Magenta I von Maginisha (Willkommen in der World of Warcraft) ================================================================================ Kapitel 4: Von Greifen und Glücksrittern ---------------------------------------- Ein Heulen weckte Magenta aus ihrer Ohnmacht. Es war die Art von Geräusch, die einen hochfahren und sofort nach einer Waffe greifen ließ. Ein Geräusch, das seit Generationen die Urängste der Menschen schürte und dazu führte, das man sich am liebsten die Bettdecke über die Ohren zog und wartete, dass es vorbeizog. Unaufhaltsam schwoll es in ihrem Kopf an. Es weitete sich aus, zu einem Kreischen und Fauchen, einem nervenzerfetzenden Crescendo, als hätte sich der Abgrund zur Hölle aufgetan. „….und ich rede und rede und alles was die Frau Hexenmeisterin macht, ist rumliegen und schlafen", ereiferte sich Pizkol. „Nun steh schon endlich auf." „Uuh", entgegnete Magenta eloquent. Ihr Kopf dröhnte immer noch und ihr Mund schmeckte, als hätte eine Spitzmaus darin ihr Nachtlager aufgeschlagen; bitter und pelzig. Trotz der schmerzenden Knochen und dem Bedürfnis, sich ausgiebig zu strecken, hielt sie zunächst einen Moment inne. Sie spürte, dass sie nicht allein war. Die Tatsache, dass sie unter einer ein wenig nach Pferd riechenden Decke lag und Hände und Füße frei bewegen konnte, ließ allerdings den Schluss zu, dass sie kein Gefangener dieser merkwürdigen Fischwesen war. Um sie herum zirpten die Grillen im Gras und in der Luft lag der Geruch von Feuer und etwas, das durchaus ein schmackhaftes Abendessen sein konnte. „Abu?", fragte Magenta vorsichtig und wagte es endlich, sich aufzurichten. Die Welt schwankte ein wenig und manifestierte sich zu einem Lagerfeuer, an dem ein junger Mann mit hoch konzentrierter Miene in einem Kochtopf herumfuhrwerkte. Schweißperlen standen auf der sonnengebräunten Stirn, in die immer wieder ein paar schwarze Haarsträhnen rutschten, während ihr Besitzer zweifelnd das Ergebnis seiner Kochkünste begutachtete. Als er Magentas Blick bemerkte, schnellte er in die Höhe, kippte dabei beinahe den Kochtopf um und salutierte zackig mit dem Kochlöffel. „Bladewarrior zu ihren Diensten, Ma'm“, rief er und schielte vorsichtig nach dem immer noch heftig brodelnden Topf. „Rühren Soldat“, grinste Magenta unwillkürlich. „Zu Befehl“, antwortete er und machte sich wieder daran, das Abendessen vor dem Anbrennen zu retten. „Ist gleich fertig." Unschlüssig, was sie nun tun sollte, schälte sich Magenta zunächst aus ihrer Decke und besah sich ihren eifrigen Begleiter genauer. Er war jünger, als sie zunächst angenommen hatte, und wirkte, als würde er normalerweise mit gefährlicheren Waffen als einem Kochlöffel hantieren. Und er sah eindeutig gut aus. Im Grunde genommen war er genau die Art Typ, dem junge Frauen reihenweise hinterher schmachteten und „unauffällig“ ihre Taschentücher vor die Füße warfen. Ein strahlender Held auf einem weißen Ross… Das einzig Störende daran war, dass von einem Ross nirgends etwas zu sehen war und seine Ausrüstung einen sofort die Worte „Second Hand“ entgegen schrie. Die ganze Situation war sehr eigenartig und so beschloss Magenta, einfach so zu tun, als wäre überhaupt nichts Besonderes daran, mit einem Wildfremden nachts an einem Lagerfeuer mitten in Westfall zu sitzen und ihm beim Kochen zuzusehen. Immerhin hatte er ihr das Leben gerettet, was darauf schließen ließ, dass er ihr einigermaßen freundlich gesinnt war. Sich aus dem Staub machen konnte sie später immer noch. „Bladewarrior?", fragte sie nach einer Weile, in der ihr Gegenüber immer noch keine Anstalten gemacht hatte, sich mit ihr zu unterhalten. „Meine Freunde sagen nur Blade zu mir", gab er zurück. „An dem Schwert arbeite ich allerdings noch." Er wies mit dem Kopf auf die zwei Äxte, die aus seinem Gepäck herausragten. „Mein Name ist Magenta", sagte Magenta. So langsam hatte sie das Gefühl, ungefähr so interessant zu sein wie ein paar alte Socken. „Ich, äh … wo ist eigentlich Abumoaham?" „Der Magier?", wollte der Krieger wissen. Der Inhalt des Kochtopfes schien inzwischen seinen Erwartungen zu entsprechen. „Er sagte, er hätte einen wichtigen Auftrag erhalten. Als er sah, dass Ihr immer noch nicht bei Bewusstsein wart, ließ er euch in meiner Obhut zurück, um zur Späherkuppe weiter zu reisen." „So", grummelte Magenta verschnupft. „Na das hat er sich ja fein ausgedacht." „Westfall-Eintopf?", fragte Blade und hielt Magenta einen Napf mit einer undefinierbaren Masse unter die Nase. „Ist das erste Mal, das ich den koche, aber Salma hat gesagt, wenn man sich genau an das Rezept hält, ist es ganz einfach." „Mhm", machte Magenta. Sie war nicht sehr überzeugt, dass sie das essen wollte, aber ihr Magen war anderer Meinung. Er knurrte vernehmlich. Seufzend nahm sie ihre Portion entgegen und probierte vorsichtig. „Gar nicht mal schlecht", attestierte sie nach den ersten Löffeln. „Was ist da drin?" Bladewarrior kramte nach einem Stück Papier, kniff die Augen zusammen und entzifferte langsam: „Sehniges G-Geierfleisch in Streifen sch-schneiden. Okra…schoten würfeln. Gei-Geiferzahnschnauzen von den B-Borsten befreien und ganz in einem Topf werfen." „Borsten?", wiederholte Magenta alarmiert, aber Blade ließ sich nicht unterbrechen. „Alles aufkochen und nach einer Vie-Viertelstunde die Mur-Mur-Murlocaugen zugeben." Einige Sekunden herrschte entsetztes Schweigen. „Pffffff…", machte Magenta dann und beförderte so viel von Eintopf, wie sie konnte, wieder aus ihrem Mund. „MURLOCAUGEN?", hustete sie und suchte verzweifelt nach etwas zu trinken. „Ich habe Augen von diesen widerlichen, stinkenden, abscheulichen…Dingern gegessen?" Ungerührte zuckte Blade mit den Schultern. „Aber es stand doch so im Rezept." Also wenn du mich fragst, ist der nicht besonders helle, bemerkte Pizkol zynisch. Er war immer noch sauer, weil Magenta sich weigerte, ihn zu beschwören. Ach halt den Schnabel, dachte Magenta zurück. Er gefällt dir wohl, stichelte Pizkol weiter. Vielleicht solltest du ihn heiraten und Kinder kriegen und vor allem: mich freilassen. Dann hätten wir wenigstens alle was davon. PIZKOL!, zischte Magenta entnervt, ich werde garantiert nichts von dem allen tun und wenn du keine konstruktiven Vorschläge hast … Halt den Schnabel, beendete Pizkol ihren Satz. Das hatten wir schon. Aber wie wäre es, wenn du deinen strahlenden Helden mal nach den Sachen fragen würdest, die Abumoaham ihm für dich gegeben. Da war nämlich auch was zu essen dabei. Und das sagst du erst jetzt?, schnaubte Magenta in Gedanken. Sie ließ sich von Bladewarrior die Tasche aushändigen, die der Magier zurückgelassen hatte, und kaute kurz darauf auf einem Stück schon etwas trocken gewordenem Brot herum; aber immerhin hatte das keine Augen. Während sie aß, kramte sie in dem Beutel herum und förderte einige Flaschen mit verschiedenen, bunten Flüssigkeiten zu Tage. Neugierig entkorkte sie eine von ihnen. Sofort füllte ein würziger Kräuterduft die Luft. Bladewarrior schnüffelte interessiert. „Das riecht wie der Kräuterschnaps, den meine Mama immer zum Winterfest aus dem Keller geholt hat. Darf ich mal?" Zögernd reichte Magenta die Flasche an den Krieger weiter. Der roch noch einmal an der Flasche und, bevor Magenta es verhindern konnte, nahm er einen großen Schluck. „Schmeckt nach gar nichts", stellte er enttäuscht fest. Dann verdrehte er die Augen und begann zu schielen. „Oh nein, BLADE!", rief Magenta am Rande einer Panik. Was, wenn sie ihn nun vergiftet hatte? „Blade sag doch was." Blade schüttelte den Kopf und sah Magenta mit verklärtem Blick an. „Höchst absonderbar, diese Medizin", sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen. "Mir deucht, mein geistiger Horizont wird in ungewöhnlicher Weise durch diesen Trank stimuliert. Wirklich erquicklich." „Pizkol“, stammelte Magenta entsetzt. „Was ist nur mit ihm?" ’Elixier der Weisheit’ würde ich mal vermuten, kicherte Pizkol vor sich hin. Ist doch witzig. „Ja, unheimlich komisch", fauchte Magenta. Energisch langte sie nach der Flasche, verschloss diese wider und grummelte: „Ich kann eigentlich nur hoffen, dass die Wirkung nicht allzu lange anhält." „Sie normalerweise hält halbe Stunde“, brummte eine dunkle Stimme und Abumoaham trat an das Lagerfeuer. „Diese Trank nicht gemacht für Krieger und ihr vorsichtig damit umgehen solltet. Falscher Trank zu falscher Zeit kann großes Unglück zur Folge haben." „Ist Euch einmal aufgefallen, wie hell die Sterne strahlen, wenn man sie fernab der großen Städte betrachtet?", lächelte Blade glücklich und starrte in den Himmel. „Ist das gefährlich?", fragte Magenta argwöhnisch, während Blade begann, seine Rüstung abzulegen. „Nein, nicht gefährlich", beruhige Abumoaham sie. „Wir einfach warten, bis Wirkung vorbei." „Das wäre alles nicht passiert, wenn Ihr nicht abgehauen wärt", fauchte Magenta böse. „Mich einfach allein zu lassen…" „Abu gedacht, junge Hexenmeisterin kommt auch alleine klar", sagte Abumoaham und begann, sich eine Pfeife zu stopfen. „Das … ich … äh …", stammelte Magenta. Abumoahams Augen glitzerten verschmitzt. „Ihr doch nicht gedacht, Abu wirklich geglaubt Geschichte mit sprechendem Affen", sagte er und schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. „Abu gesehen, wie Ihr kämpft. Hat gesehen anderen Dämon. Abu nicht dumm." Ertappt ließ Magenta die Schultern hängen. Hatte sie wirklich gedacht, sie würde so einfach mit der Geschichte durchkommen? Offensichtlich war es doch schwerer sich als Hexenmeister durch die Welt zu schlagen, als sie gedacht hatte. Verstohlen musterte sie ihre beiden Begleiter aus den Augenwinkeln. Blade war inzwischen dabei, irgendwelche Dinge in den Sand zu schreiben. Sie hörte ihn etwas von „Augen" und „Sterne" murmeln und beschloss, es gar nicht erst wissen zu wollen. Abumoaham hingegen beobachtete Magenta und ließ kleine Rauchwolken in den Himmel steigen. Schließlich griff er nach seinem Bündel und zog ein längliches, in ein Stofftuch gewickeltes Objekt daraus hervor. „Abu Euch etwas mitgebracht", erklärte er und reichte das Paket an Magenta weiter. Sie zögerte eine Augenblick, doch dann siegte die Neugier. Eilig packte sie das Geschenk aus und hielt kurz darauf einen dünnen Holzstab in der Hand. Etwas enttäuscht runzelte sie die Stirn. „Was ist das?", wollte sie wissen. „Das sein Zauberstab", sagte Abumoaham. „Wenn nächstes Mal Eure magische Energie erschöpft, Ihr nimmst den." „Aha", machte Magenta. Sie wollte nicht so ganz glauben, dass man mit diesem dünnen Stäbchen irgendwem schaden konnte, wenn man ihm nicht gerade ein Auge damit auspiekte. „Abu bekommen als Belohnung für Information, die Abu gebracht zu Gryan Stoutmantle und einen kleinen Gefallen.", erläuterte Abumoaham weiter und fügte selbstgefällig hinzu: „Aber Abu nicht brauchen. Wenn Magier nicht mehr zaubern, Magier rennen. Wenn Hexenmeister nicht mehr zaubern, er benutzt Leben, um noch mehr zu zaubern, bis am Ende nichts mehr übrig. Ihr besser nehmt Stab stattdessen." „Ja klasse, vielen Dank", knurrte Magenta. Sie wusste, dass sie dankbar sein sollte, aber irgendwie fiel ihr das gerade ziemlich schwer. Vielleicht auch, weil sie in Gedanken Pizkol zuhören musste, wie der sich vor Lachen den Bauch hielt. Oder weil Blade anstatt Wache zu halten, Gedichte in den Sand malte. Oder weil Abumoaham schon wieder Recht hatte und sie es so gar nicht zugeben wollte. Frustriert schnappte Magenta Blade die Decke weg, bevor diese womöglich noch erwog, sich daraus ein e Robe schneidern zu lassen und rollte sich ohne ein weiteres Wort darin ein. So lag sie noch eine ganze Weile mit ihrem schlechten Gewissen und dem Geruch von Pferd in der Nase da und versuchte einzuschlafen. Die Welt war einfach nur ungerecht.       Einen Kontinent weiter waren die zwei Zwergenwachen der gleichen Meinung. Wütend starrten sie die drei Nachtelfen an und grummelten bitterböse Flüche in ihre Knebel. „Findest du das nicht etwas übertrieben?", fragte Ceredrian leise. „Nein", knurrte Easygoing. „Sollten wir sie etwa Alarm schlagen lassen?" Ceredrian schüttelte den Kopf. „Es ist bereits dunkel und wir sind schließlich Nachtelfen", rügte er. „Da sollte man doch meinen, dass wir einfachere Wege finden, als ihr Wachen niederzuprügeln." „Das ist doch jetzt eh nicht mehr zu ändern", warf Abbefaria in die Diskussion ein. „Überlegen wir uns lieber, wie wir jetzt weiter vorgehen." Sechs leuchtende Augen starrten in das unterhalb des Wasserfalls gelegene Lager der Forschungsexpedition. Zwischen mehreren großen Zelten brannte ein Lagerfeuer, an dem sich trotz der späten Stunde noch einige Zwerge und Gnome versammelt hatten. Einer der Gnome lief beständig auf und ab und schien auf einen Zwerg einzureden, neben dem ein großer, brauner Bär auf dem Boden lag und an etwas herumkaute. „Wahrscheinlich ein Jäger", stellte Abbefaria fest. „Wenn es stimmt, was ich gehört habe, werden sie dazu ausgebildet, humanoide Wesen bereits aus großer Entfernung auszumachen." „Wir müssen trotzdem näher heran", urteilte Easygoing. „Ich will wissen, was da unten vor sich geht." „Ach, und wie sollen wir das anstellen?", fragte Ceredrian kritisch. „Wir können ja schließlich nicht einfach dort unten reinspazieren und uns selbst zum Abendessen einladen. Nicht nachdem du ja beschlossen hast, ihre Wachen anzugreifen." „Wo liegt dein Problem? Ich mach das schon", grinste Easygoing und verwandelte sich vor Ceredrians Augen in einen Bären. „Versteh ich auch nicht", stimmte Abbefaria ihm zu und stand kurz darauf als Wildkatze neben Easygoing. „Wie witzig", knurrte Ceredrian und hockte sich missmutig unter einen hohen Baum. „Sagt Bescheid, wenn ihr wieder da seid." Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er schwören können, die beiden Tiere würden ihn auslachen. Abbefarias Sinne loteten angestrengt die Nacht aus. Er hörte die Grillen zirpen und das Rauschen der Wellen, die an den nahen Strand schlugen. Das trockene, harte Gras knisterte unter seinen Pfoten und der Wind trug den Geruch der Fremden zu ihm herüber. Vieles davon war Abbefaria gänzlich unbekannt und machte ihn neugierig. Der Bär neben ihm hingegen verströme eher eine Welle wilden Tiergeruchs, der ihm die Schnurrhaare kräuselte. „Du stinkst!", fauchte er böse und erntete dafür ein fragendes Brummen. Ärgerlich wedelte Abbefaria mit dem Schwanz und ließ die Ohren zucken. Er hatte vergessen, dass Easygoing ihn jetzt nicht mehr verstehen konnte. Der Bär schnaufte, schüttelte den Kopf und tappte auf großen, pelzigen Pfoten auf das Lager zu. Geduckt folgte Abbefaria ihm. Hinter eine Düne geduckt warteten die beiden Druiden ab, dass die zwergische Wache an ihnen vorbeiging, dann schlichen sie an der äußeren Zeltreihe vorbei weiter in das Innere des Lagers. Innerlich schüttelte Abbefaria den Kopf über seinen Freund. Er wusste zwar, dass Easygoing es vorzog, sich in einen Bären zu verwandeln - manchmal war er tagelang so im Wald unterwegs gewesen - trotzdem wäre hier seine Katzenform wesentlich angebrachter gewesen…und vor allem unauffälliger. Jetzt war es jedoch zu spät, ihren Plan noch zu überdenken, denn wenn Easygoing sich jetzt zurückverwandelt hätte, wäre das Alarmsystem des Jägers sicherlich auf ihn angesprungen. Eine Verwandlung von Tier zu Tier war einem Druiden nämlich nicht möglich „Ja was haben wir denn da?", hörte man plötzlich eine tiefe Stimme und Abbefaria zog sich augenblicklich tiefer in den Schatten zurück. „Sieh mal einer an. Ich wusste doch, ich habe etwas gehört." Vor ihnen stand wie aus dem Boden gewachsen ein Zwerg. Sein blank poliertes Gewehr richtete sich genau auf Easygoing Kopf und seine schwarzen Augen funkelten inmitten eines Wustes aus struppigen Bart- und Kopfhaaren. „Was ist es? Was ist es?", rief eine helle Stimme aus dem Hintergrund. „Ein verdammter Bär", knurrte der Zwerg und zog den Abzug durch. „Die ganze Tierwelt hier ist völlig verrückt geworden." Abbefaria hielt den Atem an. Er konnte das Waffenöl riechen und das Gerbemittel, mit dem die Kleidung des Zwerg bearbeitet worden war. Und er roch den Tod von vielen Tieren an seinen Händen. In Windeseile begann Abbefaria die Formel für seine Rückverwandlung zu rezitieren, da stellte sich Easygoing mit einem Mal auf die Hinterpfoten…und begann zu tanzen. Verdutzt ließ der Zwerg seine Waffe sinken und auch Abbefaria fiel vor Erstaunen die Kinnlade herunter. Selten zuvor hatte er etwas so sonderbares gesehen. Ein Bär, der einen Art Stepptanz aufführte und dazu noch mit den Vorderpfoten wedelte, als versuche er ein paar lästige Fliegen zu verscheuchen, war wirklich ein sehr, sehr seltsamer Anblick. Prompt begann der Zwerg schallend zu lachen. Er schlug sich mit der Hand auf den Schenkel und rief: „Komm her, Schustix, das musst du sehen." Hinter dem Zwerg trippelte jetzt ein grauhaariger Gnom heran. Staunend besah auch er sich das eigenartige Schauspiel. „Scheint ein zahmer Bär zu sein", meinte er zögernd. Ihm war anzusehen, dass er sich in seiner Lage nicht besonders wohl fühlte, was vielleicht auch verständlich war, da eines von Easygoings Vorderbeinen genauso groß war wie der gesamte Gnom. „Das kann schon sein", sagte der Zwerg jetzt wieder ernst. Er kam näher an Easygoing heran, der sich inzwischen wieder auf alle Viere herabgelassen hatte und den Zwerg aus treuen Augen ansah. „Sieh mal hier!", sagte der Zwerg und begann das Zeichen Elunes zu befühlen, das jeder Druide in seinen Tierformen auf der Schulter trug. „Siehst du diese Markierung, die dort aufgemalt ist. Oder ist das ein Brandzeichen? Aber wer hat schon mal von Bären mit so langen Ohren gehört?" Easygoing brummte ärgerlich, als der Zwerg begann an seinen Ohren herumzufingern. „Also Bierlachs, ich weiß nicht, ob du das tun solltest", wandte der Gnom immer noch ängstlich ein, doch der Zwerg winkte nur lässig ab. „Ist ja gut, Großer", murmelte er beruhigend. „Ich tu dir ja nichts. Na komm! Bärbel freut sich bestimmt über Besuch." Er puffte und stupste Easygoing, der ihm scheinbar gehorsam folgte. Ganz kurz warf der Bär noch einen Blick in Abbefarias Richtung und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Dazu machte er eine eindeutige Geste mit der Pfote. Abbefaria schüttelte im Schatten den Kopf, musste aber neidvoll anerkennen, dass Easygoings Plan offensichtlich aufgegangen war. Es wäre ihm nur lieber gewesen, sein Freund hätte ihn vorher darin eingeweiht. Er maunzte einmal leise und ärgerlich und schlich dann wieder denselben Weg zurück, den er so eben gekommen war. Wenn Easygoing meinte, er käme alleine zu Recht, dann sollte er sehen, was er davon hatte. Als Abbefaria wieder bei Ceredrian ankam und sich zurückverwandelte, saß der immer noch unter seinem Baum. Die beiden gefesselten Zwerge hatten ihren Protest inzwischen aufgegeben und sich auf böses Starren verlegt. Wahrscheinlich würden sie einfach warten, bis die Fesseln irgendwann von selbst verwitterten. Zwerge waren hartnäckige Burschen. „Wo ist Easy?", wollte Ceredrian wissen „Unten im Lager", antwortete Abbefaria knapp. „Sie haben ihn gefangen?", fragte Ceredrian alarmiert und sprang auf. „Wie konntest du …" Abbefaria zog den anderen Nachtelfen wieder auf seinen Platz. „Gar nichts haben sie., fauchte er ärgerlich. „Ich weiß nicht, was Easygoing da vorhat. Ist mir auch egal. Wenn er meint, dass er das hinkriegt, soll er nur machen." Ceredrian rollte vielsagend mit den Augen und stöhnte. Danach machte er es sich schicksalsergeben wieder neben Abbefaria bequem. Es dauerte geschlagenen zwei Stunden, bis Easygoing mit dem breitesten Wer-hat´s-erfunden?-Lächeln der Welt wieder bei dem Baum aufkreuzte. Die gefesselten Zwerge waren bereits eingenickt und auch Abbefaria schoss erschreckt aus einem dämmrigen Halbschlaf hoch. „Du kommst spät", sagte Ceredrian vorwurfsvoll. „Hat dein Alleingang wenigstens etwas eingebracht?" „Aber sicher", grinste Easygoing. „Und was?", gähnte Abbefaria „Ich meine außer der Tatsache, dass du mal wieder deinen Dickkopf durch gesetzt hast?" „Ich weiß, wo der zweite Teil des Seelöwen-Anhängers ist", erklärte Easygoing triumphierend. „Und heute Nacht werden wir ihn aus dem Meer bergen." „Heute Nacht?", echote Abbefaria. „Aus dem Meer?", wiederholte Ceredrian „Mmmhhhm MHHHMMM!", machten die inzwischen wieder erwachten Zwergenwachen. „Jep!", stimmte Easygoing zu. „Denn wenn wir bis morgen früh warten, schnappen diese gierigen Gnome ihn sich und er wird ebenso wie die erste Hälfte außer Landes gebracht." „Und woher weißt du das alles?", hakte Ceredrian misstrauisch nach. „Sagen wir mal so", grinste Easygoing. „Zwerge sind ziemlich redselig, wenn sie nur genug Bier zu trinken haben. Und schließlich bin ich doch so ein netter Bär." „Fand die Bärin bestimmt auch", kicherte Abbefaria und sah zu, dass er aus der Reichweite von Easygoings Fäusten kam. Kurze Zeit später standen sie ein Stück nördlich des Forscherlagers am Strand und blickten auf das Verhüllte Meer hinaus. Dichter Nebel flutete in Wellen über das Wasser und dämpfte die Geräusche der umliegenden Umgebung. Eine riesige Krabbe krabbelte träge vor ihnen durch das flache Uferwasser und etwas roch aus dem Nebel heraus nach verwesendem Fisch. Ceredrian zog die Nase kraus. „Irgendetwas stinkt hier", beschwerte er sich. „Wenn ihr mich fragt ist das nicht nur der tote Fisch", ergänzte Abbefaria. „Die Tiere, die Pflanzen … alles wirkt irgendwie apathisch, vergiftet. Etwas sehr seltsames braut sich hier zusammen." „Und der Wasserlauf, durch den wir da vorhin gewatet sind …", knurrte Easygoing. „Ich hab den öligen Geruch immer noch in der Nase. Wenn wir zurück in Auberdine sind, sollten wir unbedingt jemandem davon berichten. Aber jetzt und hier will ich diesen Anhänger." Entschlossen watete er in das dunkle Wasser hinein. Mit einigem Zögern folgte Abbefaria ihm. Das Wasser war nicht unbedingt kalt und im Uferbereich auch nicht besonders tief, trotzdem behagte es ihm nicht, dass er nicht sah, wohin er ging. Ceredrian hingegen blieb am Ufer stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mir kriegt ihr da nicht rein", sagte er bestimmt. „Das ist eure Aufgabe. Viel Spaß damit." „Feigling", murmelte Easygoing undeutlich. Eisige Stille breitete sich aus. Ein einsamer Nachtvogel rief klagend durch den alles umhüllenden Nebel. Dann platschte etwas und wenig später schwamm Ceredrian neben den beiden Druiden im dunklen Wasser. „Nenn mich nie wieder einen Feigling", zischte er Easygoing an und zog mit kräftigen Schwimmbewegungen an seinem Cousin vorbei. Schweigend schwammen die drei in das offene Meer hinaus. Der Nebel wurde immer dichter und schon bald war die Uferlinie aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Hin und wieder erhoben sich Schatten aus dem Nebel, die sich allerdings beruhigender Weise als Felsbrocken herausstellten. Mit einem Mal hielt Ceredrian an. „Habt ihr das gehört?", wisperte er tonlos. „Was denn?", brummte Easygoing ungehalten. „Wir sind noch lange nicht da, also kommt… „Pssscht!", machte Ceredrian. „Hörst du denn nicht?" Angespannt lauschten sie. Zunächst war nichts zu hören außer den Wellen, die monoton gegen die zwei riesigen Felsen klatschten, die unweit von ihnen aus dem Wasser ragten. Dann hörte man ein kurzes Grunzen begleitet von einem leisen Platschen. Wellen schlugen gegen Abbefarias Brustkorb, nur kamen sie nicht vom Meer, sondern aus der entgegen gesetzter Richtung. Irgendetwas Großes glitt unter ihm durch das Wasser und strich gegen seine Füße. Plötzlich spürte er einen scharfen Schmerz in seinem Fuß und stählerne Kiefer zogen ihn blitzschnell unter Wasser. Instinktiv zog Abbefaria seinen Dolch und stieß blind zu. Er erwischte seinen Gegner und wurde dann von einer riesigen Flosse so hart in die Seite getroffen, dass er seine Waffe fallen ließ. Hilflos glitten seine Finger über glatte, ledrige Haut, während ihn das Wesen immer tiefer zog und sein Atem in perlenden Blasen zur Oberfläche stieg. Da glitt ein dunkler Schatten neben ihm durchs Wasser, die Kreatur erzitterte unter einen Schlag und Blut färbte das Wasser dunkelrot. Ein röhrendes Brüllen erklang und der Griff um Abbefarias Knöchel lockerte sich. Mit kräftigen Schwimmbewegungen glitt er nach oben und durchstieß schließlich die Wasseroberfläche. Gierig sog er Luft in seine Lungen und kämpfte den Schwindel nach unten, der ihn bereits ergriffen hatte. Um Abbefaria herum schäumte und brodelte das Wasser von dem heftigen Kampf und von seinen Gefährten war keiner zu sehen. Schnell holte er noch einmal tief Luft und tauchte wieder hinab in die strudelnden Wasser. Ein kleiner Kopf tauchte unvermittelt aus dem Halbdunkel auf und messerscharfe Zähne schnappten nach ihm. Er wich dem Biss in letzter Sekunde aus und der riesige, stromlinienförmige Körper mit den krallenbewehrten Flossen glitt nur wenige Zentimeter neben ihm vorbei. Der lange Schwanz peitschte durch das Wasser und versetzte Abbefaria einen kräftigen Hieb in den Magen. Instinktiv krallte er sich daran fest und behinderte das Tier so in seiner Wendigkeit. Wütend schlug es ihn von einer Seite zur anderen, so dass ihm Hören und Sehen verging. Es brüllte und tobte und immer mehr Blut ließ das Wasser metallisch schmecken. Da zuckte ein heller Blitz durch das Wasser und mit einem letzten, gequälten Laut bäumte sich das Tier noch einmal auf, bevor sein Körper erschlaffte und langsam in Richtung des Meeresbodens sank. Paddelnd und prustend kamen Easygoing, Ceredrian und Abbefaria wieder an die Oberfläche. „Was in Shan´do Stormrages Namen war das?", keuchte Abbefaria. „Ich hab keine Ahnung.", schnaufte Easygoing. „Die Hauptsache ist doch, dass es jetzt tot ist." „Auf jeden Fall hat ihm die göttliche Pein nicht geschmeckt", grinste Ceredrian atemlos. „Ich hatte eigentlich gedacht, diesen Spruch nie anwenden zu müssen, aber im Krieg und in der Liebe ist ja bekanntlich alles erlaubt." Easygoing brummte eine unverständliche Antwort und setzte sich dann in Richtung eines aus dem Wasser ragenden Felsens in Bewegung. Dort kletterte er aus dem Wasser und schüttelte sich wie ein Hund nach dem Baden. Mit einem vielsagenden Blick folgten die beiden anderen ihm. Nach einigen Schwimmzügen stutzte Abbefaria. Ihm war, als hätte er im Wasser etwas aufblitzen sehen. Möglicherweise war das sein entschwundener Dolch, den er nur zu gerne wieder gehabt hätte. Kurzentschlossen tauchte er hinab. Das Wasser drückte auf seine Ohren, um ihn herum war ein eigenartiges Glucksen und Knacken zu hören. Wasserpflanzen bewegten sich um ihn herum im Rhythmus der Meeresströmung hin und her und ein Schwarm neugieriger, kleiner Silberfische stob vor ihm ihn verschiedenen Richtungen davon. Er näherte sich jetzt den zwei großen Felsen, die sie am Anfang entdeckt hatten. Muscheln und Seepocken wuchsen darauf und an ihrem Fuß lag der geheimnisvoll glitzernde Gegenstand. Eilig griff Abbefaria nach ihm und stieß sich dann kräftig vom Meeresboden ab. „Was hast du da?", wollte Ceredrian wissen, als sich Abbefaria kurz darauf neben ihm aus dem Wasser auf einen Felsen zog. „Keine Ahnung", gab Abbefaria zu. „Ich dachte, ich hätte etwas gesehen und am Fuße der Felsen lag dann das hier." Er zeigte den beiden anderen die kleine, silberne Schatulle, die er in Händen hielt. Auch sie war von Seepocken bewachsen und eine dicke Schicht Dreck hatte das eingravierte Muster nahezu unkenntlich werden lassen. Eigentlich hätte er sie gar nicht sehen dürfen, stellte Abbefaria fest. „Ist das nicht das Zeichen des Zirkels?", grübelte Easygoing und nahm seinem Freund die Schatulle aus den Händen. Er fuhr mit den Fingern die nur noch wage zu erkennenden Linien nach. Dann lachte er plötzlich. „Abbe, du Glückspilz! Ich glaube fast, du hast gefunden, wonach wir gesucht haben." „Wie jetzt?", fragte Abbefaria verblüfft. „Du meinst da drin…?" „Ja sicher", antwortete Ceredrian aufgeregt. „Jetzt müssen wir nur noch Deadly oder Shadow bitten, dass sie uns die Schatulle aufmachen, dann habt ihr den ersten Teil eurer Aufgabe erfüllt." „Schwer genug war´s ja", grunzte Easygoing.       Einige Stunden später und wieder in den östlichen Königreichen standen drei Männer am Fuß der Späherkuppe, einem befestigten Hügel in der Mitte von Westfall, ebenfalls vor einem recht massivem Problem: einer wütenden Hexenmeisterin. „Das kommt überhaupt nicht in Frage!", rief Magenta und stemmte angriffslustig die Hände in die Hüften. „Ich nähere mich diesem….diesem Vieh nicht weiter als einen Meter." „Aber es ist wirklich ganz ungefährlich" beteuerte Bladewarrior. "Habe ich zumindest gehört." „Aha!", triumphierte Magenta. „Also hast du es noch gar nicht ausprobiert. Woher willst du dann wissen, dass mir dieses Untier nicht vielleicht einen Arm abbeißt. Einfach mal eben so." „Bitte. Diese Nachricht für Waffenlieferung sein wichtig", mischte sich nun Abumoaham ein. „Ihr doch nicht etwa Angst vor Fliegen?" „Die haben ja noch nicht mal einen Sattel", beschwerte sich Magenta ungerührt weiter und betrachtete misstrauisch die riesigen Tiere vor ihrer Nase. Der vordere Teil ihres Körpers war der eines stolzen Weißkopfadlers; ein scharfer, gelber Schnabel ragte unter einem Paar wachsamer, gelbgrüner Augen hervor und die gekrümmten Krallen bohrten sich tief in das trockene Holz der Gestelle, auf denen ihre Strohnester aufgebahrt waren. Den hinteren Teil bildete der Körper eines Löwen, über dem sich zwei gewaltige, braungefiederte Flügel ausbreiteten. „Ein Greif würde sich niemals einen Sattel anlegen lassen", mischte sich nun der Greifenmeister ein. „Aber glaubt mir, er wird Euch auch ohne das sicher nach Stormwind bringen." „Ich würde es gerne einmal ausprobieren", seufzte Bladewarrior. „Aber leider habe ich nicht genug Geld um mir den Flug zu leisten." „Was?", kreischte Magenta nun völlig entgeistert. „Dieser Wahnsinn kostet auch noch Geld?" „Ein geringer Preis für die Zeit, die ihr dadurch einspart junges Fräulein", gab der Greifenmeister zu bedenken und tätschelte einem der Greifen den gefiederten Hals. „Ein paar Kupferstücke für mich und Aaron hier wird Euch sicher bringen wohin ihr auch wollt." „Abu auch bezahlen", erbot Abumoaham sich nun und reckte bestätigend den Daumen in die Luft. „Es wirklich ganz einfach…" Magenta fühlte acht Augen erwartungsvoll auf sich ruhen; zwei davon gehörten dem Greifen. Offensichtlich hatte das Tier verstanden, worum es ging. Vielleicht war es wirklich nicht so gefährlich wie eine Größe und das raubtierartige Äußere vermuten ließen. Und wäre es nicht höchst schlecht für´s Geschäft gewesen, wenn die Reittiere einfach so die Fluggäste fressen würden? Vorsichtig trat Magenta einen Schritt näher heran. Der Greif streckte ihr neugierig seinen Schnabel entgegen und als sie ihre Hand hob, schnupperte er daran und drückte das harte Horn gegen ihre Handfläche. „Also schön", murmelte Magenta mit klopfendem Herzen. "Probieren wir es einmal aus." Der Greifenmeister strahlte und schnalzte mit der Zunge. Daraufhin erhob sich der Greif aus seinem Nest, schüttelte noch einmal die letzten Strohreste aus seinem Fell beziehungsweise Gefieder und trottete dann in einer Art Stelz-Schleichgang zu seinem Herren hinüber. Der holte eine kleine Trittleiter hervor, platzierte sie neben dem Greifen und forderte Magenta mit einer Geste auf aufzusteigen. Immer noch mit einem mulmigen Gefühl erklomm Magenta die zwei Stufen der Leiter und kletterte dann ungeschickt auf den warmen Rücken des enormen Tieres. Sie fühlte die Muskeln unter dem goldbraunen Fell unruhig vibrieren und schob sch sicherheitshalber noch ein Stück weiter in Richtung des Halses, wo sie sich vorsichtig Halt suchte. „Also los", rief der Greifenmeister und klatschte dem Greifen mit der flachen Hand auf das Hinterteil. „Nach Stormwind, mein Junge!" Der Greif ließ ein bestätigendes Kreischen hören, breitete die mächtigen Schwingen aus katapultierte sich aus dem Stand etwa zwei Meter in die Luft. Dann wirbelten Schmutz und Staub durch die Luft und Magenta schloss vor Schreck die Augen. Der Boden sackte ruckartig unter ihr hinweg und sie krallte sich instinktiv noch fester an den Hals des Greifen. Um sie herum waren nichts als hektisch schlagende Flügel und unter ihrem Hintern schien sich das bockigste Pferd des gesamten Kontinents zu befinden. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre heruntergefallen. Erst als das Tier bereits mit ruhigen, gleichmäßigen Flügelschlägen flog, öffnete Magenta Augen wieder und sah, wie die braun-gelbe Ackerlandschaft unter ihr vorbeiglitt. Fasziniert beobachtete sie, wie die vertrocknete Ebene bald darauf vom frühlingshaften Grün des Elwynn-Waldes abgelöst wurde. Der Greif strich dicht an dem kleinen Turm der Westbrook-Garnison vorbei, gewann durch ein paar kräftige Flügelschläge noch etwas an Höhe und segelte dann sanft über die vorgelagterte Stadtmauer hinweg. Er glitt an den gewaltigen Statuen vorbei, die Magenta bereits bei ihrem ersten Besuch in Stormwind so bewundert hatte, und bremste dann abrupt ab, um kurz darauf auf einer hölzernen Plattform in einer großen Nische in der eigentlichen Stadtmauer zu landen. Dort tummelten sich nebst mehreren Greifen auch noch allerhand Kunden, die anscheinend ebenfalls auf eine Abflug-Gelegenheit warteten. Sie wurden jedoch aufgehalten, weil eine blonde Frau am Anfang der Schlange den Greifenmeister in eine hitzige Diskussion verstrickt hatte. „Und ich sage, das ist zu viel!", wetterte die Frau gerade. „Ich gebe euch 95 Kupfer und kein bisschen mehr." „Und ich sage Euch, das Ihr damit nicht einmal nach Westfall kommt.", schimpfte der Greifenmeister dagegen an. „Geschweige denn ins Redrigde-Gebirge. Die Tiere wollen schließlich verpflegt werden." „Bei der Macht des Lichts, wenn unsere Streitkräfte nicht bald Unterstützung bekommen, werdet Ihr das bitter bereuen!", tobte die Frau, von der Magenta beiläufig bemerkte, dass sie auf ihrer Rüstung die Abzeichen eines Paladins trug. Doch noch bevor Magenta sich in weiteren Betrachtungen über die blonde Furie ergehen konnte, landeten zwei Greife und kurz darauf standen Abumoaham und ein über beide Ohren strahlender Bladewarrior neben Magenta. „Wir uns beeilen", drängte Abumoaham und wedelte mit dem versiegelten Umschlag herum, den die drei vom Rüstmeister an der Späherkuppe erhalten hatten. „Wir Bestellung bringen schnell zu Osric Strang in Altstadt." „Vielleicht bekommen wir ja am Ende eine Belohnung dafür", fügte Bladewarrior hoffnungsvoll an. „Einen solchen Flug würde ich zu gerne noch einmal wiederholen." „Na schön", seufzte Magenta. „Auf in die Altstadt." Osric Strangs Geschäft „Begrenzte Immunität" lag an einem kleinen Platz inmitten der verwinkelten Altstadt. Die rotgedeckten Dächer der umliegenden Häuser strahlten hell in der Mittagssonne und zwei Kinder spielten rund um einen Brunnen, der mitten auf dem Platz lag, Fangen. „Seht mal!", rief Bladewarrior und wies aufgeregt auf die Auslage eines Ladens, der ´Ehrliche Klingen´ hieß. Schwerter in verschiedenen Ausführungen und offensichtlich auch Preiskategorien blitzten fröhlich vor sich hin und luden zum Kauf ein. „Das da wäre ja was", seufzte Bladewarrior und betrachtete sehnsüchtig ein großes Breitschwert. „Aber es kostet über 2 Gold. Das kann ich mir ja im Leben nicht leisten." „Ihr später werdet großes Held sein, dann ihr könnt kaufen Schwert", versprach Abumoaham und widerwillig trennte sich der junge Krieger von dem verlockenden Angebot. Osric Strang war ein grimmig wirkender Mann, der mit gewissenhaftem Fleiß hinter seinem Ladentisch stand und einen kunstvoll geschmiedeten Brustpanzer polierte. Als er den Brief von Abumoaham entgegen nahm, runzelte er ernst die Stirn. „Wartet einen Moment hier", sagte er dann und verschwand, ohne noch eine Antwort abzuwarten, im hinteren Teil des Ladens. Kurze Zeit später kehrte er dann mit einer großen Holzkiste zurück und wuchtete sie mit einiger Mühe auf den Tresen. „Ich habe alles, worum Lewis gebeten hat, in diese Kiste gepackt", er klärte er schnaufend. „Würdet Ihr sie ihm bringen?" „Wir werden geben Bestes.", versicherte Abumoaham und Bladewarrior übernahm ohne zu zögern die Rolle des Trägers. Leicht überbeladen wankte er hinter dem Magier her nach draußen, während Magenta dem Ladeninhaber noch einen bösen Blick zuwarf, bevor sie den beiden ebenfalls folgte. „Na das habt ihr euch ja fein ausgedacht", maulte sie. „Jetzt sitzen wir hier mit dieser mordschweren Kiste und müssen schon wieder den ganze Weg nach Westfall?" „Wir nehmen Greif", erklärte Abumoaham. „Wo sein Problem?" „Genau", keuchte Bladewarrior unter seiner Kiste hervor. „Damit helfen wir nicht nur dem Widerstand, sondern bekommen vielleicht auch noch eine Belohnung." „Wenn wir den Krempel verkaufen würde, würden wir wahrscheinlich mehr Geld kriegen", fauchte Magenta. „Außerdem habe ich keine Lust mich schon wieder auf so einen stinkenden Greif zu setzen. Ganz zu schweigen von der Riesenschlange, die sich am Greifenhort bereits gebildet hat." „Du uns also nicht helfen?", fragte Abumoaham enttäuscht. „Nein!", blaffte Magenta ihn an. „Ich euch nicht helfen. Ich mich jetzt machen aus Staub. Guten Tag noch." Damit raffte Magenta ihren Rock, drehte sich auf dem Absatz herum und stürmte in irgendeine Richtung davon. Sie wusste, dass sie gerade alles andere als fair gewesen war, aber diesen Irrsinn mit der Rüstungskiste würde sie garantiert nicht mitmachen. Außerdem hatte ihr Westfall sowieso nicht gefallen. Ihr Weg führte über eine steinerne Brücke, von der aus sie einen guten Blick auf die beeindruckende Burg Stormwinds hatte, auf einen breiten, gepflasterten Weg an den Kanälen entlang, die ganz Stormwind durchzogen und so die verschiedenen Distrikte voneinander trennten. Kurzentschlossen bog sie nach links ab und wanderte nun schon etwas langsamer am glitzernden Wasser entlang. Von Ferne hörte man die Glocken des Kathedralenturms schlagen hören und als wäre das ein Zeichen gewesen, begann Magentas Magen zu knurren. „Wird Zeit, etwas zu essen zu bekommen", stellte sie fest. Wird Zeit, den Wichtel mal wieder zu beschwören, meldete sich da eine Stimme in ihrem Kopf. Mir ist langweilig. „Also schön", seufzte Magenta. Sie zog sich am Ende der Gasse an eine geschützte Stelle zwischen einen großen Baum und der Stadtmauer zurück und eine leise gemurmelte Beschwörungsformel später stand Pizkol wieder vor ihr. „Wurde aber auch Zeit!", meckerte er. „Und was machen wir jetzt?" „Wir suchen Mittagessen", bestimmte Magenta und bog einem Schild, auf dem ’Zwergendistrikt’ stand, folgend in einen gemauerten Gang ab. Eine drückende Hitze schwebte über dem gesamten Stadtteil, Rauch von Dutzenden großen Kohlenpfannen, die an jeder Ecke verteilt waren, waberte in trübe Schwaden über den Boden und die Luft war erfüllt vom Klingen der Schmiedehämmer. Riesige Blasebälge pumpten unablässig Luft in die weißglühenden Schmiedefeuer und muskelbepackte Zwerge schwitzten davor, während sie einen um die andere Waffe aus ihnen hervorzogen und mit geübter Hand in die richtige Form brachten. Eine Weile lang irrte Magenta ziellos umher, konnte jedoch beim besten Willen kein Gasthaus entdecken. Schließlich entschloss sie sich schweren Herzens, in einem Geschäft nach dem richtigen Weg zu fragen. Der Ladeninhaber, ein Zwerg mit einem sorgfältig geflochtenen Bart, musterte Magenta zunächst etwas argwöhnisch und sagte dann: „Ein Gasthaus gibt es hier schon, aber was man dort serviert, wird Euch nicht schmecken. Traditionelle Küche ist nicht jedermanns Sache. Aber in der Taverne ´Zum Pfeifenden Schwein´ in der Altstadt gibt es ein ganz herrliches …" „Nein danke", unterbrach Magenta ihn. „Von der Altstadt habe ich erst mal die Nase voll." „Nun …", überlegte der Zwerg. „Ihr könntet natürlich auch mit der angrenzenden Tiefenbahn nach Ironforge fahren. Ich hätte da noch eine Waffe nach Loch Modan auszuliefern, die könntet Ihr ja vielleicht auf diesem Wege gleich mit Euch nehmen." „Hat eigentlich hier jeder irgendetwas auszuliefern", stöhnte Magenta. „Man sollte denken, es gibt in ganz Azeroth keinen Kurierdienst." „Ihr müsst den Auftrag ja nicht annehmen", brummte der Zwerg beleidigt. "Obwohl es eine Ehre für Euch sein sollte, eine Waffe aus der Schmiede von Grimand Elmore in Händen zu halten." Dabei wies er mit stolzgeschwellter Brust auf die Wände des Raumes, die vor Piken, Stangenwaffen und Äxten nur so strotzten. „Nein, so war das ja nicht gemeint", versicherte Magenta hastig. „Ich nehme sie." „Gut", antwortete der Zwerg befriedigt. „Meine letzte Nachricht von Gebirgsjäger Stormpike besagte, dass er im nördlichen Wachturm des Loch Modan stationiert ist. Findet ihn und übergebt ihm diese Waffe!" Mit diesen Worten reichte er Magenta ein längliches Paket, das fest mit dicken Leinentüchern umwickelt war. Trotzdem ließ die Form vermuten, dass es sich um eine mächtige Axt handeln musste. „Ihr findet die Tiefenbahn am Rande des großen Platzes", erkläre Grimand Elmore Magenta noch und schob sie dann höflich aber bestimmt wieder auf die Straße hinaus. Wie der Grimand Elmore beschrieben hatte, lag der Eingang zur Tiefenbahn ganz in der Nähe seines Geschäftes. Riesige, sich gegenläufig bewegende Metallringe bildeten eine Art Tunnel an deren Ende Magenta bereits die Bahnsteige erkennen konnte. „Augen zu und durch", murmelte Magenta und trat ein das merkwürdige Halbdunkel des Tunnels ein. Schon von Ferne war das Dröhnen und Rumoren großer Maschinen zu vernehmen und der Boden vibrierte unter dem Krachen eines ankommenden Zuges. Dieser bestand auf mehreren, breiten Plattformen, die mit dicken Metallgestängen an einer Art Leitstrang an der Decke befestigt waren. Etwas misstrauisch betrachtete Magenta die Konstruktion. „Da hindert einen ja gar nix am Rausfallen", murrte sie. „Aber immerhin kann ich da die schwere Axt hier mal ablegen." „Ja, da hast du dir wirklich was Feines aufhalsen lassen", nörgelte Pizkol. „Wenn du mich fragst, wärst du mit dem anderen Auftrag besser dran gewesen. Da hättest du zumindest einen Deppen gehabt, der das Zeug für dich schleppt." „Sehr komisch", giftete Magenta zurück. Vielleicht sollte ich Jhazdok beschwören, damit er das übernimmt." „Tu, was du nicht lassen kannst", moserte der Wichtel. So stand Magenta wenig später mit ihrem Leerwandler zusammen am Bahnsteig und wartete auf den nächsten Zug. Eigentlich war sie ganz froh, Jhazdok an ihrer Seite zu haben, denn der menschenleere Tunnel wirkte nicht sehr vertrauenerweckend. Eine Ratte quiekte im Dunkel und Magenta meinte kurz darauf das Huschen von mehr als vier Füßen von den Wänden widerhallen zu hören. Unwillkürlich schob sie sich etwas näher an ihren Dämon heran. Sicher war sicher. Der nächste Zug raste heran und kam mit ohrenbetäubendem Donnern an den Pollern zu stehen. Schnell hüpfte Magenta auf eine der Plattformen und Jhazdok folgte ihr gehorsam und stumm. So sollten Diener sein, dachte sie schadenfroh. Jaja, kam prompt die Antwort zurück. Ich erinnere Euer Hochwohlgeboren bei nächster Gelegenheit daran. Mit einem Ruck fuhr der Zug an und Magenta beschloss, sich zu Sicherheit lieber auf den Boden zu setzen. Der Zug raste in atemberaubender Geschwindigkeit durch den engen Tunnel und der Wind pfiff Magenta um die Ohren. Glücklicherweise waren in regelmäßigen Abständen Lampen an den Wänden und auf dem Fußboden angebracht, so dass die Fahrt nicht vollständig im Dunkel stattfand. Immer tiefer hinab ging die Fahrt und plötzlich wurde die steinerne Tunnelwand von einer riesigen Fensterfront abgelöst. Staunend erblickte Magenta eine Unterwasserlandschaft. Riesige Wasserpflanzen wogten träge in azurblauem Wasser umher und ein enormer Fischwarm zog über den unterirdischen Tunnel hinweg. Doch so schnell der Anblick gekommen war, so schnell war er auch schon wieder verschwunden. Wieder rasten die Wände des Tunnels neben der Kabine entlang, bis schließlich der Nächste Bahnhof in Sicht kam. Noch etwas benommen von der rasanten Fahrt, die Frisur völlig in Unordnung, verließ Magenta die Kabine und stand nun auf dem Bahnhof von Ironforge. Auch hier waren wie schon in Stormwind einige Bänke für die wartenden verteilt worden und zwischen ihnen lief ein kleiner, grüner Gnom herum und wühlte in einigen Fässern, die offensichtlich Abfall enthielten. „Habt ihr ein wenig Kleingeld?", fragte er und blickte Magenta aus trüben Augen an. „Äh nein", antwortete sie schnell und beeilte sich auf die andere Seite des Bahnhofs zu kommen. Dieser kleine, grüne Kerl war ihr nicht geheuer. So stand sie nun wieder vor einem Tunnel aus sich bewegenden Metallplatten, an dessen Ende sie schon die ersten Bewohner von Ironforge erkennen konnte. Sie strich sich ihre Haare zurecht, überprüfte den Sitz ihres Kleides und wollte schon losmarschieren, als eine unheimliche Stimme aus dem Dunkel neben dem Tunneleingang zischte: „Das würde ich an Eurer Stelle nicht tun."   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)