Ein Tag im Leben eines Königs von theDraco ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2: Das Flugzeug ---------------------------------- Kapitel 2: Das Flugzeug Wir kamen pünktlich am Flughafen an. Wir, das waren Serenity und ich, Mars und Jupiter, einige Kofferträger (denn Koffer hatten wir ETLICHE), ein paar Manager und Organisatoren, und schlussendlich ein halbes Dutzend Security-Leute. Ganz nach dem Motto: "Eins ist sicher: Sicherheit gibt's mit Sicherheit nicht." Am Flughafen lief alles reibungslos ab. Tickets einlösen, Passkontrolle, Zoll, et cetera perge, perge. Nun ja, FAST reibungslos. Der Flieger hatte aus irgendeinem nichtigen Grund leichte Verspätung, und da ich ja schon immer ein sehr pünktlicher Mensch war, regte ich mich darüber auf. "Das Tempo des heutigen Lebens ist ganz falsch", stellte ich brummelnd fest. "Es macht jeden Tag zu einer Quälerei. Alle Leute sind erschöpft, gestresst und reizbar! Seht mich an! Wieso warte ich zu dieser unsäglichen Stunde auf ein Flugzeug? Es ist unnatürlich und ungesund! Wir sollten den Tag langsam angehen! Ihr wisst schon, ausschlafen, die Zeitung lesen, einen heißen Kakao trinken, einen gemütlichen Spaziergang machen und unsere Gedanken ordnen..." "Inzwischen wäre es also Nachmittag", unterbrach mich Mars. "Genau!", stimmte ich zu, "Zeit, sich bei einer kleinen Siesta zu entspannen und das Abendessen zu planen!" Schließlich standen wir vor dem mächtigen Flugzeug. Sämtliches Personal befand sich bereits an Bord, mit höchster Wahrscheinlichkeit irgendwo in den hinteren Abschnitten. Serenity, Mars, Jupiter und ich, wir würden wohl den vorderen Teil des Fliegers zugeteilt bekommen, und vor uns würden nur noch die Piloten in ihrem Cockpit sitzen. Es war alles in Ordnung... bis auf die Tatsache, dass mich ein beklemmendes Gefühl beschlich. "Kommst Du?", fragte mich Serenity. "Ich kann nicht.", antwortete ich. "Warum nicht?" "Weil ich Angst habe." "Angst? Vor dem Flugzeug?" Ich zögerte mit einer Antwort und druckste stattdessen herum. Schließlich sprach ich meinen Gedanken doch aus: "Immerhin war es in einem Flugzeug, und noch dazu ebenfalls auf dem Weg nach Amerika, als Sailor Galaxia mir gewaltsam meinen Sternenkristall aus der Brust gerissen hat. Wenn ich Dich daran erinnern darf: Ich war daraufhin Monate lang im Jenseits!..." Serenity packte mich behutsam an der Hand, meinte: "Sei froh, dass Du's jetzt nicht mehr bist. Und jetzt stell Dich nicht so an! Das wird schon!", und schleifte mich hinter sich her, die Gateway hinauf. Ich konnte nur noch sagen: "Lieber fünf Minuten feige, als ein Leben lang tot", doch schon waren wir oben und in der Maschine drin. Es handelte sich um ein schönes Flugzeug, First Class, alles superchic eingerichtet und mit teuren Stoffen überzogen. Was würden wohl die Steuerzahler sagen, wenn sie das hier sehen könnten? Wie ich zuvor vermutet hatte, waren wir tatsächlich nur zu viert hier im vorderen Teil des Flugzeugs. In der Mitte standen zwei Sitze direkt neben einander, ich setzte mich auf den linken, Serenity nahm rechts von mir Platz. Unsere Sitze wurden von zwei weiteren flankiert, so nahm Mars den von mir aus linken und Jupiter machte es sich rechts von Serenity bequem. Wir schnallten uns an, die Motoren wurden angelassen, der Pilot ließ noch einige begrüßende Worte durch die Lautsprechanlage vernehmen und bald darauf setzte sich die imposante Maschine in Bewegung. Ich spürte, wie sie einige wenige Kurven abfuhr, nochmals kurz zum stehen kam, und dann auf einer langen, geraden Strecke beschleunigte. In die Seiten des Fliegers waren große Fenster eingelassen, und die gesamte Maschine war offenkundig erst vor kürzester Zeit von oben bis unten gesäubert worden, man hatte einen herrlichen Blick nach draußen. ...Wenn man nicht, wie ich jetzt, vor lauter Panik die Augen zukniff und damit beschäftigt war, das Atmen nicht zu vergessen. Als das Flugzeug dann endlich die passende Startgeschwindigkeit erreicht hatte und schließlich abhob, wurde ich in den Sitz gepresst, bis ich glaubte, er würde zu meinem Sarg werden. Mit dieser riesigen Rückenlehne im Nacken, den Armlehnen neben mir und dem Sicherheitsgurt um mein Becken herum fühlte ich mich auch eingeschlossen wie in einem Sarg. Und es war so dunkel. Wieso war es hier drin nur so stockfinster? Ach ja, ich hatte die Augen noch zu... Irgendwann konnte ich dann doch vorsichtig blinzeln und sah einen ganz und gar nicht horizontalen Horizont hinter den Fenstern. Wir waren immer noch im Steigflug. "Na, traust Du Dich jetzt?", fragte Serenity neben mir. "Ich, äääh..." Oh, Mann. Mir wurde plötzlich megamäßig heiß und ich spürte das Blut in meinen Kopf schießen. Musste sie so eine Frage stellen? Serenity lächelte bloß. Sie strich mir ein paar mal durch die Haare. Gut, um meine Frisur konnte ich mir auch später noch Sorgen machen, so genoss ich diese beruhigende Geste. Es half mir sehr. Nach einiger Zeit kam die Maschine doch noch in die Horizontale, und ich konnte endlich meine total verkrampften Finger von den Armlehnen losreißen. Wurde auch Zeit, meine Knöchel wurden nämlich schon schneeweiß. Mir war, als seien wir jetzt schon seit einer Ewigkeit unterwegs. Wie lange mochte es wohl her sein, seit ich zum letzten Mal auf die Uhr geschaut hatte? Eine Stunde? Na ja, Wahrscheinlich eher 40 Minuten. Um sicherzugehen, tippte ich mal auf eine halbe Stunde. Dann sah ich auf die Uhr und stellte fest: 20 SEKUNDEN??? Das würde noch ein schrecklich langer Flug werden! Jupiter und Mars hatten sich schon abgeschnallt und machten sich über kleine Häppchen her, die man uns auf liebevoll hergerichteten Tischen bereitgestellt hatte, um uns den Flug angenehmer zu machen. Es gab einfach alles: von Obst, über belegte Brote, Meeresfrüchte und Salatteller, bis hin zu kleinen Desserts und Unmengen an Süßigkeiten. Ich schielte zu der doch recht stattlichen Pyramide aus Schokotäfelchen hin, doch ich traute mich nicht so recht, aufzustehen und hin zu laufen. Bis Serenity mich schließlich abschnallte. "Ich will nicht rumlaufen", maulte ich wie ein kleines Kind. "Du musst Dich Deinen Ängsten stellen", meinte meine Frau daraufhin altklug. "Das hat nichts mit Angst zu tun", log ich, "ich will einfach nicht." Gut, das wiederum hatte ja der Wahrheit entsprochen. "Na, komm schon", ermutigte mich Serenity, packte meinen Ärmel und zerrte daran herum. "Wo kämen wir hin, wenn sich jeder so anstellen würde wie Du?" Darauf antwortete ich nur patzig: "Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge hin, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge?" Doch davon ließ sich Serenity nicht beeindrucken. Sie ignorierte meine klugen Sprüche einfach. Stattdessen zerrte sie weiter an mir rum. Sie wäre nie und nimmer kräftig genug gewesen, mich aus diesem Sitz zu reißen, nicht mal, wenn ich bewusstlos gewesen wäre. Der anfängliche Eindruck, dieser Sitz sei wie ein Sarg, verschwand urplötzlich und weckte in mir stattdessen das Gefühl, als sei dieser Sitz der einzige Ort auf der ganzen Welt, an dem ich sicher und unsterblich sein konnte. Aber ich wusste tief in mir, dass Serenity Recht hatte und dass ich beileibe nicht den ganzen Flug lang nur sitzen bleiben konnte. Also stand ich nach einigem Zögern doch auf. Ich schlich, langsam wie auf einer uralten Holzbrücke, die jeden Moment zusammenfallen könnte, auf dem teuren Teppich entlang, vorsichtig einen Schritt vor den andren setzend, bis ich ein Fenster erreichte, und hinaus sah. Dort unten war nichts weiter als der weite Pazifik zu sehen. War der weiße Punkt da unten nun ein riesiges Schiff oder ein winziges Ruderboot? Sofort wurde mir speiübel. Praktisch mit einem Satz hatte ich mich wieder in meinen geliebten Sitz gerettet und angeschnallt. Kopfschüttelnd brachte mir Serenity einige Schokoladestückchen, und versuchte in lieber Not, mich wieder zu beruhigen. Genüsslich stellte ich fest, dass alles gut und nützlich war, solange es aus Schokolade bestand! Nur einen Augenblick später (ich hatte die Schokolade schon verputzt und hoffte darauf, Serenity würde mir wieder neue besorgen) kam eine Stewardess vorbei, bemerkte mit Adleraugen mein Problem und gab mir ein paar Beruhigungstabletten, Pillen gegen meine Übelkeit, und ein Glas Wasser. Nach diesem gewaltigen Schlag mit dem chemischen Holzhammer und einigen weiteren Schokoladestückchen schaffte ich es endlich, einzuschlafen. Ich konnte nicht mehr sagen, worum genau es bei meinem Traum ging, der irgendwas mit teuren Autos und hübschen Frauen zu tun hatte, mir war nur irgendwann bewusst, dass mich ein ziemlich übles Gewackel geweckt hatte, und zwar auf sehr unsanfte Art und Weise. Ich blickte erstaunt umher. Es war inzwischen recht dunkel geworden. Die anderen saßen auf ihren Sitzen und waren angeschnallt. Plötzlich sackte das Flugzeug wieder ab und fing sich erst zwei lange Sekunden später. Der aller erste Gedanke, der mir durch mein Hobbyphysikergehirn schoss, war "hmmm, ich definiere diese Bewegung als freien Fall". Dann dachte ich noch mal drüber nach. "Stimmt das so überhaupt?" Dann beschloss ich, mir um andere Sachen mehr Sorgen zu machen: "Wo bin ich?" Erst jetzt bemerkte ich in meinem schlaftrunkenen Zustand, dass ich in einem Flugzeug saß. Automatisch sah ich zu den Fenstern rüber und erstarrte, als ich draußen die schwarzen Wolken sah. Ich Idiot riskierte doch tatsächlich mein Leben, indem ich wirklich und wahrhaftig so blöde gewesen war, in ein Flugzeug zu steigen, und mich noch nicht einmal großartig zu wehren! "Ich bin zu jung zum Sterben. ...und zu gutaussehend", stellte ich fest. "Du wirst nicht sterben, alter Hasenfuß. Das ist doch nur ein kleines Unwetterchen!", meinte Serenity zu mir. Ich drehte mich blitzschnell zu ihr um und flüsterte fassungslos: "Seit wann kannst Du meine Gedanken lesen?" Darauf die Antwort: "Du machst es mir leicht, wenn Du die Gedanken laut aussprichst." Doch zum wundern hatte ich momentan keine Zeit mehr, jetzt war erst mal Panik angesagt. Ich hatte Mühe, meine Gefühle und meine Handlungen unter Kontrolle zu halten. ...Ach, was soll's. Die Wahrheit ist: Ich hab geschrieen wie ein kleines Kind. Ich hatte wahnsinnige Schwierigkeiten zu sagen, wie lange ich wohl geschlafen hatte, wusste nicht, wo sich das Flugzeug gerade befand, hatte Herzrasen und Schweißausbrüche, und das ständige hoch und runter wollte einfach nicht aufhören. Mann, das war doch kein Flugzeug, das war ein Luftlochsuchgerät! Und ein sehr präzises noch dazu! Irgendwann, nach Ewigkeiten, wie mir schien, besserte sich die Situation. Das Unwetter ließ nach, und bald konnte man das Land bewundern. Inzwischen hatte ich Kopfschmerzen, Halsweh und einen riesen Durst. Ich schüttete mir literweise Cola in den Bauch, in der Hoffnung, der Zucker könnte mir neue Energie liefern. Allerdings beging ich anfangs noch den Fehler, die Cola nicht direkt aus der Flasche zu trinken, sondern, wohlerzogen, wie ich war, schüttete ich das süße Zeug zuerst in ein Glas um, und trank es dann. Die Kohlensäure sprudelte mir in die Nase, was enorme Juckreize auslöste. Das Ganze hatte zur Folge, dass ich ein aufkommendes Niesen spürte. In Windes Eile suchte ich meine Taschen ab, doch ich fand kein Taschentuch! Verzweifelt tastete ich in der Gegend herum, griff das Nächstbeste, das ich erwischen konnte, und nieste hinein. Erst hinterher bemerkte ich, dass ich auf diese Weise mitten in meinen Umhang gerotzt hatte. Von meinen begrenzten Auswahlmöglichkeiten war das wohl die denkbar Schlechteste. Zu meinem Glück schob mir Serenity unauffällig ein Taschentuch herüber, und ich konnte das Gröbste abputzen. Nach einiger Zeit konnte ich mich tatsächlich dazu bringen, zum Fenster zu gehen und einen Blick nach draußen zu riskieren. Ich wusste immer noch nicht genau, wo ich war, aber ich konnte zumindest nicht mehr im Pazifik ersaufen. Stattdessen würde ich, wenn das Flugzeug tatsächlich abstürzen sollte, auf irgendwelchen amerikanischen Felsen aufschlagen und in tausend Stücke gerissen. Ich weiß beim besten Willen nicht, warum, aber so war es mir viel lieber. Kopfschüttelnd erinnerte ich mich an den Spruch: Jeder möchte in den Himmel, aber niemand möchte sterben. Dank der Erfindung der Flugzeuge konnte ja so ziemlich jeder in den Himmel, ohne zu sterben... oder doch nicht? Eines ist 100% tödlich: das Leben! So zuckte ich also bei jedem allerkleinsten Geräusch zusammen und sah mich jedes Mal misstrauisch um, wenn das Flugzeug auch nur die kleinste Bewegung zuviel machte. "Noch aufgeregt?", fragte mich Mars. Ich machte auf cool und zuckte mit den Achseln. "Nöh." "Warum krallst Du Dich dann so in meiner Rückenlehne fest?" "Ich, äääh..." Oh, Mann. Dann versuchte Mars, mich zu beruhigen: "Merkur würde Dir jetzt bestimmt sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, abzustürzen, sehr gering ist, und dass die höhere Mathematik Dir das genau vorrechnen könnte." "Die höhere Mathematik, meine liebe Mars, hat nur den Vorteil, dass man sich genauer irren kann", brummte ich darauf. "Und das von Dir altem Physiker!", lachte Mars. "Aber jetzt hör mal, Endymion, ganz unter uns, Du musst niemandem was beweisen. Auch nicht Serenity. Wenn Du Dich zu sehr aufregst, lebst Du nicht mehr allzu lange. Mein Vorschlag: Setz Dich wieder und denk an was Schönes. Ja?" "Ja, hast Recht, Mars. Wär' vielleicht das Beste. Danke." "Kein Thema. Mach's Dir gemütlich. Sei ein Mann, sei cool, und dann hörst Du bestimmt auch auf zu zittern.", sagte Mars und klopfte mir beruhigend auf die Schulter. Das klang gar nicht so beschissen, wie es sich anhörte. Aber... "Zittern?", murmelte ich vor mich hin. Tatsächlich. Ich konnte nicht mit dem Zittern aufhören. Das merkte ich allerdings erst lange drei Sekunden später. Mars stand immer noch neben mir und lächelte mich an, auf diese zuckersüße "Warum bewegst Du Dich nicht endlich" - Art und Weise. Ich bemerkte erst jetzt, dass diese Reglosigkeit einen schier hilflosen Eindruck bei Mars hinterließ. Gut, Mars und ich kannten uns schon seit etlichen Jahren, aus einer Zeit, in der ich noch kein König gewesen war. Das war der Grund, warum wir uns im Privaten immer noch duzten, jedoch bei fremden Menschen könnte eine derartig schlechte Reaktionsfreudigkeit meinerseits leicht ins Auge gehen, soll heißen, einen üblen Eindruck hinterlassen. Das durfte auf keinen Fall geschehen! Wenn dieses Treffen, das ja erst noch vor mir lag, nicht völlig schief gehen sollte, dann musste ich schleunigst lernen, nicht so viele Fehler zu begehen. Und sämtliche Peinlichkeiten, die ich mir hier und heute erlaubt hatte, mussten auf schnellstem Wege zum Staatsgeheimnis erklärt werden! Ich musste dafür sorgen, dass keiner der andren auch nur ein Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit bringen konnte. Nun gut. Endlich löste ich mich aus meiner Erstarrung und ließ Mars allein, die erst mal tief seufzte (was ich aber dennoch bemerkte) und sich dann wieder in ihren Sitz fallen ließ. Ich holte mir also noch eine Flasche Cola (diese kleinen 0,5Liter Dinger, die nach einem Schluck schon leer waren) und setzte mich wieder hin. Diesmal trank ich aus der Flasche. Was hatte Mars gerade gesagt, "sei ein Mann"? Ok, das kann ich. Das kann ich sogar sehr gut. Ja. Ich bin ein Mann. Ich bin ein Mann. "Das wissen wir, Schatz. Da sagst Du nix Neues." "Ich, äääh...", machte ich wieder. Oh, Mann. "Vergiss es." Serenity zuckte mit den Schultern und ging zu den kleinen Tischchen, um sich noch ein Stück Kuchen zu holen. Das vierte, wenn ich alles mitbekommen hatte. Irgendwie erinnerte mich diese gesamte vertrackte Situation an ein Lied, das ich das letzte Mal vor Ewigkeiten gehört hatte... wie ging das doch gleich... "Wann ist ein Mann ein Mann?" Ah, ja, Herbert Grönemeyer. Ich dachte über dieses Lied nach und schüttelte dann den Kopf. Wann ist ein Mann ein Mann? Tja, jetzt jedenfalls nicht. Ich war einige Zeit damit beschäftigt, nachzudenken. Es half mir, mich abzulenken. Dummerweise fiel mir genau das auf, und es war keine große Ablenkung mehr, sich mit Ablenkungen abzulenken, wie mir bewusst wurde. Fehler Nummer zwei: wenn Du Dich schon ablenken willst, dann tu es nicht mit Absicht. Bedauerlicherweise führte mich das auf mein Ausgangsproblem zurück: auf meine Flugangst, die sich ja immer noch nicht wesentlich gebessert hatte. Durch meine ganzen Grübeleien war mir gar nicht aufgefallen, dass Serenity zu mir gesprochen hatte. Erst ganze drei Sekunden zu spät reagierte ich mit: "Hä?" "Ich sagte, Du sollst endlich aufhören, Dich in der Armlehne einzukrallen. Der Bezug löst sich schon." Ich brauchte wieder etwas, bis diese Worte von meinen Ohren bis in mein Gehirn gewandert waren, und drei weitere lange Sekunden später konnte ich erst loslassen. Also mein nächster Fehler. Es tat meiner Männlichkeit und meinem Selbstvertrauen nicht unbedingt gut, andauernd alles zu spät zu bemerken. Was tut man dagegen? Beruhigen! Ich musste unbedingt meine alte Ruhe wiederfinden. Ich kam auf den grandiosen Gedanken, Atemübungen zu machen. Das Problem war: die einzigen Atemübungen, die ich kannte, hatte ich damals mit Serenity trainiert, als sie hochschwanger war und die Kleine Lady geboren werden sollte. UND ICH WÜRDE AUF GAR KEINEN FALL DAMIT ANFANGEN, HIER UND JETZT SCHWANGERSCHAFTSATMUNGEN VOR MICH HIN ZU HECHELN!!! Sonst könnte ich genauso gut gleich in Boxershorts rumrennen, mit ner Papiertüte auf dem Kopf und nem Eimer mit Walnüssen unterm Arm und rumbrüllen: "Ich bin ein Hamster, ich bin ein Hamster!" Das Ergebnis dieser Gedankengänge war, dass ich mich selbst in Aufregung und schlimmere Panik versetzte, anstatt mich zu beruhigen. Und so brauchte ich schon wieder eine Ewigkeit, bis ich bemerkte, dass ich hyperventilierte, was in mir wieder dieses Gefühl der Übelkeit aufsteigen ließ. Warum konnte ich mich nur nicht unter Kontrolle halten? WARUM? Jupiter kam, setzte sich zu mir und fragte, sodass alle Anwesenden es hören konnten: "Was machen wir nur mit Dir?" Darauf witzelte ich als alter Schlauberger: "Ganz einfach: Wir verwenden eine Parallelverschiebungstransformationsgleichung." Kollektive Verwirrung. Dann Serenity: "Hää? Kann man das essen?" Wie bereits gesagt, Wissen ist Macht und nichts wissen macht nichts. Mars schüttelte nur den Kopf und meinte: "Es ist schrecklich. Kaum ist Merkur nicht da, schon schmeißt Du mit irgendwelchen chaotischen Ausdrücken um Dich. Du solltest Dich was schämen." "Du solltest den Begriff aber kennen, Mars. So was lernt man in der 11. Klasse Mathematik", feixte ich. Mars zuckte dann nur mit den Schultern. Um sie noch ein wenig mehr auf die Palme zu bringen fuhr ich fort: "Ach, komm! Stell Dich nicht dumm! Wenn dumme Menschen sich dumm stellen, ist das äußerst irritierend!" Darauf meinte Mars schnippisch: "Ich bin nicht dumm. Davon abgesehen sehe ich das so: Dumm SEIN kann jeder. Aber dumm TUN ist eine KUNST, so was ist selten. Wie ist das mit Dir, bist Du ein guter Schauspieler?" Worauf ich kopfschüttelnd antwortete: "Wenn Du mal stirbst, muss man Deine zu groß geratene Klappe extra totschlagen. Du machst doch nichts als Arbeit." Das darauf folgende Gelächter spornte mich noch zu unzähligen weiteren dummen Sprüchen an, und wir waren alle noch eine Ewigkeit mit Lachen und Witze machen beschäftigt. Aber auch die blödesten Texte haben mal ein Ende, so kehrte bald auch wieder Ruhe ein, und ich durfte mich endlich wieder auf das leichte Gewackel des Fliegers konzentrieren. Bis zur Landung würde es wohl nicht mehr lange dauern. Ich summte einige Lieder vor mich hin, in der Hoffnung, es könnte mich auf andre Gedanken bringen. Es schien sogar zu funktionieren. Jedenfalls merkte ich auf einmal, wie Serenity mir ihren Ellenbogen in die Rippen stieß. "Was ist?", fuhr ich sie an. "Nu schnall Dich doch endlich an. Hast Du nicht den Piloten gehört?", kam patzig die Antwort. Nein, hatte ich nicht. Ich griff nach den beiden Enden meines Sicherheitsgurtes, und rutschte dank meiner verschwitzten, zittrigen Hände mindestens fünfzehn Mal ab, bis das eine Anschnallteil in das andere Anschnallteil passte. Was mich wieder an ein altes Lied erinnerte: "Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche zieh'n, und dann den Hebel nach oben dreh'n", oder so ähnlich. Irgendwann hatte ich es doch geschafft, die Enden des Sicherheitsgurtes zu verbinden. Dann fummelte ich nur noch etwas am Gurt rum, weil ich der Ansicht war, er säße zu locker. Fehler. Ich stellte bald fest, dass ich ihn zu eng eingestellt hatte. Nun konnte ich weder den Gurt öffnen, noch ihn lockern, da sich der Manschettenknopf meines rechten Ärmels mitsamt Arm und Hand irgendwie zwischen meinem Körper und dem Gurt selbst verkeilt hatte, und ich somit nicht in der Lage war, meine Hand oder auch nur irgend etwas rausziehen oder bewegen zu können. Und das war nur mein kleineres Problem! Denn da der Gurt so eng anlag, drückte er auf meine Blase, die ja über und über voll mit Cola war! Ein Königreich für ein Klo! Und mit einem Königreich konnte ich ja immerhin dienen... Ich erwies mich dann aber doch als Entfesslungskünstler. Ich konnte meine Hand befreien, wenn auch dadurch der Stoff meines Ärmels bis an meinen Ellenbogen hinauf aufriss. Schön, einen verdammten lavendelfarbenen Anzug weniger! Ich schaffte es dann irgendwie, den Gurt wieder zu lockern. Puh! Immerhin ließ so der Druck auf meiner Blase nach. Aber, wie heißt es so schön: Wenn der Mensch keine Probleme (mehr) hat, dann macht er sich (wieder) welche. Das Flugzeug war schon in vollem Sinkflug, und prompt wurde mir wieder schlecht. Absurderweise stellte ich mir ausgerechnet jetzt die Frage, welche Farbe mein Gesicht wohl gerade hatte. Mein Vorstellungsvermögen konnte sich nicht so recht entscheiden, ob ich mir meinen Kopf nun grün, weiß oder rot vorstellen sollte. Der Landeanflug wurde langsam immer wackeliger. Mein Magen vertrug das ganze hin und her nicht, ich hatte wieder üble Schweißausbrüche, Herzrasen und Todesvorstellungen. Immerhin bestand immer noch die Möglichkeit, das Flugzeug könnte wie ein Stein nach unten fallen oder irgendwo rein krachen. Mein Körper würde zermatscht werden! Man würde auf meinen Grabstein schreiben: Er war ein guter König, und ein noch besserer Pfannkuchen. ICH WILL HIER RAUS! Nächster Fehler: reine Panikmache. Na und? Ich konnte nicht anders! Irgendwann nach Ewigkeiten spürte ich, wie mir Serenity durch die Haare strich und hörte sie sagen: "Wir sind gelandet, Liebling!" Gelandet! Ich küsste das überirdisch schöne Gesicht meiner Frau. Ich spannte meine Muskeln an, um mich aus dem Sitz hinaus zu katapultieren und jauchzend umher zu springen und fröhliche Liedchen zu singen, doch... ich bewegte mich nicht von der Stelle! "Was ist los? Sind meine Beine abgestorben? Gehorcht mein Körper mir nicht mehr? Bin ich am Herzinfarkt gestorben und kann meinen Leib nicht benutzen? Ich werde die Kleide Lady nie wieder sehen! Ich werde nie mehr Schokolade essen können! ...Ich muss diese lavendelfarbenen Anzüge nicht mehr tragen! GRINZ! Aber... was ist das?..." Ach so, ich hatte nur vergessen, mich abzuschnallen! Ich fummelte kurz an meinem Gurt rum, rutschte dabei wieder einige Male ab, war irgendwann abgeschnallt, rannte aufs Klo und kotzte mich erst mal ergiebig aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)