Magenta I von Maginisha (Willkommen in der World of Warcraft) ================================================================================ Kapitel 15: Priester und Piraten -------------------------------- Mit einem wohligen Grunzen ließ sich Baron Rivelgaz in seinen Stuhl zurück sinken. Scheinbar uninteressiert an den im Raum befindlichen Personen pickte er die letzten, dunkelbraunen Krümel von einer ansonsten blitzblank geputzten Kuchenplatte. Versonnen steckte er sie in den Mund und ließ sich nun endlich dazu herab, die Gefangenen zu bemerken. Langsam glitt sein Blick über die Gnomin, den Zwerg und die beiden Menschen. „Das war nicht schlecht.“, brummte er schließlich wohlwollend. „Ich muss wirklich zugeben, dass ich lange nicht mehr so gut gegessen habe. Auch wenn ich von einigen Gerichten nicht besonders viel abbekommen habe.“ Der Goblin sah strafend in Richtung des Flottenmeisters Seeahorn, der sich genüsslich zwischen den Zähnen herumstocherte. „Was denn?“, sagte der Angesprochene und hob abwehrend die Hände. „Dein Arzt hat gesagt, du sollst nicht so scharf essen. Ich habe dir einen Gefallen damit getan.“ Plötzlich wurden die Augen des Tauren glasig. Eilig presste er die eine Hand vor den Mund, während er mit der anderen hektisch wedelte. „Nicht schon wieder.“ stöhnte der Baron. „Kannst du dich nicht mal zusammen reißen?“ Seahorn war inzwischen leicht bläulich angelaufen. Panisch suchte er nach einem Ort um das, was sich in seinem Inneren zusammenbraute, loszuwerden. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Mit einem gewaltigen Rülpser brach eine Flammenwolke aus seinem Inneren hervor und setzten einen Stuhl in Brand. Binnen Sekunden verglühte das Möbelstück zu einem Häuflein Asche. „Seahorn!“, donnerte der Baron und legte die Stirn in vorwurfsvolle Falten. “Wenn du so weitermachst, geht noch mein ganzes Mobiliar zum Teufel!“ Anklagend wies er auf die schwelenden Überreste einer antiken Vitrine, eines Kartentisches und des sprechenden Papageis, den er erst letzte Woche von einem Freund geschenkt bekommen hatte. Noch glimmend sank eine verkohlte Feder zu Boden, bevor das Tier endgültig von seiner Sitzstange kippte. „Liegt am Chili, Boss.“, erklärte der Taure achselzuckend und löschte mit zwei Fingern seine brennende Bartspitze. „Das hatte es ganz schön in sich.“ „Ja ja.“, winkte Baron Rivelgaz ab. „Geh, und setzt etwas weniger kostspieliges in Brand. Wenn möglich etwas, das nicht mir gehört.“ „Aye, Boss.“, antwortete der Taure und trollte sich hicksend und dezent qualmend aus der Tür und nahm auf dem Weg nach draußen noch gleich eine Flasche Flüchtigen Rum aus Rivelgaz` privaten Beständen mit. Zurück blieben der Baron, die vier Gefangenen und der reichlich angesäuert wirkende Krazek. Als die Tür hinter dem Flottenmeister ins Schloss fiel, setzte der Ingenieur an zu sprechen, doch der andere Goblin gebot ihm mit einer gebieterischen Geste Einhalt. „Es interessiert mich nicht.“, sagte Rivelgaz gelangweilt. „Krazek, du bist ab jetzt als Küchenchef abgesetzt. Hiermit ernenne ich…wie war noch mal dein Name, Zwerg?“ „Schakal.“, sagte Schakal. „Wie auch immer.“, meinte der Baron gleichgültig. „Von nun an wirst du für die Küche des Salzigen Seemanns zuständig sein. Ich wünsche von jetzt an jeden Tag so zu speisen. Und ich rate dir, meinen Wünschen zu entsprechen, ansonsten…“ Rivelgaz fuhr sich vielsagend mit dem Zeigefinger über die Kehle. „Verstanden.“, brummte Schakal und sah auf den Fußboden. Aus dem darunter liegenden Geschoss erklang eine gedämpfte Explosion gefolgt von hektischen Fußgetrappel und einem lauten Platschen. „Ich werde mir Mühe geben.“ „Dann raus mit euch!“, brüllte der Baron so unvermittelt, dass Emanuelle einen halben Meter in die Höhe hüpfte. „Ich habe nicht den ganzen Tag mit euch zu vergeuden.“ Eilig drängten sich die vier Gefangenen zusammen mit Krazek aus der Tür und schlossen diese hinter sich. Mit einem lauten Klirren zerbarst die Kuchenplatte an der Innenseite. Krazek warf einen missmutigen Blick auf die Tür und fauchte dann: „Da habt ihr euch ja was Schönes eingebrockt. Und mir gleich mit. Tod und Dschungelpest über euch!“ Der Goblin spuckte auf den Boden. „Also ich muss doch sehr bitten.“, empörte sich Risingsun. „Wir haben unser Bestes gegeben und das ist jetzt der Dank dafür?“ „Du hast ja keine Ahnung, Mädchen.“, schnaubte Krazek und stieß die vier grob aus dem Weg. „Wenn ihr Rivelgaz` Erwartung auch nur einmal enttäuscht, werdet ihr baumeln und zwar vom höchsten Mast, den er in Booty Bay finden kann.“ Er lachte dreckig. „Wobei mir das ja eigentlich egal sein kann.“ „Ach ja?“, piepste Emanuelle. Die Empörung stand der Gnomin mit großen Buchstaben in das Gesicht geschrieben „Dann können wir ja wieder in die Küche gehen, wo wir mit unserem neuen und verbesserten Fizzlebigg-Shakletrunks Spezial-Kochtopf die Kochwelt von Azeroth revolutionieren werden.“ Der Goblin blieb wie angewurzelt stehen. „Dem was?“, schnarrte er bedrohlich. „Dem neuen und verbesserten Fizzlebigg-Shakletrunks Spezial-Kochtopf.“, wiederholte Emanuelle und stemmte die kurzen Arme in die Hüften. „Ich habe mir erlaubt, an dem alten, doofen Krazek Spezial-Kochtopf einige Verbesserungen vorzunehmen.“ „Das ist Plagiat!“, keifte der Goblin. „Ich werde euch verklagen.“ „Fein.“, funkelte Emanuelle zurück. „Dann werde ich Beweise erbringen, dass diese Erfindung von dir giftigem, kleinen Gartenzwerg - entschuldige Schakal - gestohlen wurde. Es gibt Pläne für einen solchen Topf aus der Hand des berühmten Razzle Sprysprocket. Ich bin sicher, er wäre erfreut zu hören, wie viel Gold ihm an Lizenzgebühren zusteht.“ Der Goblin musterte Emanuelle misstrauisch „Damit kommt ihr nicht durch.“ „Ach nein?“, flötete die Gnomin und grinste breit. „Käme auf einen Versuch an, nicht wahr?“ Der Goblin sah wütend von einem zum anderen. „Also schön, was verlangt ihr?“ „Na das ist doch wohl offensichtlich.“, strahlte Emanuelle. „Wir wollen endlich hier weg.“ Krazeks Gesicht verfinsterte sich. „Und wie soll ich das bitte anstellen? Habt ihr eine überhaupt eine Ahnung, was ich damit riskiere?“ „Vermutlich deinen dürren, grünen Hals.“, lächelte Emanuelle freundlich. „Also entscheide dich, was dir lieber ist: dein Gold oder dein Leben. Du weißt, wo du uns findest.“ Daraufhin stolzierte die Gnomin mit hoch erhobenem Kopf an dem Gift und Galle spuckenden Goblin vorbei in das untere Stockwerk. Eilig folgten ihr ihre Gefährten, bis sie schließlich wieder in der völlig verwüsteten Küche ankamen. „Ziemlich beeindruckende Vorstellung.“, brummte Schakal, während sie begannen ´Klar Schiff` zu machen. „Vor allem, wenn man bedenkt, dass der gute Sprysprocket zwar ein rechter Tüftler ist, aber mit Kochtöpfen so viel am Hut hat wie ich mit seidener Unterwäsche.“ „Was soll das heißen?“ Risingsun blickte verdattert zwischen Schakal und Emanuelle hin und her. „Wer ist dieser Sprei… Sprie…wie auch immer?“ „Ein Gnom.“, erklärte Emanuelle unbestimmt und warf einen vorsichtigen Blick zur Tür. „Hat bei uns nebenan gewohnt.“ „Und er hat ne Menge guter Sachen erfunden.“, ergänzte Schakal. „ Netter Kerl. Hab ihm mal ein paar Sachen besorgt. Doch ich will ab jetzt nur noch reines Quellwasser trinken, wenn bei seinen Erfindungen ein Kochtopf dabei war.“ „Das heißt…“, begann Risingsun. „Es war ein Bluff.“, sagte die Gnomin stolz. „Und du musst zugeben, er hat ziemlich gut funktioniert.“ „Du hast gelogen ?“ Risingsuns Stimme hatte bei dieser Frage einen leicht hysterischen Unterton. „Wie konntest du nur! Hätte es denn keinen anderen Weg gegeben?“ „Schätzchen.“, beschwichtigte sie Schakal. „Wenn man einem Betrüger nicht die Wahrheit sagt, ist das allenfalls ein minderer Fall von Desinformation. Zudem kommt für uns strafmildernd der Umstand des rechtfertigenden Notstandes hinzu, so dass man fast schon von einer Kriegslist sprechen könnte. Und im Allgemeinen gilt die als straffreier Tatbestand, solange man sich auf der Seite der Guten befindet. Die Guten sind in dem Fall diejenigen, die gerade mit dem Regieren dran sind.“ „Aber es ist nicht richtig.“, begehrte Risingsun auf. „Wir hätten ihn doch auch so um Hilfe bitten können.“ „Einen Goblin?“, schnaubte Emanuelle. „Träum weiter! Das Einzige, was einen Goblin interessiert, ist ein Goblin.“ „Wir hätten ihn bezahlen können.“, wand die Paladina ein. „Womit denn?“, fragte Schakal ungeduldig. „Sie haben uns doch alles abgenommen, was von Wert war.“ „Wir hätten uns unsere Weg freikämpfen können.“, sagte Risingsun kleinlaut und ließ sich auf einen Hocker fallen.“ Bladewarrior sprang dagegen begeistert auf. „Ja genau, lasst uns kämpfen.“ Schakal schüttelte seufzend den Kopf und drückte den jungen Krieger mit einer entschiedenen Geste wieder auf seinen Stuhl zurück. Dabei murmelte er etwas, dass sich verdächtig nach `Verliebter Idiot´ anhörte. Anschließend maß er die Paladina mit einem langen Blick. „Lass es uns zunächst einmal auf unsere Weise versuchen. Sollte dieser Plan fehlschlagen, kannst du immer noch probieren, uns einen anderen Weg hier raus zu finden.“ „Wir werden ja sehen.“, grummelte Risingsun und blickte zweifelnd auf die rußgeschwärzte Kellertür. Stunden später in dieser Nacht befand sich die Paladina dann in guter Gesellschaft. Vereint starrten die vier Gefangenen auf die unschuldige Holztür, die vermutlich nie mit mehr Aufmerksamkeit gesegnet worden war. Über den Köpfen der Helden war der Lärm der Taverne im Laufe der Nacht zunächst an, dann wieder abgeschwollen und inzwischen zu einem leisen Säuseln der letzten volltrunkenen Gäste geworden. Es war bereits weit nach Mitternacht und die Stadt, die nie schlief, war anscheinend zumindest in eine Art Wachkoma gefallen. „Glaubt ihr, er kommt noch?“, fragte Bladewarrior und unterdrückte ein Gähnen. „Sicher.“, antwortete Emanuelle abwesend und blinzelte angestrengt gegen die Müdigkeit an. „Er muss kommen.“ „Der kommt.“, brummte Schakal und klopfte erneut eine Pfeife aus. Neben seinem Schemel hatte sich bereits ein beträchtliches Häufchen Asche gesammelt. „Es war eine blöde Idee.“, nuschelte Risingsun und versuchte nicht schlafend vom Stuhl zu kippen. Kurz überlegte sie, sich einfach in einer Ecke zusammenzurollen, doch es erschien ihr nicht angebracht zu schlafen, während die anderen Wache hielten. Etwa eine halbe Stunde später bewegte sich schließlich die Türklinke und Krazek spähte durch den Spalt. Der Goblin trug eine Handlaterne bei sich, die seinen fledermausohrigen Kopf im Halbdunkeln in eine bösartige Fratze verwandelte. (Allerdings lag das möglicherweise auch nicht nur an der Beleuchtung.) Stumm winkte er den Gefangenen ihm zu folgen. So leise wie möglich schlichen die vier Abenteurer die knarrende Kellertreppe hinauf in die Gaststube. Kalter Rauch lag in der Luft und mischte sich mit den Aromen der unterschiedlichsten alkoholischen Getränke. Von den zahlreichen Gästen des Abends zeugten jedoch nur noch die unordentlich an den groben Holztischen stehenden Stühle. Niemand sah zu, als die fünf unterschiedlichen Gestalten durch die nächtliche Stadt schlichen. Ganz Booty Bay lag wie ausgestorben unter einem abnehmenden Mond, dessen bleicher Schein die hölzernen Stege und Brücken nur spärlich ausleuchtete. „Das gefällt mir nicht.“, brummte Schakal in seinen Bart. „Für meinen Geschmack ist es hier zu ruhig.“ „Ach was, du bist ein alter Miesepeter.“, flüsterte Emanuelle zurück und trippelte hinter dem Goblin her, der sie schnurstracks über die vielen verwinkelten Wege und Stege bis zum Tor mit dem riesigen Haifisch brachte. Schakals ungutes Gefühl wuchs, als sich auch hier keine Wachen blicken ließen. Erfolglos versuchte er sich einzureden, er sähe Gespenster. Einmal glaubte er schon, eine Bewegung aus den Augenwinkeln zu erkennen, doch als er sich umsah, stand dort nur ein Stapel Kisten über denen ein Fischernetz zum Trocknen ausgebreitet war. Der Zwerg schalt sich selbst ein ängstliches Weib und zwang sich dazu, sich nicht alle paar Meter umzudrehen um nach möglichen Verfolgern Ausschau zu halten. Endlich erreichten sie das Ende des niedrigen Zugangstunnels zur Stadt. Es war seltsam, denn obwohl Schakal ein Zwerg war, die sich allgemein in Höhlen und Tunneln am wohlsten fühlten, hatte er das Gefühl freier zu atmen, als er die ersten Schritte hinaus in den Dschungel machte. Das Gefühl hielt allerdings nicht lange an, denn hinter ihm erklangen sehr ungute Geräusche und was er im ersten Augenblick für ein aufdringliches Stechpalmenblatt hielt, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als ziemlich massives Schwert, das sich ihm aus einem Busch entgegenstreckte und ihn nachdrücklich in seinen Bauch piekste. Sein Blick glitt an dem Schwert entlang und fand einen grinsenden Mann an der anderen, für Schakals Empfinden verkehrten Seite der Waffe. Der Mann hatte eine Augenklappe und kam ihm durchaus bekannt vor. „Ich hab ihn, Boss.“, rief der Mann, den endlich Schakal als Dizzy Oneeye identifizierte, über die Schulter des Zwergs hinweg. „Dann bring ihn wieder her.“, erklang die schnarrende Stimme von Baron Rivelgaz. „Ich möchte mich gerne mit ihm unterhalten.“ Langsam drehte Schakal sich herum - nicht zuletzt wegen der Schwertspitze, die sich auf seine Körpermitte richtete. Was er sah, überraschte ihn nicht mehr. Sie waren wie die blinden Hühner in eine Falle getappt, die nicht einmal besonders gut getarnt gewesen war. Bladewarrior starrte ebenso wie Schakal mit Schweißperlen auf der Stirn auf eine Schwertspitze, die in seinem Fall allerdings auf etwas tiefer liegende Körperregionen gerichtet war, da sich der Gnom, der die Klinge hielt, sonst hätte eine Leiter besorgen müssen. Emanuelle bemühte sich redlich, dem riesigen Seahorn zu entkommen, der sie wie eine Puppe gepackt hatte und ihr kurzerhand den Mund zuhielt. Risingsun schließlich wand sich mit einem Knebel im Mund im stahlharten Griff von Catelyn, der Klinge, dem einzigen weiblichen Mitglied der Blackwater Raiders. Die junge Frau mit den lange, schwarzen Haaren lacht über die erfolglosen Versuche der Paladina sich zu befreien. „Sieht so aus, als hätten wir einen guten Fang gemacht. Ich wette, die Leute werden sich um sie reißen…auf dem Sklavenmarkt.“ „Nicht so eilig, Cathlyn.“, brummte Baron Rivelgaz und trat einen Schritt auf Schakal zu. “Ihr habt nicht wirklich geglaubt, dass ihr damit durchkommt, oder?“ „Es kam auf den Versuch an.“, antwortete Schakal. „Wir wollten Eure Gastfreundschaft nicht überstrapazieren.“ Der Goblin starrte Schakal einen Augenblick lang überrascht an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. Augenblicklich stimmten die anderen Piraten mit ein. „Was gibt es da zu lachen, ihr Hohlköpfe?“, schrie der Baron unvermittelt und die Meute verstummte sofort wieder. Der Goblin wandte sich wieder an Schakal. „Weißt du, du gefällst mir, Bursche. Und deine Kochkünste sind nicht zu verachten. Es wäre eine Schande, dich an die Haie zu verfüttern. Sie wüssten dich nicht wirklich zu schätzen.“ Auf einen Blick des Barons hin lachten die Piraten pflichtschuldig. „Doch wenn der gute Krazek sich nicht daran erinnert hätte, wem er Gehorsam schuldet, hätte die ganze Sache für mich schlecht ausgehen können. Ich hätte ohne Koch da gestanden und das hätte mich wirklich sehr verärgert.“ „Ihr hättet immer noch den Koch, den ihr vorher hattet.“, wand Schakal ein. Er wusste, dass er sich auf gefährlichem Terrain bewegte, wo aus scharfen Worten schnell scharfe Klingen werden konnten. Nachdenklich wiegte der Baron den Kopf mit den spitzen Ohren hin und her. „Nun, dann hätte ich aber nichts gewonnen, nicht wahr? Im Gegenteil, die Leute reden, weißt du? Der Baron ist weich geworden, wir kommen mit allem durch, lasst uns Booty Bay in Schutt und Asche legen. Das würdest du doch nicht wollen, oder?“ Baron Rivelgaz wartete nicht ab, bis Schakal ihm geantwortet hatte. Stattdessen blickte er abwesend auf das dunkle Meer hinaus, dass in einiger Entfernung gegen die weißen Sandstrände lief. Ein Licht blinkte über dem Wasser auf und der Goblin stutzte. Er winkte den Ersten Maat Krazz zu sich und deutete stumm auf den Horizont. Der Erste Maat starrte auf das Licht, dass in schneller Abfolge aufblinkte und wieder verschwand, bis die Zeichen schließlich aufhörten. „Was hältst du davon?“, brummte der Baron. „Also von unseren war das keiner.“, erklärte der andere Goblin vorsichtig. „Ich hab ihnen eingeschärft, nachts per Fledermaus zu kommunizieren.“ „Bloodsails.“, spuckte der Baron aus. „Diese Bastarde wagen es, in meinen Gewässern zu kreuzen. Aber das wird ihnen schlecht bekommen.“ Rivelgaz drehte sich um und fasste Schakal ins Auge. „Also schön, Zwerg, jetzt pass mal gut auf. Du und deine Freunde, ihr werdet für mich losziehen und diesen miesen Hundsfötter zeigen, wer hier der Herr am Kap ist. Und damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt, wird uns eure kleine Freundin dort Gesellschaft leisten. Wenn ihr nicht zurückkommt, werden wir sie als Entschädigung verkaufen. So ein Blondschopf erzielt gute Preise, wenn ihr wisst, was ich meine.“ Dreckiges Lachen machte klar, dass die meisten Umstehenden verstanden hatten, worum es ging. Risingsun wurde blass unter ihrem Knebel, nur um sich dann noch heftiger zur Wehr zu setzen. Schließlich wurde es Cathlyn zu bunt und sie schickte die junge Frau mit einem gezielten Fausthieb zu Boden. Bewusstlos sank die Paladina in sich zusammen. „Abgemacht.“, antwortete Schakal mit einem Blick auf Risingsun. „Irgendwelche besondere Wünsche?“ Der Baron überlegte kurz. „Bringt einfach ein paar von diesen Burschen zur Strecke. Macht klar, wer dahinter steckt. Nehmt Seekarten und sonst noch mit, was ihr finden und tragen könnt.“ Die Augen des Goblins wurden schmal. „Und wenn es eure Zeit erlaubt, schneidet ihren Anführern die Kehle durch. Ich bin sicher, der alte Firralon hat seine dreckigen Finger im Spiel. Seine unfähigen Kapitäne Keelhaul und Stillwater werden ebenfalls mit ihren Schiffen vor der Küste kreuzen. Findet sie und macht sie unschädlich. Ich werde dafür sorgen, dass es euer Schaden nicht sein wird.“ Mit diesen Worten rückte die Piratenmannschaft ab und nahm die bewusstlose Risingsun mit sich. Schakal seufzte und sah zu der Stelle auf dem Wasser, an dem das Licht als Letztes verloschen war. „Sieht aus, als hätten wir uns einen ganzen Hals voll Ärger ans Land gezogen.“ „Wenn ich mit denen fertig bin, werden die wissen, was wirklicher Ärger ist.“, tobte Emanuelle. „Ich lasse mich doch nicht so behandeln. Dieser widerliche, stinkenden, haarige, großhufige…“ „Und was machen wir jetzt?“, unterbrach Bladewarrior die hitzige Rede der Gnomin. „Wir können Risingsun nicht einfach zurücklassen.“ „Nein, das können wir nicht.“, bestätigte Schakal. „Aber loslaufen und uns einfach so mit mehreren Schiffen voller blutrünstiger Piraten anlegen können wir auch nicht. Nicht zu dritt und noch dazu ohne Waffen.“ „Wer sagt, dass wir keine Waffen haben?“, kicherte Emanuelle da. „Ich habe mir erlaubt, ein wenig die Küche zu plündern.“ Kurz darauf sah Schakal ein wenig unglücklich auf ein Kartoffelschälmesser herab. „Also irgendwie…“ „Es ist ein Messer oder nicht?“, verteidigte sich die Gnomin. „Ich musste schließlich aufpassen, dass es nicht zu auffällig ist.“ „Und dann hast du das hier schmuggeln können?“, fragte Bladewarrior und holte probeweise mit dem Nudelholz aus, das ihm die Gnomin in die verblüfften Hände gedrückt hatte. „Wobei es nicht einer gewissen Schlagkraft entbehrt.“ „Na bitte, wir sind also wieder im Geschäft.“, jubelte die Gnomin und zeigte in Richtung des Strandes. „Also los, gehen wir ein paar Piraten zu Grütze hauen.“ „Aber wo ist deine Waffe?“, wollte der Krieger wissen und musterte die Gnomin interessiert. Emanuelle grinste und ließ einen Feuerball über ihrer Hand entstehen. „Es braucht schon mehr als ein paar lumpige Piraten, um eine Magierin zu entwaffnen.“ So machten sich die drei auf, um mit Feuer, Messer und Nudelholz ihre große Schlacht gegen die Bloodsail-Piraten zu schlagen. Den Wald von Elwynn zu bereisen war anstrengender, als die drei Nachtelfen zunächst vermutet hatten. Wohin sie auch kamen, wurden sie mit offenen Mündern unverhohlen angestarrt. Kinder liefen ihnen kichernd hinterher und stoben kreischend davon, sobald sich auch nur einer der drei sich zu ihnen umdrehte. Es wurde getuschelt, gelacht und mit dem Finger auf sie gezeigt. Sobald sie diese Geste jedoch erwiderte, wichen viele entsetzt zurück und nicht wenige Hände bewegten sich in Richtung der allgegenwärtigen Waffen. Nicht einmal der Wald hatte ihnen Zuflucht geboten, denn selbst dort waren sie allerorten auf Menschen gestoßen. Menschen, die Pilze sammelten, Menschen, die Tiere jagten, Menschen, die Bäume fällten - eine Tatsache, die den Nachtelfen befremdlich genug vorkam - Menschen, die Holz in großen, stinkenden Haufen verbrannten, und Menschen, die versuchten, ihnen ihre Barschaft abzunehmen. (Was ihnen wenig gut bekam, nachdem Easygoing endlich verstanden hatte, was die ungehobelten Männer mit den roten Tüchern vor den Gesichtern von ihnen wollten.) Auch stießen sie immer wieder auf Flecken, an denen die Menschen den Wald komplett gerodet hatten, um dort Feldfrüchte zu kultivieren oder einen Wachturm zu errichten. Der Wald von Elwynn war somit alles andere als ein ruhiger, friedlicher Ort, in dem man ungestört den Stimmen der Natur lauschen konnte. Wobei einige dieser Stimmen auch nicht besonders lauschenswert waren. Merkwürdige, schwarz-weiße Tiere schritten im langsamen Trott über Lichtungen und die Laute, die sie von sich gaben, erinnerten Abbefaria an die dumpf klingenden Hörner, die eingesetzt wurden um zu verhindern, dass Schiffe im dichten Nebel an der Küste Teldrassils zerschellten. All dies geschäftige Treiben fand jetzt gegen Abend ein Ende und die Menschen zogen sich fluchtartig in ihre Häuser zurück, als wollten sie sich nur ja rechtzeitig vor der Dunkelheit und der Stille verkriechen. Sanft strich der auffrischende Abendwind durch die hellgrünen Blätter der Bäume, deren beruhigendes Rauschen sich wie Balsam auf Abbefarias angestrengte Sinne legte. Endlich schien es, als würde ein wenig Ruhe und Frieden in dem Landstrich einkehren, der den Druiden stark an einen Ameisenhaufen erinnerte, über den jemand Feueröl gegossen hatte. „Dort drüben liegt Westfall.“, verkündete Easygoing und wies auf die andere Seite eines breiten Bachlaufes. „Wir müssen nur noch die Küste erreichen, dann können wir dort nach dem versunkenen Schiff Ausschau halten.“ „Es wird langsam Zeit.“, brummte Abbefaria und ließ sich am Ufer des Flusses auf die Knie sinken. Mit gierigen Schlucken trank er von dem sauberen Wasser und tauchte zum Schluss kurzerhand den ganzen Kopf hinein. Als er ihn wieder herauszog, troff das Wasser nur so aus seinen kurzen, blauen Haaren und hinterließ dunkle Spuren auf seiner Kleidung. Nachdenklich betrachtete er die ausgedörrte Landschaft auf der anderen Seite. Bäume gab es dort so gut wie keine und der ausgetrocknete Boden sonderte selbst jetzt noch eine nachhaltige Wärme ab, die die Feuchtigkeit auf seinem Gesicht sofort verdunsten ließ. Der raue Wind, der über die weiten Felder fegte, wirbelte gelben Staub auf und brachte den Geruch von herannahendem Regen mit sich. „Sieht aus, als würde sich das Wetter ändern.“, sagte er. „Beeilen wir uns lieber.“ „Keine Einwände.“, stimmte Easygoing zu und die beiden Druiden schritten kräftig aus, um noch vor dem endgültigen Einbruch der Dunkelheit am Meer anzukommen. Einzig Ceredrian schien es nicht besonders eilig zu haben. Wie im Traum schlenderte er hinter seinen beiden Freunden her, die Nase tief in ein kleines Buch gesteckt. Schließlich platzte Easygoing der Kragen. „Könnte mein lieber Herr Cousin sich vielleicht dazu herablassen, ein wenig schneller zu laufen.“, fauchte er. „Wir haben nicht den ganzen Tag zu vertrödeln.“ „Oder die Nacht.“, ergänzte Abbefaria. „Falls du dich erinnerst suchen wir hier nach etwas.“ Ceredrian hob den Kopf und blinzelte die beiden überrascht an. „Was meint ihr denn, was ich hier mache? Ich versuche in dem Buch, das mein Lehrer mir gegeben hat, etwas zu finden, dass eure Aufgabe ein wenig leichter macht.“ „Und hast du etwas gefunden?“, brumme Easygoing schon etwas freundlicher. „Nun jaaa.“, antwortete Ceredrian gedehnt. „Nicht direkt. Ich könnte euch die Geister der ertrunkenen Seeleute vom Leib halten, falls wir welchen begegnen, und eure Wunden heilen, wenn ihr verletzte werdet. Oder ich könnte ein Gebet an Elune senden, damit sie euch Stärke gibt.“ Easygoing verzog das Gesicht. „Sehe ich aus, als bräuchte ich noch Unterstützung auf diesem Gebiet?“ Er grinste. „Wobei bei Abbe da bestimmt noch so Einiges an Spielraum ist.“ Abbefaria bedachte diese Äußerung mit einem abfälligen Schnauben und fuhr Ceredrian an: „Wir Druiden verfügen selbst über heilende Kräfte, falls du dich erinnerst, und mit so ein paar Geistern werde ich sogar alleine fertig. Also solange du nicht dafür sorgen kannst, dass wir unter Wasser atmen oder darüber laufen können, bringt uns deine Hilfe gerade herzlich wenig.“ Das unbequemen Gefühl, dass er seine Wut gerade auf die falsche Person projizierte, ignorierte er gekonnt. Ceredrian ließ buchstäblich die Ohren hängen. Dann jedoch hellte sich sein Gesicht auf und er begann wie wild in seinem Buch zu blättern. Schließlich tippte er triumphierend auf eine Seite. „Ich habe es gefunden. Levitieren: Ermöglicht dem Zaubernden zu levitieren und damit wenige Schritte über dem Boden zu schweben. Beim Levitieren fallt ihr mit reduziertem Tempo und könnt wasserähnliche Oberflächen überwinden. Jeglicher erlittener Schaden hebt den Effekt wieder auf.“ „Na ganz toll.“, mokierte sich Easygoing. „Und wie sollen wir deiner Meinung unter Wasser nach dem Anhänger suchen, wenn wir wie ein paar Witzfiguren über der Oberfläche herumhängen?“ „Hey, das war nicht meine Idee.“, erwiderte Ceredrian beleidigt. „Abbe hat angefangen.“ „Kindsköpfe, alle beide.“, knurrte der große Druide und fügte etwas leiser hinzu: „Über´s Wasser laufen...pah. Gibt es etwas, das noch weniger sinnvoll ist?“ „Ich habe gerade entdeckt, dass ich das sowieso nur auf mich selber zaubern kann.“, versuchte Ceredrian sich noch schwach zu verteidigen, doch Easygoing hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Unbeirrt stapfte er durch das trockene, gelbe Gras in Richtung Küste. „Das war nicht gerade fair. Von ihm und von mir“, sagte Abbefaria und machte ein unglückliches Gesicht. „Tut mir leid.“ „Ach Schwamm drüber.“, grinste Ceredrian ehrlich. „Und was Easy angeht: Er wäre nicht er selbst, wenn er sich anders verhalten würde. Das renkt sich schon wieder ein.“ Wenig später erreichten die drei Nachtelfen das Meer und hielten einen Moment lang inne, um das Schauspiel, das sich ihnen bot, zu genießen. Vor ihnen breitete sich der kilometerlange Strand aus; Seevögel kreisten über ihren Köpfen und stießen gellende Schreie aus, der Wind pfiff ihnen nur so um die langen Ohren und das Meer brandete mit Macht gegen die flache Küste. Das Wasser war aufgewühlt, die Wellen trugen Schaumkronen und warfen die Gischt hoch auf den hellen Sand. „Kein Wunder, dass ein Zwergenschiff hier gesunken ist.“, sagte Easygoing, während sie auf dem Kamm einer Düne entlang wanderten. „Bei ihrer Wasserangst verstehen sie sicherlich nicht viel von der Seefahrt. Außerdem liegen Zwergeschiffe bestimmt tief im Wasser.“ Gemeinsam lachten die drei Nachtelfen über den Scherz und die vorangegangenen Streitigkeiten waren vergessen. Ausgelassen tollten sie die mit kurzem, harten Gras bewachsenen Hügel hinunter und Abbefaria rief: „Jetzt müssen wir nur noch das Schiff finden, den Anhänger holen und dann können wir endlich wieder nach hause.“ „Und genau das könnte ein wenig schwieriger werden, als wir angenommen hatten.“, knurrte Easygoing, der so abrupt stehen geblieben war, dass die beiden anderen Mühe hatten, ihm noch auszuweichen. Irritiert folgten sie seinem Blick und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Soweit sie sehen konnten reihte sich ein Schiffswrack an das andere. Ganze Flotten schienen an diesem Strand auf Grund gelaufen zu sein, die hölzernen Rümpfe aufgerissen, die Masten gebrochen und die Segel zerfetzt vom brausenden Wind. „Aber wie sollen wie hier jemals das richtige Schiff finden.“, ächzte Abbefaria und ließ sich in den Sand plumpsen. „Das wird ja ewig dauern.“ „Nicht nur das.“, stellte Easygoing fest und wies in Richtung der Schiffe. „Wir sind nicht die ersten, die hier nach Schätzen suchen.“ Abbefaria kniff die Augen zusammen und inspizierte die Wracks genauer. Zuerst machte er nur eine undeutliche Bewegung aus, doch als er das Aufblitzen von gelben Schuppen sah, stöhnte er unwillkürlich auf. „Murlocs!“ Easygoings Gesicht verfinsterte sich. „Richtig. Und ich denke nicht, dass diese Exemplare viel friedlicher sein werden als die, die die Küsten von Kalimdor heimsuchen. Wir werden kämpfen müssen.“ „Das wird eine sehr lange Nacht werden.“, griente Ceredrian und zwinkerte Easygoing schelmisch zu. „Vielleicht sollte ich doch ein paar Gebete an Elune schicken. Nur so für alle Fälle.“ Abbefaria starrte finster auf die Schiffsleichen und die darin herumwühlenden Murlocs. Wenn eines von ihnen die verlorene Anhägerhälfte an Bord gehabt hatte, dann würden sie ewig brauchen, um ihn zu finden, denn sicherlich hatten die räuberischen Fischwesen inzwischen alles an sich gebracht, das nicht niet- und nagelfest war. Aber was wenn… „Was ist, wenn das Schiff schon weiter draußen gesunken ist?“, sprach er seinen Gedanken aus. Easygoing sah ihn skeptisch an. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ „Ich weiß nicht.“, gab der junge Druide zu. „Irgendetwas sagt mir, dass wir weiter draußen nach der zweiten Hälfte des Schmuckstücks suchen müssen.“ Easygoing runzelte nachdenklich die Stirn. „Gib mir einmal die erste Hälfte.“, sagte er dann. Umständlich kramte der kleinere Druide den Teil des Schmuckstücks heraus, den sie vor der Küste von Darkshore gefunden hatten. Konzentriert starrte Easygoing auf das ziselierte Stück Silber. Minuten vergingen, dann nickte er entschieden. „Wir müssen weiter raus. Der zweite Teil liegt in tieferem Wasser.“ „Und das weißt du woher?“, stichelte Ceredrian. „Von dem Anhänger.“, erklärte Easygoing. „Es ist…irgendwie weiß es, dass der andere Teil dort draußen ist. Immerhin ist das ein magischer Gegenstand.“ Ohne zu fragen nahm Ceredrian seinem Cousin das Schmuckstück aus der Hand. Er drehte und wendete es und zuckte schließlich mit den Achseln. „Es ist hübsch.“, sagte er. „Sieht so aus, als wäre es irgendein Tier oder so was. Aber gespürt habe ich rein gar nichts.“ „Vielleicht wirkt es nur bei Druiden.“, mutmaßte Abbefaria. „Mach dir nichts daraus. Druidische Fähigkeiten sind eben nicht jedem gegeben.“ Ceredrians Gesicht sprach aus diese Aussage hin Bände, er erwiderte jedoch nichts. Allerdings kam man nicht umhin, seine Schadenfreude zu bemerken, als sich die beiden Druiden wenig später durch das schäumende Meer kämpften und dabei jede Menge der salzigen Flüssigkeit schluckten, während er gemütlich etwa einen halben Meter über der Wasseroberfläche entlang lief und lediglich ein paar feuchte Spritzer abbekam. „Schon was gefunden?“, rief er scheinheilig gegen den heulenden Wind an und blickte auf die beiden Druiden hinab. „Oder hat euer treuer Anhänger euch keine genauen Koordinaten mitgeteilt? Jammerschade.“ „Wenn er noch ein Wort sagt, bade ich diese kleine Ratte bis er schrumplig und runzlig ist.“, fauchte Easygoing und bereute diesen Ausbruch sofort wieder, da ihm eine heimtückische Welle eine ganze Ladung Salzwasser ins Gesicht und den offenen Mund schüttete. Spuckend und würgend paddelte er weiter und beschränkte sich von jetzt an darauf, dem Priester wütende Blicke zuzuwerfen. Das Wasser um sie herum wurde immer tiefer und dunkler. Die Küstenlinie war fast nicht mehr erkennbar, so weit waren sie bereits hinaus geschwommen. Und immer noch zog es Abbefaria weiter vom Ufer weg. „Wir sollten einmal nachsehen, wie tief es hier ist.“, rief Easygoing und versuchte dabei den Kopf so gut wie möglich über Wasser zu halten. „Wenn wir zu weit hinausschwimmen, so dass wir den Grund nicht mehr erreichen können, ist es sowieso sinnlos weiter zu suchen.“ Abbefaria nickte nur, dass er verstanden hatte und gab Easygoing ein Zeichen ihm zu folgen. Gemeinsam tauchten die beiden Druiden in die dunklen Fluten. Nach dem Tosen der Wellen und dem Heulen des Windes, wirkte die plötzliche Stille, die auf ihre Ohren drückte, beinahe unwirklich. Dumpf ertönte das Brausen der gewaltigen Wassermassen, die über ihnen bewegt wurden. Hier unten jedoch spürte man nichts von dem Wind und dem Sturm und das Wasser schien beinahe warm gegen die stürmische Oberfläche. Mit kräftigen Schwimmzügen glitten die beiden Druiden tiefer hinab, bis sie schließlich den sandigen Grund erreichten. Hier wuchsen nur wenige Pflanzen und bis auf ein paar hektisch von dannen huschende Fische konnte man keinerlei Bewegung ausmachen. Mit Handzeichen verständigten die zwei sich darüber, eine Strecke am Grund entlang zu tauchen, bevor sie das Bedürfnis nach Atemluft wieder an die Oberfläche zwingen würde. Besonders weit sehen konnte man in den aufgewühlten Fluten, in denen die ständigen Wellenbewegungen den Sand vom Grund aufgewirbelt hatten, jedoch nicht. So kam ihre Suche einem Herumtappen mit verbundenen Augen gleich, bei dem man noch nicht einmal wusste, wie groß der Raum war, in dem man sich befand. Der Boden unter ihnen begann abzufallen; immer tiefer hinab tauchten sie, so dass sie die Wasseroberfläche über sich nur noch als undeutlichen, hellen Schimmer ausmachen konnten. Dazu kam, dass es langsam immer dunkler wurde. Bald schon würden sie in dieser Tiefe überhaupt nichts mehr erkennen können. Sie erreichten eine steile Felskante, an der der Meerboden beinahe senkrecht in die Tiefe zu stürzen schien. Nur an einer Stelle war die Kante eingebrochen und bildete dort eine Art kleine Schlucht. Dahinter konnte man undeutlich die Umrisse eine Schiffes wahrnehmen, dass nur noch auf einem kleinen Vorsprung hängen geblieben war, der es davor bewahrt hatte, endgültig in den Abgründen des Meeres zu versinken. Der Rumpf des Schiffes war von der Kollision mit den Felsen leck geschlagen und aus seiner Seitenwand waren große Stücke herausgerissen worden. Von den fehlenden Trümmern war jedoch keiner auf dem Felsvorsprung zurück geblieben. Wahrscheinlich hatten die ewigwährenden Bewegungen des salzigen Wassers sie bereits über die Kante gezogen. Abbefaria wollte schon in eine andere Richtung weiter schwimmen, als er halb vergraben im Sand den Umriss eines kantigen Gegenstands erkennen konnte. Er wollte Easygoing gerade davon berichten, da fasste der andere Druide ihn bereits am Arm und gab ihm hektisch Zeichen wieder aufzutauchen. „Ich habe eine Kiste gesehen.“, berichtete Abbefaria nach Luft schnappend, als sie wieder an der Wasseroberfläche ankamen. „Wir müssen wieder hinunter. Was, wenn der Anhänger dort drin ist?“ Er schwieg, als er Easygoings ernstes Gesicht sah. „Was ist?“ „Dort unten ist etwas.“, erklärte Easygoing. „Ich weiß nicht, was es war. Ich habe nur einen großen Schatten gesehen, der sich ein paar Meter von uns entfernt langsam durch das Wasser schob.“ „Ein Tier.“, vermutete Abbefaria. „Gefährlich?“ „Wir müssen es annehmen.“, antwortete Easygoing und ruderte mit den Armen, damit Ceredrian sah, wo sie jetzt waren. Eilig kam der Priester herbei gelevitiert. „Habt ihr ihn?“, wollte er wissen und strich sie die widerspenstigen weißen Strähnen hinter die Ohren, die ihm der Wind sofort wieder ins Gesicht peitschte. „Nein.“, sagte Easygoing. „Und dort unten ist irgendein großes Tier.“ „Na wunderbar.“, grinste Ceredrian. „Dann solltet ihr ja kein Problem damit haben.“ Verständnislos sahen die beiden patschnassen Druiden ihren Freund an. „Ja muss man euch denn alles erklären.“, stöhnte Ceredrian theatralisch. „Habt ihr ein Glück, dass ich diesen neuen Zaubers beherrsche. Ihr wärt ja ohne mich total aufgeschmissen. Nur weil ich so toll über´s Wasser laufen kann.“ „Ja ja, ist ja schon gut.“, knurrte Easygoing. „Du bist so hohl, du schwimmst sogar auf Milch. Also raus jetzt mit der Sprache, was sollen wir machen?“ Der Priester zog zwar zunächst eine beleidigte Schnute, aber er wusste, dass die Lage zu ernst war, um noch lange Faxen zu machen. Vorwurfsvoll sah er Easygoing an. „Na wenn das dort unten ein Tier ist, warum besänftigt du es dann nicht einfach. Ich habe schon oft genug zugesehen, wie du die Nachtsäbler in Darnassus umgarnt hast, um an ihnen vorbei zum Fenster im Umkleideraum der Schildwachen zu kommen. Oder Abbe schläfert es ein, wie er es so gerne macht, wenn du ihm als Bär zu sehr auf die Pelle rückst.“ „Ceredrian, manchmal bis du doch zu etwas zu gebrauchen.“, lachte Easygoing. „Komm, lass mich dich in meine Arme schließen.“ Bevor der Priester reagieren konnte, hatte der große Druide seine Füße gepackt und ihn in die Wellen gezogen. Der weiße Schopf verschwand kurz unter Wasser, nur um dann zeternd und schimpfend wieder aufzutauchen. „So dankt man mir also meine Hilfe. Na warte, das merke ich mir. Komm du mir nur an Land, mein Freund, dann verabreiche ich dir eine Tracht Prügel, dass du drei Tage nicht auf deinem Bärenhintern sitzen kannst. So eine Unverschämtheit!“ Mit einem Blick, der jeden anderen sofort in den Tiefen versenkt hätte, erhob sich Ceredrian mit seinem Levitationszauber wieder aus den Fluten und lief triefend und tropfend zurück ans Ufer. Der Sturm jagte unterdessen mit Macht heran. Die Wolken schossen in Fetzen über den Himmel und das Jaulen des Windes war beinahe so laut geworden, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. „Sollen wir die Bergungsaktion nicht vielleicht verschieben.“, brüllte Easygoing gegen das Tosen und Brausen an. „Ich fürchte, die Klippe könnte abbrechen und alles, was darauf liegt könnte in die Tiefe stürzen.“, rief Abbefaria zurück, doch der Sturm riss ihm die Worte vom Mund weg. Daher schüttelte er nur den Kopf und deutete nach unten. Easygoing nickte, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Beinahe gleichzeitig tauchten die beiden Druiden wieder in die Tiefe. Die Zunahme der Sturm war auch hier unten nicht ohne Folgen geblieben. Das Wasser war noch aufgewühlter, kleine Luftbläschen waren jetzt überall im Wasser und minderten die Sicht. Abbefaria schätzte, in welche Richtung er tauchen musste und stieß sich kräftig ab. Die Truhe hatte ein ganzes Stück unterhalb der Riffkante gelegen. Er musste sich beeilen, wenn er noch vor dem Ende seiner Atemluft dort hinunter und dann auch wieder hinauf tauchen wollte. Immer tiefer glitten die beiden Nachtelfen in Richtung der verheißungsvollen Truhe. Schon spürte Abbefaria, wie seine Kräfte zu erlahmen begannen, und er versuchte, noch die letzten Reserven zu mobilisieren. Da glitt ein großer Körper auf ihn zu. Der riesige, breite Kopf hatte das Maul weit aufgerissen und der Nachtelf blickte auf mehrere Reihen messerscharfer Zähne. Ein einziger Biss wäre genug gewesen, um ihm einen Arm oder gar ein Bein abzureißen. Nur mit einer schnellen Drehung gelang es ihm, dem Angriff des Tiers auszuweichen. Ledrige Haus glitt an ihm vorbei und die Schwanzflosse des Tieres schlug ihm um die Ohren. Blitzartig wendete es und startete erneut einen Angriff. Die steil aufgestellte Rückenflosse pflügte durch das Wasser und der merkwürdig geformte Kopf schoss auf Abbefaria zu. Es war zu spät, um dem Tier noch auszuweichen, zu spät, um einen Zauber zu wirken, zu spät… Nur Zentimeter bevor die Zähne sich in seine Schulter bohrten, erschlaffte das Tier plötzlich. Die hektisch peitschende Schwanzflosse bewegte sich nicht mehr und aus dem schnellen Vorwärtsschwimmen wurde ein langsames Gleiten. Unfähig sich zu rühren, betrachtete Abbefaria das graue Tier, dessen lidlose Augen ihn selbst im Schlaf noch bösartig anstarrten, genauer. Die kreisrunden Augen saßen an der Seite des Kopfes, der so aussah, als hätte das Tier irgendetwas quer verschluckt. Mehrere Kiemenschlitze kurz hinter dem Ende des abgeflachten Kopfes ermöglichten die Atmung unter Wasser und der stromlinienförmige Körper endete in einer gegabelten Schwanzflosse. Doch Abbefaria hatte nicht vergessen, dass in dem lächerlich breitern Maul sehr viele, sehr spitze Zähne saßen. Es wurde Zeit, von hier zu verschwinden, zumal er merkte, dass sein Atemvorrat langsam knapp wurde. Mit kräftigen Schwimmzügen stieß er tiefer in Richtung der vorspringenden Felsnase. Neben sich bemerkte er kurz darauf Easygoing. Er sandte einen dankbaren Blick an seinen Freund, der die Meereskreatur im letzten Moment in Winterschlaf versetzt hatte. Easygoing grinste breit und reckte beide Daumen nach oben. Dann bedeutete er dem anderen Druiden, dass sie sich beeilen mussten. Der Weg zu der versunkenen Kiste war weiter als gedacht. Endlich gelangten sie zu der Stelle, an der die verlorene Fracht halb im Sand vergraben lag. Ein paar kräftige Handgriffe später war die Kiste geborgen und das Schloss geknackt. Easygoing wühlte achtlos in den Papieren und Pergamentrollen, die sich wie eigenartige Fische um sie herum im Wasser verteilten und von der Strömung langsam aber sicher aufs offene Meer hinausgezogen wurden. Endlich holte er mit siegessicherem Gesicht ein silbrig blinkendes Schmuckstück aus der Truhe. Er und Abbefaria wusste beide sofort, dass dies der gesuchte Anhänger war. Bunte Punkte begannen vor Abbefarias Augen zu tanzen. Er musste dringend an die Oberfläche zurück und seinen rebellierenden Lungen frische Luft gönnen. Er wollte schon aufsteigen, als Easygoing ihn festhielt. Panisch wies er nach oben und Abbefaria überlief es eiskalt, als er sah, dass das graue Tier wieder zu neuem, hungrigem Leben erwacht war. Wie ein Pfeil schoss es durch das Wasser auf die beiden Nachtelfen zu. Abbefaria versuchte, den richtigen Spruch zu rezitieren, um es erneut einzuschläfern, doch das gewaltige Brausen in seinen Ohren machte ihn schwindelig. Sein Blick wurde unscharf und die wässrige Welt um ihn herum begann sich zu drehen. Er verstand, dass er im Begriff war zu ertrinken. In seinem eingeschränkten Blickfeld erschien einen leuchtend weiße Muschel. Große Blasen stiegen aus ihrer Schale auf und ohne zu überlegen legte Abbefaria seinen Mund auf die kantige Öffnung. Gierig sogen seine Lungen die so lange vermisste Luft auf. Die Punkte vor seinen Augen verschwanden und das Sausen in seinen Ohren verebbte auf ein erträgliches Maß. Er nahm noch einen tiefen Atemzug und sah sich nach Easygoing um. Der große Druide befand sich neben ihm im Wasser, doch es schien im ähnlich schlecht zu gehen wie Abbefaria noch vor wenigen Augenblicken. Er schüttelte seinen Kopf und versuchte, die herannahende Gefahr im Blick zu behalten. Bevor ihm vollends die Sinne schwanden, hatte Abbefaria ihn gepackt und sein Gesicht vor die blubbernde Öffnung gedrückt. In diesem Moment fühlte er, wie sich scharfe Zähne in seine Wade bohrten. Große Luftblasen stiegen anstatt eines Schreis aus seinem Mund zur Oberfläche auf, als ein großes Stück Fleisch heraus gerissen wurde und das umliegende Wasser sich rot färbte. Mit Mühe ignorierte er den beißenden Schmerz in seinem Bein, der noch durch das Salzwasser verstärkt wurde, und sandte seine heilenden Kräfte zu dem verletzten Körperteil. Aber das Biest hatte noch nicht genug. Wieder schoss es heran. Doch diesmal stellte sich ihm jemand in den Weg. Mit einem gewaltigen Faustschlag betäubte Easygoing den Hai und versetzte ihn gleich danach wieder in Winterschlaf. Hektisch gab er Abbefaria Zeichen aufzutauchen. Die beiden Druiden durchstießen beinahe gleichzeitig die Wasseroberfläche. Keuchend und nach Luft schnappend schwammen sie in der stürmischen See, deren Wellen inzwischen fast einen Meter hoch waren. „Wir müssen hier schnellstens weg.“, brüllte Easygoing gegen das Heulen des Sturms an. „Ich glaube, der kommt noch mal. Wenn wir es nicht rechtzeitig zum Ufer schaffen…“ Abbefaria antwortete nicht; er musste alle seinen Sinne darauf konzentrieren, nicht durch die Anstrengung und die Schmerzen in seinem Bein ohnmächtig zu werden. Mit zusammengebissenen Zähnen begann er in Richtung Ufer zu paddeln. Kurze Zeit später bemerkte er dankbar, dass Easygoing ihn am Gürtel gepackt hatte und seine kraftlosen Schwimmbewegungen mit seinen eignen tatkräftig unterstützte. Trotzdem erschien es ihm wie Stunden, bis sie endlich das rettende Ufer erreichten. Völlig erschöpft schoben sich die beiden Nachtelfen auf den nassen Sand und legten sich schwer atmend auf den Rücken. Der Wind tobte und fegte über sie hinweg und ein heftiger Regen setzte ein. Er wusch Salz und Blut von ihnen ab und entfernte auch den Sand, der ihre müden Gesichter bedeckte. Mühevoll drehte Easygoing seinem Freund den Kopf zu. „Wir haben´s geschafft, Kumpel.“, sagte er mit einer heiseren Stimme, nicht viel lauter als der herabrauschende Regen. Er grinste und hob er die rechte Hand, von der ein silberner Anhänger baumelte. „Wir haben´s endlich geschafft.“ Am nächsten Morgen erhielt der glorreiche Triumph der zwei Freunde allerdings einen gehörigen Dämpfer. Zwar hatten sie ihre Aufgabe, den verloren gegangenen Anhänger wieder zu beschaffen, erfolgreich beendet, doch hatte das Schicksal ihnen dafür einen Racheengel in Form eines stinksaueren Nachtelfenpriesters beschert. Und mit diesem war gar nicht gut Kirschenessen. „Au! Das tut verdammt weh.“, jammerte Abbefaria mit Tränen in den Augen. „Kannst du den Verband nicht etwas weniger straff machen?“ Ceredrian knurrte nur und zog die weiße Leinenbinde noch strammer. „Wehleidiger Druide.“, schnaubte er abfällig. „Ich könnte ja meine Kräfte einsetzen, aber damit du mal weißt, was du an mir hast, kannst du jetzt schön warten, bis deine Bisswunden von alleine verheilt sind. Vielleicht überlegst du dir dann ja nächstes Mal, ob du dich wirklich mit einem Hai zum Abendessen verabreden willst.“ „Du bist wirklich unfair.“, maulte Easygoing, der zwar keine Verbände trug, jedoch auffällig humpelte und sich immer wieder an den verlängerten Rücken fasste. „Erst vertrimmst du mich armen, ausgelaugten Druiden, der gerade einen anstrengenden Kampf hinter sich hat, und dann verweigerst du auch noch deine Hilfe.“ „Du hättest die Herausforderung zu dem Duell ja ablehnen können.“, giftete Ceredrian und schlug noch einmal bekräftigend auf Abbefarias Verband, der daraufhin schmerzerfüllt aufjaulte. „Für euch beide ist es viel zu selbstverständlich, dass ich euch helfe. Ihr könntet ruhig mal etwas Dankbarkeit zeigen.“ „Wir sind noch bei dir, das muss reichen.“, sagte Easygoing übellaunig. „Immerhin hätten wir dich auch einfach hier lassen können und uns mit dem speziellen Druiden -Zauber auf die Mondlichtung teleportieren können. Druiden können so was nämlich.“ „Und Priester können das hier.“, schnappte Ceredrian und murmelte eine Formel. Easygoings Augen wurden glasig und sein Blick leer. Wie eine Marionette begann er, auf eine schlammgefüllte Grube zuzugehen, die sich durch den nächtlichen Regenguss auf einem der Felder in Westfall gebildet hatte. Ohne anzuhalten watete der große Druide bis zur Mitte des Tümpels, ließ sich auf alle Viere nieder und begann sich selbst mit dem stinkenden Morast einzureiben. Erst dann entließ ihn Ceredrian wieder aus der Gedankenkontrolle. „Du verdammter…“, brüllte Easygoing. „Wenn ich dich erwische, mach ich Priester-Kebap aus dir!“ „Geh dich lieber waschen.“, gab Ceredrian ungerührt zurück. „Wenn wir nach Stormwind kommen, solltest du vielleicht nicht aussehen, als hätten wir dich gerade frisch aus der Gosse gefischt.“ „Wer sagt, dass wir nach Stormwind gehen?“, erkundigte sich Abbefaria höflich. Er hatte keinerlei Bedürfnis, Easygoing bei seinem Schlammbad Gesellschaft zu leisten. „Ich sage das.“, antwortete der Priester. „Ich habe die Nase gestrichen voll von dieser Einöde, den Fliegen, Mücken und Schnaken und vor allem von dieser völligen Einsamkeit. Mag ja sein, dass euch dieses im Einklang mit der Natur sein genug ist, aber ich hätte gern mal wieder etwas zivilisierte Gesellschaft und vor allem ein warmes Bad und ein paar neue Kleider. Diese hier stinken und sind total zerrissen.“ „Eitler Tropf“, grummelte Easygoing wohlweislich so leise, dass sein Cousin es nicht hören konnte. Doch schließlich fügte er sich dem Unvermeidlichen und humpelte gemeinsam mit Abbefaria einem fröhlich pfeifenden Priester hinterher auf dem Weg in die Hauptstadt der Menschen. Fröstelnd zog Magenta die dünne Decke bis zum Kinn und versuchte, die klamme Kälte zu ignorieren, die mit feuchten Fingern daran zupfte. Das Rauschen der Wellen, die den grauen Strand von Darkshore hinauf rollten, lullte sie ein und wiegte sie zurück in den unruhigen Schlaf, aus dem irgendein störendes Geräusch sie gerissen hatte. Da war es wieder! Ein huschendes Klicken, so als würden dünne Horn- oder Knochenstücke aneinander schlagen. Magenta kniff die Augen fest zu, doch schließlich siegte ihre Neugierde. An Schlaf war sowieso nicht mehr zu denken. Langsam öffnete sie ein Auge…und schrie vor Schreck auf. Vor ihr ragte ein gepanzertes Ungetüm auf. Augenstiele glotzten auf sie herab und eine riesige, mit Seepocken besetzte Klauenschere reckte sich angriffslustig in ihre Richtung. Das war entschieden zu viel. Mit einem gewaltigen Satz sprang die Hexenmeisterin auf, warf die bis eben noch vermeintlich sichere Decke von sich und erkletterte in Windeseile einen der nahen Felsen. Von dort aus spähte sie ängstlich auf die geschützte Nische hinab, in der sie und Abumoaham die Nacht verbracht hatten. Unter ihr kämpfte indes das Untier, das sie so ungestüm geweckt hatte, mit der Tücke des Objekts. Unter dem Stoff von Magentas Schlafdecke ragten mehrere Beine hervor, allesamt dünn und ebenso gepanzert wie der Rest des Tieres. Es taumelte von rechts nach links und versuchte immer wieder, sich aus der Umklammerung der widerspenstigen Bedeckung zu befreien. Es sah aus, als mache ein Tisch seine ersten Gehversuche. Endlich gelang es ihm die Decke abzuwerfen. Ein vorwurfsvolles Stielauge richtete sich auf Magenta, die zum ersten Mal einen guten Ausblick auf den flachen, gepanzerten Körper hatte. Das Tier klapperte geräuschvoll mit den gewaltigen Scheren am Ende seiner Vorderbeine und stolzierte dann klickend und klackend seitwärts von dannen in Richtung Meer. In dem Moment, als das gepanzerte Ungetüm gerade in den Fluten untergetaucht war, erschien Abumoaham auf der anderen Seite des Strandes. Er kam aus dem angrenzenden Wald und trug einige würzig duftende Zweige in seiner Hand. „Guten Morgen!“, rief er fröhlich zu Magenta hinauf. „Ich besorgt Kräuter für Stärkung zu Frühstück. Aber was du machen auf Felsen? Frühsport? Ich gehört, das sehr erquicklich.“ „D-da war ein Tier.“, stotterte Magenta und machte sich verlegen an den Abstieg. „Es war riesengroß, hatte einen Panzer und füchterliche Klauen.“ Abumoaham legte den Kopf schief. „Viele Beine?“ „Ziemlich viele.“, bestätigte Magenta. „Und es zischte und fauchte so komisch.“ Der Magier unterdrückte sichtlich ein Grinsen. „Das muss gewesen sein Küstenkriecher. Zu schade, ich nicht da gewesen. Kriecherfleich sehr schmackhaft.“ „Kriecher aha.“, murmelte Magenta. Irgendwie klang das nicht besonders gefährlich. Mit einem Mal kam sie sich ziemlich albern vor. Abumoaham lächelte versöhnlich. „Ich uns erstmal machen heiße Tasse Tee. Du sehen, mit Frühstück gleich alles sein viel besser.“ Tatschlich wärmte der Tee Magenta wieder so richtig auf und auch ihr Magen freute sich über ein paar herbeigezauberte Muffins. So gestärkt machten sie und Abumoaham sich auf, den langen, nebelverhangene Strand von Darkshore entlang zu laufen. Die Landschaft bot wenig Abwechslung und so erschienen Abumoahams Schilderungen von dem, was sie erwartete, noch phantastischer. Teldrassil, der gewaltige Baum, in dessen Krone die Nachtelfen lebten und sogar ihre Hauptstadt errichtet hatten, war angeblich so hoch, dass man von seinem Fuß die Spitze nicht erkennen konnte und seine Wurzeln reichten bis auf den Meeresgrund hinab. Magenta konnte sich nicht vorstellen, dass das stimmte, doch als sie ihren Fuß auf den schmalen Landstreifen vor dem riesigen Baum setzte, stockte ihr hörbar der Atem. So weit ihre Augen reichten, sah sie nur noch Baum. Hinter ihr lag das Schiff vor Anker, dass sie hergebracht hatte. Eine kleine Fähre, auf der ein älterer Nachtelf über eine kleine Mannschaft von Seeleuten gebot, lag hinter ihnen vor Anker. Ein kräftiger Arm legte sich um Magenta und sie spürte Abumoahams warmen Atem in ihrem Nacken. „Du sehen?“, sagte er leise. „Ich nicht zu viel versprochen.“ „Nein.“, antwortete Magenta, die endlich ihre Sprache wieder gefunden hatte. „Das ist einfach…gigantisch.“ „Du sehen, es werden noch viel besser.“, lachte der Magier und zwinkerte ihr zu. Hand in Hand gingen die beiden auf ein Gebilde auf Zweigen und Wurzeln zu, zwischen denen ein intensives, rotviolettes Licht herrschte. Zwei Wachen waren rechts und links des Lichts postiert. Abumoaham richtete ein paar Worte an sie und die eine der beiden machte eine knappe Geste in Richtung des hellen Scheins. Sie durften passieren. Ohne zu zögern trat Abumoaham in das Licht und zog Magenta mit sich. Instinktiv schloss sie die Augen, um sich gegen den grellen Schein abzuschirmen, und als sie sie wieder öffnete, blickte sie auf ein Schauspiel von Millionen von Farben. Wasserblau, indigo und aquamarin gingen über in türkis, cyan und smaragdgrün und weiter zu ocker, umbra und golbbraun. Violette und purpurne Blätter bedeckten die allgegenwärtigen Bäume und filterten das einfallende Sonnenlicht zu einem amnethystfarbenden Schimmern. Alles schien sich mit einer unendlichen Langsamkeit zu vollziehen, so dass sogar die ab und an von den Bäumen herabsegelnden Blätter sich eher in einem träumerischen Tanz zu wiegen schienen, als lediglich den Gesetzen der Schwerkraft zu folgen. Filigrane Brücken wanden sich über Wasserläufe, die die ganze Stadt durchzogen. Man sah stolze Bauten aus weißem Marmor, deren runde Kuppeldächer mit kostbaren Einlegearbeiten versehen waren. Andere Häuser schienen direkt in kleinere Bäume hinein gebaut worden zu sein und aus einem von ihnen, das auf einem zentralen Platz stand, hatte man einen riesigen Bären heraus geschnitzt. Pagoden und Türme schmückten jedes Gebäude, die so gebaut waren, dass man durch die weiten Fenster und offenen Türen direkt in das Innere blicken konnte. Wo immer Magenta auch hinsah, fand sie etwas Neues, das sich zu entdecken lohnte. Eichhörnchen sprangen um ihre Füße und leuchtende Lichtkugeln schwebten klingelnd vorbei und verschwanden ebenso plötzlich, wie sie gekommen waren, wenn Magenta versuchte eine von ihnen zu fassen oder zumindest einen genauen Blick auf sie zu werfen. Abumoaham erklärte ihr dann, dass es sich dabei um Irrwische handelte; Naturgeister, denen die Nachtelfen und die restlichen, sterblichen Völker einst ihre Rettung zu verdanken hatten. Am seltsamsten waren jedoch die Nachtelfen selbst. Obwohl einige von ihnen auf den geschwungenen Straßen und Gassen unterwegs waren, wirkte die Stadt nicht hektisch oder gar überfüllt und alles geschah nach einer Art Ritual. Begrüßungen, Verbeugungen, selbst alltägliche Dinge wie der Erwerb eines Apfels waren offensichtlich mit vielen, kleinen Gesten und Regeln verbunden, die Magenta weder durchschaute, noch verstand. Allerdings schien sich niemand daran zu stören, denn die junge Hexenmeisterin wurde ebenso wenig beachtet wie ihr Begleiter. Allein die Tatsache, dass man sie nicht ständig anrempelte bewies, dass man sie durchaus wahrnahm. Selbst als Abumoaham nach dem Weg zu einem bestimmten Laden fragte, bekam er zwar eine ausgesprochen höfliche Antwort, doch Augenblicke, nachdem er sich bedankt hatte, schien der angesprochenen Nachtelf ihn schon wieder komplett vergessen zu haben. Auch als Magenta vor dem Geschäft wartete, in dem Abumoaham einige Schriftrollen und seltene Kräuter erstand, gingen die Nachtelfen teilweise so dicht an ihr vorbei, dass sie nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Doch keiner ließ auch nur mit einem Wimpernschlag erkennen, dass er die Menschenfrau bemerkt hatte. Allerdings gab es auch Nachtelfen, bei denen Magenta dieser Umstand durchaus lieb war. Die leicht gepanzerten Wachen, die auf geschmeidigen, schwarzen Raubkatzen durch die Straßen patrouillierten (und wie Magenta bemerkte, ausschließlich weiblich waren), boten einen ehrfurchtsgebietenden Anblick. Die Hexemeisterin war froh, dass sich keines ihrer seltsam leuchtenden Augenpaare auf sie richtete. Einzig einer der Nachtsäbler witterte einmal in ihre Richtung und fauchte warnend, bis seine Reiterin ihn weiter vorantrieb. Unwillkürlich rückte Magenta näher an Abumoaham, der so eben aus dem Laden getreten war und jetzt beruhigend den Arm um sie legte. „Ich erledigt meine Besorgungen hier.“, erklärte er. „Nun wir nur noch gehen zu Elissa Dumas in Tempel des Mondes. Ich lernen will neuen Portalzauber nach Darnassus.“ „Ob es hier auch“, Magenta senkte die Stimme, „Hexenmeister-Lehrer gibt?“ Abumoaham schüttelte entschieden den Kopf. „Nachtelfen niemals würden dulden Dämonen in Darnassus. Sie böse.“ Als er Magentas bestürztes Gesicht sah, strich er ihr sanft über die Wange. „Keine Angst. Nachtelfen auch nicht sonderlich mögen Magier. Sie denken, Magie von Natur allein sein gut.“ Magenta ließ ihren Blick über die Brücken, Teiche und Bäche, die phantastischen Bauten und die opulenten Gärten, die friedliche Ruhe und das wohlgeordnete Leben der Nachtelfen schweifen und begriff, dass die zerstörerischen, chaotischen Kräfte von Magie und Dämonen hier völlig fehl am Platz waren. Dies hier war etwas Heiliges, Reines, dessen Vollkommenheit nicht zerstört werden durfte. Vollkommenheit, haha, meldete sich da Pizkols bösartige Stimme in Magentas Kopf. Alles nur Theater und Fassade. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, wie alles zerfällt. Erkennst du es denn nicht? Die Welt der Nachtelfen stirbt. Das ist nicht wahr, gab Magenta patzig zurück, doch der Zauber des Neuen war verflogen. Wohin sie auch blickte, entdeckte sie jetzt Makel und Risse in dem herrlichen Bild. Die Marmorsäulen waren von Ranken überwuchert, die den weißen Stein brüchig werden ließen. Die Baumhäuser waren schief und krumm und würden bei einem ordentlichen Regenguss keinerlei Schutz vor der Witterung bieten und die vielen Tiere verbreiteten sicherlich allerlei Krankheiten. Magenta beschloss, dass Darnassus kein Ort war, an dem sie länger als nötig verweilen wollte. Gemeinsam betraten Abumoaham und Magenta jetzt ein großes Gebäude, wobei Gebäude eine eher unpassende Bezeichnung dafür war. Im Grunde genommen bestand es nur aus einigen Plattformen und ein paar Torbögen, auf denen alberne Nachtelfen alberne Spielchen machten. Das Klirren der Waffen hallte zwischen den Säulen wieder und gegen ihren Willen musste Magenta hinschauen. Eine Nachtelfe in einer silbernen Rüstung bellte Befehle auf Darnassisch über die schwitzende Schar auf den Terrassen und auch hier sah Magenta fast ausschließlich weibliche Nachtelfen, die unter den strengen Augen der Ausbilderin oder was auch immer völlig simultan Übung um Übung absolvierten. Magenta versuchte sie ebenso zu ignorieren wie den etwa zehn Meter hohen Baum, der mit einem Mal anfing, sich zu bewegen. Knarzend und knorrend walzte er sich an den Torbögen vorbei, aber die junge Hexenmeisterin hatte beschlossen, sich nicht mehr beeindrucken zu lassen. Wenn sie hier nicht erwünscht war, dann konnte sie ebenso gut gleich gehen. „Sind wir bald da?“, fragte sie Abumoaham daher ungeduldig. Der Magier, der interessiert den Trainingseinheiten der Nachtelfen zugesehen hatte, schreckte aus seinen Gedanken hoch. „Natürlich.“, versicherte er ihr lächelnd. „Entschuldige, ich nicht bei der Sache. Wir bald wieder zurück in Stormwind.“ „Es wird Zeit.“, sage Magenta biestig. „Ich habe noch eine Verabredung mit einer…Freundin.“ Das Wort Sukkubus auszusprechen wäre vielleicht anhand der beiden Nachtelfen, die gerade vorbeiflanierten keine gute Idee gewesen. Die weibliche Nachtelfe kicherte albern und schüttelte ihren kurzen, grünen Wuschelkopf, während sie sich ganz unauffällig bei dem Krieger mit dem langen, weißen Pferdeschwanz einhängt. Gerissenes Bies t, dachte Magenta und verglich ihr Aussehen ungewollt mit dem der gertenschlanken Nachtelfe. Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend. Mürrisch stapfte sie daher hinter dem Magier her, der anscheinend beschlossen hatte, die Laune seine Begleiterin, so gut es ging, zu ignorieren. So gestimmt bemerkte Magenta nicht, wie sie auf eines der prächtigsten Gebäude der ganzen Hauptstadt zugingen. Breite Marmorbrücken führten sie hinauf zu dem runden Tempelgebäude, in dem die Priesterinnen des Mondes der Göttin Elune dienten. Schon immer hatte es Tempelbauten für die fahle Göttin gegeben; sie waren gekommen und vergangen und immer wieder hatten die Nachtelfen sie erneut aufgebaut als Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht. So war schließlich ein weißes Kleinod entstanden, das jedem, der die Hilfe der Schwestern benötigte, Zuflucht und Trost bot. Wenn man vom Tempel des Mondes sprach, so war dieses prachtvolle und zugleich schlicht wirkende Gebäude gemeint, dass auch am Tag wie ein steinernes Abbild des nächtlichen Himmelskörpers über die Kaldorei, die Kinder der Sterne, wachte. Innerhalb des Tempels war das Licht gedämpft und schien ausschließlich von einer mit leuchtendem Mondbrunnenwasser gefüllten Schale zu kommen, die in den nach oben gereckten Händen einer riesigen Statue der Göttin Elune ruhte. Der Boden des Tempelgebäudes war mit feinem, weichem Gras bewachsen und sogar kleine Bäume wuchsen im Inneren des Tempels. Magenta fand das höchst ungewöhnlich und gegen ihren Willen auch faszinierend. Hartnäckig versuchte sie sich einzureden, wie blöd es doch war, einen ständig feuchten Fußboden zu haben und fragte sich insgeheim, ob den Bäumen im Herbst wohl die Blätter abfielen und ob die Priesterinnen dann Laub kehren mussten. Leiser Gesang wehte durch die Hallen und fremdartig klingenden Instrumente unterstrichen die lieblichen Stimmen mit süßen Saitentönen. „Die Hohepriesterin scheint zu hause zu sein.“, flüsterte Abumoaham Magenta ins Ohr. „Wer?“ Magenta machte ein verständnisloses Gesicht, bis ihr schlagartig dämmerte, dass Abumoaham von Tyrande Wisperwind gesprochen hatte, dem offiziellen Oberhaupt der Nachtelfen. Dass sie sich im selben Gebäude befand, wie die legendäre Nachtelfe, schüchterte Magenta noch ein wenig mehr ein und verstärkte ihren Widerwillen. Trotzig schob sie die Unterlippe vor und wartete ungeduldig, bis Abumoaham endlich sein Gespräch mit einer Magierin beendet hatte, die anscheinend hier im Tempel lebte und arbeitete. Dabei fiel ihr Blick auf einen prächtigen, weißen Tiger, der langsam einen der Rundgänge entlang geschritten kam. Die Nachtelfen, an denen er vorbeikam, verbeugten sich vor ihm und grüßten die Raubkatze mit derselben Ehrfurcht, die Magenta beim Erscheinen eines Königs erwartet hätte. Und das bei einem Tier! Die junge Hexenmeisterin war froh, als Abumoaham ihr endlich ein Zeichen gab, dass sie den Tempel verlassen konnten. Wortlos beobachtete sie, wie er in einer abgelegenen Ecke der Tempelgärten die Portalrunen benutzte, um ihnen einen Weg nach Stormwind zu öffnen. Mit einem letzten Blick auf die schmerzhaft schöne Stadt der Nachtelfen, trat Magenta durch das Portal. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war.“, stöhnte Schakal und presste eines dieser kalten Glibberdinger, das er am Strand gefunden hatte, gegen sein blaues Auge. „Ach und Blade…“ Der junge Krieger stieß einen lauten Schmerzenschrei aus, als er den Arm mit der langen Schnittwunde im Wasser auswaschen wollte. „…Salzwasser brennt übrigens.“ „Wir hätten sie fast gehabt.“, schimpfte Emanuelle und fächelte sich mit einem Palmenblatt Luft zu. „Wenn es nur nicht so heiß wäre. Meine Zunge klebt am Gaumen; ich kann überhaupt nicht mehr zaubern, weil ich die Sprüche ständig vernuschele.“ „Dann zaubere doch einfach Wasser herbei.“, grollte Schakal. „Ich habe mal gehört, Magier können so was.“ Emanuelle schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ach ja richtig, wo hab ich nur meinen Kopf.“ Sie murmelte ein paar Worte und schon standen vor den drei müden Abenteurern einige Flaschen mit einer klaren Flüssigkeit. Schnell griff Bladewarrior nach einer der Flaschen und schüttete sich den kompletten Inhalt über den malträtierten Arm. Einige Sekunden lang entspannte sich sein Gesicht, dann schrie er wie von der wilden Waldspinne gebissen auf und stürzte sich kopfüber ins Meer. Misstrauisch nahm Schakal die leere Flasche und roch daran. Vorwurfsvoll hielt er sie anschließend auch Emanuelle unter die Nase. „Wasser, eh?“, macht er und sein Gesicht verzog sich zu eine breiten Grinsen. „Hast du noch mehr davon?“ Entgeistert sah die Gnomin auf die ominösen Flaschen und stöhnte. „Das ist ja Rum! Ich hab doch gesagt, ich kann nicht richtig zaubern bei dieser Hitze.“ „Ganz schön wehleidig für einen Feuermagier.“, spöttelte Schakal, entkorkte eine der restlichen Flaschen mit den Zähnen und nahm einen kräftigen Schluck. Nach der vernichtenden Niederlage, die ihnen ihr Überfall auf ein Lager der Bloddsail-Piraten eingebracht hatte, war das jetzt genau das Richtige. „Guckt mal, was ich gefunden habe!“, rief da Bladewarrior und kam mit einer weiteren Flasche in der Hand wieder an Land. „Die steckte im Sand.“ „Also macht was ihr wollt, ich hab meine Flasche.“, grinste Schakal und leerte seinen Fund bis zur Hälfte. „Jetzt geht´s mir wieder gut. Und Alkohol desinfiziert ja auch.“ „Aber nicht, wenn man ihn trinkt.“, stichelte Emanuelle. „Nun zeig schon, was du das gefunden hast, Blade.“ Der Krieger hatte inzwischen die Flasche aus grünem Glas geöffnet und ein dünn zusammen gerolltes Pergament hinausgefischt. Langsam und stockend begann er zu lesen: „I-in diesem al-alters-schwa-schwachen Boot vor den Za-Zan-zil zu flie-hen, schien mir da-mals eine gute E-Ent-scheidung zu sein, a-aber…“ Emanuelle, die schon bei den ersten Worten des Kriegers mit den Augen gerollt hatte, nahm ihm kurzerhand den Zettel aus der Hand. Sie überflog die weiteren Zeilen, die noch auf der zusammengeknüllten Notiz standen, und runzelte die Stirn. „Da scheint jemand eine Flaschenpost verschickt zu haben.“, schloss sie messerscharf. „Und er ist irgendwo gefangen.“ „Hat derjenige auch ne Adresse drauf geschrieben?“, kicherte Schakal, dessen Flasche sich schon beträchtlich geleert hatte. Die Gnomin bedachte ihn mit einem bösen Blick und sah sich dann suchend am Strand um. Schließlich entdeckte sie ein ganzes Stück entfernt etwas Grünes, das von den Wellen hin und her geworfen wurde. Blitzschnell wuselte sie zu der Stelle und fischte eine weitere Flasche aus der Brandung, bevor sich das Meer diesen Schatz wieder einverleiben konnte. Sie zog eine zerrissene Notiz heraus und begann zu lesen. „Ich vermisse meinen Stamm … blah blah…Thunder Bluff … blah blah blah. Es erinnert mich nur umso mehr daran, dass ich hier festsitze. Wer auch immer das geschrieben hat, scheint tatsächlich Probleme zu haben.“ „Steht irgendwas drin, wo derjenige ist?“, wollte Bladewarrior wissen. „Vielleicht können wir helfen.“ „Als wenn wir nicht schon genug Probleme hätten.“, murrte Emanuelle halb im Ernst, doch dem bittenden Blick des jungen Kriegers konnte sie nicht widerstehen. Suchend lief sie mit ihm zusammen den Strand entlang, bis sie schließlich noch eine Flasche auf dem Wasser treiben sahen. Ungeachtet seiner Verletzung stürzte sich Bladewarrior in die Fluten und hockte sich dann gespannt wie ein Kind neben die Gnomin, die die zerrissene Notiz entfaltete und vorlas: „Die Bestie, die über diese Insel herrscht, ist wirklich sehr mächtig. Alle anderen Wesen verstecken sich vor ihm. Weder die Blaumähnengorillas noch die Jaguero trauen ihm über den Weg. Sogar jetzt höre ich sein Brüllen und es macht mir Angst. Diese Kreaturen halten ganz sicher jeden ungebetenen Gast von der Insel fern. Ich muss Vertrauen in meine Vorfahren haben. “ „Was ist ein Jaguäro?“, wollte Bladewarrior wissen. Emanuelle zuckte die Achseln. „Ich habe keine Ahnung. Aber wie es scheint, etwas Gefährliches. Und etwas noch Gefährlicheres hält den Schreiber dieser Nachricht auf einer Insel fest.“ „Auf dieser dort?“, frage Bladewarrior und wies mit ausgestrecktem Arm auf eine Insel, die ein Stück weit vor der Küste lag. Es war die einzige Insel weit und breit und so schien es sehr wahrscheinlich, dass, wenn jemand von jemand anderem gefangen gehalten wurde, er sich auf dieser Insel befinden müsse. Noch dazu wurde die Distanz zwischen Festland und Insel gerade von einem ganzen Geschwader kleiner, grüner Glaskörper überbrückt; ein jedes von ihnen enthielt eine neue Botschaft des rätselhaften Gefangenen. (Oder möglicherweise auch mehrmals dieselbe, wenn ihm die Hitze doch zu sehr zugesetzt hatte, um sich ständig etwas Neues einfallen zu lassen.) „Möööglich, dass das die Insel ist.“, antwortete die Gnomin gedehnt. Sie hatte so eine dunkle Ahnung, was als Nächstes kommen würde. „Wir sollten hinüber schwimmen, und ihr helfen.“ Emanuelle und Schakal, der mitsamt allen restlichen Rumflaschen heran gewankt war, sahen den Krieger beide mit großen Augen an. „Wieso sie?“ „Wiescho helfen? Hicks.“ Bladewarrior packte entschlossen sein Nudelholz und starrte grimmig zu dem braun-grünen Streifen am Horizont. „Weil auf so einer Insel immer eine holde Jungfrau in Not geraten ist.“, erklärte er. „Wenn isch disch erinnern darf, dasch wir bereitsch ne Jungfrau zum retten ham?“, warf Schakal ein. „Wass´n dann mit der?“ „Risingsun ist erstmal noch sicher.“, sagte der Krieger mit fester Stimme. “Doch diese Holde dort draußen ist ganz allein, muss hungern und dürsten. Wir sind verpflichtet dazu, ihr zu helfen. Risingsun würde es so wollen.“ Schakal drehte sich zu Emanuelle herum und pustete ihr seinen Rum-Atem ins Gesicht. „Nu zieht er die moralische Keule. Iss´n Hammer, der Junge. Aber er sollte dringend die Märschenbücher absetzen.“ „Und du den Rum.“, mäkelte Emanuelle. „Du wirst noch ersaufen, wenn wir da gleich rüberschwimmen.“ „Schwimmen? “ Schlagartig war Schakal wieder nüchtern. „Dieser Zwerg schwimmt nirgendwo hin, Madam.“ „Uns wird nichts anderes übrig bleiben.“, sagte Emanuelle seufzend. „Die haben mir den Unterwasser-Atem-Helm abgenommen und Blade macht nicht den Eindruck, als würden wir ihn jetzt noch zum Umkehren bewegen können.“ Die Gnomin zeigte in Richtung des Meeres, wo Bladewarrior mit starr auf die Insel gerichtetem Blick ins Wasser watete. Mit gleichmäßigen Schwimmzügen schob er sich immer näher und näher an die Insel heran, auf der seiner Überzeugung nach eine Jungfrau in Not auf ihre Rettung wartete. In Gedanken malte er sich aus, wie er wohl den Drachen oder was auch immer besiegen würde, um dann als strahlender Held die ewige Dankbarkeit der Jungfrau und vielleicht sogar ein halbes Königreich von ihrem Herrn Vater dazu bekommen würde, wenn er sie endlich nach hause brachte. Als Herrscher über ein halbes Königreich bekam man doch sicherlich ein Schwert. Was für einen Sinn hätte es sonst Herrscher zu sein, wenn man sich nicht einmal dann eine anständige Waffe zulegen konnte. „Ich protestiere entschieden gegen eine solche Behandlung.“, schimpfte Schakal, als er und Emanuelle endlich ebenfalls auf der Insel angelangt waren. „Zwerge haben eine natürliche Abneigung gegen Wasser.“ „Du kannst mit dem Lamentieren aufhören, wir sind doch schon da.“, winkte Emanuelle ab. „Und ich habe gesehen, dass du schwimmen kannst. Also hör auf, dich herauszureden.“ „Aber ich protestiere.“, schmollte Schakal, wenngleich auch etwas leiser als zuvor. Suchend sah er sich nach dem Dritten im Bunde um und entdeckte ihn schließlich neben der Leiche einer großen, schwarzen Raubkatze.“ „Ich glaube, ich weiß jetzt, was ein Jaguäro ist.“, strahlte der Krieger stolz und wies auf das tote Tier. „Das da ist auf jeden Fall kein Gorilla.“ „Stimmt.“, nickte Schakal. „Er sieht dir auch gar nicht ähnlich.“ „Und jetzt?“, fragte Emanuelle und sah zu der undurchdringlichen Wand aus Blättern und Bäumen, aus dem unheimliche Laute hervordrangen. Er klang ganz so, als würde jemand ermordet. Unbewusst senkte die Gnomin die Stimme. „Hört ihr das?“, flüsterte sie. „Wie unheimlich.“ Auch Bladewarrior war ein wenig bleich unter seiner natürlichen Bräune geworden. Die Jungfrau schien tatsächlich schrecklich zu leiden. Einzig Schakal schien das Geheul völlig kalt zu lassen. Er war immer noch damit beschäftigt, das Wasser aus seinen Ohren zu schütteln. Vorsichtig schlichen die drei Abenteurer sich näher an die Quelle der unheimlichen Schreie heran. Blätter strichen an ihnen vorbei, Mücken summten ihnen um ihre Köpfe und zwischen ihren Füßen raschelten Schlangen und anderes Getier durch das Unterholz. Doch all das war nicht gegen das, was sich wie ein rostiges Messer langsam in ihre Gehirne bohrte. Zu ihrem Erstaunen konnte man beim Näherkommen jedoch hören, dass derjenige, der dort schrie, zwar um Rettung aus einer Notlage bat, dass diese jedoch wenig mit ihren Erwartungen gemein hatte. „Im tiefen Keller sitz ich hier, mit keinem einz´gen Glase Bier. Drum komm mein Lieb und schenk mir ein, ich mag jetzt nicht mehr durstig sein. “ Als sich die Blätterfront vor ihnen endlich teilte, traten sie auf eine kleine Lichtung. Inmitten von niedergewalztem Gras saß ein Zwerg am Boden. Er trug eine weiße Robe, die allerdings schon ziemlich zerschlissen war, und sang aus vollem Halse so schief, dass sämtliche Urwaldvögel bereits vor Stunden geflüchtet waren. Als er die Ankömmlinge entdeckte, winkte er fröhlich. „Ach hallo. Kommt hier doch mal jemand vorbei. Und ich dachte schon, ich muss hier bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hocken bleiben.“ Schakal fing sich als Erster. „Wusste ich doch, dass ich die Melodie kenne.“, brummte er und stapfte auf seinen Rassenkameraden zu. „Was hat Euch denn hierher verschlagen?“ „Und wo ist die holde Jungfrau?“, warf Bladewarrior ein und sah sich enttäuscht um. „Die wollen wir nämlich befreien.“ „Jungfrau?“ Der Zwerg überlegte. „Also eine Jungfrau hab ich hier nicht finden können. Allerdings lagen hier jede Menge leere Flaschen rum, in die irgendwer kleine Briefe gesteckt hatte. Möglich, dass die von einer Jungfrau waren. Ich hab sie nicht gelesen. Briefgeheimnis, Ihr wisst ja. Hab die ganze Ladung vor ein paar Stunden zum Strand geschafft. War ne Mordsplackerei, müsst ihr wissen.“ „Also ist hier keine Jungfrau in Nöten?“, hakte Bladewarrior noch einmal nach. „Der Einzige, der hier Not hat, bin ich.“, erklärte der Zwerg fröhlich. „Ihr habt nicht zufällig was zu trinken dabei? Diese Insel weißt einen ganz eklatanten Mangel an Trinkbarem auf.“ Wortlos reichte Schakal dem anderen Zwerg die Flasche. Der öffnete sie, roch daran und verzog das Gesicht. „Rum? Na ich weiß ja nicht. Ihr habt nicht zufällig noch ein bisschen Ananassaft und etwas Kokosmilch dabei, nein? Na dann nicht. Der Durst treibt´s hinunter. Prost!“ „Aber was tut Ihr hier?“, fragte Emanuelle. „Und vor allem, warum seid Ihr hier ganz allein. Es heißt, ein schreckliches Ungeheuer treibe hier sein Unwesen.“ „Und was noch viel wichtiger ist:“, ergänzte Schakal. „Wie seid ihr hierher gekommen?“ Der Zwerg setzte die Flasche ab, schmatzte anerkennend und überlegte. „Tja wisst ihr, das war so: Ich war in Booty Bay unterwegs, um ein wenig für das Seelenheil der Betrunkenen zu beten, als sich eines Abends ein Mann an meinen Tisch setzte. Er sagte, er sei im Auftrag eines gewissen Krazek unterwegs und bräuchte noch einen Priester für diese Mission. Als ich fragte, worum es gehe, sagte er mir, er wolle einige Aufnahmen von Wildtieren machen und dass er dazu einen speziellen Kasten von diesem Krazek erhalten habe. Ich misstraute der ganzen Sache zwar, aber dann sagte ich mir: ´Yamon, dieser Mann braucht deine Hilfe und du darfst sie ihm nicht aus eigennützigen Motiven verwähren.` So brachen wir schon am nächsten Tag auch und setzten mit einem Boot zu dieser Insel über. Er schoss, wie er es nannte, seine Aufnahmen, wobei ich allerdings nicht erkennen konnte, dass er eines der Tiere dabei verletzt hätte. Ich wähnte somit alles in bester Ordnung. Dann allerdings hörten wir ein bestialisches Brüllen, dass uns das Blut in den Adern gefrieren ließ. Bäume stürzten reihenweise um und die wilden Tiere rannten in alle Richtungen davon, als sich ein riesiges Ungetüm aus dem Urwald schob. Ich selbst kam zu Fall und stieß mir den Kopf derart hart, dass ich bewusstlos wurde. Als ich wieder zu mir kam, war der Rest des Trupps verschwunden und ich saß auf dieser Lichtung und hatte das hier um meinen Fuß.“ Der Zwerg hielt eine Kette hoch, deren Glieder so dick waren, dass Emanuelle beide Hände brauchte, um sie zu umspannen. Die Gnomin, deren Augen inzwischen kugelrund waren, atmete hörbar aus. „Was für eine spannende Geschichte, Yamon.“, sagte sie. „Aber habt ihr nicht versucht zu fliehen?“ „Das ist schwer möglich, mit so einer Kette am Fuß.“, antwortete der Priester. „Und um sie zu entfernen reichen meine bescheidenen, handwerklichen Fähigkeiten leider nicht aus. Außerdem ist da ja noch König Mukla.“ „Wer?“ Noch bevor Yamon antworten konnte, erklang ein ohrenbetäubendes Brüllen, dass den Boden unter den Abenteurern zum Beben brachte. Etwas Gigantisches schien direkt durch den Dschungel auf sie zu zurasen und es machte sich dabei nicht die Mühe, irgendetwas, das sich ihm in den Weg stellte, auszuweichen. Panisch rannten muskelstrotzende Gorillas und schwarze Raubkatzen an ihnen vorbei, ohne sich für die appetitlichen Happen zu interessieren, die mit vor Schreck erstarrtem Gesicht dem Grauen entgegen sahen, das auf sie zurollte. Endlich fiel auch die letzte Bastion aus Blättern und Bäumen und ein gigantische Gorilla sprang mit einem riesigen Satz auf die kleine Lichtung. Er fletschte die scharfen Eckzähne und trommelte sich mit den Fäusten, die die Größe eines ausgewachsenen Pferdes hatten, gegen den Brustkorb. Dann schlug er mit den gewaltigen Pranken auf den Boden, so dass Emanuelle ein paar Zentimeter in die Höhe hüpfte. Er schnaubte und tobte, riss einen kleinen Baum aus und schleuderte ihn quer über die gesamte Insel. „Das“, erklärte Yamon trocken, „ist König Mukla.“ „Dieser Affe wird keinem von uns Schaden zufügen.“, rief Bladewarrior und zog sein Nudelholz. „ATTACKE!“ „Warte!“, rief Yamon noch, aber der junge Krieger stürzte bereits wie ein Wahnsinniger auf den monströsen Gorilla zu. Der brüllte erneut so laut, dass Emanuelles Zöpfe im Wind wehten, und ging dann zum Angriff über. Yamon schüttelte nur den Kopf. „Was macht der Junge denn? Ach nein, jetzt hat er ihm auf den Fuß gehauen. König Mukla ist davon nicht sehr begeistert. Jetzt hat er euren Freund gegen den Baum geworfen und versucht ihn zu zerquetschen. Aber nein, er hat ihn nicht erwischt. Gerade noch rechtzeitig hat der junge Mann sich unter dem Fuß weggerollt. Aber was macht er jetzt? Ach, er erklimmt einen Baum und will sich von oben auf König Mukla stürzen. Na ob das funktioniert.? Seht ihr, jetzt ist er vorbei gesprungen. Au, das tut weh. Und das erst. Und das…ah nein, das ist aber nicht nett.“ Völlig fassungslos sahen Schakal und Emanuelle dabei zu, wie Bladewarrior von dem riesigen Gorilla systematisch auseinander genommen wurde. Erst als der Krieger halb bewusstlos und blutend auf sie zugewankt kam, lösten sie sich aus ihrer Erstarrung. „Tu etwas!“, brüllte Schakal die Magierin an. „Ja was denn?“, schrie die zurück. „Der ist doch ungefähr hundertmal so groß wie ich.“ „Dann tu was dagegen.“, schnaufte der Schurke und schleuderte dem Gorilla sein Messer entgegen. Wirkungslos prallte es an der dicken Haut des Untiers und verschwand irgendwo im Gras. „Ihr habt das Alles völlig falsch verstanden.“, versuchte Yamon die Kämpfer aufzuhalten doch keiner achtete auf ihn. Emanuelle erinnerte sich endlich daran, dass sie als Magierin wahrscheinlich die im wahrsten Sinne des Wortes größte Feuerkraft besaß und schickte einen glühenden Ball auf die Reise. Er traf den riesigen Gorilla zwar nicht, da dieser gerade in diesem Moment einen großen Satz machte, um Schakal zu pulverisieren, doch seine Aufmerksamkeit war ihr damit gewiss. Fassungslos sah die kleine Gnomin, wie Tonnen von Muskeln und schwarzem Fell auf sie zu rasten und schloss die Augen. Ihr fiel absolut nichts ein, wie sie ein so großes Tier in so kurzer Zeit zur Strecke bringen sollte. Feuerschlag, Feuerball, Pyroschlag und Verbrennen würden es wahrscheinlich nur noch mehr zur Raserei bringen und die Sprüche der Eismagie waren ihr nicht geläufig genug, als dass ihr in dieser Situation die richtigen Formeln eingefallen wären. Wenn Abumoaham jetzt hier gewesen wäre, hätte er vielleicht… „Ich hab´s!“, rief sie, schlug die Augen auf und rezitierte eine Formel. Es folgte ein Knall, eine große Rauchwolke und ein erstauntes Quieken. Als der Rauch sich verzog, standen mitten auf der Lichtung eine kleine, hustende Magierin und ein sehr erstaunt wirkendes Schwein. Unsicher grunzte es und wedelte mit dem Ringelschwanz. „Was zum…?“, sagt Schakal verblüfft. „Sag bloß, das ist der Affe?“ Emanuelle war offensichtlich ebenfalls überrascht von dem Ergebnis. „Also eigentlich sollte das ein Schaf werden. Ich weiß auch nicht, was da schief gegangen ist.“ „Kann mir mal jemand aufhelfen?“, röchelte es aus einem Haufen umgestürzter Bäume. „Ich glaube, ich habe mir was gebrochen.“ „Was habt ihr mit König Mukla gemacht?“, empörte sich hingegen der Priester. „Ich meine, ihr kommt hierher auf seine Insel und erwartet, dass er euch einfach so akzeptiert? Außerdem weiß er doch gar nicht, dass er viel stärker ist als ihr.“ „Ich glaube, schon, dass er das weiß.“, brummte Schakal. „Aber ihr hättet nur warten brauchen, ich hätte euch vorgestellt und wir hätten gemeinsam eine Lösung gefunden. König Mukla vertraut mir“ „Es ist ein wildes Tier.“, beharrte Schakal. „Er hätte uns mit einem Happs verschlungen.“ „Ach Blödsinn.“, schnaubte Yamon nun ernsthaft böse. „Gorillas ernähren sich von Früchten und Pilzen. Ich muss es wissen, ich habe ihn ja gefüttert.“ „Gefüttert?“, ächzte Schakal. „Ja sicher.“, antwortete Yamon, während er sich Bladewarriors annahm und dessen Verletzungen verschwinden ließ, als wären sie nie da gewesen. Erstaunt bewegte der junge Krieger Arme und Beine und lächelte glücklich. „Allerdings muss ich zugeben, dass er so natürlich etwas pflegeleichter ist.“ „Und der Gorilla gehorcht dir?“, löcherte Schakal den Priester interessiert weiter, der jetzt dazu übergegangen war, Emanuelle in die Augen zu schauen und ihren Puls zu fühlen. „Naja, er scheint auf jeden Fall zu verstehen, was ich sage.“, schränkte Yamon ein und schloss mit dem Wink seiner Hand eine kleine Platzwunde an Schakals Stirn „Könntest du ihn dazu bringen, jemanden bestimmten anzugreifen?“, grinste Schakal und kraulte das kleine Schwein hinter den Ohren, das daraufhin wohlig grunzte und begann, sich an seinem Bein zu schuppern.“ „Ich könnte es vielleicht.“, meinte der Priester nachdenklich. Aber warum sollte ich das tun? Gewalt ist niemals eine Lösung.“ Schakals Grinsen war inzwischen so breit, dass es sein Gesicht in zwei Hälften zu teilen schien. „Nun ja, mir könnte vielleicht einfallen, wie man ein solches Schloss öffnet, wie das, das diese unsägliche Kette verschließt.“ Yamons Gesicht zeigte zunächst Verblüffung, dann Verstehen. „Ein Handel also. Ich weiß nicht, ob ich das gut heißen soll. Andererseits…es ist doch ein wenig langweilig hier und ich würde gerne diese Mondstoffrobe ersetzen. Sie ist doch etwas arg mitgenommen worden.“ Einige Zeit später an Bord der Damsel's Luck. „Kapitän! Kapitän!“ Das Rufen des Mannes, der sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich im Krähennest befinden sollte, wurde stetig lauter, bis er schließlich in Stillwaters Kabine gestürmt kam. „Wer hat dir erlaubt, deinen Posten zu verlassen, du Ratte?“, brüllte der Kapitän und zog seinen Säbel. „Ich werde dir den Bauch aufschlitzen und dich an die Haie verfüttern, wenn das nicht wichtig ist.“ „Sir, da draußen sind welche, die wollen mit Ihnen sprechen. Sie sagen, wenn Sie nicht kommen, versenken sie das Schiff.“ Atemlos wartete der Pirat, ob ihm diese Nachricht nun vor dem angekündigten Tod retten würde. Der Kapitän - seines Zeichens ein Gnom und somit einer der wenigen, nicht-menschlichen Mitglieder der Bloodsail-Piraten - strich sich über den gewaltigen Schnauzbart. „Also das ist wirklich mal eine dreiste Lüge. Vielleicht sollte ich dir Arme und Beine abschneiden und dich zu Belustigung der Mannschaft an den Hauptmast nageln lassen. Oder ich übergebe dich Brutus zum Spielen.“ „Aber es ist die Wahrheit.“, beteuerte der Pirat, der nun verstand, warum sämtliche seiner Kameraden sich geweigert hatten, diese Nachricht zu überbringen. Mit Schauern dachte er daran, was der Golem, der das Schiff normalerweise steuerte, wohl mit seinen Knochen machen würde. „Bitte, geht hinauf und seht selbst nach.“ Der Kapitän ließ nach einem kurzen Zögern den Säbel zurück in die Scheide gleiten. Er rückte den dreieckigen Hut mit dem Totenkopfsymbol zurecht und fixierte den unglücklichen Piraten. „Wenn ich dort jetzt hochgehe und mich vor der gesamten Mannschaft lächerlich mache, dann kommst du zum Abendbrot als Fleischeinlage in den Eintopf. Lebend.“, versprach er und stapfte die steile Treppe an Deck. Er stiefelte breitbeinig zur Reling und glotze auf den schmalen Sandstreifen, der neben der Fahrrinne im Wasser lag. Dort stand eine höchst eigenwillige Versammlung: Eine recht ansehnliche Gnomin, ein junger Mann, zwei Zwerge, von denen einer ein weißes Kleid trug, und ein Schwein. Winkend trat einer der Zwerge - es war der ohne Kleid - vor und rief: „Hey da, seid Ihr nun der Kapitän dieses Kahns?“ „Wer will das wissen, Made?“, brüllte der Kapitän zurück. „Mein Name ist Schakal.“, antwortete der Zwerg. „Und ich in im Auftrag von Baron Rivelgaz hier. Er bittet Euch freundlich, doch von hier zu verschwinden.“ „Und wenn wir es nicht tun?“, fragte Stillwater lauernd. „Dann sind wir leider gezwungen Eure Schiffe zu versenken.“, gab der Zwerg nüchtern zurück. Stillwater und seine gesamte Mannschaft brachen in grölendes Gelächter aus. Der Kapitän winkte einem der Piraten, der gerade das Deck schrubbte, und ließ sich von ihm seinen Putzeimer reichen. „Weißt du, was ich von dir und deiner Forderung halte?“, rief er nach unten. „Das hier.“ Und mit einem Schwung kippte er den Inhalt des Eimers vor Schakals Füße. „Irgendwie habe ich mit dieser Reaktion gerechnet.“, knurrte Schakal. „Dann wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als Eure schönen Schiffe auf den Grund des Meeres zu schicken.“ Der Kapitän wurde wieder ernst und knurrte: „Wagt es, auch nur einen Fuß auf die Planken dieses Schiffes zu setzen und ihr habt die längste Zeit Luft geatmet. Ich warne Euch jetzt zum letzten Mal.“ „Und ich warne Euch, Stillwater.“, antwortete Schakal ruhig. „Denn wisst Ihr, wir haben einen Affen und wir werden ihn benutzen.“ Mit diesen Worten schlug er dem Schweinchen neben sich kräftig auf die Hinterbacken. Erschreckt quiekend sprang es einen Satz nach vorne, dann löste sich durch den Schlag die Verzauberung und einer sehr, sehr zorniger König Mukla stand vor dem staunenden Piraten. Der Zwerg in dem weißen Kleid lief indes mit unglaublicher Geschwindigkeit die Rampe des Schiffes hinauf und warf sich direkt in die Arme des entsetzten Kapitäns. „Zu Hilfe!“, schrie Yamon aus Leibeskräften. „Er will mich umbringen.“ Sein Ruf wurde von einem Brüllen des gewaltigen Gorillas beantwortete und Sekunden später brach auf dem Piratenschiff die Hölle los. Wenig später trieben nur noch Trümmer der Damsel's Luck auf den blauen Fluten des südlichen Meeres. Die Mannschaft war entweder ertrunken oder hatte entsetzt das Weite gesucht. König Mukla saß derweil glücklich mit Yamon auf seinem Schoß da und suchte in dessen Haaren nach Ungeziefer. Um ihn herum hatten es sich die drei anderen Abenteurer im warmen Sand bequem gemacht. „Meint ihr, dass die anderen Piraten einsichtiger sind?“, fragte der Priester und schob König Muklas Hand beiseite, der nun auch seinen Bart lausen wollte. „Es erscheint mir immer noch nicht richtig, den armen König Mukla so zu missbrauchen.“ „Wir haben ihnen doch die Wahl gelassen.“, verteidigte sich Schakal. „Und du kannst nicht behaupten, ich hätte sie nicht gewarnt.“ Yamon runzelte die Stirn „Und du sagst, es gibt noch zwei Schiffe?“ „Soweit Baron Rivelgaz die Wahrheit gesagt hat, ja. Es sollte kein Problem sein, auch diese zwei zu versenken.“ Doch während im Westen langsam die Sonne tiefer sank, kam indes an Bord der Riptide und der Crimson Veil, den Schiffen von Kapitän Keelhaul und Flottenmeister Firallon, Bewegung in die Piraten, als etliche schwer verletzte Besatzungsmitglieder der Damsel's Luck an Bord kletterten und von einem gigantischen Affen berichteten, der ihr Schiff versenkt und die halbe Mannschaft getötet hatte. Er stehe, so berichteten sie, unter dem Einfluss einer Gestalt in einem weißen Kleid. Sie hätte neben dem Kapitän gestanden, als dieser von der gewaltigen Faust des Affen zermalmt worden war. „Eine weiße Frau.“, stöhnte Flottenmeister Firallon und erbleichte. Wie alle Piraten war er sehr abergläubisch. „Los Männer, hisst die Segel und macht den Kahn klar zum Auslaufen. Mit weißen Frauen ist nicht zu spaßen.“ So segelten die verbleibenden zwei Schiffe der Flotte der Bloodsail-Piraten noch vor Sonnenuntergang zurück in Richtung der Plünderinsel, wo sie von dem Riesen-Affen und der mysteriösen, weißen Frau berichteten und so den Grundstein für eine der berühmtesten Geschichten von ganz Azeroth legten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)