld verdienen. Die Aktien der Firma sind relativ sicher und bieten sich demnach für Geschäfte dieser Art an." „Und wie ist es dann möglich, dass Miller selbst die Aktien erworben hat, die nicht zum Verkauf standen? Wie hat er es geschafft, sich die gesamte Firma unter den Nagel zu reißen?" „Glaubst du, darüber hätte ich nicht bereits selbst nachgedacht? Ich bin kein Narr! Ich habe sämtliche Computerspezialisten, die bei mir unter Vertrag stehen, darauf angesetzt, aber sie haben nichts gefunden. Die Aktien wurden einfach in seinen Besitz überschrieben und jedes einzelne Schlupfloch, das ihm eine illegale Tätigkeit in diesem Punkt hätte nachweisen können, ist dichtgemacht worden." „Ich bin davon überzeugt, dass es ein Hacker war." „Meinst du, da erzählst du mir was Neues? Selbstverständlich war es ein Hacker. Das Problem ist, dass ihn keiner meiner Spezialisten aufspüren konnte. Nicht nur, dass das, was immer er mit dem Sicherheitssystem meiner Aktien angestellt hat, nicht entdeckt werden konnte, eventuelle Verbindungen zu Miller sind nicht nachweisbar. Wer es auch war, er war ein absoluter Profi - und zwar ein richtiger Profi, einer von denen, die nichts anderes tun, als Computer von Börsen, Banken und ähnlichen Institutionen zu knacken, um dann im Schatten der Anonymität zu verschwinden. Nur ein Profi konnte meine Firma so auflaufen lassen. Ich bin nicht überrascht, dass Miller bei mir auf Fair Play verzichtet hat. Mit Fair Play hätte er mich nicht erwischt." „Dann ist meine Entdeckung also uninteressant, du weiß es schon längst." schmollte der Sechzehnjährige und trat gegen seinen Eimer, sodass das Wasser überschwappte und sich auf den Boden ergoss. „Och nee, scheiße!" „Aber danke, dass du es mir mitgeteilt hast. Die Absicht ehrt dich." Er sah hoch in diese saphirblauen Augen und wurde bezaubert von ihrem tiefen Strahlen. Er lächelte scheu und rumpelte in die Herrentoilette, um Papiertücher zum Aufwischen zu holen. Er kehrte mit einem ganzen Schwung zurück und fing an. „Weshalb hast du so viele mitgebracht? Willst du den ganzen Flur putzen? Nicht, dass er es nicht dringend nötig hätte, das Reinigungspersonal ist eindeutig überbezahlt, aber...." Klatsch! Das Lächeln des Jüngeren hatte sich zu einem fiesen Grinsen verbreitert. Mit Genuss hatte er eines der Tücher in seinen Eimer getunkt und war seinem Gegenüber damit durchs Gesicht gefahren. Der Ältere war starr vor Fassungslosigkeit und Empörung. „....Whee....ler....!" knirschte er zwischen den Zähnen. „Was, wir sind schon wieder beim Nachnamen? Das wird allmählich langweilig, Drache!" Er warf das benutzte Papier achtlos zur Seite und schnappte sich ein weiteres, machte es nass und knüllte es zu einem Geschoss zusammen, das in der nächsten Sekunde Kaibas Uniform mit einem schönen feuchten Fleck verzierte. „Ich habe keine Zeit für derartige Kindereien. Wisch es auf, sonst bekommst du Ärger. Ich habe nicht vor, mich an deiner geistlosen Wasserschlacht zu beteiligen." „Hast du nicht? Was sagst du dazu?" Joey packte den Eimer und goss seinen Inhalt mit sichtbarem Vergnügen über einem großgewachsenen Jugendlichen aus. Seto war viel zu geschockt und viel zu wütend, um sofort auf diese Unverschämtheit zu reagieren. Es war ganz still im Korridor, selbst das Summen einer Fliege hätte laut gewirkt. Verdächtig ruhig und lässig wandte er sich an den Übeltäter: „Joey....dieser Rückfall deinerseits in die infantile Phase ist höchst beklagenswert, aber nicht weiter erstaunlich, berücksichtigt man dein Naturell. Nun sei ein artiger Junge und wisch diese Sauerei auf, bevor ein Lehrer das sieht." „Du willst dich nicht....rächen, oder sowas?" fragte der andere erstaunt. „Rächen?" erwiderte der Firmenchef eigentümlich sanft, während er seinen eigenen Eimer ergriff. „Wie kommst du darauf? Ich bin doch nicht nachtragend!!!" Und mit diesen Worten schüttete er seine Ladung Wasser über dem Blondschopf aus, dass es nur so spritzte. Die korngelben Strähnen seines Haares verklebten ihm die Sicht und hingen wie Fransen an ihm herunter. „Du erinnerst stark an einen begossenen Pudel", erklärte Kaiba und lachte amüsiert. Ja, amüsiert, nicht arrogant oder überheblich, wie es in solchen Situationen normalerweise der Fall war. Joey schüttelte sich, dass die Tropfen flogen, und strich sich mit einer langsamen Geste das Haar aus der Stirn - einer langsamen und äußerst sinnlichen Geste, wenn man es genau nahm. „Ich hab dich zum Lachen gebracht", hauchte er, wobei er seine Stimme um mindestens eine Oktave tiefer rutschen ließ, und irgendwie beschlich Seto der merkwürdige Eindruck, als entglitten ihm erneut die Zügel, was bis dato nur dem Sechzehnjährigen allein gelungen war. Er durfte sich in der Tat etwas darauf einbilden. Gemächlich näherte er sich dem Brünetten, der sich mit einem Mal fühlte wie das Kaninchen vor der Kobra; die Bannkraft dieser warmen, nein, vielmehr heißen braunen Augen schmiedete ihn an den Boden, er stand wie paralysiert. Nun war er herangerückt bis auf wenige Millimeter. Ihre Körper waren aneinander gepresst, ihre Gesichter kaum mehr als einen Fingerbreit voneinander entfernt. Er wollte ihm ausweichen, doch die Wand in seinem Rücken hinderte ihn daran. Eine unglaubliche Hitze erfüllte ihn bis in die winzigsten Nervenzellen. Derjenige, der ihn da ansah, sogar förmlich durchbohrte, war nicht der kleine Junge, den er einst so einfach hatte verspotten können....das war der Mann, den er zu lieben gelernt hatte. Er musste schlucken, die Kehle wurde ihm eng, als er unter sich diese betörenden, feuchten Lippen gewahrte. „Joseph...." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)