Interitus von Daedun (Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 21: Dial ---------------- Der Morgen graute, als eine schwarze Limousine auf der Hauptstrasse über das glitzernde Meer hinweg brauste. Die silbernen Felgen des Wagens fingen die ersten Sonnenstrahlen ein und ließen sie auf den durchdrehenden Reifen umherwirbeln. Es dauerte knapp sechs Stunden, bis die ersten Mauern der ewigen Stadt am Horizont auftauchten. Im Inneren des Wagens saßen die vier Vampire friedlich in sich zusammengesunken hinter den schwarz getönten Fensterscheiben. Seras Kopf war an Migels Schulter geglitten, der seinerseits gegen den Türrahmen gelehnt schlief. Alucards Kopf ruhte in Integras Schoss, wie der schwarze Leib einer zusammengerollten Katze. Integra selbst hatte die Augenlider nur halb geschlossen, ihre Hände streichelten sanft durch die dunkle Mähne vor ihr. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken. Die Zeit, was konnte ein Mensch alles anrichten, wenn er die Zeit manipulieren konnte? Und warum wollte er den Lauf der Dinge verändern? All diese Fragen galt es zu klären und das so schnell wie möglich... Andre steuerte den Wagen durch den römischen Verkehr, als wenn er eine versuchte eine Glasperle über ein Nagelbrett zu balancieren. Seras wurde unsanft geweckt, als ein heftiger Schlenker, das Auto nach rechts schleuderte. Sie konnte gerade noch verhindern, dass sie vom Sitz purzelte. Migel und Alucard erging es ähnlich. Migel verzog entrüstet die Stirn. " Hey Andre, ich will ja nicht deine Fahrkünste kritisieren, aber könntest du es vielleicht vermeiden, dass wir uns überschlagen?" Der Diener nuschelte etwas unverständliches zurück, das wohl eine Entschuldigung beinhalten sollte, trotzdem folgten noch zwei weitere heftige Ausweichversuche, bis die Reifen vollkommen still standen und der Motor ausging. Integra lauschte auf die leisen Schritte von Migels Diener, der jetzt um den Wagen herumging und die Hintertür öffnete. "Alles bereit Senior!" Die drei stiegen aus. Der Wagen befand sich in einer Tiefgarage, deren Plätze bis auf den letzten vollbesetzt war. Alucard grinste breit. "Wie ich sehe wächst Rom nicht mehr länger in die breite, sondern immer weiter in die Tiefe, dabei streben doch die meisten Bewohner dieser Stadt eher in die entgegen gesetzte Richtung." Sie wandten sich dem Eingang eines Treppenhauses zu, das sie mit einem Fahrstuhl nach oben transportierte. Migel erzählte ihnen währenddessen, das sie sich in einem Hotel unweit des Vatikans befanden. Er hatte sich die Freiheit genommen, die gesamte obere Etage für sie zu buchen. "So vermeiden wir neugierige Fragen und können in Ruhe unser weiteres Vorgehen planen." Zur gleichen Zeit.... Die versteinerten Gesichter der Engel blickten mit starren Augen zu ihnen hinunter. Die grauen Hände vor der Brust gefaltet flankierten sie den verwitterten Rundbogen, unter dem die kleine Prozession langsam dahin schritt. Die acht Männer wanderten wortlos ihrem Ziel entgegen das in der Mitte des kleinen Kreuzganges auf sie wartete, in den sie jetzt einbogen. Der kleine Brunnen, der einen kühlen Wasserstrahl in den Himmel spuckte, wirkte im ersten Moment nicht sehr spektakulär. Er schien aus einfachem Sandstein gehauen und die sparsamen Verzierungen, die sich rund um seinen schmalen Sockel zogen, waren bereits seit langem der trockenen Sonne und dem feuchten Wind zum Opfer gefallen, doch er schien trotzdem für diese acht Männer eine besondere Bedeutung zu haben. Sie reihten sich nun, einer neben dem anderen, um ihn herum auf und dann begann ein monotoner Singsang, der sich wie eine Welle über den kleinen Platz ausbreite um an den dunklen Mauern hinter ihnen dumpf zu brechen. Als sich die dunklen Schatten der Nacht langsam aus den Ecken der Straßen wagten, waren die vier Vampire bereits fertig zum Aufbruch. Sie hatten den Rest des Tages damit verbracht, sich vorzubereiten. Integra hatte vorgeschlagen das sie und Alucard sich im Vatikan umschauten, während Migel und Seras sich in der Stadtbibliothek umschauen sollten. Sie hoffte das die beiden dort vielleicht auf Hinweise stießen, die sie dem immer noch völlig unbekannten "Schloss der Zeit" wie Alucard es nannte näher bringen konnte. So standen der schwarzhaarige Vampir und seine blonde Begleitung wenig später vor den Mauern des heiligen Stadtstaates. Integra konnte eine leise Bewunderung und Erfurcht vor den jahrhundertealten Bauten nicht leugnen, als sie und Alucard wie Nebel durch die äußere Begrenzung geglitten waren. " Man kann ihn hier fast spüren, nicht war?" fragte er plötzlich und Integra wandte sich ihm irritiert zu. " Wen?" " Den, den die Menschen Gott nennen." antwortete er, dann sah er zu den hell erleuchten Fenstern hinüber, hinter denen trotz der späten Stunde noch emsiges Treiben zu herrschen schien. " Ich schlage vor wir suchen zu erst die gut gehüteten Schriften des katholischen Oberhauptes auf, oder was meinst du?" Integra nickte. " Aber wo sollen wir suchen, soweit ich weiß sind diese Bibliotheken gut verborgen und für ungläubige Augen nicht zu finden." Er lachte leise und deutete mit dem behandschuhten Finger auf ein flaches Gebäude, das neben der runden Kuppel des Doms hervorblitzte. " Die Gottesfürchtigen mögen gute Verstecke für ihre Geheimnisse haben, doch ihr Hang zu übertriebener Verehrung macht sie doch sehr berechenbar." Damit rissen er und Integra ihre Arme empor und schon bald flogen zwei schwarze Krähen über das goldene Kreuz hinweg, das den Scheitel der Kirche säumte. Es kostete sie keine besondere Mühe sich durch die verschlossene Tür des Gebäudes Zutritt zu verschaffen. Die Wachen der Schweizergarde bemerkten nicht einmal die flinken Schatten, die sich an ihnen vorbei durch das schmale Schlüsselloch schoben. Im Inneren der wechselten die beiden Vampire wieder zu ihrer gewöhnlichen Gestalt. Integra sah sich neugierig um. Als Kind hatte sie sich immer gefragt, was sich in den Räumen verbergen musste, die von den Männern der Kirche so akribisch gehütet wurden. Ihr Vater hatte als Protestant nicht viel für diese katholischen Bauten über gehabt, doch sie hatte oft im stillen die Bilder angesehen, die es von Zeit zu Zeit in den Zeitungen zu sehen gab. Jetzt stand sie also tatsächlich in einem, wenn auch nicht als Mensch und hatte nun die Möglichkeit wenigstes eines der zahlreichen Geheimnisse zu lüften. Alucard hatte schon begonnen die Räume ausgiebig zu inspizieren, die sich vor ihnen auftaten. In fast allen waren kleine Büros untergebracht und nach den zahlreichen Büchern, auf den ebenso zahlreichen, wie gewaltigen, Schreibtischen zu urteilen, handelte es sich wohl um so eine Art Resterationsabteilung, in denen versucht wurde vergilbte und zerstörte Schriften wiederzubeleben. Integra fuhr mit den Fingern über ein paar Bände, deren alte Lederdeckel auf ein hohes Alter der Werke schließen ließen. Doch im ganzen, war von einer "geheimen Schriftensammlung" nicht viel zu sehen. " Scheinbar finden wir hier noch nicht das was wir suchen." Alucard zog ein bisschen die Mundwinkel nach unten. " Da müssen wir wohl noch ein wenig tiefer graben." Er wollte sich gerade dem Boden unter seinen Füssen zu wenden, als er eine gut vertraute Stimme hörte. " Das würde ich an deiner Stelle mal lieber sein lassen Blutsauger." Integra hatte keine Zeit die Erkenntnis zu verarbeiten das sie nicht alleine waren, als sie schon einen beißenden Schmerz in ihrem Unterleib spürte. Ihre Knie brachen ein und sie faste keuchend nach dem Urheber ihrer Schwäche. Das Pufferinschwert hatte sich durch ihren Körper gebohrt und die Spitze der Klinge zerschnitt die Rückseite ihres Mantels. Alucard warf sich mit gefletschten Zähnen auf den Priester. " Du kleiner Messerwerfer, gehst uns beiden langsam mit deinen nervigen Kunststücken auf den Geist." Damit holte er aus und verpasste Anderson der bis dahin im Türrahmen gestanden hatte einen Faustschlag, dass dieser wie eine Kanonenkugel nach hinten durch die gegenüberliegende Tür flog. Klatschend flogen die Holzsplitter auseinander, als sein wuchtiger Körper auf den Dielenboden aufschlug. Stöhnend zog Integra an dem Griff. Dieses mal wurde sie nicht vor Schmerzen Ohnmächtig, doch das geweihte Silber der Klinge hinterließ eine brennende Spur in ihrem Fleisch, als die Klinge aus ihrem Leib glitt. Klirrend zerbrach die Schneide in ihren Händen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden Männern widmete, die wie zwei in einander verbissene Hunde auf dem Boden im nächsten Raum herumkugelten. Der blonde Priester hatte bei der Rangelei seine Brille verloren. Sie hing ihm wie ein zappelndes Insekt an einem Bügel über dem linken Ohr, doch Anderson schien das in seiner Raserei gar nicht zu bemerken. Wie ein geifernder Irrer versuchte er den Vampir über sich mit Faustschlägen zu traktieren. Doch Alucard wich ihm immer wieder aus und gab seinerseits so gut es ging dem Vampirjäger Kontra. Das Echo sich wiederholender Flüche, wüster Beschimpfungen und heftiger Schläge hallte von den Wänden wieder. " Genug jetzt!" Schrie Integra dagegen an, doch die beiden konnten oder wollten sie in ihrer Keilerei nicht hören, bis Alucards Hand plötzlich in die Innentasche seines Mantels schnellte und Anderson eine Sekunde später das kühle Metal des Casul auf seiner Stirn spürte. Ruckartig verstarben seine Bewegungen und das schiefe Grinsen, das sich darauf hin in dem Gesicht des Vampirs abzeichnete wurde noch eine Spur breiter. " Na was denn? Auf einmal keine Lust mehr mein Bester? Kopf hoch die kommt wieder, wenn ich dir erst mal mein gesamtes Magazin in den Schädel gepumpt habe. Danach kannst du mit deinem Gesicht Karriere als Schweizerkäse machen." Der Abzug klickte, doch zur Verblüffung aller Anwesenden passierte nichts. Alucard Grinsen verschwand schlagartig, als auch jeder weitere Versuch einen Schuss abzufeuern nicht den gewünschten Erfolg brachte. Mit einer flinken Bewegung ließ er das Magazin aus dem Griff rutschen. Es war keine einzige Kugel im Fach. " Was zur Hölle? Wo sind die verdammten Patronen geblieben?" Integra hatte erwartet, das der Priester die Ablenkung Alucards sofort nutzte um ihn erneut anzugreifen, doch er blieb seelenruhig auf dem Boden liegen und sah zu wie der Vampir suchend um sich blickte. " Das kannst du dir sparen Spitzzahn, die Dinger wirst du hier nicht finden und auch sonst nirgends wo." Alucard sah ihn wütend an "Und warum nicht, wenn ich fragen darf." Der Priester legte mit verbissener Mine den Kopf schief. "Weil deine Patronen aus dem Silber der Langester Kathedrale geschmiedet wurden richtig? Siehst du und die hat es seit dem heutigen Tage nie gegeben." Seras und Migel waren seit Stunden damit beschäftigt sich durch die endlosen Karteien der Bibliothek zu lesen. Einige Schriften, die sie fanden, schienen auf den ersten Blick vielversprechend zu sein, entpuppten sich dann aber auf den zweiten als völlig nutzlos. Das meiste waren doch nur Sagen und Märchen, welche die Menschen ihren alten Bauten und Plätzen im Laufe der Zeit gegeben hatten um sie in ihren Augen geheimnisvoller zu machen. Seufzend streckte Seras ihren verkrümmten Nacken. Langsam verlor sie die Lust an der Sucherei. Migel, der gerade mit einem neuen Stapel Bücher hinter einem der Regale hervorkam hingegen schien überhaupt nicht frustriert zu sein. Im Gegenteil, seine grünen Augen leuchteten aufgeregt. "Ich glaube ich habe hier was gefunden, womit wir wirklich was anfangen können, hier sie mal." Er deutete auf eine Seite eines aufgeschlagenen Buchs in seinen Händen. Es zeigte das Foto einer alten Kathedrale, deren hellgraue Steine sich gegen einen dunkeln wolkenverhangenden Himmel abzeichneten. Davor schoben sich dicht an dicht, zahlreiche Häuserdächer, die dem Gebäude scheinbar zu Füßen lagen. Seras sah zu dem Vampir auf. "Was ist das?" "Die Kathedrale von Charteres. Sie steht in Frankreich, genauer gesagt rund 90 Kilometer von Paris und niemand weiß genau wer sie errichtet hat und warum." Noch bevor Gallier oder Kelten in diesen Teil von Europa vordrangen haben Baumeister von der Art Stonehenges an Stelle, wo dieses Bauwerk jetzt steht, einen Dolmen sowie einen Brunnen in das Innere des Erdhügels gebaut. Dieser Ort sollte magische Kräfte besitzen, Kräfte die den Menschen neue Lebensenergie spenden sollten, die an diesen Platz kamen. Laut den Überlieferungen, sollen die Menschen dort auf wundersame Art und Weise verjüngt worden sein." Migel sah zu Seras hinunter die mit gespannter Mine zu ihm hoch blickte. "Vielleicht ist dort so etwas wie ein Zeitschloss was meinst du?" Die kleine Vampirin nickte. "Ich schlage vor. Wie gehen zurück ins Hotel und erzählen den beiden anderen von unserer Entdeckung." Migel wandte sich zum gehen, doch dann viel ihm noch was ein. " Wir können eigentlich auch noch den Bildband über Mekka mitnehmen, die Fotos der Stadt interessieren mich. Kannst du es bitte holen? Ich müsste es da vorne bei dir irgendwo hingelegt haben." Seras begann zu suchen, doch das Buch war nicht da. "Merkwürdig, ich bin mir sicher, das ich es auf den Tisch gelegt habe, na ja egal." Er war schon auf dem Weg zum Ausgang, als er noch einen Blick über Schulter warf. " Wie spät haben wir es eigentlich?" Seras warf einen kurzen Blick zu der Wanduhr, die über einem der Regale angebracht war und erstarrte. Migel der sich über die ausbleibende Antwort wunderte blieb ebenfalls stehen. " Hey, was ist los?" Die Vampirin antwortete ihm nicht, sondern deutete nur stumm zur Uhr. Die grünen Augen wanderten zu dem altmodischen Ziffernblatt mit den leicht krummen Zeigern hoch, die sich wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben unaufhaltsam rückwärts drehten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)