Eternity III - Sklavenhändler und Drachentöter von Purple_Moon (Dieser Drache ist unverkäuflich!) ================================================================================ Kapitel 8: Der Haussegen hängt schief ------------------------------------- Hallo, endlich fertig mit 8! Hatte das schon eine Weile rumliegen, aber immer aufgeschoben oder vergessen, es zu korrigieren. *schäm* Irgendwie bin ich auch jetzt nicht ganz zufrieden, ich finde, Eikyuu wirkt in letzter Zeit etwas zu mächtig. Nun ja, er IST mächtig. Aber ich will es nicht übertreiben. Die Drachen haben in diesem Kapitel noch die Oberhand, aber das dürfte kaum so bleiben. Schließlich haben sie nicht immer das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Für nächstes Mal ist eine kleine Siegesfeier geplant und dann ein großer Dämpfer… Inhaltliche Anmerkung: Ich hab in irgendeiner Episode mal Kendra als rothaarig bezeichnet. Das ist ein Fehler. Tronet und seine Eltern haben rote Haare, sie aber nicht. Ich habe ihre Haarfarbe nie so genau definiert, was sehr nachlässig von mir ist. Also sie sind wahrscheinlich normal braun. Bitte beachtet in meinem Weblog den Eintrag „Eternity Fanfiction“. Eternity III Kapitel 8: Der Haussegen hängt schief Die morgendliche Ruhe in dem einsam gelegenen Haus in Sarivestos wurde jäh gestört, als... „Wie bitte? Sag, dass das nicht wahr ist!“ „Aber... ich dachte, du würdest es verstehen...“ Als nächstes war ein klatschendes Geräusch zu hören, ein Körper schien zu Boden zu fallen. „Geh mir aus den Augen!“ brüllte Tronet. „Jetzt wird mir auch klar, warum dein Vater so scharf drauf war, dich zu verheiraten! Sklavenbalg!“ Kendra heulte unter dem verbalen Schlag auf. Tronet stapfte davon, während sie im Flur lag und sich die gerötete Wange hielt. So fand sie Noctivagus, der den Radau vom Labor aus gehört hatte. „Sklavenbalg? Ah, verstehe. Eure Mutter war wohl eine Draconerin.“ Sie sah kurz zu ihm auf. „Ja. Ich habe den Drachenanteil nicht geerbt… solche Kinder werden nicht versklavt, denn es ist verboten, Menschen zu versklaven. Man kann sie entweder als die Kinder der eigenen Ehefrau ausgeben oder… sie nach der Geburt gleich aussetzen oder töten.“ „Da habt ihr ja noch Glück gehabt.“ Noctivagus half ihr hoch. „Welcher Art gehörte Eure Mutter an? Ihr könntet ihre Gabe geerbt haben. Kendra schüttelte heftig den Kopf. „Das will ich gar nicht! Mein Mann wird mich verstoßen… meine Schwiegereltern werden mich hassen und meine Kinder mich verachten, alle werden…“ Noctivagus packte sie bei den Schultern und unterbrach sie, indem er ihr kurz einen Ruck verpasste. „Nicht! Schämt Euch nicht. Seid stolz auf Euer Erbe! Drachen sind weder besser noch schlechter als Menschen, sie haben nur das Pech, dass sie in diesem Land systematisch unterdrückt werden. Aber das können wir ändern. Lasst nicht länger zu, dass Kinder sterben, nur weil sie von Halbdrachen geboren werden und keine Halbdrachen sind!“ Von dem Lärm waren mehrere ehemalige Sklaven erwacht und blickten neugierig in den Flur. Kendra nickte nur zu den Worten des Draconers. Sie stand mit gesenktem Blick da und wusste anscheinend nicht mehr, wohin sie gehörte. Nicht alle, die sie so sahen, hatten Mitleid mit ihr. Am Vormittag schlug Maris die Augen auf und war stark genug, etwas zu essen und zu trinken, einschließlich der Medizin. Diese machte ihn erneut schläfrig, und er schlief wieder ein. Aber sein Zustand war nun viel besser. Kendra hatte sich in sein Zimmer verzogen, da Tronet sie nicht mehr ins gemeinsame Schlafzimmer ließ. Auch Yanis hielt sich oft in der Nähe auf, wenn er sich nicht mit Noctivagus über die Kräfte der Flammentänzer unterhielt. Indessen hatte Valerian eine Liste erstellt, in die er die Befreiten eintrug und sortierte. Die Frau mit dem kleinen Kind wollte er zu Eikyuus Insel schicken, ebenso die meisten anderen. Einige hatten Familien, zu denen sie zurückkehren konnten. Er beschloss, einem der Befreiten eine Nachricht für Kyuujo mitzugeben. Der Seelenleser würde sich sicher darum kümmern, dass die Befreiten irgendwo unterkamen, so dass die Insel nicht überfüllt wurde. Hiatari, die Lichtsängerin, hatte sich als glühende Verehrerin der Rächer herausgestellt. Man hatte sie vor vielen Jahren heimtückisch in eine Falle gelockt und eingefangen, dafür wollte sie Rache, indem sie bei weiteren Befreiungsaktionen half. Außer ihr waren über ein Drittel der anderen ebenfalls gefangen worden. Offenbar gab es tatsächlich Drachentöter, die sich darauf spezialisiert hatten, Drachen lieber zu fangen und zu verkaufen, statt sie zu töten. In Slarivestos ließen sich damit gute Geschäfte machen. Allerdings fragten sich die Freunde doch, wie es sein konnte, dass das Geschäft so blühte – schließlich war es nicht ganz so einfach, einen Drachen zu fangen, und viele waren im erwachsenen Alter gefangen worden. Valerian überlegte sich, dass man das Problem an der Wurzel packen musste, und nahm sich vor, einen Sklavenhändler zu finden. Sein Gesicht war in Slarivestos noch nicht bekannt, er konnte mit einem der Entflohenen auftauchen und behaupten, ihn gefangen zu haben und verkaufen zu wollen. Er würde auch alle befragen, wie sie letztendlich bei ihrem letzten Besitzer gelandet waren. Vielleicht bestand ja eine Verbindung, irgendein Mittelsmann, der Sklaven aus anderen Ländern einführte. Natürlich konnte es davon auch mehrere geben, aber als Prinz war Valerian genötigt worden, sich mit Handelsbeziehungen abzugeben, daher wusste er, dass es auch in diesem Beruf erbitterte Feindschaften geben konnte, die dazu führten, dass die Händler manchmal ein Monopol auf bestimmte Waren hatten, das sie eifersüchtig hüteten. Valerian entwarf einige Fragen, die allen Sklaven gestellt werden sollten, und schnappte sich Yanis und Hiatari, damit sie ihm bei der Befragung halfen. Damit waren die drei erst einmal beschäftigt. Eikyuu sah sich kurz darauf die von Valerian angefertigten Listen der Drachenarten an, die sie befreit hatten. Neben Wasserbechern, Medizintöpfchen und persönlichen Habseligkeiten lagen die Zettel auf dem Tisch. Als Seelenleser hielt er sich weitgehend von den Sklaven und ihren Sorgen fern, da er zu empfänglich für ihr Leid war. Selbst in Maris’ Zimmer drangen die Emotionen der vielen Leute zu ihm. Kendra hatte nichts besseres zu tun und gesellte sich zu ihm. Sie stellten fest, dass von neunundzwanzig Drachen und Draconern acht Flammentänzer waren, eine sehr hohe Prozentzahl. Gut, zwei waren in Slarivestos geboren, dennoch waren es relativ viele. Sechs Lichtsänger, davon drei Eingefangene, waren auch ziemlich viel. Dann gab es den Windsegler, auch ihn hatte man gefangen. Zwei Donnerflügel, eine gefangene Frau und deren in Slarivestos geborener Sohn. Eine Steinbrecherin stammte aus einer Art Zucht, diese Rasse war nicht so beliebt, weil sie nicht fliegen konnten, aber man setzte sie gerne zu schweren Arbeiten ein. Schwimmer waren keine dabei, denn sie waren schwer zu fangen. Kendra konnte berichten, dass sie in manchen Gebieten sehr begehrt waren, wo in Gewässern nach bestimmten Muscheln oder anderen Waren getaucht wurde. Die Eisfänge wurden gerne von Lebensmittelhändlern gehalten, unter den Befreiten waren drei davon, alle in Slarivestos geboren und aus derselben Familie stammend, wo ihre im Ausland gefangene Mutter ständig von irgendwelchen Freunden des Besitzers schwanger gewesen war. Die Vorstellung erweckte nicht nur in Eikyuu Ekel, sondern vor allem in Kendra, die ja auch das Kind einer Sklavin war. „Meine Mutter hat sich nie in meiner Gegenwart verwandelt, und ich konnte sie nicht fragen, was sie war,“ sagte Kendra traurig. „Sie war eine Küchenmagd im Haus meines Vaters, der mich als das Kind seiner Frau ausgab, aber meine älteren Geschwister zogen mich mit meiner Abstammung auf. Ich sprach ab und zu mit meiner Mutter, aber sie wehrte meine Fragen immer ab und sagte, ich solle versuchen, ein besseres Leben zu finden als sie.“ „Ihr habt doch sicher noch Kontakt zu Eurer Familie, wir sollten das herausfinden,“ schlug Eikyuu vor. „Selbst wenn Eure Mutter nicht mehr lebt oder verkauft wurde, solltet Ihr Euer Erbe kennen.“ „Ich wünschte, Ihr wärt nicht hierher gekommen,“ murmelte Kendra. „Alles war so einfach... ich hatte einen guten Mann, die Kinder... alles lief gut...“ „Das meint Ihr nicht ernst. Ihr fühlt Euch nur momentan überfordert.“ „Vielleicht. Machen wir weiter.“ Sie zählten weiter die Anteile der verschiedenen Drachenarten. Seelenleser waren keine dabei, ansonsten von den meisten Arten ein oder zwei Vertreter. Nur die Flammentänzer und Lichtsänger waren auffällig viele. Das wunderte Eikyuu sehr. „Sind die in Slarivestos besonders beliebt?“ fragte er seine unfreiwillige Helferin. Kendra schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht... die Flammentänzer...“ Sie sprach das Wort vorsichtig aus, da es für sie noch ungewohnt war. „... sind beliebt, weil sie Feuer machen können, andererseits haben viele Leute Angst davor. Ich würde eher sagen, sie werden mit Vorsicht betrachtet. Die, die Ihr Lichtsänger nennt, werden meist wegen ihrer eleganten Schönheit gehalten, und es ist auch schon aufgefallen, dass sie leuchten können, wenn sie singen. Aber unter den hiesigen Bedingungen strahlen sie wohl nicht so, wie sie könnten, nehme ich an... folglich wird davon ausgegangen, dass es sich nicht lohnt, sich deshalb einen anzuschaffen. Sie gelten mancherorts sogar als ähnlich empfindlich wie die Zweihörner... ich meine, Seelenleser. Mir fällt auf Anhieb nicht ein, was sie so begehrt machen könnte. Allerdings stimmt es, dass diese beiden Arten sehr leicht zu bekommen sind, vielleicht liegt es einfach daran.“ „Vielleicht war es auch nur zufällig bei dieser Gruppe so, die ist ja wohl kaum repräsentativ,“ überlegte der Magier. „Naja, das werden nicht die letzten sein, warten wir es erstmal ab. Heute bleiben sie noch hier, aber morgen sollten einige stark und ausgeruht genug sein, um abfliegen zu können. Ihr müsst entscheiden, was aus Euren Kindern werden soll. Hier könnt Ihr nicht bleiben. Euer Mann und dessen Eltern werden das wohl nicht dulden.“ Kendra schüttelte frustriert den Kopf. „Nein, meine Schwiegereltern werden sich auf seine Seite schlagen. Ich weiß nicht, was ich mit den Kindern machen soll... Der älteste, Kasar, wollte immer Drachenfänger werden. Wenn ich ihn mitnehme, ändert er vielleicht seine Meinung, oder er verrät uns... Nie hätte ich gedacht, dass ich mal so etwas entscheiden müsste! Tondra ist erst sieben, sie interessiert sich für meine Heilerarbeit... und dazwischen ist noch Dania. Stellt Euch vor, sie will zum Zirkus und mit Drachen auftreten, seit sie einmal welche gesehen hat, die Kunststücke vorführten. Aber es sind Kinder, sie entscheiden sich vielleicht noch um...“ Eikyuu dachte darüber nach. „Habe ich Euch erzählt, was die Eigenschaft der Seelenleser ist? Nein? Wir sind empathisch, das heißt, wir sehen die Gefühle der Menschen, und wir sind auch mehr telepathisch veranlagt als andere Drachen. Das ist der Grund, warum wir hier nur schlecht überleben – zuviel Leid. Aber ich kann an Euren Kindern erkennen, ob wir sie mitnehmen sollten. Natürlich sollten wir auch berücksichtigen, was sie selbst wollen.“ Kendra nickte nur, froh, dass ihr jemand die Entscheidung abnahm. „Was ist Euer Freund der Barde für ein Drache? So einen hab ich noch nie gesehen...“ „Ein Rächer,“ antwortete Eikyuu unumwunden. „Sie rächen Verbrechen, die anders nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Und sie haben Kräfte, die keiner wirklich kennt... zumal sie 250 Jahre lang als ausgestorben galten. Shisei ist auch einer.“ Er verschwieg mal die Einzelheiten. Bevor sie zu weiteren Erörterungen kamen, wurde es wieder laut im Haus. Der Tumult kam aus der unteren Etage und dauerte eine Weile an. Tronets fluchende Stimme war herauszuhören. Eikyuu seufzte und ging nachsehen. Es war nicht nur Tronet, auch seine Eltern probten hier den Aufstand. Als Eikyuu hinzukam, hatten bereits einige ehemalige Sklaven die Männer im Griff, aber Tronata setzte sich mit Magie zur Wehr. Sie hatte sich eines der Drachenkinder geschnappt und bedrohte den Jungen mit einem Feuerball, den sie dicht an sein Gesicht hielt, während sie mit dem Rücken zur Wand stand. „Lasst meinen Mann und meinen Sohn einfach los und wir werden gehen!“ verlangte sie. „Ihr könnt uns hier nicht ewig festhalten! Das ist unser Haus!“ „Da seht ihr mal, wie das ist,“ rief ein junger Bursche. „Wir sollten Euch noch arbeiten lassen und uns selbst auf die faule Haut legen!“ „Ihr werdet uns nicht wieder zu Sklaven machen!“ meldete sich eine Frau aus dem Hintergrund. „Wir sollten euch am besten töten, aber wir sind ja nicht so wie ihr!“ Tronata bemerkte Eikyuu. Sie drehte sich mit einem gehässigen Gesichtsausdruck in seine Richtung. „Was machst du nun, du Allmagier? Willst du hier drin einen Sturm entfesseln? Mach nur! Dann gehen wir wenigstens alle drauf!“ Der Seelenleser ging ruhig auf sie zu, war aber innerlich erzürnt. Wie konnte sie es wagen, ein Kind zu bedrohen! Reichte es nicht, dass sie gewillt gewesen war, Maris’ Leben aufs Spiel zu setzen, um ihm seine Kräfte zu rauben? Ein offener Kreis bildete sich um sie und ihn, wie eine Arena. Dabei war der Flur, auf dem sich das abspielte, nicht so übergroß. Erwartungsvolle Stille trat ein. Da trat Noctivagus aus der Menge. „Der Junge ist ein Flammentänzer, Feuerzauber sind wirkungslos,“ sagte er in einem gelangweiten Tonfall. Eikyuu spürte, dass er log, aber Tronata war für einen Moment verunsichert. Er nutzte das sofort aus, indem er einen Schritt auf sie zu machte und ihren Feuerball mit seiner Hand erstickte. Dann riss er ihr den Jungen weg und sah ihr fest in die überraschten Augen. Seine Seelenlesergabe schlug gnadenlos zu. Sie bemerkte sein Eindringen, konnte aber nur ächzend dastehen und nichts unternehmen. Für die Umstehenden sah es so aus, als starrten sie sich nur an. Noctivagus kannte den Vorgang. Er zog den Jungen sachte von Eikyuu weg. Als Eikyuu schließlich blinzelte, sackte die Frau zu Boden und starrte ihn immer noch an. Er äußerte sich nicht dazu, was er gemacht hatte, dafür waren Tronet und Danon zu hören. Er wandte sich in die Richtung um. „Bringt sie her.“ Danon sträubte sich heftig, aber zwei Männer zerrten ihn vor den Seelenleser. „Du kannst noch froh sein, dass du so davonkommst,“ lächelte Eikyuu liebenswürdig und wiederholte den Vorgang bei dem Mann. Dieser wollte den Blick abwenden, wurde aber von einem dritten Drachen gezwungen, in die Richtung seines vermeintlichen Henkers zu blicken. Als er in die Silberaugen sah, konnte er sich nicht mehr von ihnen lösen. „Was stellt ihr mit meinen Eltern an?“ tobte Tronet im Hintergrund. „Keine Sorge, du kommst auch gleich dran,“ meinte Noctivagus gelassen. Da hatte er recht... nach endlos erscheinenden Minuten ließ Eikyuu von Danon ab und wandte sich dem Hausbesitzer zu. Ihn packte er selbst an den Haaren und brachte ihn so dazu, seinem Blick zu begegnen. Eikyuu brauchte auch bei ihm einige Minuten, obwohl es bei Tronata wesentlich schwerer gewesen war, weil sie eine Magierin war. Dann ordnete er an, die drei Slarivester in das Nebengebäude einzusperren. Noctivagus zeigte den ehemaligen Sklaven den Weg. „Was hast du mit ihnen gemacht?“ fragte Valerian, der sich zu ihm durchgekämpft hatte. „Sie sind nicht tot, oder?“ Eikyuu schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe nur dafür gesorgt, dass sie niemandem von uns erzählen können.“ Er sprach etwas leiser weiter. „Finde die Kinder der Familie. Bei ihnen könnte es auch nötig sein, zumindest bei dem Jungen.“ Der Schwarzhaarige nickte und entfernte sich. Einen Moment lang war der Seelenleser etwas verwirrt, da sich seiner ein seltsames Gefühl bemächtigte. Erst nach einigen Sekunden begriff er, was es war: Befehlsgewalt. Er strahlte eine Autorität aus, die andere dazu brachte, ihm zu gehorchen. Die Umstehenden sahen ihn abwartend an, als wäre er ihr allwissender und allmächtiger Retter. Es gelang ihm, es sich nichts anmerken zu lassen, aber ganz so hatte er sich seine Rolle nicht vorgestellt. Er war zu hoch oben. Jetzt durfte er sich keinen Fehler erlauben, oder sie würden sich von ihm abwenden. „Wir bleiben heute noch hier, morgen wird dann entschieden, wer zu meiner Insel fliegt und wer bei uns bleibt. Lasst uns heute Abend unseren ersten Erfolg feiern!“ Sie jubelten ihm zu. Es war ein erhebendes Gefühl, zumal seine Seelenlesergabe ihm ihre Freude vermittelte, aber auch eine schwer wiegende Verantwortung. Da er nie eine solche Anführerrolle gehabt hatte, fragte er sich, ob er ihr gewachsen war, immerhin war das etwas anderes, als Leiter eines Elementarkreises zu sein, um einen zukünftigen Allmagier auszubilden... *** Tronet, Tronata und Danon wurden in dem Nebengebäude in jeweils eins der zellenähnlichen Krankenzimmer gesperrt. Darin war alles, was sie brauchten, nur kein Essen. In der Beziehung waren sie darauf angewiesen, dass man ihnen etwas brachte. Noctivagus erlaubte sich einen kleinen Scherz und legte Tronata eines ihrer eigenen Magie hemmenden Halseisen an, nicht ohne noch ein oder zwei seiner eigenen Zauberbanne darauf zu legen. Gut gelaunt ging er dann zum Haus zurück, begleitet von den Drachen, die die Slarivester für ihn dorthin geschafft hatten. Seine Hüften nahmen ganz von selbst einen rhythmischen Schwung an. Er hatte Eikyuus Aufruf zum Feiern noch vernommen und dachte daran, eine kleine Tanzeinlage zu bringen. Vielleicht konnte Hiatari etwas singen. Die Lichteffekte eines Lichtsängers waren auch immer sehr beeindruckend. Nun, das würde er schon organisieren. Unbewusst summte er eine Melodie vor sich hin und dachte sich aus, was er machen konnte. Seine Begleiter beobachteten ihn interessiert, aber das merkte er gar nicht. Zurück im Haus sah er erst einmal nach seinem Gebräu. Maris brauchte noch keine neue Portion, aber er musste sicherstellen, dass damit noch alles in Ordnung war. Manche Mittel hielten sich nicht lange. Als Noctivagus gegen Mittag das Zimmer des Barden betrat, sah er zu seiner Überraschung, dass dieser auf den Beinen stand und sich gerade eines seiner bunten Rüschenhemden anzog. An der Waschschüssel war zu erkennen, dass er sie gerade benutzt hatte. Sein Haar hatte er bereits gekämmt, und auf seiner Stirn war jetzt ein roter Fleck zu sehen, als hätte er sich vor kurzem gestoßen. Das war bei Rächern aber immer so, wenn sie gerade ihr Horn getragen hatten, und ging mit der Zeit weg. Dafür hatte er nach seiner Verwandlung jetzt keine Schuppen mehr. „Hey, du solltest noch liegen bleiben,“ protestierte der Schattenmagier. Eikyuu saß auf dem Bett und schaute zu, während von Kendra momentan nichts zu sehen war. „Lass ihn. Er ist ein Rächer, die hält eh nichts im Bett, wenn sie auch aufstehen können.“ Maris grinste. „Ich werd’s überleben. Stimmt es, dass ihr heute Abend feiern wollt? Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen, immerhin bin ich hier der Barde.“ „Du hast gerade eine Vergiftung hinter dir! Bleib doch wenigstens noch bis Mittag liegen und iss erstmal was!“ „Essen ist gut, aber liegenbleiben werde ich nicht.“ Noctivagus baute sich vor ihm auf, die Hände in die Hüften gestemmt. „Ab ins Bett, oder willst du dir hier den Tod holen?“ Maris funkelte ihn mit seinen tiefgründigen Augen amüsiert an. „Wohl kaum.“ „Dann trink wenigstens das!“ setzte Noctivagus fest und hielt ihm eine Tasse des Antigift-Trankes hin. Davon schien der Rächer nicht allzu begeistert zu sein. „Das ist ja wohl nicht mehr nötig. Ich hab’s überstanden, also kann ich mir den scheußlichen Geschmack ersparen!“ In dem Moment kam Valerian dazu. „Was ist denn hier los?“ „Der Rächer hat eine Diskussion mit seinem Heiler,“ informierte Eikyuu ihn. „Sag du dem Verrückten mal, dass er das trinken soll, wenn er schon nicht liegen bleiben will!“ verlangte Noctivagus gereizt. „Sag dem Besserwisser, dass ich meinen Zustand gut genug beurteilen kann, um zu wissen, dass ich nicht draufgehe!“ schoss Maris zurück. Eikyuu fasste sich an den Kopf. Das war echt albern. Valerian hob eine Augenbraue und blickte von einem zum anderen. „Als Rächer betrachte ich das ähnlich wie du, Tim, aber als Drachenheiler muss ich darauf bestehen, dass du das trinkst. Maris lief rot an. „Hey! Wie hast du mich da eben genannt?!“ Doch Valerian antwortete nicht darauf, sondern bugsierte den Barden zurück aufs Bett. „Wenn du nicht willst, dass ich mir das angewöhne, trinkst du jetzt das Zeug und wartest dann, bis du noch etwas zum Mittagessen hattest, ehe du aufstehst!“ „In deinem nächsten Leben wirst du eine Küchenschabe, glaub’s mir!“ zischte Maris, doch der Prinz zeigte sich unbeeindruckt und nötigte ihn, die Tasse leer zu trinken. „Es ist wichtig, dass wir die Behandlung noch etwas weiterführen, weil es sein kann, das das Gift noch in dir steckt und zur Zeit nur nicht wirkt,“ erklärte der Schwarzhaarige. „So mancher ist schon an einem Rückschlag gestorben, und wir wissen nicht mal genau, was das für ein Gift war.“ „Ihr Heiler immer…“ Maris war offensichtlich davon überzeugt, dass er es besser wusste, aber da Valerian sich nicht abwimmeln ließ, trank er das Gebräu. „Na also, warum nicht gleich so,“ nörgelte Noctivagus. Es nervte ihn ein wenig, dass er als Heiler nicht ernst genommen wurde, und er wollte sich gerade darüber beschweren, als Maris sich ihm noch einmal zuwandte. „Danke, ich weiß deine Mühen zu schätzen.“ Der Barde lächelte entschuldigend. „Ich kann halt nur nicht aus meiner Haut… Rächer hassen es, im Bett zu liegen und Medizin zu trinken. Und ich ganz besonders.“ „Na, da kann ich mich ja schon auf die Wiederauferstehung deiner Rasse freuen,“ entgegnete Noctivagus mit gespieltem Sarkasmus. „Bleib noch liegen bis zum Mittag, dann kannst du meinetwegen etwas üben… Kennst du das Lied des Kriegers, der lebend aus der Gefangenschaft entfliehen konnte?“ „Natürlich. Willst du danach tanzen? Es ist ein ziemlich schnelles Lied… Naja es handelt ja auch von jemandem, der auf der Flucht ist.“ „Und ich bin ein Flammentänzer, der Rhythmus kommt mir entgegen.“ Maris nickte. „Gut, ich werde es bis heute Abend noch etwas eingeübt haben. Schick auch die Lichtsänger zu mir, vielleicht möchten sie auch, dass ich etwas für sie spiele.“ „Gut, da wir das jetzt geklärt haben...“ Valerian wandte sich an Eikyuu. „Eigentlich kam ich ja her, um dir was zu sagen, Towa. Kendra ist oben in dem Zimmer, das wir hatten. Mit Shisei und den Kindern. Kommst du?“ Der Seelenleser nickte und erhob sich. Valerian wartete noch, bis Maris sich ordnungsgemäß ins Bett gelegt hatte, ehe er seinem Partner vorausging. Die Kinder waren bei ihrer Mutter, aber es sah aus, als wären sie ein bisschen verunsichert. Kendra weinte schon wieder. Sie saß etwas abseits auf dem Teppich, während sich die Kinder alle im Bett drängelten und wohl nicht wussten, was sie machen sollten. Als Eikyuu hinter Valerian den Raum betrat, konnte er ihre unterschiedlichen Emotionen spüren. Shisei hatte bei der Frau gesessen und sie getröstet, sprang aber jetzt auf und auf die beiden Neuankömmlinge zu. „Die drei sind gemein zu Kendra… Tronet hat böse Sachen über sie gesagt und sie haben es geglaubt…“ Der Älteste, der einzige Junge, legte schützend die Arme um die Mädchen. „Drachenpack! Und sowas ist unsere Mutter, du hast Schande über uns gebracht! Du hast zugelassen, dass diese Sklaven unser Haus einnehmen!“ Das musste wahrhaft schrecklich für die Mutter sein, den eigenen Sohn gegen sich zu haben. Kendra hatte die Knie angezogen und die Arme darum gelegt, nun beugte sie den Kopf nach unten und verbarg ihr trauerndes Gesicht. Eikyuu ignorierte den Jungen und blickte das ältere der Mädchen an. „Du bist Dania, nicht wahr? Ich hörte, du würdest gerne mit Drachen im Zirkus arbeiten?“ Er merkte, dass sie ängstlich, aber auch neugierig war. Als sie zu ihm aufblickte, sah er ihr in die Augen und beeinflusste sie ein bisschen dahingehend, dass ihre Neugierde gestärkt wurde und sie sich zu ihm traute. Der Junge wollte sie aufhalten, aber sie machte sich aus seinem Griff los und ging auf den Seelenleser zu. „Bist du nicht der Drache, der zaubern kann und uns das Haus gestohlen hat für seine Drachenfreunde?“ Eikyuu lächelte schief. „Äh… hat das dein Vater gesagt? Naja zaubern kann ich schon, das stimmt, aber euer Haus leihe ich mir nur aus.“ Er ging in die Hocke, um etwa auf ihre Höhe zu kommen. Sie sah ihn immer noch interessiert an, und er nutzte das, um in ihrem Geist die gleiche Sperre zu errichten wie bei den Erwachsenen. Er war vorsichtig bei ihr, da sie ein Kind war, und er tat es so, dass er es leicht rückgängig machen konnte. „Deine Mutter wird uns begleiten, weil dein Vater sie nicht mehr haben will. Geh mal zu ihr.“ Er schob die Kleine sachte in Kendras Richtung und erhob sich dann. „Kasar, nicht wahr?“ wandte er sich an den Jungen. „Stimmt es, dass du ein Drachenfänger oder Drachentöter werden willst?“ „Genau, und du bist mein erstes Opfer, du Missgeburt!“ zischte der Junge. Solche Worte aus dem Mund eines Kindes trafen wohl jeden hart. Eikyuu aber konnte auch noch den Hass dahinter spüren. Es war zweifellos eine Folge der Erziehung, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. „Das ist ein gefährlicher Beruf, Kasar. Manche sterben dabei, willst du das deinem Vater antun? Werde doch lieber Bauer oder Pferdezüchter oder so etwas.“ Er schickte die Information mit seiner Gabe an Kasars Geist, wo er die Idee, den Drachentöter-Plan aufzugeben, verfestigen wollte. Doch Kasar war so wütend, dass es schwer war, einfach so zu ihm durchzukommen, obwohl der Blickkontakt da war. „Ich werde dich jagen, bis ich deine Hörner abgehackt habe!“ erwiderte er. Eikyuu hätte einen stärkeren Versuch unternehmen können, wie bei Tronet und seinen Eltern, aber bei einem Kind tat er das ungern, zumal die kleineren Geschwister noch dabei waren. Tondra befand sich noch in Kasars eher besitzergreifenden als schützenden Umarmung. „Du kannst aber nicht für deine Schwester entscheiden,“ teilte Eikyuu ihm mit. „Lass sie zu ihrer Mutter, wenn sie will. Sie interessiert sich für die Heilkunst, die kann sie bei ihr lernen.“ „Das ist nicht mehr unsere Mutter!“ widersprach das Kind. „Dania, geh von ihr weg!“ Valerian trat auf Kendra zu. „Wollt Ihr nichts dazu sagen? Es sind Eure Kinder.“ Die Frau sah mit verweinten Augen zu ihm auf. „Aber… was soll ich denn…“ Shisei löste sich von seinem Rockzipfel. „Deine Mama war versklavt und man hat dich ihr einfach weggenommen. Findest du das nicht gemein? Wenn du dich nicht anstrengst, nimmt man dir deine Kinder auch weg!“ Das schien etwas in Kendra zu bewirken. Sie sah ihre ältere Tochter an, die sie schon im Arm hielt. „Ja… das stimmt wohl.“ Sie stand auf, nahm Dania auf den Arm und übergab sie an Valerian. „Bleib kurz bei dem Prinzen, Liebes.“ Und sie stellte sich dem zornigen Blick ihres Sohnes und trat neben Eikyuu. „Komm her, Tondra. Papa und ich haben uns zerstritten, und er ist genauso wütend wie Kasar. Wir gehen weg, an einen Ort, wo es friedlich ist. Du kannst eine Heilerin werden, wie du es wolltest.“ Doch Kasar hielt sie fest. „Wir bleiben hier! Papa ist im Recht! Diese Frau ist nicht unsere richtige Mutter, Tondra.“ Eikyuu merkte, dass seine Worte auch Dania verunsicherten. „Stimmt das, Mama?“ fragte die Kleine. Kendra wandte sich zu ihr um. „Natürlich nicht! Das sagt er nur, weil er erfahren hat, dass ich von Drachen abstamme.“ Erschüttert sah sie wieder Kasar an. Sie sah ein, dass der Junge für sie verloren war, oder zumindest hatten sie und die Drachen keine Zeit, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Entschlossen ging sie auf das Bett zu und nahm Tondra einfach an sich. Die sichere Geste ließ Kasar zögern, obwohl er das Mädchen festhalten wollte. Er wollte seiner Schwester auch nicht wehtun, deshalb ließ er sie los, als sie sich nicht gegen die Mutter wehrte. „Geht nicht mit denen mit!“ versuchte er es ein letztes Mal. „Tut mir Leid, mein Junge,“ sagte Kendra mit halb erstickter Stimme. „Wenn du nicht mitkommen willst, bleib hier. Bleib bei Papa.“ Sie wandte sich zögernd von ihm ab und ging zu Valerian, Dania und Shisei. Damit hatte Eikyuu freie Bahn. „Lass mich in Ruhe!“ zischte Kasar ihn an und wollte auf der anderen Seite aus dem Bett flüchten, doch der Seelenleser packte ihn am Arm. Der Junge wollte ihn mit der anderen Hand schlagen, doch er griff sich auch diese. Als die grauen Augen ihn erneut voller Hass ansahen, schlug er zu. Er wusste, dass Kasar merkte, dass er etwas mit ihm tat. Der Junge setzte sich zur Wehr, aber er hatte keine wirkliche Chance. Eikyuu überwand seinen Widerstand und sorgte dafür, dass auch er nicht über die Vorfälle reden konnte, und er pflanzte ihm ein, dass er niemals einen Drachen töten sollte. Zwar konnte er auf die Schnelle nicht all die Jahre der Erziehung rückgängig machen und das Kind in einen Drachenfreund verwandeln – so etwas hielt unter Umständen auch nicht ewig. Aber wenn er sich auf die eine Sache konzentrierte, war es sehr sicher, dass Kasar es nie über sich bringen würde, einen Drachen zu töten, selbst wenn er seinen Berufswunsch nicht aufgab. „Werde lieber kein Drachenfänger,“ sagte er ihm abschließend. „Das ist zu gefährlich.“ Der Junge griff sich mit beiden Händen an den Kopf. „Was hast du mit mir gemacht, du Scheusal?“ „Kleine Spezialität von mir,“ meinte Eikyuu leichthin und ging nicht weiter darauf ein. Am besten wenn er dachte, das wäre eine Magierfähigkeit. Es musste nicht bekannt werden, dass Seelenleser den Geist eines Menschen beeinflussen konnten. „Und jetzt benimm dich, oder wir müssen dich zu deinem Vater und deinen Großeltern in das Nebengebäude sperren.“ Da er fertig war, ließ er den Jungen los. Kasar verschränkte die Arme und setzte ein kindlich wirkendes Schmollgesicht auf. Er starrte in eine Ecke und blieb trotzig auf dem Bett sitzen. Indessen komplimentierte Valerian den Rest der Familie hinaus. Shisei ließ den Jungen ohne weitere Versuche zur Überredung zurück. Eikyuu schloss die Tür hinter der Gruppe. Vermutlich würde Kasar sich von ganz alleine in dem Zimmer verschanzen, jedenfalls schien er keine Lust zu haben, sich unter die Drachen und Draconer zu mischen. *** Fortsetzung folgt. Namensbedeutung Hiatari: Japanisch „Sonnenschein“ Die Namen der Slarivester oder Namen, die den Drachen von Slarivestern gegeben wurden (Yanis), haben keine mir bekannte Bedeutung. Ich denke sie mir einfach so aus, während ich die anderen meistens irgendwo nachschlage.^^° Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)