Magenta I von Maginisha (Willkommen in der World of Warcraft) ================================================================================ Kapitel 7: Im Sumpfland ----------------------- Magenta wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, aber ihre Robe hing unverrückbar an einem dreimal verfluchten Dornenbusch fest. So sehr sie auch zog und zottelte, es half alles nichts; sie würde die Robe ausziehen müssen, um sich wieder aus dem Gestrüpp zu befreien. „Ääh, geht schon mal vor“, rief sie und gestikulierte wild in Richtung ihrer Reisegruppe. „Ich komm gleich nach.“ „Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst?“, fragte Emmanuelle fürsorglich. Magenta zog das für eine Millisekunde in Erwägung, dann schüttelte sie heftig den Kopf. „Nein, nein, alles bestens“, lächelte sie gequält, während sie an dem störrischen Stück Stoff herumzerrte. „Ich schaff das schon.“ „Wie du willst“, antwortete die Gnomin fröhlich und folgte den anderen in Richtung des Tunnels, der sie ins Sumpfland führen würde. Endlich allein beeilte sich Magenta, sich aus dem lästigen Kleidungsstück zu befreien. Die Dornenranken hatten sich auf höchst verdächtige Art und Weise inzwischen auch des Verschlusses am Hals bemächtigt, sodass ihr am Ende gar nichts anderes übrig blieb, als die Robe kurzerhand über den Kopf zu ziehen. Gerade als sie feststellte, dass sie kurz davor war, sich einen Arm auszukugeln oder die Robe zu zerreißen, hörte sie ein schlechtes Geräusch. Es war das Geräusch, das ein Reiter auf einem Pferd machte, der schnell näher kam. Panisch versuchte Magenta, die Robe wieder zurückzuziehen, doch es war schon zu spät. Das Hufgetrappel wurde langsamer. Die Präsenz des Dämons traf sie wie ein Hammerschlag. Wilde, feurige Kraft waberte durch uralte Adern, Nüstern blähten sich und schnoberten in ihre Richtung. Magenta wagte kaum zu atmen, als sie zwischen die flammende Aura noch eine weitere, kleinere Präsenz schob. Das Gefühl von Süße und Klebrigkeit wölkte durch Magentas Gedanken und das konnte nur ein bedeuten: eine Sukkubus. „Guten Morgen“, sagte eine dunkle, männliche Stimme. „Kann ich irgendwie helfen?“ Magenta, den knallroten Kopf immer noch in dem Wirrwarr ihrer Robe steckend, überlegte fieberhaft. Sie musste einen sehr lächerlichen Anblick bieten und sah im Moment keine Möglichkeit das zu ändern. Also beschloss sie, ihre Lage schlichtweg zu leugnen. „Nein, mir geht es sehr gut“, ließ sie durch den Stoff verlauten. „Vielen Dank und einen guten Tag.“ „Mir scheint, Ihr steckt fest“, antwortete die Stimme. „Zalith, hilf ihr.“ „Ja Meister“, hauchte eine weibliche Stimme. Kurz darauf fühlte Magenta, wie geschickte Finger ihr geschneidertes Gefängnis von ihr lösten. Die Präsenz der Sukkubus war nahezu atemberaubend und Magenta war trotz ihrer prekären Lage wirklich gespannt, was sie erwartete. Die letzten Dornen fielen von ihr ab, die Robe rutschte wieder an ihren Platz, man hörte ein leises Klingeln und als Magenta sich umsah, erblicke sie einen dunkelhaarigen Mann mit einem Schnurrbart, der sie interessiert musterte. Seine durchweg in dunklen Tönen gehaltene Kleidung gab ihm eine düstere Ausstrahlung, die jedoch nicht unattraktiv war. Er saß auf einem Dämon in Form eines Pferdes, dessen brennende Hufe das umliegende Gras in verdorrte Stoppeln verwandelt hatten. Von der Sukkubus war allerdings weit und breit nichts zu sehen. „Vielen Dank“, murmelte Magenta verlegen und strich ihre Frisur glatt. Sie sah ziemlich mitgenommen aus. „Keine Ursache“, lächelte der Mann. „Einer Kollegin hilft man doch gerne. Das ist doch Euer Wichtel, oder?“ Er deutete auf Pizkol, der es sich neben Magenta auf einem Felsen bequem gemacht hatte. Seine Augen glänzen irgendwie eigenartig und seine Flammenaura hatte wieder diesen rötlichen Schimmer. Außerdem starrte er die ganze Zeit auf eine Stelle neben dem Pferd des Mannes, an dem Magenta absolut nichts Interessantes erkennen konnte. Sie musste allerdings feststellen, dass die Präsenz der Sukkubus immer noch zu spüren war und sich an dieser Stelle zu konzentrieren schien. Zu spät fiel ihr ein, dass sie immer noch nicht auf die Frage geantwortet hatte. „Ja, das ist meiner“, brachte sie schließlich hervor. „Pizkol.“ „Und wie heißt Ihr?“, wollte der Mann weiter wissen. Er schien sich über irgendetwas ganz köstlich zu amüsieren. „I … mein … Magenta“, stammelte Magenta und platzte dann heraus: „Wo ist diese Sukkubus?“ Das Lächeln des Mannes wurde noch eine Spur breiter. „Ihr habt sie also bemerkt“, schmunzelte er. „Nun ja, ich bevorzuge, sie unsichtbar zu lassen, sie würde sonst zu viel Aufmerksamkeit erwecken.“ „Ich verstehe“, erwiderte Magenta mehr höflich als ehrlich. „Hey Babe, ich will dein Badewasser saufen“, ließ sich Pizkol aus dem Hintergrund vernehmen. Ein Kichern antwortete ihm und ein Kussgeräusch wehte aus der leer scheinenden Luft herüber. Der Mann musterte die Luft streng und lüftete dann seinen spitzen Hut in Magentas Richtung. „Ich fürchte, ich muss Euch nun verlassen, Magenta. Ich habe eine wichtige Verabredung.“ Das Dämonenpferd wieherte störrisch, als sein Reiter es antrieb, setzte sich dann aber gehorsam in Bewegung. Magenta stand immer noch wie vom Donner gerührt und starrte dem anderen Hexenmeister nach. Endlich fiel ihr ein, dass sie ganz vergessen hatte, ihn nach seinem Namen zu fragen. „Wie heißt Ihr eigentlich“, brüllte sie ihm höchst undamenhaft hinterher. „Und woher habt ihr die Sukkubus?“ Der Mann zügelte sein Pferd noch einmal. „Capchaos nennt man mich“, rief er ihr zu. „Und was die Sukkubus angeht: Reist ins Brachland und sucht Takar den Seher auf. Ich bin mir sicher, er kann Euch in dieser Frage weiter helfen.“ Capchaos winkte noch ein letztes Mal zu und gab seinem Pferd endgültig die Sporen. In einer Staubwolke verschwand er aus Magentas Blickfeld. Nachdenklich starrte sie ihm nach, während sie ihren Weg wieder aufnahm. „Brachland. Takar. Das muss ich mir merken““, murmelte sie dabei. „Hast du eine Ahnung, wo das ist?“ Pizkol schien zwar immer noch etwas benebelt, nickte jedoch eifrig. „Das ist auf der anderen Seite des großen Meeres in Kalimdor“, erklärte er. „Es gibt da nur ein Problem, das Gebiet wird fast vollständig von der Horde kontrolliert.“ „Auch das noch“, stöhnte Magenta und beeilte sich dann, den Anschluss an ihre Mitreisenden zu finden. Loruk Foreststrider wiegte nachdenklich seinen Kopf von rechts nach links. Die Zöpfe an beiden Seiten seines Kopfes pendelten dabei langsam hin und her und schlugen gegen die gewaltigen Hörner des Tauren. Er schnaubte unwillig. „Das sind schlechte Neuigkeiten, die du da bringst, Kuray'bin“, sagte Loruk schließlich und ließ seine Hände über die Knochen gleiten, die vor ihm lagen. Sie hatten schon am gestrigen Abend nichts Gutes verheißen und die Zeichen waren nicht besser geworden in den an die fünfzig Versuchen, in denen er sie erneut befragt hatte. „Das weiß ich“, schnarrte der Troll mit den grünen Haaren. „Die Elfen ham Verdacht geschöpft. Ihre Späher durchkämm'n den ganzen Wald. Wir sollt'n ihre lang'n Ohr'n abschnei'n und endlich mal wieder was Richtiges zum Abendessen koch'n.“ „Nein!“, keifte Valusha dazwischen und hieb zur Bestärkung ihre Axt in den Türrahmen. „Ich sage, wir schlagen ihre Köpfe ab und spießen sie dann auf den höchsten Pfahl des Lagers. Das soll Ihnen eine Lehre sein.“ Kuray'bin sah die ältere Orkfrau zunächst wütend an – wusste er doch, dass ihr Wort mehr Gewicht haben würde als das seine. Doch dann zog sich sein Lächeln in die Breite. „Wir teil'n“, bot er an. „Du bekommst ihre Köpfe und ich den Rest.“ „Schluss jetzt!“, mischte sich Senani Thunderheart ein. Die schwarze Taurin stampfte ungeduldig mit ihren schweren Hufen auf den Boden. „Du bist nicht besser als die Elfen, Kuray'bin? Wehrlose im Schlaf überfallen und abschlachten. Was für ein Jäger willst du sein?“ „Einer mit Fleisch im Bauch“, fauchte der Troll und streckte seine langen, schlaksigen Glieder, als wolle er sich auf seine Verbündete stürzen. „Ruhe!“, donnerte Loruk und erhob sich zu seiner vollen Größe. Seine Hörner stießen dabei fast an die Decke hölzernen Hütte. Wie alles hier im Splitterholzposten war auch sie in Eile aus dem zusammengebaut, was der Wald ihnen bot. Felle von Tieren hingen an den Wänden, um zusätzlichen Schutz vor der Kälte zu bieten und in der Mitte brannte ein Feuer herunter. Sie war eines der wenigen Gebäude, die den kleinen Vorposten der Horde bildete. Es gab hier nicht viel mehr als die Schlafhütten, um die Krieger zu beherbergen, und einigen Handwerker, die für ihre Ausrüstung zuständig waren. All das war zusammengepfercht in einem Fort aus angespitzten Holzstämmen und wurde von einem einzelnen Wachturm aus kontrolliert. „Ich werde mir euren Fang erst einmal ansehen“, brummte der Taure weiter. „Erst dann werde ich entscheiden, was mit ihnen geschieht.“ Er straffte die Schultern und trat aus der Hütte. Valusha bleckte die grünen Lippen über ihren Hauern. „Nach dir, Troll“, knurrte sie. „Ich habe dich lieber nicht in meinem Rücken.“ Kuray'bin kicherte. „Ich glaub nich, dass du was zu befürcht'n hast, Val. Dein Fleisch is sicher zäh wie der Sattel eines Kodotreibers.“ „Geht!“, unterbrach Senani den aufkommenden Streit. „Wir haben Wichtigeres zu tun, als uns gegenseitig an die Kehle zu gehen.“ Widerwillig folgten die beiden Kontrahenten der Aufforderung der Taurin, offensichtlich immer darauf lauernd, dass der andere einen falschen Schritt machen würde. Senani seufzte innerlich. Die Abgeschiedenheit von der Heimat und die ständige Bedrohung des Postens von außen, hatten keinen günstigen Auswirkungen auf den Frieden in seinem Inneren. Darum war es gut, seine Wut und Anspannung auf einen gemeinsamen Feind konzentrieren zu können. Senani wusste das; doch sie achtete auch alles Lebendige, selbst wen es die Anatomie eins Elfen aufwies, der sie aus brennenden Augen vom sandigen Boden aus anstarrte. „Nehmt ihnen die Knebel ab“, befahl Loruk. „Wir wollen hören, ob sie uns etwas zu sagen haben.“ „Was versprichst du dir davon?“, bellte Valusha und stieß einen der Elfen grob mit ihrer Axt in den Rücken. „Sie werden nichts als Lügen verbreiten und mit ihnen die Luft verpesten. Wir sollten sie sofort töten.“ „Find' ich auch“, stimmte Kuray'bin zu und leckte sich vielsagend die Lippen, während er an einem der Gefangenen schnupperte. „Sie haben Angst“, grinste er. „Ich rieche es.“ „Senani“, sagte Loruk, die Einwürfe der anderen beiden ignorierend. „Sag Kaylisk, wir brauchen heißes Wasser. Du musst dich um die Wunde der Gefangenen kümmern. Danach werden wir sie befragen.“ Während Senani davon eilte, um seinen Befehlen Folge zu leisten, musterte Loruk die Elfen vor sich genauer. Er konnte an den Spuren auf dem Boden erkennen, dass sie gegen die Fesseln gekämpft hatten. Die Kopfwunde des einen erzählte ihm von der Reaktion der Wachen, die dieses Unterfangen abrupt beendet hatten. Und noch etwas bemerkte Loruk, als er die Fesseln der normalen Wahrnehmung für einen Moment ablegte und sein druidisches Wissen anstrengte, um tiefer zu sehen. Alle drei waren von der Erdmutter auf die eine oder andere Art berührt worden. Er nahm das Kinn des einen Nachtelfen nachdenklich zwischen seine breiten Finger und drehte es so, dass der Elf ihn ansehen musste. „Was habt ihr euch nur dabei gedacht?“, brummte er so leise auf Taurahe, dass der Troll und die Ork ihn nicht hören konnten. „Ihr hättet besser daran getan zu Hause zu bleiben, denn diesen Ort werdet ihr nicht mehr lebend verlassen.“ Der Blick des Elfen flackerte. Es war nicht möglich, dass er seine Worte verstanden hatte, doch die Bedeutung musste ihm klar sein. Loruk schüttelte sein mächtiges Haupt und sah dem Elfen mit einem bedauernden Ausdruck direkt ins Gesicht. Es war eine Sache, den Feind auf dem Schlachtfeld zu begegnen, eine andere ihn schwach und wehrlos in seiner Mitte zu haben. Valusha würde das ähnlich sehen, denn auch die Orks schätzten die Ehre hoch. Wahrscheinlich würde die jeden der Elfen zu einem Zweikampf um ihr Leben herausfordern, den sie unmöglich gewinnen konnten. Sie waren wie Tiere in einer Falle und ebenso dem Tode bestimmt, denn das war nun einmal der Lauf der Dinge. So schnell sie konnte rannte Magenta den dunklen Gang entlang, den die Zwerge auch in diesen Berg geschlagen hatten. Die Stimmen ihrer Gefährten hallten noch von den Wänden wieder, doch war am Ende des Tunnels keine von ihnen zu sehen. „Die könnten ruhig mal warten, schnaufte sie zwischen zwei Schritten. „Ist ja nicht so, dass wir es eilig hätten.“ „Du solltest mehr trainieren., stichelte Pizkol, der emsig neben Magenta herhüpfte. „Als Hexenmeister brauchst du Ausdauer.“ „Witzig., fauchte Magenta und beschleunigte ihre Schritte noch ein wenig mehr, um den vorlauten Wichtel vielleicht doch noch abzuhängen. Um ein Haar wäre sie deswegen am Ende des Ganges über eine Stufe gestolpert. Sie sprang, strauchelte, wankte vorwärts und bekam im letzten Moment einen kräftigen Ast eines einzeln stehenden Baumes zu fassen. „Uff., entfuhr es ihr, als sie sah, wovor sie die unsanfte Kollision bewahrt hatte. Unter ihr gähnte ein Abgrund, dessen Boden nahezu in einer dichten Nebeldecke verschwunden war. Schwülwarme Luft wehte aus der Tiefe hervor gemischt mit dem Geruch von faulendem Wasser, Schlamm und verwesenden Pflanzen. „Das muss das Sumpfland sein., stellte sie fest. „Sehr scharfsinnig“, frotzelte Pizkol. „Wie bist du nur darauf gekommen.“ Magenta verdrehte die Augen, zog es aber vor, nicht darauf zu antworten. Stattdessen raffte sie lieber die Röcke zusammen, um endlich wieder Anschluss an die anderen zu bekommen, die schon wieder das Ende des nächsten Tunnels erreicht hatten. Sie hatte jedoch Glück, denn die anderen schienen endlich ein Einsehen zu haben und waren kurz nach dem Verlassen des Ganges stehen geblieben. „Ist ja nett, dass ihr mal wartet“, meckerte Magenta und strich sich die Strähnen aus den Augen. „Och, das war nicht unsere Idee“, antwortete Schakal und machte eine Handbewegung nach vorne. Magentas Blick folgte der Geste und erblickte ein großes, grünes Hindernis. Mehr als ein Dutzend Orks hatte sich auf der Mitte des Weges postiert und waren ganz offensichtlich auf Streits aus. Magenta kannte Orks bis dahin nur aus Büchern und sie war erstaunt, wie gut die Schreiber und Zeichner ihr Wissen doch wiedergegeben hatten, denn eigentlich sahen diese Kreaturen nicht aus, als würden sie sich sehr lange beobachten lassen. Sie waren nur wenig größer als ein normaler Mann, dafür aber etwa doppelt so breit. Ihre feste, grüne Haut schien fast lederartig, aus ihren Mündern ragten gelbe Stosszähne in alle möglichen Richtungen und in ihren prankenartigen Händen hielten sie schwere Kriegsäxte und Streitkolben. Einen ganzen Haufen dieser Kreaturen vor sich zu haben war in etwa, als würde man in die Mündung einer geladenen Kanone schauen. „Was machen wir jetzt?“, flüsterte Magenta. Die Spannung zwischen den beiden Fronten schien mit jeder Sekunde zu wachsen. „Wir kämpfen natürlich“, erwiderte Bladewarrior in einem Ton, als hätte sie etwas sehr Dummes gefragt. Tatsächlich schien es keinen anderen Weg aus dieser Misere zu geben. Beide Seiten waren sich im Klaren, dass es zu einem Kampf kommen würde. Die Orks begannen, rhythmisch mit ihren Waffen gegen ihre Schilde zu schlagen, und es klang, als würden sie damit irgendwelche alten Kriegsgötter erwecken wollen. Emmanuelle formte bereits einen Feuerball in ihren Händen, Bladewarrior packte sein Schwert fester, Abumoaham ließ die Temperatur um sie herum um einige Grade sinken, während die Energie eines Frostblitzes zwischen seinen Fingern spielte, und Schakal träufelte noch etwas, vom dem Magenta annahm, dass es Gift war, auf seinen Dolch. Alles war also bereit für die große Schlacht … als plötzlich ein markerschütterndes Brüllen die Erde erbeben ließ. Erschrocken hielten die Freunde sich die Ohren zu, während die Orks mit einem Mal eher einen aufgescheuchten Hühnerhaufen, denn einer Armee glichen. Etwas brüllte erneut. „Was zum Nether ist das?“, wollte Magenta wissen, als sich die Antwort schon wie ein zu groß geratener Falke vom Himmel stürzte. Feuer hüllte die Orks ein, die schreiend in alle Richtungen davon liefen. Rote Schuppen glänzten im dunstigen Sonnenlicht, Klauen wirbelten durch die Gegend, große Schwingen fegten die Freunde von den Füßen und gerade noch rechtzeitig aus der Reichweite eines stachelbewehrten Schwanzes. „Drache!“, rief Abumoaham. „Lauft!“ Das musste er seinen Gefährten nicht zweimal sagen. So schnell sie ihre Beine trugen rannten die fünf Abenteurer auf den rettenden Tunneleingang auf der anderen Seite der Schlucht zu. Die Orks hatten inzwischen begonnen, sich gegen den roten Drachen zur Wehr zu setzen, doch es blieb keine Zeit um zu sehen, wie erfolgreich sie damit wohl sein würden. Der Gang fiel steil ab und schon bald verschluckte die Architektur die Geräusche vom Wüten des Drachen, sodass nur noch ein dumpfer Widerhall davon den Berg erzittern ließ. Erschöpft ließ die Gruppe sich zu Boden sinken. „Wir besser hier bleiben, bis Drache verschwunden“, murmelte Abumoaham und blickte sorgenvoll zum Eingang des Tunnels zurück. „Tunnel zu klein, aber Drache sehr wütend.“ „Kein Wunder“, schnaufte Emmanuelle und nahm einen Schluck aus ihrer Feldflasche. „Habt ihr gesehen? Das war ein roter Drache. Kein Wunder, dass der stinkig auf die Orks war.“ „Wieso?“, fragte Magenta verständnislos nach. Immerhin schien ihr ein Drache nicht dazu angetan, auf irgendjemand nicht...nun stinkig zu sein. „Na weil die Dragonmaw-Orks irgendwann mal meinten, dass es ne tolle Idee wäre, auf Drachen durch die Welt zu reiten“, erklärte Emmanuelle breitwillig. „Ist schon ne Weile her, aber damals hatten die Orks die Königin der roten Drachen gefangen und zwangen sie und all ihre Brut in ihren Dienst. Die Königin wurde jedoch befreit und seit dem behalten die Orks des Dragonmaw-Clans stets den Himmel im Auge, falls einer von Alexstraszas Nachkommen versucht, ihnen die hässlichen Köpfe abzubeißen.“ „Dann können wir ja von Glück sagen, dass er nicht versucht hat, unsere Köpfe abzubeißen“, murmelte Magenta und wartete ebenso ungeduldig wie alle anderen ab, dass das Fauchen und Toben des Drachen vor dem Tunnel endlich ein Ende fand. Abbefaria schluckte ein paar Mal, als ihm der Knebel entfernt wurde. Er hätte viel dafür getan, jetzt etwas Wasser zu bekommen. Allerdings hatten sie im Moment weitaus größere Probleme als nur das trockene Gefühl in seinem Mund. Sie befanden sich mitten in einem Lager der Horde und wenn er das, was der massige Taure vorhin vor sich hingemurmelt hatte, richtig interpretierte, würden sie es schwerlich wieder verlassen dürfen. „Nimm deine Finger weg!“, fauchte Easygoing die Taurin an, die versuchte die Wunde an seiner Stirn auszuwaschen. Sie schnaubte unwillig und streckte ihm unerschrocken die schwarze Schnauze mit den zwei weißen Streifen entgegen. „Maha me na![1]“, sagte sie und fuhr noch energischer fort, mit dem Tuch in ihrer Hand an Easygoings Stirn herumzuwischen. Der ehemals weiße Stoff war inzwischen rot verfärbt ebenso wie das heiße Wasser, das in einer Schüssel zwischen ihre Hufen dampfte. Ein weiblicher Ork hatte neben den Gefangenen Stellung bezogen; anders konnte man ihre Haltung auf jeden Fall nicht interpretieren. Die muskulösen Armen spannten sich unter glatter, grüner Haut und straften die graue Farbe ihrer Haarzotteln Lügen, wenn diese von Alter sprachen. Sie knurrte und murrte die ganze Zeit über vor sich hin und es war unübersehbar, dass sie ihre scharfe Axt am liebsten gebraucht hätte, um den Nachtelfen den Schädel zu spalten. Lauernd überwachte sie jede noch so kleine Bewegung. „Sei vorsichtig, Easy“, warnte Abbefaria halblaut. „Ich glaube nicht, dass dieses grüne Scheusal noch lange ihre Wut im Zaum halten kann.“ „So lange dieser Troll sich von mir fernhält, soll mir das recht sein., brummte Easygoing und hielt nun endlich still, damit seine Wunde versorgt werden konnte. Der Troll, aus dessen Mund lange, nach oben gebogene Hauer an seiner krummen Nase vorbei ragten, wäre, wenn er sich vollends aufgerichtet hätte, bestimmt ebenso groß wie Easygoing gewesen wäre. Er stand jedoch stets leicht gebückt oder ließ sich halb auf dem Boden nieder, wodurch er stets so wirkte, als sei er im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Sprung. Ganz anders hingegen die Tauren, die sich bedächtig bewegten und dabei eine Ruhe und Würde ausstrahlten, die ihre Ähnlichkeit zu den Kühen, die Abbefaria schon einmal auf einer Abbildung in einem Buch gesehen hatte, nahezu vergessen ließen. Sie hatten Hufe anstelle von Füßen, ihr Körper war von kurzem Fell bedeckt und an ihrer Kehrseite baumelte ein langer, dünner Schwanz, der in einer behaarten Spitze auslief. Mächtige Hörner standen wehrhaft von beiden Seiten des Kopfes ab und der männliche der beiden hatte einen Ring in seiner breiten Nase und sein langer Bart war ebenso wie seine Haare zu Zöpfen geflochten. „Taka![2]“, sagte er zu der Taurin, die daraufhin Tuch und Schüssel nahm und beides zur Seite stellte. Der Taure kam auf die drei Nachtelfen zu. Er musterte jeden von ihnen sorgfältig und fragte dann langsam: „Sternenkinder hier. Warum?“ „Wir …“, begann Ceredrian und stockte dann. „Wir suchen Medizin für die Furbolgs. Wir wussten nicht, dass ihr hier seid. Wir haben den Kampf nicht gesucht.“ „Eben!“, mischte Easygoing sich wütend ein. „Ihr habt uns heimtückisch überfallen. Lasst mich frei und ich werde euch zeigen …“ Der Rest seines Satzes ging in einem Schmerzenslaut unter, als die Ork ihn mit der Faust brutal ins Gesicht schlug. „T´al me muk zoka, Ch´ak a Kel[3]“, zischte sie drohend. „T´al me …“ „Valusha!“, donnerte der Taure und machte eine herrische Geste in Richtung der Ork. Nur widerwillig ließ sie daraufhin Easygoing wieder los, dessen Wunde erneut angefangen hatte zu bluten. „Wie sollen wir denn das erklären?“, stöhnte Abbefaria. „Sie verstehen ja fast nichts von dem, was wir sagen. Da hilft uns selbst Ceredrians flinke Zunge nicht weiter.“ „Wie wär´s, wenn du´s ihnen vorspielst“, schlug Easygoing sarkastisch vor. „Das wäre einen Versuch wert“, murmelte Ceredrian. Mit einigen Mühen erhob er. Sofort waren mehrere Waffen auf ihn gerichtet und die Ork fauchte kampfbereit, während der Troll aus dem Nichts ein großes, krummes Messer zückte. Ceredrian ignorierte diese Tatsache so gut es ging, und wandte sich direkt an den Tauren, der offensichtlich der Anführer dieser Bande war. „Bitte, ich brauche meine Hände“, sagte er langsam und deutlich und drehte sich halb um, damit man die Fesseln auf seinem Rücken erkennen konnte. Er bewegte er die Arme hin und her um zu zeigen, was er meinte. Ein wenig ratlos sah der Taure ihn an, bis ihm die Taurin etwas zuflüsterte. Nach einiger Diskussion, in die sich auch die weiteren Anwesenden einmischten, trat die Traurin schließlich vor und löste Ceredrians Fesseln. „Ich danke Euch“, sagte Ceredrian und deutete langsam eine Verbeugung an. Er wusste, wenn er sich zu schnell bewegte, würde das wahrscheinlich ihr aller Todesurteil sein. Die Taurin lächelte leicht und machte eine ermutigende Geste. Der weißhaarige Elf räusperte sich, überlegte kurz und begann „Die Furbolgs“, sagte er und ahmte eines der bärenartigen Wesen mit ihrem schaukelnden Gang nach, „sind krank.“ Ceredrian hielt sich die Hand an den Bauch und stöhnte, als sei ihm schlecht. Er musste die Prozedur ein paar Mal wieder holen, bis seine Zuhörer begriffen hatten, worum es ging. Dann jedoch winkte der große Taure ihm fortzufahren. „Wir“, erklärte Ceredrian somit weiter und deutete zunächst auf seine Freunde und dann auf sich. „sind auf der Suche“, er legte die Hand in einer suchenden Geste über die Augen, „nach einer Medizin.“ Im nächsten Augenblick passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Ceredrian hatte es offensichtlich für eine gute Idee gehalten, das Wort Medizin mit einem Heilspruch zu untermalen. In dem Moment, wo er begann, das heilige Licht zu beschwören, stürzte der Troll vorwärts, warf ihn zu Boden und drückte die Klinge an seine Kehle. Damit behinderte er jedoch die Ork, die ebenfalls vorgeschnellt war und mit ihrer Axt ausgeholt hatte. Die Axt traf nun jedoch nicht mehr den unglückseligen Ceredrian, sondern rasierte dem Troll stattdessen eine zwei Zenzimeter kurze Glatze. Erstaunt fühlte der Troll über seinen Kopf und machte ob der luftigen Leere einen reichlich dünn klingenden Laut. Mit der Erkenntnis, so eben seines gesamten Kopfschmucks verlustig gegangen zu sein, sprang er dann wütend auf und fing an, auf die Ork einzubrüllen. Die antwortete nicht minder laut und so konnte man bald sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Mehrere Ork-Wachen stürmten herbei und wollten sich schon auf den Troll stürzen, als ein zweiter Troll zwischen sie und seinen skalpierten Freund stürmte. Er drei führte große Wölfe an dicken Lederleinen und drohte offensichtlich damit, diese auf die Orks zu hetzen. Die Tiere bellten und jaulten und fletschten die Zähne, was wiederum die seltsamen Reittiere erschreckte, die – halb Löwe, halb Fledermaus – auf einigen Stämmen ganz in der Nähe angeleint waren. Fauchend und wild mit den ledrigen Schwingen schlagend versuchten sie, sich nun ihrerseits auf die Wölfe zu stürzen und sie mit ihren Skorpionschwänzen zu durchbohren. „Schnell!“, rief Ceredrian seinen beiden Freunden zu. „Verwandelt euch!“ Er musste Abbefaria und Easygoing nicht zweimal erklären, was er damit meinte. Binnen Sekunden waren aus den zwei gefesselten Nachtelfen, zwei geschmeidige Raubkatzen geworden, die sich ohne große Mühe aus den lästigen Fesseln herauswanden. Mit großen Sprüngen setzten sie ihrem Freund nach, der bereits an einer der hölzernen Befestigungen angekommen war. „Verdammt, es ist zu hoch“, stellte er entsetzt fest, als seine Finger wieder und wieder an den senkrechten Stämmen abglitten. „Ihr müsst ohne mich fliehen.“ Die beiden Katzen fauchten ihm unisono zu, er solle nicht so einen Blödsinn erzählen, als ein urtümliches Brüllen die Welt erzittern ließ. Wie vom Donner gerührt fuhren die drei Nachtelfen herum und erstarrten. Mit weit aufgerissenem Rachen und schier endlosen Reihen messerscharfer, weißer Zähne stand dort der wohl größte Bär vor ihnen, den sie je gesehen hatten. Das Tier war ein wahres Monster, das durch die Hörner an seinem Kopf nur noch wilder und gefährlicher wirkte. Der Bär richtete sich auf, seine monströsen Pranken mit den unterarmlangen Klauen fegten durch die Luft und trafen einen jungen Baum, der krachend gegen die Palisaden stürzte. Wieder brüllte der Bär und machte einen kleinen, für die Größe des Tiers geradezu lächerlichen, kleinen Hüpfer. Easygoing fauchte angriffslustig und wollte sich schon auf den Angreifer stürzen, als Abbefaria ihn mit einem warnenden Laut zurückhielt. Aufgrund der wenigen Zeit, die ihm zu Verfügung stand, sprang er kurzerhand auf den umgestürzten Baum, der bei näherem Hinsehen eine perfekte Leiter über die hölzerne Barrikade bildete. Der Bär hinter ihnen brüllte noch einmal und ließ das Holz unter ihnen vibrieren, während seine Tatzen den Boden an der Stelle aufwühlten, wo die drei Nachtelfen so eben noch gestanden hatten. In Windeseile kletterten die drei Freunde an dem Baum hinauf und ließen sich auf der anderen Seite auf den weichen Waldboden fallen. Ein Splittern und Bersten zeugte davon, was mit ihrer Fluchthilfe auf der Innenseite der Holzwand geschah. Ohne sich noch einmal umzusehen rannten die drei in den Wald hinein und wurden erst wieder langsamer, als das Lager der Horde schon weit hinter ihnen verschwunden war. Erst dort verwandelten Easygoing und Abbefaria sich zurück. „Das hätte verdammt ins Auge gehen können“, raunzte Easygoing sogleich seinen Cousin an. „Einen Zauber zu wirken mitten vor … ich GLAUBE das einfach nicht. Wie kann man nur so beschränkt sein?“ „Vielleicht ebenso beschränkt, wie du, wenn du als mickrige Katze einen Bären angreifen willst“, warf Abbefaria ein. Auch sein Blut pochte noch gegen seine Schläfen und er fühlte wie die Angst sich langsam in wilde Hochstimmung wandelte. „Außerdem sind wir doch entkommen, was willst du denn noch?“ „Ich will, dass dieser Kerl endlich mal überlegt, was er tut“, schnaubte Easygoing. damit drehte er seine beiden Gefährten den Rücken zu und trabte in den Wald davon. „Ist er nicht süß, wenn er sich Sorgen macht“, flachste Ceredrian. „Aber das mit dem Zaubern war wirklich keine sehr gute Idee. Schon komisch, dass wir da überhaupt lebend wieder herausgekommen sind.“ „Manchmal muss man eben Glück haben“, brummte Abbefaria, obwohl er sich ziemlich sicher war, das mehr als nur Glück dahinter steckte. Und es gab noch jemanden, der dieser Meinung war … „Du hast sie gehen lassen“, sagte Senani leise auf Taurahe zu Loruk, der wieder in seiner Hütte saß und einen Bericht darüber verfasste, was heute im Splitterholzposten passiert war. Man wollte Meldung in Oggrimmar, wenn etwas Ungewöhnliches geschah. „Habe ich das?“, fragte er ebenso leise wie unbeteiligt zurück. „Ich habe gesehen, was passiert ist“, schnaufte Senani mit unterdrücktem Ärger. „Die Orks und die Trolle magst du vielleicht täuschen, aber von allein wären die Elfen nie über die Palisaden gekommen. Sie sind unsere Feinde.“ Loruk hielt für einen Moment in seinem Bericht inne und seine gütigen Augen ruhten auf der jungen Taurin, die im Vergleich mit ihm nicht viel mehr als ein Kalb war. „Unser Volk“, erklärte er ruhig, „mag durch die Geschehnisse der Vergangenheit den Orks verpflichtet sein. Aber das heißt nicht, dass ich eine Ungerechtigkeit hinnehmen muss, wenn ich sie verhindern kann.“ Senani seufzte und sah hinaus vor die Hütte, wo die orkischen Wachen damit beschäftigt waren, die Trümmer des Ausbruchs beiseite zu räumen, „Sie waren nicht böse, nicht wahr?“, fragte sie noch einmal. „Nein, das waren sie nicht“, lautete die Antwort. Es hatte eine ganze Weile gedauert, doch irgendwann schien der rote Drache seines Spiels mit den Orks müde geworden zu sein. Man hörte zwar, wie er kurz in den Gang schnüffelte, in dem sich Magenta und ihre Freunde befanden, doch offensichtlich zog er es vor, sich wieder in sein Zuhause zurückzuziehen. Nachdem sie eine Zeit lang nichts mehr von der großen Echse gehört hatten, setzten die Freunde ihren Weg über einen schmalen, gewundenen Pfad und durch einen weiteren Tunnel fort, bis sie schließlich den Fuß des gewaltigen Bergmassivs von Dun Algaz erreichten. So weit Magenta sehen konnte – was bei der diesigen Feuchtigkeit der Luft nicht allzu weit war – fiel ihr Blick auf braungrünen, morastigen Sumpf, dessen einzige, höhere Vegetation aus knorrigen Trauerweisen bestand, die ihre Wurzeln tief und weit verzweigt in den schlammigen Boden gegraben hatten. Grillen zirpten unsichtbar am Wegesrand und aus dem Uferschlamm eines kleinen Wasserlaufs starrten Magenta die hungrigen, gelben Augen eines Krokilisken an. Sicherheitshalber machte sie einen großen Bogen um das Tier, nur um kurz darauf bis zu den Knien in einem anderen Morastloch zu stecken. Kaum hatte sie sich daraus befreit, kamen die Moskitos. Tausende von kleinen Stechmücken, die offensichtlich auf niemand anderen gewartet hatten, um sich endlich einmal richtig satt zu fressen. Nach etwa dreihundert Metern querfeldein hatte Magenta somit das Sumpfland gehörig satt. „Es ist nass, es ist eklig und es stinkt“, maulte sie. „Wo in drei Teufels Namen wollen wir eigentlich hin? Ich meine, dahinten war ein WEG. Mit festem Boden und so. Ich verstehe nicht, was an dem so falsch gewesen sein soll.“ „Wir suchen Bisamwurzel“, antwortete Abumoaham. „Bisamwurzel wachsen an großem Wasserfall an Steinwerkdamm.“ „Und wo ist das?“, nörgelte Magenta weiter. „Hier irgendwo“, war die nicht sehr befriedigende Antwort und so blieb Magenta nichts anderes übrige, als dem Rest der Gruppe hinterher zu laufen und zu hoffen, dass sich irgendwann einmal dieses dämliche Gestrüpp, dass sie suchten, zeigen würde. Sie krochen also durch Gebüsche, robbten durch Gräben, schwammen durch kleine Tümpel, warteten auf Abumoaham, der irgendwelche „Lebenswurzeln“ ausgraben musste, liefen Sumpfgras platt, patschten durch noch mehr Wasser, erklommen endlich so was wie trockenes Land, warteten auf Abumoaham, der sich über ein „Königsblut“ freute, machten einen großen Bogen um eine Gruppe roter Drachenwelpen, die unter dem strengen Blick eines älteren Drachen versuchten, nasses Sumpfholz in Flammen aufgehen zu lassen, zischten Abumoaham zu, dass er verrückt sei, weil er in Sichtweite des Drachen unbedingt eine „Wilddornrose“ ernten musste, holten Emmanuelle aus einem Schlammloch, in dem sie bis zum Hals stecken geblieben war, retteten Schakal aus dem selben Loch, weil er vor lauter Lachen ebenfalls hineingefallen war und erreichten schließlich nach Stunden einen weiteren, befestigten Weg. „Endlich“, seufzte Magenta und kippte zunächst einmal das Wasser aus ihren Stiefeln. „Ich hatte schon befürchtet, wir müssten ewig weiter durch diesen Sumpf waten.“ „Was hast du erwartet im Sumpfland“, bemerkte Schakal leicht angesäuert. Er war immer noch damit beschäftigt, den Morast aus seinem Bart zu kämmen. „Aber so langsam könnte das wirklich mal ein Ende haben damit.“ „Wir bald da“, beruhigte Abumoaham die beiden. „Wir nur noch …“ „Zur Hilfe!“, gellte ein Schrei in seine Erklärung. Der Magier stutzte und man sah, wie er mit den Augen die Mitglieder der Gruppe abzählte. Es waren aber alle da. „Lass los du Biest!“, wiederholte die Stimme und jetzt wurde auch deutlich, dass sich der – oder besser gesagt die – Rufende hinter einem kleinen Hügel am Rande des Weges befinden musste. Eilig erstürmten die Helden die Anhöhe und wurden Zeuge einer sehr eigenartigen Szene. Eine resolute, ältere Zwergendame mit resolutem, roten Kleid und resoluter, blonder Hochsteckfrisur versuchte gerade ein Tauziehen zu gewinnen mit … „Einem Haufen Schleim?“, fragte Magenta erstaunt. Der Schleim schien ganz offensichtlich über einen höchst eigenen Geschmack zu verfügen, denn er hatte sich die knallgrüne Handtasche der Zwergin als Beute auserkoren und zog mit Hilfe von Dutzenden von kleinen Schleimtentakeln daran. Die Zwergin hingegen schien nicht gewillt, ihre Habe so einfach herzugeben und zog ihrerseits zurück, während sie gleichzeitig versuchte den Schleim mit einem Spazierstock zu verprügeln. Das wurde dem Schleim nun anscheinend zu bunt. Er streckte einen gewaltigen Tentakel aus, entriss der Zwergin ihren Stock und verschluckte ihn. Entsetzt ließ die Zwergin nun auch ihre Handtasche fahren und suchte ihr Heil in der Flucht. Der Schleim hingegen zog siegessicher von dannen, während die Handtasche in seinem Inneren versank. „Wir müssen ihr helfen“, sagte Bladewarrior sofort und die anderen stimmten ihm zu. Alte Damen angreifen war nichts, was man einem Schleim einfach so durchgehen lassen konnte. „Danke“, sagte die Zwergin, die sich als Sida vorstellte. „Ich war gerade bei meinem wöchentlichen Besuch an Ironbeards Grabmal, als dieser schreckliche Schleim mich angriff und mir meine Tasche entreißen wollte. Ich wünschte nur, ich wüsste, welcher von ihnen es war.“ „Soll das heißen, es gibt noch mehr davon?“, wollte Emmanuelle wissen. „Leider ja“, bestätigte Sida. „Ach ich bitte Euch, bringt mir meine Tasche wieder.“ Tatsächlich schienen die Schleime sich einer durchaus guten Gesundheit zu erfreuen. Und zu tun hatten sie offensichtlich auch nicht sehr viel, denn es gab eine ganze Menge von ihnen. „Na dann wollen wir mal“, rief Abumoaham fröhlich und schickte den ersten der Schleime in einen Tiefkühlschlaf. Bladewarrior hieb einmal auf den gefrorenen Brocken ein und er brach in tausend Stücke. Zum Vorschein kamen aber nur ein paar abgebrochene Pfeile. „Dann eben der nächste“, war Emmanuelle zuversichtlich und verdampfte einen Schleim kurzerhand, so dass nur ein paar Knochen übrig blieben, die der Schleim irgendwo aufgelesen hatte. „Wie wär´s mit dem hier“, meinte Schakal und stieß seinen Dolch mitten in den Schleim. Er versank bis zum Ellenbogen darin. Schnell kam ihm Emmanuelle zur Hilfe und verdampfte diesen Schleim ebenfalls. Ein lebloser Schädel rollte ihnen vor die Füße. „Also schön, dann eben mit Gewalt“, schimpfte die Gnomin und fing an, alles was ihr an Schleim vor die Augen kam in einem Flammenmeer zu verdampfen. Es war ein Glück, dass sie Landschaft so feucht war, sonst hätte wahrscheinlich ernsthafte Waldbrandgefahr bestanden. Abumoaham hingegen bemühte sich nach Leibeskräften, die Schleime in Eis zu verwandeln, während Bladewarrior und Schakal für das Zertrümmern der gefrorenen Monster zuständig waren. Magenta hingegen hielt diese ganze Sucherei für ziemlich sinnlos, da es tausende von diesen Schleimmonstern zu geben schien und eines aussah wie das andere. Amüsiert betrachtete sie die Versuche der anderen, die Handtasche der Zwergin zu finden. Ein Zupfen an ihrem Gürtel erregte ihre Aufmerksamkeit. „Was ist …“, begann sie eine Frage, doch der Rest blieb ihr buchstäblich im Halse stecken. Direkt neben ihr saß oder hockte oder wie auch immer eines dieser Schleimmonster und lutschte höchst interessiert an ihrem Zauberstab. „Hey!“, protestierte sie schwach, als der Holzstab auch schon mit einem leisen Plopp in der wabbeligen Masse verschwand. „Ich glaube, wir haben den Dieb gefunden“, stellte Pizkol fest. „Na los, zeig´s ihm.“ Magenta starrte den hungrigen Schleim böse an. Dann begann sie, die Formel für einen Schattenblitz zu rezitieren. Eine Kugel aus reiner Dunkelheit bildete sich zwischen ihren Händen und als sie groß genug war, schleuderte die junge Hexerin sie auf den Schleim. Der Teil, wo sie das Monster traf, glühte in einem ungesunden Violett auf und klatschte als tote, unansehnliche Masse zu Boden. Der Schleim zitterte vor Empörung und ein langer, dünner Tentakel schnellte aus der Masse hervor und hinterließ eine brennende Spur auf Magentas Wange. „Au!“, schrie sie überrascht auf. „Das Ding beißt. Na warte.“ Wenn dem Schleim mit Schatten nicht beizukommen war, dann würde sie es eben verbrennen. Eilig webte sie den Spruch für einen Feuerbrand zusammen und warf ihn über den Schleim. Das Ungeheuer kreischte, als eine Flamme über seine Oberfläche hinweg züngelte. Emmanuelle, die das beobachtet hatte, gesellte sich neugierig zu Magenta. „Nicht sehr effektiv“, stellte sie prompt fest. „Du hast ja gerade mal die Hälfte des Schleims verdampft. Soll ich mal?“ Doch Magenta machte eine abwehrende Handbewegung. Ihre Wange brannte immer noch und wenn sie diesem Monster etwas nicht gönnte, dann war es ein schneller Tod. Sie wollte Rache. „Lass nur“, sagte sie mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen. „Ich will sehen, wie es leidet.“ „Richtige Einstellung“, applaudierte Pizkol, während Emmanuelle nur kopfschüttelnd daneben stand. Der Schleim blubberte und zischte. Immer wieder liefen Flammen über seine Masse, die dabei stetig schrumpfte. Ein immer dünner werdendes Wimmern lag in der Luft, bis schließlich nicht mehr als eine dampfende Pfütze übrig blieb, in der eine grüne Handtasche lag. „Ich glaube, so was nennt man Brühschleim“, bemerkte Schakal trocken. „Alle Achtung.“ Sida war hingegen weniger begeistert. Sie musterte die Tasche, an der immer noch Schleimreste klebten voller Abscheu. „Wisst ihr was?“, sagte sie schließlich. „Ich schenke Euch die Tasche. Eine junge Frau wie Ihr hat doch sicherlich Verwendung für eine schöne Handtasche. Und ich lasse mir einfach eine neue machen. Also nichts für ungut, und lasst euch nicht von den Sumpfmonstern beißen.“ Ungläubig sahen die Fünf der Zwergin nach, die schon bald ein verschwindender, roter Punkt am Horizont war. „Wir haben jetzt nicht die ganze Zeit umsonst nach der Tasche gesucht, oder?“, murmelte Schakal. „Ich fürchte doch“, antwortete Magenta und starrte auf das schleimbedeckte Scheusal von einer Tasche. „Ich hätte es wissen müssen“, grummelte der Zwerg noch einmal und die Abenteurer machten sich weiter auf die Suche nach der Bisamwurzel. Glücklicherweise fanden sich weiter die Straße entlang ein paar Zwerge, die ihnen mitteilten, dass sie sich auf dem völlig falschen Weg befanden und der Steinwerkdamm sich ganz in der Nähe von Grim Batol, der Heimat der roten Drachen befand. „Erinner mich bitte daran, dass das das letzte Mal ist, dass ich auf Abumoaham höre, wenn es um Richtungsangaben geht“, zischte Magenta ihrem Wichtel zu. „Er ist ja sonst wirklich kein schlechter Kerl, aber als Pfadfinder hat er auf jeden Fall versagt.“ Zu Magentas großer Erleichterung war Abumoahams Tasche bereits prall gefüllt mit allerlei Kräutern, so dass sie ohne größere Aufenthalte durch den Sumpf kamen und etwa drei Stunden später tatsächlich an einem großen Wasserfall standen. Zwei glitzernde Kaskaden rauschten nebeneinander in einen breiten, flachen See und in ihrer Mitte wuchs die so lange gesuchte Bisam-Wurzel. Sie ragte wie ein großer, verrotteter Ast mitten aus dem tosenden Wasser heraus. Der Magier nahm ein kleines, silbernes Messer, schabte eine Probe von der Wurzel ab und verkündete dann: „So, wir fertig. Wir können Rückweg.“ „Wie jetzt, Rückweg?“, wollte Magenta wissen. „Das war nun alles?“ „Ja“, bestätigte Abumoaham glücklich. „Jetzt wir gehen nach Stormwind um zu bringen ersten Teil zu Meister Zardeth.“ „Das ist jetzt nicht euer Ernst“, stöhnte Magenta. „Ich lauf doch jetzt nicht den ganzen Weg zurück nach Stormwind. Da sind wir ja Tage unterwegs. Zumal es demnächst schon dunkel wird.“ „Wir könnten uns stattdessen aufmachen ins Brachland“, warf Pizkol unschuldig ein. „Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zur Hafenstadt Menethil. Von dort könnten wir mit einem Schiff nach Kalimdor fahren.“ „Wie weit ist nicht weit“, fragte Magenta misstrauisch nach. „Naja, wir müssten natürlich ans andere Ende des Sumpflandes“, gab Pizkol zögerlich zu. „Und zwar ganz ans andere Ende.“ „Das heißt ich habe jetzt die Wahl, den ganzen langen Weg mit dieser Truppe wieder zurückzulaufen oder mich alleine durch Tonnen von Schlamm, Wasser und Grünpflanzen zu schlagen …“ „Aber wir nicht müssen laufen“, sagte Abumoaham. „Ich gelernt Zauber, was bringen in Nullkommanichts nach Stormwind. Du sehen?“ Der Magier kramte ein paar Plättchen aus seiner Tasche. Er warf sie in einem für Magenta nicht erkennbaren Muster auf den Fußboden, murmelte einige Worte dazu und vor ihren staunenden Augen erwuchs aus dem Boden ein Portal. Durch den schimmernden, magischen Kreis konnte man das freundliche Stormwind erkennen, wie es im warmen Sonnenschein dalag und zu winken schien, während Magentas Schuhe sich langsam wieder mit Morastwasser füllten. Schon waren Emmanuelle, Bladewarrior und Schakal durch das Tor getreten und ihren Blicken entschwunden. „Du kommen?“, fragte Abumoaham. „Zauber nicht halten ewig und wir dich vermissen werden.“ Damit trat auch er durch den schimmernden Kreis. Eine große Kröte quakte Magenta an und ihre goldenen Augen schienen spöttisch zu glitzern. Das Summen der Insekten wurde lauter und in der Ferne konnte Magenta einen Krokilisken in Wasser platschen hören. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was passierte, wenn sie versuchte sich nachts alleine durch diese Wasserlandschaft zu schlagen. „Ach Verdammt“, fluchte sie und trat ebenfalls durch das Tor. Alles in Magentas Kopf drehte sich und als es anhielt, erwuchs es zu einem Raum, in dem mehrere Magier die Ankömmlinge streng musterten. Es mussten Magier sein, denn sie trugen teure Roben, murmelten geheimnisvolle Dinge und aus den hohen Fenstern konnte man erkennen, dass sie sich in einem Turm befanden. Eine gewaltiges, grün schimmernden Portal war zu beiden Seiten des Turm errichtet wurden und Magenta sah gerade noch, wie Abumoaham dem einen von ihnen zu strebte. Kurz darauf war er darin verschwunden. „Na das kann ich auch“, stellte Magenta fest und trat ebenfalls durch eines der Tore. Es passierte überhaupt nichts. Die Magierin, die neben dem Portal stand lächelte spöttisch. „Ich glaube nicht, dass Ihr die geistige Schärfe besitzt, um die Natur von Portalmagie zu verstehen.“ Verärgert drehte Magenta sich um und lief hinüber zu dem anderen Tor. Sie kreuzte vorsichtshalber die Finger, schloss die Augen und trat hindurch. Als sie die Augen wieder öffnete blickte sie in einen gewundenen Gang, der mit edlem blau und gold gewirktem Teppich ausgelegt war und spiralförmig nach unten führte. Von dort konnte sie die Stimmen der anderen hören. „Kommt mir das eigentlich nur so vor, oder bin ich immer die Letzte?“, schimpfte Magenta leise vor sich hin, während sie den Gang hinunter stieg. „Und woher zum Teufel haben die alle gewusst, welches das richtige Tor ist?“ „Wahrscheinlich haben sie einfach das genommen, was sie direkt vor ihrer Nase hatten“, versuchte Pizkol seine Meisterin zu beruhigen. „Magier kochen doch auch bloß mit Wasser.“ „Man hofft es zumindest“, murmelte Magenta und trat hinaus in den hellen Sonnenschein. Wie sich herausstellte, waren sie tatsächlich im Magierviertel von Stormwind angekommen. Man kam ob der späten Stunde überein, erst am nächsten Morgen weiter zu reisen. „Duskwood“, ließ Magenta den Namen ihres Reiseziels auf der Zunge zergehen, während sie sie sich in der Gaststube des Geschlachteten Lamms ein Abendbrot genehmigte. „Hört sich zumindest so an, als würde es dort keinen Sumpf geben.“ „Sumpf?“, überlegte Pizkol. „Nein, ich glaube einen Sumpf gibt es dort nicht.“ „Du verschweigst mir doch was“, mutmaßte Magenta. „Ich? Nein, wie käme ich dazu“, empörte sich Pizkol scheinheilig. „Nebenbei hast du Abumoahams Gesicht gesehen, als Meister Zardeth ihm sagte, er können sich die Wurzel wo hinstecken, wenn er nicht auch den zweiten Teil der Bestellung brächte.“ „Mhm“, grinste Magenta, den Mund voller Brot. „Iff fonnfe mif eif Läfeln nift verfeifen“ „Iss auf“, wies Pizkol sie augenrollend zurecht. „Meister Gakin erwartet uns noch zu einem Gespräch.“ Der dunkle Hexenmeisterlehrer erwartete seine Schülerin bereits in seiner von Fackeln erleuchteten Studierstube. „Ah, Magenta. Setz Euch, Kind.“ Er reichte ihr zunächst ein paar Bücher, aus denen sie ein paar neue Zaubersprüche auswendig lernen sollte. Während Magenta nun also mit stummen Lippenbewegungen lernte, wie man zum Beispiel ein Geisterauge beschwor, um damit Gegenden auszukundschaften, in die man sich selber nicht unbedingt begeben wollte oder konnte, saß ihr Lehrer in seinem Studierstuhl und starrte vor sich hin. Die Stunden verstrichen und Magenta gähnte immer häufiger, doch als sie sich schließlich verabschieden wollte, bat Gakin Dunkelbinder sie zu warten. „Ich habe gehört“, begann er. „Dass Ihr Euch für eine Sukkubus interessiert.“ Magenta bejahte vorsichtig. „Nun, dazu solltet ihr Einiges wissen“, fuhr ihr Lehrer fort. „Eine Sukkubus ist eine Kreatur mit unglaublichen geistigen Mächten, ein Verschlinger der Seelen und Zerstörer von Herzen. Sie ist durch und durch böse und kann sich schwache Geister zu Diensten machen. Und eine Sukkubus kann nur beschworen werden, wenn man ihn mit einem Gegenstand ködert, der große Hingabe und Liebe bedeutet.“ „Was für ein Gegenstand könnte das sein?“, fragte Magenta interessiert nach. „Das herauszufinden, überlasse ich Euch“, lächelte Gakin Dunkelbinder geheimnisvoll. „Man hat Euch ja schon den einen oder anderen Hinweis gegeben. Ich bin mir sicher, Ihr werdet diese Aufgabe meistern.“ „Ich danke Euch, Meister“, murmelte Magenta in einer Verbeugung, wenngleich sie sich auch nicht ganz sicher war, ob ihr Lehrer diesen letzten Satz wirklich ernst gemeint hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)