Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 11: ------------ "Chiba! Was für eine freudige Überraschung, Dich hier anzutreffen! So ein verdammter Zufall aber auch." Chikaras Stimme zerschnitt die kalte Winterluft wie ein heißes Messer die Butter. Erschrocken realisierte Mamoru, dass Chikara nicht alleine war. Hinter dem Blonden tauchte ein weiterer hochgewachsener Kerl auf: Mamorus und Chikaras gemeinsamer Klassenkamerad Buki Ranbô, der als ebenso gewalttätig, doch nicht annährend so intelligent wie Chikara galt. Wie ein Hund dackelte er andauernd hinter Chikara her und wartete nur auf den Befehl: Ein, wenn nötig, tödlicher Befehl... Beide kamen grinsend auf Mamoru zu, der wie zur Salzsäule erstarrt dastand, und sich nicht entscheiden konnte, was zu tun sei. Weglaufen war unmöglich. Niemand war so schnell wie Chikara. Dableiben war auch nicht drin. Und beamen oder fliegen hatte Mamoru noch nicht gelernt. Das Adrenalin, das nun von seinen Nebennieren in den gesamten Blutkreislauf strömte, gab Mamoru die Fähigkeit, nur noch eine einzige, letzte, freie Entscheidung zu fällen: Er würde es solange wie möglich mit diplomatischer Redekunst versuchen, aber er bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor und traf alle dazu nötigen Vorbereitungen. Er setzte seine Schultasche neben sich ab, zog die schwere Jacke aus, legte sie fein säuberlich daneben und trat mit einem möglichst freundlichen Lächeln auf die beiden Widersacher zu. Damit war also die Entscheidung getroffen. Nun gab es kein Zurück mehr. Das Adrenalin tat seine Wirkung: Mamorus Denkfähigkeit wurde auf ein Minimum reduziert, seine Muskeln aktiviert, sein Herzschlag gesteigert, seine Entschlossenheit und sein Lebenswille auf die höchste Ebene gebracht. Er war bereit, für sich zu kämpfen. "Hallo, Jungs! Na, was gibt's?", fragte Mamoru höflich, jedoch mit dem Ausdruck des Misstrauens im Blick. Er ließ seine beiden Kontrahenten nicht aus den Augen. "Was es gibt?", fragte Chikara belustigt nach, "Ich sag Dir, was es gibt: ne deftige Keilerei. Ein paar heiße Ohren, ein paar auf die Mütze, das gibt es. Soll ich weitermachen?" "Nicht nötig, ich bin nicht schwer von Begriff", kommentierte Mamoru Chikaras Antwort. Den diplomatischen Weg konnte er also vergessen. Sei's drum. Er störte sich daran schon gar nicht mehr, das Adrenalin wusste es zu verhindern. Die drei Todfeinde waren nun nah aneinander getreten. Die Szenerie erinnerte an einen alten Wildwestfilm. Auf der einen Seite der einsame Held, der nichts und niemanden fürchtete. Auf der anderen Seite die beiden Schurken, die dem Helden zu seinem Heldentod verhelfen wollten. Anstatt Sand lag einfach überall Schnee herum. Fehlte nur noch das berühmte "Hör zu, Chiba", begann Chikara, "mir gefällt es gar nicht, dass Du Dich einer solchen Beliebtheit erfreust, klar? Du kannst Dir selbst jetzt einiges ersparen, wenn Du Dich nur an ein paar kleine Regeln hältst. Erstens: Starr Hikari nicht so an. Zweitens: Denk nicht mal an sie. Und Drittens: Schraub Deine komischen Einlagen im Unterricht runter, kapiert? Es passt mir so gar nicht, dass Du so ne Scheiße verzapfst und Deine idiotischen Sprüche raushängen lässt." "Welche Laus ist Dir über die Leber gelaufen?", fragte Mamoru herausfordernd mit selbstgefälligem Lächeln, "wirst Du ihr langsam langweilig, oder was ist los? Bist Du so ein Griesgram, dass Du mir das bisschen Spaß nicht gönnst? Wie wär's, wenn Du Dich stattdessen etwas mehr ins Zeug legen würdest? Oder willst Du etwa sagen, dass Du nicht an meine Sprachgewandtheit und meinen Witz herankommst?" Chikara war die ganze Zeit ruhig geblieben. Herablassend hatte er gegrinst. Mamorus Selbstsicherheit war auf Chikaras außergewöhnlichen Ruhe aufgebaut gewesen. Aber jetzt hatte Mamoru mit dem roten Tuch vor dem Stier herumgewedelt. Nun, völlig unerwartet, war diese Ruhe unermesslichem Zorn gewichen. Mamoru hatte den Schlag, der ihm jetzt ins Gesicht donnerte, gar nicht kommen gesehen. Er wurde um hundertachtzig Grad um die eigene Achse geschleudert und landete ziemlich unsanft im Schnee, der nur das Gröbste des Sturzes bremsen konnte. Die sonst so weiße Pracht färbte sich rot durch das Blut Mamorus aufgeplatzter Lippe. Er hatte gerade noch Zeit, etwas Blut auszuspucken, als er schon wieder brutal in die Luft gerissen wurde. Buki zerrte Mamoru auf die Beine, und Chikara versetzte ihm einen Haken in die Magengrube. Hustend und spuckend wäre Mamoru erneut zusammengebrochen, hätte Buki ihn nicht eisern festgehalten. Sekundenlang versuchte Mamoru, sich nach vorn zu krümmen und nach Luft zu schnappen. Wie ein Tornado, der nichts als Zerstörung hinterließ, jagte der Schmerz durch seinen Torso. Seine beiden Peiniger gaben ihm etwas Zeit, sich wieder zu fangen, eh sie ihr kleines, lustiges Spielchen weiter trieben. Mamoru zappelte und versuchte sich loszureißen. Erst als er Buki mit aller Kraft auf den Fuß trat, lockerte sich der Griff. Mamoru fuhr herum, verkrallte sich mit der einen Hand in Bukis kurzen, braunen Haaren und versetzte ihm mit der anderen einen Schlag gegen den Hals. Keuchend und ächzend ging dieser zu Boden. Mamoru hatte keine Zeit, sich über diesen winzigen Sieg zu freuen, er musste zuerst an den anderen, viel gefährlicheren Gegner denken. Er wandte sich Chikara zu. Doch dieser hatte schon mit einer derartigen Bewegung gerechnet. Blitzschnell tauchte der Blonde unter Mamorus Fußtritt hindurch, federte nach oben und schlug dem Gegenüber hart auf das rechte Auge. Dieser torkelte und fiel erneut. Mamoru hielt sich die Hand über das gepeinigte Auge und biss die Zähne zusammen, um keinen Laut des Schmerzes von sich zu geben. Er musste vor Chikara stark sein. Er musste zumindest abgehärtet wirken. Er durfte keine Schwäche zeigen. Das verlangte sein männlicher Stolz. Er wollte zumindest als guter Verlierer dastehen, als würdiger Gegner. Und sei es nur für Hikari. Mamoru hörte nur das Knirschen des Schnees. Chikara näherte sich ihm. Dann fühlte er nur noch diesen explodierenden Schmerz. Chikara hatte ihm einen brutalen Tritt in die Nieren versetzt. Mamoru brüllte vor Höllenpein auf. Die Welt vor seinen Augen schien sich zu drehen. Wieder wurde er hochgezerrt. Das linke Auge sah Chikaras verschwommene Umrisse. Wie aus der Ferne tönte die Stimme des Blonden an Mamorus Ohr heran: "Wage es nicht, Hikari zu nahe zu kommen! Verstanden?" Chikara ließ wieder los. Mamoru landete auf dem Boden und blieb schwer atmend liegen. Ein letztes Mal starrte Chikara ihn mit bösem Blick an. Der Blonde spuckte dem am Boden liegenden Jungen ins Gesicht und ging dann mit Buki, der sich immer noch den Hals hielt, davon. Einsam und verlassen lag Mamoru noch eine ganze Weile auf dem eiskalten Boden. Tränen liefen an seinen Wangen herunter. Er wagte nicht, sich zu rühren. Seine Nieren sendeten ununterbrochen pochende Schmerzen durch seinen ganzen Rücken. Der Schnee färbte sich immer weiter rot. Seine Eiseskälte half dabei, die Wunden zu kühlen und schlimmere Schwellungen zu verhindern. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, schaffte Mamoru es doch, sich aufzurichten. Noch immer protestierten seine Nieren vor Schmerzen, aber er konnte unmöglich hier bleiben. Er war vom Schnee völlig durchnässt und das Blut klebte unangenehm und warm in seinem Gesicht. Keuchend blickte Mamoru sich um. Es war absolut niemand in seiner Nähe. Dabei hatte er eigentlich erwartet, dass irgendjemand seinen Schrei gehört haben musste; irgendjemand! Doch er war völlig allein. dachte er betrübt. Lautlose Tränen liefen ihm weiter über die Wangen, während er Chikaras Speichel von seinem Gesicht wischte, sich unter Qualen die Jacke wieder anzog und den Schulranzen aufsetzte. Er schlurfte langsam die Straße entlang. Seine Gedanken schweiften immer wieder zurück zu seinen Eltern, die schon seit so langer Zeit tot waren. Das ganze Leben war so ungerecht! Nach nicht allzu langer Zeit kam er zu Hause an. Er trat durch die Haustür, fuhr mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock, steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Der Schlüsselbund klapperte, als er den Haustürschlüssel wieder abzog um die Tür zu schließen. Er streifte sich die Schuhe ab und lief wortlos durch den Flur der großen Wohnung. Er antwortete auch nicht, als seine Tante aus dem Wohnzimmer rief: "Mamoru? Bist Du das? Du kommst spät, alter Trödler, ich hab mir schon Sorgen um Dich gemacht. ...Mamoru? ...Antworte mir gefälligst!" Er schlich sich in sein Zimmer und schloss die Tür ab. Nachdem er seine Schultasche mit voller Wucht auf den Boden geknallt und sich die Jacke ausgezogen hatte, kauerte er sich ganz klein auf seinem Bett zusammen und starrte Löcher in die Luft. Seine Tränen waren längst versiegt und getrocknet. Seine Trauer war zu groß, als dass er sie auf so banale Art noch hätte ausdrücken können. Es klopfte an der Tür. Seine Tante Kioku fragte: "Mamoru? Ist was passiert? Mamoru!" Sie versuchte, die Tür zu öffnen. Doch er hatte ja abgeschlossen. "Mamoru? Bitte mach die Tür auf. ...Was ist denn los?" Ihre Stimme klang bettelnd, fast flehend, doch er reagierte nicht. Er hörte es kaum. Das Klopfen wurde immer lauter, fordernder. Kiokus Stimme schlug in pure Sorge um. Mit besorgtem, tränenerfülltem Rufen bat sie immer wieder um Einlass, der ihr aber nicht gewährt wurde. Irgendwann sank sie vor Verzweiflung schluchzend vor seiner Tür zusammen. "Mamoru", wimmerte sie, "Was soll ich denn tun? Sag mir doch, was passiert ist! Ich will Dir doch bloß helfen! Mamoru!" Er saß regungslos auf seinem Bett und wippte apathisch vor und zurück. Er bemerkte nicht, wie sich seine Tante irgendwann aufraffte und ins Wohnzimmer ging; merkte nicht, dass eine geraume Zeit lang absolute Stille herrschte; merkte nicht, wie die Türklingel läutete; merkte nicht, wie erneut an seine Tür geklopft wurde. Was er allerdings realisierte, war Motokis Stimme: "Mach auf, Kumpel, Dein Trauzeuge ist da." Klar, in einer solchen Situation konnte nur Motoki ihn aufheitern. Mamoru musste leicht schmunzeln, wenn es auch nur für ein paar Sekunden war. Er krabbelte langsam vom Bett runter, schlurfte zögernd zur Tür, drehte den Schlüssel herum und kletterte wieder auf sein Bett, um weiterhin Löcher in die Luft zu starren. Motoki öffnete die Tür und starrte erst mal offenen Mundes seinen entstellten Freund an. Kioku bahnte sich ihren Weg an ihm vorbei und stürmte auf Mamoru zu. Sie blieb vor ihm stehen, schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund und flüsterte: "Oh, Himmel! Mamoru! Was ist bloß passiert?" Man spürte ihr Zögern deutlich. Zum einen wollte sie ihren Neffen an sich drücken, wollte ihn untersuchen, sein Gesicht abtasten, ihn trösten. Er tat ihr einfach unglaublich Leid, wie er so dasaß und auf irgend einen Punkt in weiter Ferne starrte. Zum andren allerdings wollte sie ihm nicht wehtun. Überall klebte verschmiertes, getrocknetes Blut, und es war auf den ersten Blick schwer zu sagen, wo er überall verletzt war. Motoki erlangte seine Fassung als erster wieder. "Kioku? Wir müssen ihm helfen. Gibt es hier so was wie einen Erste-Hilfe-Kasten?" Kioku nickte leicht geistesabwesend und stürmte dann los. Motoki setzte sich zögerlich neben Mamoru. "Deine Tante hat mich gerade angerufen", erklärte er, "hat gesagt, irgendwas würde nicht stimmen. Sie klang ziemlich aufgelöst und ich hab mir schon sonst was gedacht. Aber Dich hier so vorzufinden, das ist schon ganz schön erschreckend. Was ist passiert, verdammt?" Keine Antwort. Mamoru war längst wieder in seinen Gedanken versunken. Kioku kam zurück. Sie hatte feuchte Tücher, Desinfektionsmittel, Pflaster und diverse andere Materialien dabei. Mit Motokis Hilfe säuberte sie erst Mamorus Gesicht, was ihm schon Schmerzen bereitete, verteilte dann großzügig das Desinfektionsmittel auf die Wunden, was natürlich noch sehr viel schlimmer war, und klebte Pflaster drüber. Sie reichte ihm ein kleines Plastiktütchen mit Eiswürfeln drin, das er sich auf das rechte Auge legte, während sie seine Lippe eincremte. Er sah furchtbar aus. Motoki und Kioku setzten sich neben Mamoru. "Nun sag mir doch mal, was geschehen ist. Was hat Dich so zugerichtet?", erkundigte sich Kioku. "Nichts", antwortete er missmutig. "Schon wieder nichts?", fragte Motoki in gespielter Bestürzung, "Na, dem Nichts wird ich es aber mal zeigen! Das soll sich warm anziehen, dieses Nichts, dem zieh ich das Fell über die Ohren!" "Glaub ich kaum", flüsterte Mamoru brummelnd, "dieses Nichts ist nämlich annährend zwei Meter groß, blond und muskulös." "Wieso? Ich hab Dir doch gar nichts getan!", verteidigte sich Motoki. Dann wurde er ernst. "Chikara also. Ich hab Dir gesagt: es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Aber nö, Du hörst ja nicht, wenn ich Dir irgendwas sage." "Wer ist Chikara?", wollte Kioku wissen. "Nichts, sag ich doch", antwortete Mamoru grantig. An seiner statt erklärte Motoki: "Er ist in unserer Klasse. Er hält sich für den besten und stärksten. Na ja, das ist er auch. Ich weiß ja, dass man sich besser nicht mit ihm anlegen sollte, aber dass er tatsächlich dazu fähig ist, jemandem so etwas anzutun, das hätte ich dann doch nicht erwartet. Mamoru hatte wirklich absolut keine Chance." "Vor allem", ergänzte dieser, "wenn er sein kleines Schoßhündchen an der Leine führt." "Was, Buki war auch dabei?", rief Motoki fassungslos aus, "Ich dachte, den nimmt er nur mit, wenn es ernst wird? Mann, so betrachtet hat der Kerl wirklich Schiss vor Dir! Mein Respekt!" "Danke, danke", witzelte Mamoru ironisch. "Aber... aber...", machte Kioku, "Aber das geht doch nicht! Der kann doch nicht einfach so daher kommen und tun und lassen was immer er will! Wir müssen zur Polizei gehen!" "Lass gut sein, Tante Kioku", meinte Mamoru kleinlaut, "Ich hab ihm ja auch allen Anlass gegeben, wütend zu sein. Du erinnerst Dich, wie wir uns über Hikari unterhalten haben?" Kioku nickte. "Nun, sie ist seine Freundin. Also, seine feste Freundin. Er wollte mich vorhin nur höflich darauf hinweisen, dass ich doch bitte nicht an sie denken möge." Mamoru lachte sarkastisch. Dann fuhr er leise hinzu: "Außerdem... darf ich mich gar nicht wundern, wenn ich ihn so provoziere." "Du durchgeknallter, verrückter Kerl hast -was- gemacht???", fragte Motoki ungläubig nach. Mamoru zuckte mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht, ...ich konnte nicht anders. Keine Ahnung, was mich da geritten hat. Jedenfalls hat sich mein Gehirn ausgeschaltet. Das war echt nicht so beabsichtigt!" "Geschehen ist geschehen", bemerkte Motoki, "daran können wir jetzt auch nichts mehr ändern. Was mich nur interessieren würde ist: Hast Du immer noch vor, Dich heute Abend mit Hikari zu treffen?" "Wie soll ich ihr denn so unter die Augen treten? Ich sehe doch zum Fürchten aus! Sie wird schreiend davonlaufen", beklagte sich Mamoru. "Du hast nicht viel schlimmer ausgesehen, als Du die Pickel noch hattest", witzelte Motoki. "Moment mal", schaltete sich Kioku wieder ein, "Du willst sie treffen? Und was machst Du, wenn dieser Chikara bei ihr ist? Ich kann doch nicht zulassen, dass er Dich zu Matsch verarbeitet!" "Das ist das kleinere Problem", meinte Motoki selbstsicher und sprang vom Bett auf. "Ich begleite ihn natürlich! Ist doch Ehrensache! Ich passe schon auf! Mamoru, wenn Du echt noch da hin willst, dann solltest Du Dich lieber langsam mal umziehen." Mamoru starrte seinen Freund verunsichert an. Zu Kioku gewandt fragte er: "Was meinst Du, darf ich mich heut Abend mit Hikari treffen?" Sie zögerte mit der Antwort. Schließlich hob sie die Schultern und meinte: "Was soll Dich davon abhalten? Du wirst langsam erwachsen, da kann ich Dir so was doch nicht verbieten. Aber wenn Du auch nur Chikaras Schatten siehst, rennst Du wie der Teufel, klar? Und ihr beiden trennt euch keine Sekunde von einander, verstanden? Immerhin: die Welt ist groß und gefährlich, wie wir hiermit erneut feststellen durften." Motoki machte das Daumen-Hoch-Zeichen und Mamoru nickte. "Tante Kioku? Würdest Du mich kurz mit Motoki allein lassen, bitte?", fragte er. "Natürlich, Kurzer. Hach, ich bin froh, dass es Dir wieder etwas besser geht. Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, kapiert?" Damit verließ sie das Zimmer. "Was hast Du jetzt mit mir vor?", fragte Motoki, "Soll ich Deinen Modeberater spielen, oder was?" "Das nicht", stammelte Mamoru verlegen, "ich wollte mich eigentlich nur bei Dir bedanken. Für all die Mühe, die Du Dir mit mir machst. Danke." "Kein Problem, Kurzer", machte er Kioku nach. "Motoki?" "Ja?" "Ist es echt Okay für Dich, dass Du mitkommst? Und dass ich mich mit Hikari treffe?" Motoki seufzte, ehe er antwortete: "Ich hab kein Problem damit, Dich zu begleiten. Aber was ich über Hikari denke, das weißt Du ja schon. Daran hat sich nichts geändert. Ich rate Dir immer noch: Sei vorsichtig!" Mamoru nickte stumm und starrte wieder mit eingesunkenem Gesicht die Wand an. "Was ist denn jetzt schon wieder?", erkundigte sich Motoki, "So wie ich das sehe, solltest Du jetzt in der Gegend herum hüpfen und jubeln! Du bist knapp dem Tod entgangen und triffst Dich in wenigen Stunden mit der tollsten Frau der ganzen Stadt! Was schmollst Du also noch?" Tonlos antwortete Mamoru: "Ich hab vorhin an meine Eltern gedacht." Betreten sah Motoki zu Boden. Er wusste, das war ein sehr heikles Thema. Er hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Zu seinem Glück kam Mamoru nur äußerst selten darauf zu sprechen. Der Schwarzhaarige fuhr fort: "Kennst Du das? Wenn man einfach nicht mehr weiter weiß und dann an jemanden denkt, den man liebt?" "Du liebst sie? Du kennst sie doch noch nicht einmal!" Motoki hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, aber das kam zu spät. Nun war die Frage schon gestellt. Eine angespannte Stille erfüllte den Raum. Lange Zeit regte sich gar nichts. Bis Mamoru endlich antwortete: "Ich glaube, ich würde sie lieben, wenn ich mich an sie erinnern könnte. Sie waren immerhin meine Eltern. Wer weiß, vielleicht hätten sie mich irgendwie beschützen können, wenn sie noch am Leben wären? Wer weiß..." Erneut entstand eine geräuschlose Stille. Motoki war diese Thema sehr unangenehm, er hätte viel lieber über etwas anderes gesprochen. Andererseits, wenn Mamoru einmal seinen weichen Kern präsentierte, sollte man da nicht unbedingt eine Nadel reinstechen. Tonlos fragte Mamoru in die Stille hinein: "Glaubst Du, sie wären stolz auf mich?" Motoki, der die ganze Zeit schweigend neben dem Bett gestanden hatte, setzte sich nun wieder und antwortete in ruhigem Ton: "Also, ich bin es." "Danke", flüsterte Mamoru und lehnte sich an Motokis Schulter. Der nahm seinen unglücklichen Freund behutsam in den Arm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)