Embrace me, demon von NamiHeartphilia (How can you keep me in chains?) ================================================================================ Kapitel 1: _rain on me_ ----------------------- Es regnete so schön. Ich liebe den Regen. Man könnte meinen, die kleinen Tropfen fallen in einen ungeheuren Geschwindigkeit aus einer gewaltigen Höhe um sich auf uns zu stürzen und momentan all das Unreine, was uns befleckt, abzuwaschen. Das wäre natürlich schön, doch es ist leider nicht möglich, denn sie waschen nur das ab, was sich an der Oberfläche befindet. Das jedoch, was in uns lebt, was wir sind, was wir verstecken, was nur wir kennen - das bleibt unberührt und wächst mit jedem Atemzug. Aber in jenem Moment stand ich auf der anderen Seite des Regens vor einem massiven Glasfenster und starrte die Menschen auf der Straße an, die von hier oben so klein erschienen. Mit einem Finger fuhr ich die Spur einer Regenperle auf dem Glas nach. Obwohl Feuer im Kamin loderte und ich einen Bademantel trug, fröstelte es mich ein bisschen. Das gedämmte Licht machte mich irgendwie schläfrig, aber ich hatte keine Lust meinen Blick von dem ewigen Regen abzuwenden, da er mich in seinen Bann gezogen hatte. "Was ist denn so schön am Regen?" Er saß hinter mir auf der Ledercouch. Ganz gelassen und cool wie immer. Auch wenn seine Gestik und Mimik Leute anziehen sollte und sein Lächeln so schön wie das eines Kunstwerks war, hasste ich das alles manchmal, denn ich wusste, dass das nicht er selbst war. Niemals, aber auch wirklich niemals würde er zeigen, wie es in ihm aussah. Von Zeit zu Zeit machte mich diese Art von Unehrlichkeit richtig krank. Wozu die ständige Schauspielerei? In seiner rechten Hand hielt er ein Glas von tiefsündigem Rot. "Na? Sag schon, was gefällt dir denn an schmutzigem Wasser, das vom Himmel fällt?" Mit einem Schlag hatte er die ganze Schönheit des Regens zerstört indem er einfach offen sagte, was der Regen tatsächlich war. Da Adrian nie sein wahres Ich preisgab, konnte das keiner mit ihm machen. "Es interessiert dich doch überhaupt nicht. Warum fragst du denn danach?" Nachdem er sein Glas abgestellt hatte, gesellte er sich zu mir ans Fenster. "Was ist denn mit dir, Victoria? Du bist heute so schlecht drauf.", fragte er und zwang mich dazu ihm in die Augen zu sehen. Ja, das konnte er gut. Wenn ich ihn gefragt hätte, was los sei, hätte er es mir nie gesagt. Großer Gott. Das nannte sich Partner. Nein, nicht Partner im Sinne von Liebe - wie lächerlich - nein, wir waren lediglich Partner, wenn wir unseren Job erledigen sollten. Das sah folgendermaßen aus: wir hatten einen Auftraggeber, der uns Informationen über bestimmte wertvolle Edelsteine gab und diese sollten Adrian und ich ihm dann beschaffen. Wir waren nicht die Einzigen, die der Lord beschäftigte. In diesem Sinne war Adrian also mein Partner. Mit der klitzekleinen Ausnahme, dass er kein Mensch, sondern ein Vampir war. Nicht dass mich das gestört hätte. Es hatte schon viele Dinge in meinem Leben gegeben, die mich geschockt haben und um ehrlich zu sein arbeitete ich lieber mit einem Vampir als mit Menschen. Seit dem Unfall meiner Mutter, über die Hochzeit meines Vaters zu der Tatsache, dass mich so viele Menschen enttäuscht hatten. Als allererstes mein war es Vater. Kurz nach dem Tod meiner Mutter hatte er wieder geheiratet. Ich glaube sogar, er hatte nur darauf gewartet um diese zickige Schlampe zu ehelichen. Wie auch immer. Sie hatten mich wirklich enttäuscht und ich war immer vor allen, die mich enttäuscht hatten, weggelaufen. Vor meinem Partner brauchte ich nicht flüchten, denn wir hatten glücklicherweise keinerlei Gefühlsbindung und er konnte im Grunde nur unseren Chef enttäuschen, was sich dann auch auf ihn selbst auswirken würde. "Ich weiß auch nicht. Er ist eben schön. Du weißt doch, ich liebe schöne Dinge." Ich hoffte, er würde das nicht sofort auf sich beziehen, selbstverliebt wie er war. "So wie diese hübschen kleinen Rubine, die wir uns gestern geholt haben?", fragte er und seine Augen funkelten in der Farbe des von ihm genannten Steins. Wenn das geschah, konnte man sich fast nicht rühren, weil es so bezaubernd, gefährlich und verdammt anziehend war. Jedoch hatte ich mich daran gewöhnt. Seltsamerweise bekam ich diesmal Gänsehaut und das unangenehme Gefühl, ihn berühren zu müssen. Schon eigenartig, denn das war nicht meine Art. Berührungen. Nein. Das war ich nicht. So gut es ging, mied ich sie. Jetzt verspürte ich den Drang die schwarzen Haarsträhnen aus seinem Gesicht zu streichen. Vielleicht lag es daran, dass ich schon etwas mehr getrunken hatte. Ja, das musste es sein. Der Kerl war mir so ziemlich gleichgültig. Zwar war er ein Vampir, aber immer noch ein Mann. Das heißt, seine Opfer waren meistens weiblich, jung und hübsch und wurden erst ausgesaugt, nachdem er mächtig Spaß mit ihnen hatte. Anscheinend erfüllte ich mit meinen 24 Jahren, langen dunkelbraunen Haaren und einer eigentlich angemessenen Figur diese Kriterien. Denn als der Chef ihn mir als Partner zugeteilt hatte, hatte Adrian als allererstes versucht mich mit seinen Fähigkeiten um den Finger zu wickeln. Hatte doch tatsächlich die Rechnung ohne mein dominantes Verhalten und Schlagfertigkeit gemacht. Während ich in Gedanken versunken war, musste ich grinsen. Mein Partner musterte mich verwundert. "Mann, Victoria, du erstaunst mich immer wieder.", sagte er plötzlich. "Was meinst du?" "Einen Moment lang spielst du hier den sterbenden Schwan und im nächsten Augenblick grinst du so teuflisch. Woran hast du gedacht?" Er sah mich verdächtig an. "Warum liest du denn nicht meine Gedanken?", grinste ich ihn weiter an, weil ich genau wusste, dass er ausgerechnet meine Gedanken nicht lesen konnte. Niemand wusste warum, aber bei mir funktionierte es nicht. "Unglaublich komisch. Du siehst fertig aus. Vielleicht solltest du ins Bett gehen." Tatsächlich. Dieser Vorschlag war gut. Ich fühlte die Müdigkeit in meinem Körper, wie sie ihn runterzog und schwer machte. "Ja, mach ich. Die Nacht gestern war schon anstrengend." "Der Regen ist tatsächlich schön. Das habe ich früher nie wirklich gemerkt.", bemerkte er und lächelte. Er lächelte wirklich. So weit ich mich erinnern konnte, hatte er das fast nie getan. Es war normalerweise dieses verstellte dreckige Grinsen oder ein Lächeln, das die Intention hatte, Menschen zu verführen. Doch dieses Mal war es echt. Hatte ich etwa schon so viel getrunken? Und plötzlich fand er den Regen auch schön, wie? "Er ist so schön, dass ich jetzt mal ein bisschen durch die Straßen gehen werd.", beschloss er spontan. "Ach das ist es." Ich hob eine Augenbraue und malte mit den Händen den groben Umriss einer Frau in die Luft. "Hey, Bedürfnisse sind da, um sie zu befriedigen." Das schöne Lächeln wurde wieder einmal zu einem dreckigen Grinsen und ich bereute es ihn überhaupt darauf angesprochen zu haben. "Und dich darf ich ja schließlich nicht anfassen. Wenn's anders wäre, müsst ich jetzt gar nicht raus in den kalten Regen." "Das hättest du wohl gern. Du bist unverbesserlich." Wenigstens hatte er mich zum Lachen gebracht. "Danke, du aber auch. Weißt nie mein Angebot zu schätzen." Während er sich zur Tür begab, knöpfte er sein Hemd zu und wartete doch tatsächlich darauf, ob ich denn nicht doch meine Meinung ändern würde. "Du kennst mich doch schon drei Jahre. Langsam solltest du wissen, was ich bin und was ich nicht bin." Ein Flittchen ganz bestimmt nicht. "Hmmm. Wenn du allerdings kein Mensch mehr wärst, dann würdest du nicht mehr altern, du wärst so wie ich und noch schöner als jetzt - geht das? Und…“ "... und wir würden nicht mehr zusammenarbeiten können!", beendete ich seinen Gedankenlauf. "Hast du vergessen, dass der Chef nur Menschen mit Vampiren arbeiten lässt und nie gleiche Rassen zusammen? Du weißt doch ganz genau, dass er das tut, weil das Paar dadurch gleichzeitig die Stärken eines Menschen und die eines Vampirs innehat." "Eins zu null für dich. Ich geb auf. Zumindest vorerst!", wieder grinste er cool. Als hätte er nichts begriffen. Ich hatte mich oft gefragt, ob er nur so tat oder ob er wirklich so stur war. Bevor ich etwas entgegnen konnte, hörte ich das Knallen der Tür und weg war er. Schlafen. Das hatte er gesagt? Ja, ich brauchte jetzt Schlaf. Der Kerl konnte gut reden, er hatte ja auch massig Energie. Auf dem Weg in mein Schlafzimmer zog ich meinen Bademantel aus und warf ich rücksichtslos auf den Stuhl in einer Ecke des Zimmers. Ich betrachtete kurz einen der Rubine, die wir gestohlen hatten und die nun auf meinem Tisch lagen. Sie waren so wunderschön, so einzigartig und geheimnisvoll. So wertvoll. Ich nahm ihn in die Hand und beobachtete, wie der Stein das Licht aufzusaugen schien. Schließlich ließ ich mich erschöpft aufs Bett fallen und schloss meine müden Augen. Irgendwann später wachte ich auf, weil ich spürte wie etwas Kühles an meinen Beinen entlang kroch. So angenehm, wie sanfte Hände, die langsam meine erhitzte Haut streichelten. Mein Zustand war schon fast fiebrig und diese unsichtbare Kraft wanderte hinauf über meine Schenkel zum Becken und Bauch. Mein Körper schien nach dieser ersehnten Kühle zu dürsten. "Adrian, bist du es?", hörte ich mich wispern, doch es kam keine Antwort und ich sah weiterhin nichts, denn es war finster. Nur das geheimnisvolle Leuchten der Edelsteine auf meinem Tisch konnte ich erkennen. Der Griff der unbekannten Macht wurde fester und wilder. Die Kühle breitete sich aus und versuchte die Hitze in meinem Leib zu ersticken. Sie legte sich auf mich wie ein hauchdünner Schleier. Kalt und warm - gepaarte Gegensätze, die mich in den Wahnsinn trieben. Als die Kühle siegte, verwandelte sie sich in eine Körperform, die mich festhielt und an sich zog. Dieses Etwas fuhr mit seiner Zunge über meine Lippen und Hals. Ich wagte es kaum zu atmen und verlor gänzlich die Kontrolle. So furchtbar ordinär ich das jetzt beschreibe, so fühlte sich dieser seltsame Tanz aus Leidenschaft an. Die kalten Ketten, denen sich das Feuer gebeugt hatte, hatten den Besitz ergriffen und mich zu ihrer Sklavin gemacht. Entfachte Gier nach der erlösenden Kälte machte mich betrunken und flüsterte mir die süßesten Wunschträume zu. Die zarte Besessenheit legte ihre sündigen Finger um mein Herz und schaltete mein Hirn völlig aus. Ich musste wohl mein Bewusstsein verloren haben, denn auf einmal war alles verschwunden und als ich das nächste Mal die Augen öffnete, sah ich Adrian vor mir - sichtlich mit der Frage ,Was zur Hölle war hier los?' auf der Zunge. Ich sprang auf und das Gefühl der Leichtigkeit schenkte mir Gewissheit, dass dieses seltsame Etwas mich losgelassen hatte. Sogar frei atmen konnte ich wieder. "Was ist hier passiert? Hast du dich etwa selbst geschlitzt?", fragte er und erst jetzt merkte ich, dass er verdächtig Abstand hielt. "Ich versteh nicht ...?" Verwirrt blickte ich an mir herunter und stellte zu meinem Entsetzen fest, dass mein Nachthemd, sowie alle Stellen, wo dieses Wesen mich mit seiner Zunge berührt hatte, blutbefleckt waren. Meine Lippen, mein Hals, mein Oberkörper. Es war nicht meines. Denn nirgendwo war ich verletzt. Verwirrt schaute den Vampir an. "Du ... solltest dich waschen. Der Anblick ist für mich sonst zu reizbar.", meinte er krampfhaft und ich sah, dass er sich bereits zusammenreißen musste. Völlig durcheinander stolperte ich ins Bad und wusch das Blut von meinem Körper. Nachdem ich das Erlebte einigermaßen überwunden hatte, suchte ich Adrian auf, der wieder auf der Couch saß. Erst jetzt fiel mir auf, dass er klatschnass war. "Ist es etwa angenehm in nassen Klamotten rumzulaufen?", fragte ich und setzte mich in den großen weichen Sessel. "Hatte noch keine Zeit mich umzuziehen. Bin draußen im Regen spazieren gewesen. Ich hatte den Eindruck, es stimmt etwas nicht, also bin ich wieder hierher gekommen. Kaum war ich zur Tür rein, hörte ich schon irgendwas zerbrechen. Dann bin ich sofort in dein Schlafzimmer." Er zog das nasse Hemd aus und strich die ebenfalls nassen Haare zurück. "Was ist denn jetzt eigentlich passiert?" Ich schilderte ihm, was ich gefühlt hatte und was passiert war. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. "Sag jetzt bloß nicht, dass dir das auch noch gefallen hat.", meinte er und kniff die Augen zusammen. "Also... es war nicht unbedingt eine Qual.", musste ich eingestehen. "Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Incubus sein könnte, aber du solltest nicht so leichtsinnig sein. Du hast dieses Wesen doch nicht mal gesehen. Wenn ich das gemacht hätte, hättest du mich doch gleich gepfählt.", grinste er und lehnte sich zurück. "Nun ich weiß ja nicht, ob ich das witzig finden soll. Zuerst hatte ich schon Angst, aber dann war's doch auf ne Weise vertraut. Ich dachte einen Augenblick lang, das wärst du." "Aha! Das heißt also…“, begann er. "Das heißt gar nichts! Ich war nur in einem Fieberzustand. Deshalb konnte ich nicht mehr klar denken." Ja, ich hatte es wieder einmal bereut diesem Kerl etwas verraten zu haben. Sein Gesichtsausdruck sagte wieder nichts. Ich wusste nicht, ob er das zum Lachen fand, ob er sich Sorgen machte, ob ihm das egal war. Gar nichts. "Ach übrigens - die Steine haben sehr eigenartig geleuchtet." "Wenn du meinst, sie hätten etwas damit zu tun, sei beruhigt. Wir bringen sie...", er warf einen Blick auf die Uhr, "… in ca. fünf Stunden zum Chef." "Was? Schon so bald? Gott, ich bin so kaputt. " Gähnend machte ich mich ins Schlafzimmer auf. "Hast du schon vergessen, dass dein Bett blutbefleckt ist?", rief er mir hinterher. "Ach das ist mir jetzt auch egal.“, antwortete ich erschöpft. "Du kannst in meinem Bett schlafen.", schlug er vor. Ich sah ihn schief an. "Ich schlafe natürlich auf der Couch - was dachtest du denn?", grinste er ,unschuldig'. "Ok, wenn du meinst.“ Verloren torkelte ich in sein Zimmer und legte mich aufs Bett. Im nächsten Moment war ich schon eingeschlafen. Kapitel 2: _acting like ... _ ----------------------------- Das böse Klingeln des Weckers riss mich aus meinem traumslosen Schlaf. Ohne die Augen auch nur aufzumachen, tastete ich nach ihm, merkte aber irgendwann, dass das Klingeln aus meinem Zimmer kam und ich in Adrians Bett lag. Jetzt hatte ich gar keine andere Wahl als aufzustehen und in mein Zimmer zu wanken, um dieses nervtötende Gerät endlich abzuschalten. Unwillig glitt ich vom Bett herunter und rieb meine Augen. Dann begab ich mich in mein Zimmer und suchte nach dem Wecker. Als ich diesen mit Genuss endlich ausgemacht hatte, schlurfte ich langsam in Richtung Bad, wobei ich immer noch dieses dämliche Piepen in meinen Ohren hatte. Plötzlich fiel mir ein, was letzte Nacht passiert war, weil ich ungefähr an derselben Stelle stand wie letzte Nacht. Das Gefühl, das mich ergriffen hatte ... Ich wollte es noch einmal spüren. Es war nichts da gewesen außer dieser Hitze und Kälte ... Wie schwarz und weiß, die ineinander die Fülle finden und sich perfekt ergänzen. Denn nur auf schwarz erkennt man das Weiß am besten und nur auf weiß ist das Schwarze vollkommen wie sonst nirgendwo. Gegensätze, die einander zum Ausdruck bringen, indem sie sich vereinen, so paradox das auch erscheinen mag. Ohne das Gegenteil ist man längst nicht komplett. Es fehlt etwas ... Wie sehr oft schon unterbrach Adrian meinen Gedankenlauf, aber ich glaube, diesmal war ich ihm sogar dankbar, weil ich mich wahrscheinlich gänzlich in diesem absurden Schwachsinn verloren hätte. "Guten Morgen ..." Der schwarzhaarige Kerl, der mir aus dem Dampf strömenden Bad entgegenkam, war selbstverständlich kein Geringerer, als mein unverwechselbarer Partner. Ich wollte etwas entgegnen, war aber immer noch so müde, dass ich schließlich nur eine seltsame Geste hervorbringen konnte. "Ähm ... ich deute das jetzt mal als ,Guten Morgen, Adrian. Du siehst heute wieder toll aus!' Stimmt's?" Mit nur einem Badetuch um die Hüften ging er grinsend an mir vorbei. "Idiot ..." Ebenfalls grinsend schmiss ich mit einem Schwamm, den ich gerade im Bad ergreifen konnte, nach ihm und traf. "Hey, ich kann zwar deine Gedanken nich lesen, aber raten darf ich doch wohl!", verteidigte er sich und schmiss den Schwamm zurück, der dann an der Badezimmertür abprallte. Ich duschte mich kurz ab und erledigte den restlichen Schminkkram, weil ich unglaubliche Lust auf Kaffee hatte, aber noch mehr freute ich mich darauf, die Kohle beim Chef abzusahnen und dann endlich für die nächsten paar Tage meine Ruhe zu genießen. Zum Glück hatte Adrian den Kaffee schon fertig und saß - konnte man es anders erwarten? - immer noch allein nur mit dem Tuch bekleidet in der Küche. Müde ließ ich mich auf dem Stuhl gegenüber von ihm fallen und griff nach der Kanne mit dem dampfenden Kaffee. Dieses Getränk war wahrscheinlich meine einzige Droge, aber dafür auch gleichzeitig eine, von der ich auf ne gewaltige Weise abhängig war. Zigaretten fand ich langweilig, aber Kaffee hielt mich echt am Leben. Ich konsumierte sogar so viel davon, dass Sara sich öfters geäußert hatte, es würde mir schaden. Dann habe ich stets versichert, dass das schon ok sei und, dass ich das brauche, weil ich sonst nicht wach genug für die Jobs bin. Leider muss ich ihr insgeheim Recht geben, denn manchmal greift es mein Herz an und dann habe ich kurzzeitig Stechen, aber das ist mir bereits so scheißegal. Wenn's sein muss, bin ich halt weg vom Fenster. Na gut, es wäre für Sara ein Schock. Immerhin ist sie meine einzige Freundin. Ihr kann ich einigermaßen trauen. Sie ist nämlich die einzige Ausnahme von den Leuten, die ich vorhin genannt habe. Sie ist zwanzig, hat langes blondes, fast weißes Haar und ganz blaue Augen. Immer wenn ich sie anschaue, kann ich mich entspannen. Ich denke, sie verbreitet eine sehr ruhige und warme Aura. Deshalb bin ich, so oft es geht, bei ihr. Oft mache ich ihr Geschenke. Ihre größte Leidenschaft sind Puppen. Also, sie näht selbst welche und diese werden dann so wunderschön. So lebendig. Viel lebendiger als Adrian es je war, ist oder sein wird. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sitzen im Regal und beobachten dich. Aber nicht böse oder hinterhältig. Eher wie kleine Kinder. Wie kleine niedliche Stoffschutzengel. Neulich hat sie mir auch ein solches Püppchen geschenkt. Eine süße kleine Gothik-Lolita, die jetzt auf meinem Schreibtisch sitzt. Der ungehobelte Klotz, der mir gerade gegenüber saß, meinte dazu: "Na, seit wann spielst du mit Puppen?" Idiot. Ständig benimmt er sich ja so erwachsen. Dabei ist er selbst nichts weiter als ein dummes kleines Kind. Es gibt Momente, wo ich denke: "Gott, du machst mich krank ..." Wie auch immer, jedenfalls hatte er sich ein prächtiges Image aufgebaut. Richtig cool, stark, sexy, intelligent ... whatever ... Der letzte Punkt brachte mich allerdings zum Grübeln. Wie mich das ankotzte. Damit kommen wir zu dem Teil, dass gerade ER mich nicht unbedingt vermissen würde, wenn ich abkratzen sollte. Das würde dann so aussehen: "Och arme Victoria ... schade, warst echt süß ... Na ja ... ich geh jetzt mal in nen Nachtclub ..." Meine Mundwinkel zuckten auf und ich verschluckte mich fast an meinem heißen Kaffee, als ich mir seine Unschuldsmiene vorstellte. "Was denn? Hat mein Tuch irgendwo ein Loch?", fragte er verwirrt, als er mein Grinsen sah. "Du kennst mich doch. Hab nur gerade an was gedacht." "Ach super ... Du lässt mich ja nie an deinen Gedanken teilhaben. Das ist richtig fies, weißt du das?" "Ja ... ich weiß ...", seufzte ich theatralisch und nahm mir ein Brötchen, das ich sogleich mit Marmelade zu bestreichen gedachte. "Aber wo wir gerade dabei sind ... Du mich auch nicht." "Ich?!" Da war sie. Die Unschuldsmiene. Was musste ich mich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Also wirklich. Wenn er gut drauf war, konnte er witzig wirken. Anders war's allerdings wenn wir grad am Einsatzort waren und er von Kopf bis Fuß angespannt war. Dann konnte er richtig unangenehm werden und von Zeit zu Zeit auch sehr gruselig wirken. Er hatte da so einen Blick, wenn's zum Beispiel brenzlig wurde oder ... wenn er jemanden überwältigte. Einmal ist es dazu gekommen und ich werde es wohl nie vergessen. Ein Unfall eher. Ja, ein Unfall war's. Wir hatten gerade vor, uns aus dem Staub zu machen, wurden aber von einem Wachmann erwischt. Bevor dieser allerdings Andere verständigen konnte, warf ihn Adrian zu Boden und brach ihm das Genick. Er hatte diesen teuflischen Anblick. Rasend. Glühend. Explodierend. Die Nacht davor war er schon gestresst gewesen. Zum Glück konnte ich ihn dazu überreden, kein Blutbad zu veranstalten, sonst wären wir bestimmt aufgeflogen. Der Chef war dann auch ein bisschen sauer, aber ich hab Adrian dann blöderweise verteidigt. Keine Ahnung, was in mich gefahren war. Vielleicht hatte ich nur Angst, er würde dann völlig ausrasten. Irgendwie aber ... waren das Momente, wo sein Innenleben zum Vorschein kam. Dann blitzten kleine Strahlen seines wahren Ichs auf. Seine hübsche stolze Marmorfigur splitterte und der Vorhang riss. Das alles waren Momente, die er hasste. Das sagte er zwar, aber die Wahrheit war anders. Er hasste sie nicht, er hatte Angst vor ihnen. Er hatte davor Angst, dass ich ihn sehen würde. Sein Inneres. Das, was er für hässlich und abstoßend hielt und deshalb maskierte. Das, was alle abschrecken würde. Nun, das war wiederum paradox, denn er gab doch immer vor, es wäre ihm egal, was die anderen von ihm hielten. Es überraschte mich, wie viel ich von ihm wusste und zu meinem Glück vermutete er das nicht einmal, weil er nicht wusste, was in meinen Gedanken vorging. Vermutlich hätte er mich vernichtet, wenn er das gewusst hätte. Nur um seine Perfektion zu wahren. "Ich verberge doch NIE was vor dir, liebe Victoria!", bekräftigte er. "Ja klar ... und ich bin die Jungfrau Maria ...", parierte ich. Darauf sagte er dann nichts mehr, weil er wusste, er würde mich sowieso nicht überzeugen können, weil er log. "Weißt du, Adrian, mit der Masche, mir Dinge zu sagen, die ich angeblich hören will, kommst du nicht weiter." Er warf mir einen gespielt beleidigten Blick zu und fuhr sich durch die nassen Haare, die nach Shampoo dufteten. Allerdings ... er benutzte extra-super-geil-duftendes Shampoo. Eitel und eingebildet wie er war, konnte man das ja voraussagen. Ich glaube sogar, er hatte mehr Flakons als ich ... "Tu nicht so, als würde dir der Satz auch nur in geringster Weise was bedeuten.", sagte ich mit einem Siegeslächeln und nippte genussvoll an meinem Kaffee. "Findest du den Kaffee so befriedigend? Wenn man dich so ansieht, hättest du echt das Zeug zu einem Vampir.", bemerkte er. "Das kommentiere ich am besten nicht, sonst landen wir beim alten Thema.", meinte ich und fühlte mich nach dem Kaffee schon viel lebendiger. "Ok, dann geh ich mich mal anziehen." Er stand auf und suchte sein Zimmer auf. Als ich mein Frühstück beendet hatte, zog ich eine weiße Bluse, dazu einen schwarzen Rock und einen schwarzen langen Mantel an. Gerade als ich meine Schlüssel und die Edelsteine in meine Handtasche packte, erschien auch Adrian. Ich musterte ihn kurz und grinste: "So ... jetzt sind wir wohl tatsächlich im Partnerlook, was?" Er hatte nämlich dasselbe an, also ein weißes Hemd, schwarze Hose und einen ebenfalls schwarzen langen Mantel. "Ich kann nichts dafür.", zuckte er mit den Achseln. Ohne daraus eine große Diskussion zu machen, betraten wir den Aufzug, der uns in die Tiefgarage bringen sollte, wo bereits eine Limousine auf uns wartete. Selbstverständlich war das alles geplant und bestellt. Das Innere des Wagens war perfekt gegen das Sonnenlicht abgedichtet, sodass mein Gefährte keinerlei Gefahr durch einen der notwendigsten Faktoren des Lebens, sprich der Sonne, drohte. So nahm er wieder einmal gegenüber von mir Platz. Zum einen, weil er es liebte, Menschen in die Augen zu sehen, weil er sie somit kontrollieren konnte. Klar, bei mir wirkte das nicht. Das heißt, es war schon ein abnormes Gefühl in seine von Zeit zu Zeit magisch funkelnden Augen zu blicken. Auch längere Zeit, aber ... ich konnte mich jede beliebige Sekunde losreißen. Zum anderen drückte diese Sitzangewohnheit auch den großen Unterschied zwischen uns. Das merkte nur auf den zweiten Blick, denn für viele Menschen spielt das keine Rolle. Doch, wenn ich jetzt Sherlock Holmes zitiere, mag vielleicht unpassend wirken, aber für mich ist das ein angemessenes Beispiel: ,Sagen Sie, Watson, wie oft sind Sie diese Stufen schon emporgestiegen? - Bestimmt schon etliche Male. - Und? ... Wie viele sind es? - ... Das kann ich leider nicht sagen ...' Es geht darum nicht nur primitiv hinzuglotzen, sondern zu beobachten. Ein Satz, den auch Galilei gebraucht haben soll. Eine seltsame Art Dinge zu betrachten, aber ich hatte sie mir angelernt und wenn ich Adrian sah, schaute ich ihn nicht nur an, sondern beobachtete ihn. Deshalb sollte er sich nicht wundern, dass ich ihn mehr lesen konnte, als er mich. Die Limousine fuhr ab und bald brausten wir durch die noch vermutlich schläfrige Stadt London. Ich sage ,vermutlich', weil ich das aufgrund der völlig abgeschirmten Fenster nicht beurteilen konnte, sehr wohl aber wusste, dass die Stadt um diese Zeit noch nicht so viele Menschen auf ihren Straßen erlebte. Es war erst ungefähr Viertel vor sechs an einem Sonntagmorgen. Dies war ebenfalls ein positives Argument für meine Vermutung. Da die Fahrt noch eine gute Dreiviertelstunde dauern würde, lehnte ich mich gemütlich zurück und schloss die Augen. Gleichzeitig knöpfte ich meine Bluse ein wenig auf, weil es in dem Wagen ziemlich warm war. "Was willst du denn heute noch machen?", fragte der Schwarzhaarige plötzlich. Er hasste lange und vor allem langweilige Fahrten und versuchte sich mit allem die Zeit zu vertreiben. "Hmm ... ich wollte Sara besuchen." "Du willst ihr deinen Anteil geben, oder? Also ich meine den Edelstein." Es war eine ,Tradition', dass die Partner jeweils einen Stein von der Beute behalten durften als ,Souvenir' sozusagen. "Ja, du weißt doch, dass sie eine Sammlung hat." "Meinst du nicht, dass der Stein zu ... wertvoll ist?" Ich glaube, nach meinem giftigen Blick, hatte er die Frage bereut. "Für solche Menschen ist mir nichts zu wertvoll. Im Gegensatz zu dir.", antwortete ich ihm in der Hoffnung, das würde ihn vielleicht ein bisschen kratzen. "Ach so." Ok, das schien nicht so zu sein. "Kannst ihr meinen dann auch schenken.", sagte er knapp. "Was ...?", fragte ich nach, weil ich glaubte, mich verhört zu haben. "Ja. ... Hey, was soll ich mit dem Teil? ... Kohle haben wir doch sowieso im Überfluss." "Ähm ... gut, wenn du ... darauf bestehst. ... Wieso gibst du ihn ihr nicht selbst? Sie würde sich sicherlich freuen.", schlug ich vor. "Nein, ich fahr nach dem Treffen sofort zurück und penne. Außerdem glaube ich, dass deine Freundin Angst vor mir hat." "Wenn man Angst und Respekt nicht unterscheiden kann, macht es wohl einen solchen Eindruck." "Komm, tu's einfach, ja?", sagte er gereizt. "Ok, ok, maul mich nich an.", zickte ich zurück. Daraufhin beugte er sich ganz nah an mich heran und flüsterte ,sanft': "Wie kann ich dich nur anmaulen, Herzchen? Das würde ich doch nie." Herzchen. Ein Wort, das ich hasste und er wusste das. In diesem Augenblick fiel mir auf, was für dichte schwarze Wimpern er hatte. Ein wunderschöner Kranz um diese kalt glänzenden roten Tore in die Unendlichkeit, die von dem Feuer beherrscht wurden, wenn Adrian gereizt oder erregt war. Es kostete mich einige Sekunden, seinem Blick auszuweichen. "Nenn mich bitte nicht so ...", hauchte ich ihm entgegen, " ... und ... Adrian ...?" "Jaaa ... ?", hauchte er zurück. "... hör gefälligst auf, mir in den Ausschnitt zu starren!", grinste ich und beobachtete, wie er sich zurück auf seinen Sitz fallen ließ. "Mann, Victoria ..." Wenn er menschlich gewesen wäre, dann würde er jetzt rot werden, was natürlich nicht der Fall war. "Ich weiß, ich weiß ... ,Ich bin auch nur ein Mann!' ... Stimmt's?", lachte ich. Er sah mich ausdruckslos an und sprach den Rest der Fahrt nicht mit mir. Wohl kaum, weil er eingeschnappt war, sondern weil er wusste, ich würde bei diesen dummen Konversationen immer gewinnen. Der Wagen rollte endlich in eine weitere Tiefgarage und wir durften aussteigen. "Ms. Leconte, Mr. Richards, ... Sir Edward Williams erwartet Sie bereits ... Bitte folgen Sie mir.", sagte einer der Angestellten, den wir schon kannten und wir folgten ihm schweigsam. Kapitel 3: _liar_ ----------------- Ohne auch nur ein Wort betraten wir das Foyer des Anwesens, in dem die Farbe Dunkelrot dominierte. Die schweren Vorhänge, die das Licht daran hinderten durch die riesigen Fenster einzudringen, die kunstvollen Teppiche ... Sie waren dunkelrot. Dies war schon früh eine Farbe gewesen, die aussagte, dass ihr Besitzer vermögend war. Doch wie wir Sir Edward kannten, war nicht der Reichtum der Grund für diese Wahl, sondern die Liebe zu dieser Farbe. Ich weiß nicht warum, er sie liebte. Vielleicht ... weil seine leider schon früh verstorbene Ehefrau Catherine diese Farbe vergötterte. Ja, ich erinnere mich an das Portrait, das ich in seinem Kabinett gesehen hatte. Die Frau war keine üppige Blondine (ich sah zu Adrian und verzog meine Mundwinkel), sondern eine Dame, die einfach etwas Bezauberndes an sich hatte ... Sie hatte diese Ausstrahlung ... Und ich hatte auch gemerkt, dass sie auf diesem Gemälde ein rotes Samtkleid trug. Das ruhige Lächeln war so lebendig. Ich glaube, wenn ich diese Frau gekannt hätte, müsste ich jedes Mal weinen, wenn ich das Gemälde sah. Deshalb bewunderte ich Sir Edward. Er hatte nie aufgehört sie zu lieben. Das nenne ich Ewigkeit. Nicht das, was mein allseits geliebter Partner hier immer vorschwafelte. Deshalb und weil er keine Angst hatte vor dem Schmerz, der aufkommen musste, wenn er das Bildnis und Dinge, die ihn an seine Frau erinnerten, sah. Er war ein starker Mann und kannte sein Niveau. "Bitte, warten Sie einen Augenblick.", sagte der Butler und verschwand hinter der massiven dunklen Tür. Adrian setzte sich ganz cool in einen der bequemen Sessel, die für die Wartenden aufgestellt worden waren. "Willst du dich nicht setzen?", fragte er. "Du erinnerst mich von Zeit zu Zeit an eine kalte Statue. Immer aufrecht und streng." Ich seufzte und schloss kurz die Augen. "Wenn ich erstmal anfangen würde DICH zu beschreiben, dann würdest du mich vermutlich hassen.", sagte ich kurz und drehte ihm den Rücken zu. "Ahhh so ist das. Dann schließe ich daraus, dass DU mich wohl bereits hasst, oder was?" Immer dieses blöde Gequatsche. Wieso kann er nicht mal die Klappe halten?! "Nein, Adrian. Ich hasse dich nicht. Du hast mir nichts getan. Und selbst wenn, müsste ich mir selbst die Schuld geben, weil ich das dann selbst zulassen würde." "Ok, dann bin ich beruhigt." "Es würde dich stören, wenn ich dich hassen würde?", fragte ich interessiert. "Ach, ein Mensch mehr oder weniger macht auch keinen Unterschied mehr.", antwortete er und stützte sich auf einem Ellenbogen auf. Im Moment hätte ich am liebsten "du rücksichtsloses Arschloch" gesagt, aber da kam auch schon der Butler zurück und bat uns rein. Deshalb entschied ich mich für "harmlosere" Variante und warf ihm einen arroganten Blick zu. Das schien ihn aber blöderweise anzumachen, weil er wieder einmal so dumm grinste. Endlich betraten wir das Kabinett unseres Chefs, der uns freundlich wie immer begrüßte: "Guten Morgen, setzt euch doch bitte." Er lächelte uns an und fragte: "Möchtest du Tee, Victoria?" Der Mann war an die fünfzig Jahre alt, mit grauen, fast weißen Haaren und milden Falten im Gesicht. Er wäre wohl ein guter Großvater gewesen, doch das Leben hatte seiner Frau und ihm keine Kinder geschenkt. Ein weiterer bitterer Punkt. Geld allein macht eben doch nicht glücklich. Natürlich versteckte er das so gut wie möglich. "Oh, danke, Sir." Ich nahm gerne eine Tasse Tee und vermied es Adrian anzuschauen, weil er mich tatsächlich beleidigt hatte. Das Beste war natürlich, dass er immer darauf achtete keine Frauen zu beschimpfen bla bla, ABER ... leider fiel es ihm nie auf, wenn er jemanden wirklich mal beleidigte, indem er rücksichtslos war oder das, was er versprach, nicht einhielt. Wenn er nicht da war, wenn man ihn brauchte. Adrian war einfach unzuverlässig und ... im Grunde benahm er sich ... ich sage es noch einmal, wie ein verdammtes kleines Kind, das sich alles erlauben kann! ... Ich hatte nicht vor, sein Spielzeug zu sein, das immer wieder auf die Seite gelegt und dann wieder aufgegriffen werden konnte. Ja, ich komme erst jetzt zu der Tatsache, dass er mich wirklich enttäuscht hatte. ... Das habe ich vergessen anzufügen. Er hatte behauptet, ich könne auf ihn zählen, wenn es mir schlecht ginge. Und was ist passiert? Seltsamerweise ... war er zu solchen Zeitpunkten immer auf einmal verschwunden. Er war einfach nicht da. Mehrere Tage kam er nicht zurück und wenn ich ihn fragte, wo er gewesen sei, fand er immer irgendwas. "Dringende Geschäfte" und so weiter ... Letztendlich habe ich diese "du kannst mich mal" - Einstellung entwickelt. Versprechen nicht einzuhalten - das würde ihm nie als Enttäuschung oder Beleidigung vorkommen. Ich meine, erst ist er nicht da und dann ... belügt er mich. Meinte der echt, ich sei so blöd und würde ihm die "dringende Geschäfte" - Nummer glauben?! ... Ich wusste doch, wo der sich herumtrieb. Das störte mich ja weniger. Er log mir ins Gesicht. Das war es. Gott, ich hör mich an wie seine Ehefrau. Verdammt. Im Grunde war mir das bereits auch scheißegal. Sollte er doch machen, was er will. Verändern konnte ich ihn eh nicht. ... Aber ... wenn ich ihm das geglaubt hatte, dass er wirklich da sein würde, ... war ich doch tatsächlich dumm gewesen. Nie wieder. "Ihr habt wunderbare Arbeit geleistet. Gratuliere." "Danke, Sir, hier sind die Edelsteine." Ich reichte dem alten Herrn den Beutel mit den Steinen. "Ich hoffe, ihr habt eure behalten, nicht?" "Ja, Sir, haben wir.", nickte ich. "Vielen Dank, Sir." Er lächelte wieder und legte seine Hände auf den Tisch. "Dann ... will ich euch ja nicht weiter aufhalten, meine Lieben. Die nächsten Tage solltet ihr euch ausruhen. Wenn ein Auftrag da ist, bekommt ihr einen Anruf. Danke für euren Besuch." Ich trank aus und stellte die Tasse auf den Tisch. Wir verabschiedeten uns kurz und gingen wieder den ganzen Weg in die Tiefgarage, wo wir uns zurück in die Limousine setzten. "Der ganze lange Weg für die fünf Minuten ...", meckerte der Schwarzhaarige. Ich nickte nur und gab vor in der Tasche zu kramen. Diese ganzen Gedanken hätten beinahe meine Maske auffliegen lassen. Ein falscher Blick und er würde wieder fragen ... "Ist was mit dir, Schönes?" ... Aaargh ... Lass mich verdammt noch mal in Ruhe ... "Nein, alles ok." Schließlich holte ich einen kleinen Spiegel und Lippenstift raus. Während ich in den Ersteren sah, konnte ich den Blick des Vampirs auf mir spüren. "Wirklich? ... Du weißt, wenn was ist, bin ich ..." "Ich weiß, bist du nie da ..." Nein. Das konnte ich unmöglich gesagt haben. Nein. "Wie ... bitte?" Ach was ... jetzt war es doch eh raus. "Ich sagte, dann bist du nie da." Kühl und ruhig sah ich ihn an. Sollte er es doch ruhig wissen. Das Statement hatte ihn überrollt. "Aber ... das ..." Für ne kurze Zeit, schien er verwirrt, was er sich unmöglich leisten konnte, also griff er wieder nach seinem geilen Image: "... das liegt daran, dass du nicht die Einzige bist, die meine Hilfe braucht ..." Hmm ... Moment mal, wie soll ich nur das Gefühl beschreiben, das ich bei diesem Satz empfand ...? ... Ich denke, ich wollte ihn packen, aus der Limousine schmeißen und ihn anschließend überfahren. Vielleicht war das auch noch milde ausgedrückt. "Pass auf, Adrian, ein letzter Auftrag und das war's. Ich hab einfach keine Lust mehr." "Was denn? Der kleine Scherz ... also ... Victoria ..." Auf meinem finsteren Gesicht breitete sich kein Lächeln aus und er wusste, dass ich ihm nicht glauben würde. "Wieso glaubst du mir nie?", fragte er fast schon empört. "Wieso lügst du denn immer?", fragte ich und machte seinen Ton nach. "Alles klar ... soll ich dir was sagen? Nur weil du dauernd angelogen wurdest, heißt das nicht, dass dich alle anlügen!", sagte er bissig. "Und nur weil dir alle Schlampen glauben, heißt das nicht, dass du denselben Dreck mit mir abziehen kannst!", antwortete ich genauso. Dann sagte ich dem Fahrer, er soll irgendwo anhalten, wo ich aussteigen konnte, ohne, dass Licht in den Wagen kam. "Dass ich also für dich da bin, nennst du also ..." Er sprach nicht zu Ende, denn ich hatte ihm bereits eine Ohrfeige verpasst, stieg aus dem Wagen und knallte die Autotür zu. Der Wagen fuhr ab und ich war froh, dass Adrian mir nicht folgen konnte. Meine Haare wehten im Wind und ich hoffte, die Tränen in meinem Gesicht würden einfrieren genauso wie mein Herz. Wer ... ich frage, WER verdammt noch mal, war ER, um mich SO zu erniedrigen?!!! ... Eingebildeter Idiot. Er ließ mich ausrasten. War es DAS, was er wollte? Höchstwahrscheinlich amüsierte er sich köstlich darüber, dass ich ausgerastet war. Egoistisches Arschloch. Natürlich war er da ... für SICH selbst. Denn nichts auf der gesamten beschissenen Welt liebte er mehr, als sich selbst!!! ... Ja, er hatte es "verlernt" ... natürlich ... Es wäre dasselbe, zu behaupten, er hätte das Saugen verlernt. Und ach ja ... "verdrängt" ... KLAR ... Wenn er das ... "verdrängt" hatte, WAS, verflucht, tat er denn noch hier? Wieso war er nicht schon längst in der Hölle?! Was hat man denn ohne Gefühle noch auf der Welt zu tun?! ... Er log. Er log so oft. Nur um sich zu schützen. Um nicht zugeben zu müssen, dass er doch noch irgendwo Mensch war. Deshalb das Theater, in dem er die Hauptrolle spielte. Mit dem ganzen Puder ... kiloweise Schminke ... prächtige Kleider ... Alle anderen waren für ihn nur Marionetten ... Aber ... eine kleine miese Marionette hatte gerade eben ihre Fäden durchtrennt ... und diese war niemand anderes als ich. Sein lächerliches Spiel würde ich nicht mitspielen. Denn ich ... habe meinen Stolz. Kapitel 4: _trust me_ --------------------- Vom kalten Wind durchgepeitscht, genauso wie von dem dornenartigen Gefühl, die die Konversation mit Adrian hervorgerufen hatte, fand ich durch einen Park meinen Weg zu Saras Haus, das nicht sehr weit von dem Ort, an dem ich ausgestiegen war, lag. Die wenigen Leute in dem Park warfen mir, wenn überhaupt, verwirrte Blicke zu. Eine nette alte Frau fragte mich, ob alles in Ordnung sei, ich würde ja so blass aussehen. ... Dass es derart liebenswerte Menschen noch gibt, wunderte mich zu dem Zeitpunkt irgendwie. ... Zuerst konnte ich nichts antworten, aber dann brachte ich noch mit gequältem Lächeln ein "Ja, danke, es geht schon ..." heraus, um nicht unhöflich zu sein. Meine Hände waren bereits so kalt, dass ich es wahrscheinlich nicht einmal fühlen würde, wenn ich mir in die Finger schneiden würde. Höchstens würde ich das an den entlang der Hände rinnende Blut bemerken. Zitternd kam ich bei Sara an und klingelte ein paar mal. "Victoria! ... Wie schön d.... Was ist denn los?! ... Komm rein, ist was passiert?" Sie blickte mich wieder mit diesem besorgten Blick an und ich wünschte bloß, man könnte mir von außen nicht anmerken, wie es mir ging, nur damit SIE sich keine Sorgen mehr machte. Damit SIE sich nicht aufregte. " ... Setz dich, ich mach dir gleich einen Tee." ... Komisch ... immer bieten einem die Leute Tee an. Das war jedenfalls der Gedanke, der mir durch den Kopf ging. Total dumm, aber ich glaube, das war die einzige Sorte von Gedanken, die ich in meinem Kopf herumwandern ließ, nur um die Wut und den Schmerz zu unterdrücken und nicht an das Geschehene zu denken ... Ok, es war bereits zu spät ... Was war denn der Grund, weshalb ich mich aufregte? War es wegen meinem verletzten Stolz? Wegen meiner Vergangenheit oder einfach nur wegen ihm selbst? Weil er ein Ignorant war und rücksichtslos handelte? ... "Jetzt, sag schon, was ist denn mit dir los? Wo ist Adrian? ... H-hat er etwa ...?" Ich sah Saras dünne Augenbrauen, wie sie sich über ihren Augen zusammenzogen und ihre verschränkten Arme. " ...W-wir ... hatten eine ... kleine Meinungsv-verschiedenheit ..." "Ja, das kann ich mir mittlerweile denken. Und deswegen bist du so aufgebracht? Wegen einem Typen, der NUR dein Partner ist und an den du durch keinerlei Bande gekettet bist, wie du selbst immer zu sagen pflegst ... ?" Schweigend lehnte ich mich in dem kuscheligen Sessel zurück und versuchte mich zu beruhigen. Ja in der Tat. Das stimmte. Da hatte ich mich von meinen Gefühlen in die Irre führen lassen. Plötzlich hörte ich mein eigenes Gelächter in Saras Wohnzimmer erschallen. "Ach ja, ich war wohl zu gereizt und er hat mich bloß ein bisschen austicken lassen ... Das war's auch schon." Ich nahm einen Schluck Tee und atmete auf. "Hmmm ... das sah mir aber nicht so aus. Was ist los?" Sie sah mit unentwegt in die Augen. "Sag es mir. Ich sehe, dass da was nicht stimmt." Nein, nein und nochmals nein. Ich würde nie etwas zugeben, was nicht stimmt. Es war nichts. Punkt, Aus, Ende, verdammt noch mal. "Es geht mir wirklich gut, der Tee wirkt wahre Wunder." Lächelnd hob ich die Tasse und nahm noch einen Schluck, wobei ich versuchte ein bisschen vom Thema abzulenken. Wie es aussah hatte mein Lächeln sie überzeugt, auch wenn es zur Hälfte draufgeschmiert war. Ja, ich weiß, ich sollte ehrlich sein, aber das ... war nicht mal ne Lüge und außerdem wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht mehr, was denn überhaupt wahr war und was nicht. Im Grunde log ich mich mittlerweile selbst an ... Idiotisch, nicht? Wie kann man sich selbst für dumm verkaufen? Tja, fragt die liebe Victoria - SIE weiß es ... "Eigentlich bin ich hier ... um, dir diese Edelsteine zu bringen. Sie sind besonders schön und da dachte ich, sie werden dir gefallen.", sagte ich und kramte in meiner Tasche. Der heulende Krampf in meiner Brust löste sich allmählich. Je länger ich bei Sara war und mich einfach ablenken ließ. Sie nahm das Geschenk gerne an, aber ich musste ihr versprechen, dass ich sie sofort anrufe, wenn es mir wieder schlecht gehen sollte. Schließlich verbrachte ich noch den Rest des Tages bei ihr und kam erst gegen 23 Uhr nach Hause. Das Appartement war leer. Erleichtert legte ich die Tasche ab und zog meinen Mantel aus. Dann hielt ich kurz inne ... Langsam wanderte ich in den Zimmern herum und strich sanft über die Möbel ... Ich überlegte ... Was nützte mir das ganze kindische Spiel? Streit ist dumm ... Nein, ich würde einfach wieder ich sein und mich nicht beirren lassen. Keine Gefühlsausbrüche für ihn. Nein. In der Dunkelheit fühlte ich mich wohl und so legte ich mich auf die Ledercouch, wo einen Abend zuvor Adrian noch so cool gesessen war. Lange noch starrte ich in Gedanken versunken die Decke an und kam zu dem Schluss, dass ich so tun würde, als wäre nie etwas passiert. Das war immer die beste Lösung gewesen. Wenn etwas wertlos war, sah man einfach drüber hinweg ... Irgendwann hörte ich, wie der Schlüssel seinen Weg in das Türschloss fand und die Eingangstür sich öffnete und wieder schloss. Tap, tap, tap ... Mit geschlossenen Augen verfolgte ich die Geräusche, die er machte: das Rascheln des Mantels, die Schritte ... Er blieb im Wohnzimmer stehen, das hörte ich, aber ich sah ihn nicht, weil ich mit dem Rücken zu ihm lag. Anscheinend war er überrascht, dass ich da war, allerdings machte ich keine Anstalten, aufzustehen oder auch mich nur umzudrehen. Jetzt würde bestimmt irgendeine blöde Bemerkung wie "Na, kannst du nicht schlafen?" kommen, aber ... da lag ich falsch. Das, was ich jetzt beschreibe, hat mich in höchstem Maße überrascht und so aus meinem Plan geschleudert, dass ich zunächst vollkommen desorientiert war, denn ich hätte dies nie für möglich gehalten. Ich hörte seine Schritte nämlich wieder. Er kam um die Couch herum, setzte sich neben mich und legte seine Hand auf meine. Das war das erste, was mich geschockt hatte, aber ich blieb ruhig und sagte: "Du warst wieder aus. Deine Hand ist noch warm." "Anders als deine. Wieso bist du wieder so kalt?" "Ich bin nur warm, wenn ich glücklich bin. Genau wie du.", sagte ich leise. ... Er rutschte näher zu mir her und beugte sich herab, um mir etwas zuzuflüstern. Ich weiß nicht, warum er das tat, immerhin waren wir alleine, aber ich vermute jetzt einfach mal, dass er näher sein wollte. "Es tut mir leid." - DAS hatte mich jetzt wirklich geschockt, sodass ich fast aufgesprungen bin. "W-was ... was hast du gesagt?" ... ER - die unantastbare perfekte Kreation entschuldigte sich?! ... "Es tut mir leid, dass ich dich vorhin verletzt habe. Wenn es Nacht gewesen wäre, wäre ich dir gefolgt, als du ausgestiegen bist ... Ich wollte dir nicht weh tun." . . . Ja, ich war platt wie eine Flunder. Mir ist sogar kurzzeitig der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht eingepennt bin und das nur träume, aber ... es war tatsächlich real. Nun gut, ich wich sowieso schon ziemlich von meinem Plan ab und wenn ich jetzt bestreiten würde, jemals verletzt worden zu sein, dann wäre das nur noch schlimmer geworden. Also sagte ich das, was ich dachte: "Irgendwas stimmt nicht mit dir, Adrian. ... Du hast noch nie so etwas zu mir gesagt ... WAS genau willst du?" Wie es aussah, hatte er mit der Frage gerechnet: "Nein, versteh mich bitte nicht falsch. Ich meine es ernst. Und ich will nichts. Vielleicht ... dass du mir verzeihst." Seine Worte waren genauso warm wie er, was mich immer noch sehr verunsicherte. Mein Misstrauen versuchte ich gar nicht erst zu verbergen, weil es ja schließlich angebracht war. Dennoch beschloss ich, ihm zu verzeihen. Was für eine andere Wahl hatte ich denn auch? Wir waren Partner und Konflikte machen die Arbeit doch nur schwieriger. "Du glaubst mir immer noch nicht." Er schüttelte den Kopf, lehnte sich wieder zurück und nahm auch seine Hand wieder weg. "Weißt du, ... wenn du nie jemandem ein Wort glaubst, dann ... ach, ich weiß nicht ... Hör mal, ... wenn wir unseren Job machen, dann vertraust du mir doch auch, oder?" Zögernd nickte ich und setzte mich auf. "Und ich habe das Vertrauen auch nie missbraucht, so weit ich weiß. Daher ... könntest du mir doch auch im Privaten mal vertrauen, nicht?" Wow, wieso dachte er auf einmal derartig logisch. Er konnte es wirklich, wenn er wollte ... "Hmmm ... ja, das stimmt wohl ..." Na ja, er hatte aber auch Recht. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Aber Vertrauen ist so eine Sache ... Ich war so unsicher, ob ich ihm vertrauen sollte oder nicht, weil es Argumente dafür und dagegen gab und die einzige richtige Entscheidung hing vom Gefühl ab. ... Die Entscheidung zerriss mich buchstäblich. Dennoch ... "Ok, Adrian ... ich werd's versuchen. Ich glaube dir und nehme deine Entschuldigung auch an. Andererseits habe ich mich auch daneben benommen. ... Aber weil ich dir vertraue, musst du aufpassen. Ein falscher Schritt und es ist weg. Für immer." Nachdem ich das gesagt hatte, fühlte ich mich auf eine Weise freier. Ich musste es zwar Stück für Stück lernen, aber ... es war bereits ein erleichterndes Gefühl, sich nicht ständig umdrehen zu müssen und sich zu fragen "Ist das wahr?". Kein unendliches Zweifeln mehr ... Ohne ein Wort legte er einen Arm um meine Hüfte und zog mich zu sich heran. Wie eine gewaltige Welle überrollte mich wieder dieses mächtige Gefühl, das ich schon einen Abend zuvor verspürt hatte, als ich ihm in die Augen gesehen hatte ... Dieses Mal war es elektrisierend und fesselnd. Schon wieder. Nein. Schon wieder ... konnte ich mich nicht losreißen von diesem glühenden und unfassbaren feurigen Blick. Verbunden mit der Wärme seines Körpers, durchblutet von dem fremden frischen Lebenselixier. Wie sehr ich mich auch wehren wollte, ich konnte nicht einen Zentimeter von ihm fort ... Was heißt "konnte nicht"? ... Es war vielmehr so, dass mich das Unterbewusstsein daran hinderte ... Der Wille, der in mir schlief. "Du darfst nicht so kalt sein ...", sagte er leise und schloss meine Hände in seine. "Hör auf ... bitte ..." wisperte ich flehentlich. "Tut mir leid ...", entschuldigte er sich und strich sanft über meine Wange. Dann stand er auf und zog seinen Mantel an. "Ich muss nur kurz was erledigen.", erklärte er. " ... Und leg dich schlafen. Es ist spät." Warum nur verhielt er sich so? ... Als würde er sich um mich sorgen ... War das seine Rache? ... Ach verdammt. Ich wollte doch damit aufhören. ... Ich nickte und als er dann die Tür hinter sich geschlossen hatte, folgte ich seinem Rat. Der Tag war tatsächlich lang gewesen und der Streit hatte mich mitgenommen. Deshalb fielen mir dann auch gleich die Augen zu. Das letzte, was ich realisiert hatte, bevor ich einschlief, was die Tatsache, dass meine Hände wirklich warm geworden waren ... Kapitel 5: _coming out_ ----------------------- Anders als das letzte Mal wachte ich von alleine und nicht vom Klingeln des Weckers auf. Die Erleichterung, die mir das Vertrauen zu Adrian brachte, ließ mich auch besser schlafen. Zumindest hatte ich den Eindruck. Vielleicht war das ja aber auch übertrieben. Als ich mich noch im Halbschlaf im Bett wälzte, fühlte ich plötzlich etwas Zartes unter meiner Handfläche. Mit geschlossenen Augen tastete ich mich voran und stach mich, was mich reflexartig dazu zwang die Hand zurückzuziehen. Sofort sah ich nach, wonach ich da gegriffen hatte und sobald ich mein Bett anblickte, konnte ich mich nicht rühren. Es war mehr als Schock. Es war eine wirklich derbe Überraschung, die ich niemals erwartet hätte, verbunden mit einem Schuss Freude und doch etwas Unsicherheit ... Ein toller Mix aus Gefühlen auf jeden Fall, der mich für einige Sekunden eingefroren hatte. Über mein ganzes Bett waren Rosen verteilt. In rot und weiß. Und an eben einer dieser prächtigen Blume hatte ich mich vorhin gestochen, ... das heißt an ihren Dornen. Fassungslos stand ich auf und musste feststellen, dass sie nicht nur auf meinem Bett, sondern auch auf dem Boden und den Möbeln lagen. Na ja ... es kam mir eigentlich nur EIN einziger Kandidat für diese Aktion in den Sinn ... und der ... schlief gerade ,friedlich' in seinem Bett ... Genau, in seinem BETT ... Klingt das seltsam? Es meinen wohl die meisten Menschen, die an Vampire glauben, werden sich jetzt denken: "Schlafen Vampire nich in einem Sarg?" Ich werde es mal so erklären: als ich Adrian am Anfang dasselbe gefragt hatte, hat er erst einmal verdutzt geguckt und dann hat er angefangen zu lachen ... Ja, er hat lange gelacht ... und das war wieder einer der Momente, wo ich am liebsten ein Möbelstück nach ihm werfen würde ... Schließlich meinte er dann voll cool: "Ach, was, Victoria, Süße, du glaubst doch nicht diesen Quatsch ... Was hast du denn gelesen? ... Die ganzen Vampire haben das doch nur erfunden, damit das stilvoll klingt ... Man muss ja auch mal übertreiben für die Coolness ... Da is nix dran. Ich finds in meinem Bett viel gemütlicher. ... Magst du mal probieren?" Dann grinste er wieder so bescheuert ... Ok, wie auch immer, er schlief in seinem Bett, als ich in sein Zimmer reinschaute. Eigentlich wollte ich ja schon rausgehen, aber dann blieb ich noch einen Augenblick stehen und betrachtete ihn. Er lag auf dem Bauch und selbst der freie Rücken ließ einen darüber nachdenken, welcher Künstler so etwas Perfektes erschaffen konnte. Weil er schlief und ich den Eindruck hatte, er schlafe auch wirklich fest, kam ich näher heran und setzte mich an den Bettrand. Sein Gesicht ... die Züge waren ebenso perfekt und ein Glück, dass diese furchtbaren und doch wunderschönen Augen geschlossen waren. So konnte ich nur die schwarzen dichten Wimpern sehen. Hmm ... ich hatte ihn schon angesehen, aber nie konnte ich es mir leisten, ihn so genau unter die Lupe zu nehmen, weil es mich ... na ja ... weil es mich eben nie wirklich interessiert hatte, aber ... seit diesem Umschwung am Abend davor ... und die Rosen ... Richtig! Die Rosen! ... Was sollte das denn? Hatte er sich nicht schon entschuldigt? Das musste doch reichen. Wieso so übertreiben? ... Ich meine, ... es war jetzt nichts Überwältigendes ... für Leute, die so was gewohnt waren, sprich: für mich WAR das nun mal etwas Weltbewegendes! ... Es war so, als würde er völlig verrückt spielen. Woher kam das? ... War das ... der Streit? ... Wir hatten uns doch schon früher in die Haare gekriegt, aber ... SOWAS? ... Nun gut, ich beruhigte es und entschied mich dafür, es als etwas ... sagen wir mal ,Normales' anzusehen und versuchte mich selbst zu überzeugen, dass das sicherlich eine einmalige Sache gewesen war und nichts zu bedeuten hatte. Nachdem ich mich also wieder in Griff hatte, sammelte ich erst einmal die ganzen Rosen ein und stellte sie in eine Vase. Dabei fiel mir noch auf, dass die Blumen die besten waren, die ich je gesehen hatte. Wie teuer waren die bloß? ... Augenblick mal ... Welcher Florist hat denn bitte um 2 Uhr nachts offen?! ... Woher hatte er die Rosen? Er war doch NACHTS unterwegs ... "Sei ruhig und hör auf über jedes Detail nachzudenken!", sagte ich zu mir selbst. Hatte ich mir nicht vorgenommen, mit dem Zweifeln aufzuhören? ... Mit diesem Satz in meinem Kopf betrachtete ich die Rosen noch einmal und lächelte. Eigentlich ... war es doch sehr aufmerksam von ihm gewesen. Um ehrlich zu sein, hatte es mir auch gefallen. Ausgerechnet von ihm so was zu bekommen. Wenn man von jemandem etwas bekommt, was noch nie jemand zu vor von ihm bekommen hat, kommt man sich wichtig und besonders vor. Es ist ein wunderbares Gefühl, trotz aller Zweifel, die tief in einem Menschen sitzen und ihn bei jedem geringsten Detail zerfressen, bis man nur noch verwirrt und unsicher ist. Muss nicht alles Schöne einen Preis haben? So habe ich es gelernt. Das Thema sollte hier mal wieder enden. Weiterhin passierte nichts Sonderbares an dem Tag: ich ging einkaufen, erledigte dies und das, ein ganz normaler Tag eben. Als ich dann beim Abendessen saß, hörte ich Adrian aufstehen. Plötzlich rasten mir sämtliche Gedanken durch den Kopf: sollte ich ihn jetzt einfach so darauf ansprechen? Oder wäre es jetzt das Beste, so zu tun, als wäre das normal? Ich meine, die Sache mit den Rosen. Schließlich war das nicht normal. Es war jedoch zu spät, denn er kam bereits ausgeschlafen und topfit in die Küche und setzte sich an den Tisch. "Wie haben dir meine Rosen gefallen?", fragte er lächelnd, so dass mir fast die Gabel aus der Hand fiel. "Äh ... ja, danke ... sie sind sehr schön ... W-woher hast du sie mitten in der Nacht bekommen?" Sein Lächeln wurde breiter und er erklärte mit einem Wort: "Connections." "Ach, ich dachte schon, du hättest einen Blumenladen ausgeraubt ..." Ich grinste, um meine Fassung wieder zu gewinnen. "Na ja ... ich denke, das hätte ich auch gemacht, wenn ich keine andere Wahl hätte." Immernoch das Lächeln. Das war schon fast gruselig. Weil es eben nicht das typische Adrian-Lächeln, besser gesagt Grinsen war. "Und ... womit habe ich die Blumen verdient?", fragte ich zaghaft und stellte den Teller weg. "Hmm ... brauchst du wirklich einen Grund? Ich wollte dir einfach Rosen schenken." Zu gern hätte ich meinen eigenen Gesichtsausdruck in diesem Moment gesehen. Auf einmal war er auch näher an mich herangerückt. "Adrian, hör mal, wenn das wieder einer deiner ...", fing ich an, doch brachte ich den Satz nicht zu Ende, weil er kurz den Kopf senkte und aufstand. "Was soll ich dir denn noch schenken?", fragte er, wobei ich merkte, dass ein bisschen Resignation in seinem Ton lag. "Du müsstest längst wissen, dass ich nicht auf Gegenstände aus bin ...", antwortete ich tonlos, weil im Inneren einen solchen Krampf hatte, der jeden Ton von mir übertrieben klingen lassen würde. "Aber ... etwas anderes nimmst du doch gar nicht an." Seine Stimme war bitter und das Argument stechend. Doch wohl hatte er nicht Unrecht ... Er ging ins Bad und es klingelte an der Tür. Leise seufzte ich und machte auf. Zu meiner Überraschung war es einer aus dem Hause Williams, also ein Bote. Er hatte einen großen Umschlag in der Hand, was hieß, dass uns ein neuer Auftrag erwartete. Ich nahm ihn dankend ab und als ich damit in die Küche kam, saß Adrian wieder auf seinem Platz und in seinem Gesicht konnte ich nicht wirklich etwas lesen. ... War das sein Ausdruck, wenn er ... enttäuscht war? So hatte ich ihn nämlich noch nie gesehen ... Vorsichtig öffnete ich den Briefumschlag und las kurz den Auftrag. Dann warf ich einen Blick auf die Pläne und Ausweise. "Das wird doch dein letzter Auftrag, nicht wahr?" Er erinnerte sich also immer noch daran. "... Das weiß ich noch nicht ..." "Ich will nicht, dass du gehst ..." Stumm starrte ich ihn an. "Geh nicht." "Adrian, jetzt reicht es aber, was soll das Theater denn?" "Theater?! ... Das ist kein Theater!" "Warum tust und sagst du solche Dinge? Macht es dir Spaß mich zu ärgern oder wie? ... Du verhältst dich völlig anders - was ist los mit dir? Wieso spielst du mir hier irgendwelche Gefühle vor?" Leider konnte ich es nicht länger aushalten und redete einfach los. Es überkam mich einfach das Gefühl, dass ich das nicht auf Dauer aushalten würde, ohne zu wissen, was los war. "Du merkst es nicht?" Er machte ein Zeichen, ich solle mich setzen. "Was merke ich nicht?" Er seufzte. "Es mag ... verletzend klingen, aber ... du bist so in dir selbst eingeschlossen, dass du nicht einmal merkst, wenn dich jemand braucht ..." "Du willst nicht sagen, dass du ..." Wie schon in der Nacht davor legte er auf einmal seine Hand auf die meine, wobei wieder diese Wärme da war. Die anziehende Wärme, die für mich so ungewohnt war und nach der es mich dürstete, sobald ich auch nur einen Funken bekam. "Doch. Und das ist mein Ernst." Darauf konnte ich nichts antworten. Es war zu viel auf einmal. Der Kerl, ... derselbe, der kaltblütig tötete, der mich ständig nur als ... irgendeinen Menschen gesehen hatte, der mich verletzt hatte ... er sagte jetzt, er bräuchte mich?! Wieso konnte er mir das sagen und ich nicht? ... So anders fühlte ich mich nicht ... "Ich habe es dir nie gesagt, weil ich in deinem Benehmen mir gegenüber stets Abneigung gesehen habe. Ich dachte, wenn ich es dir sage, glaubst du mir nicht. Also habe ich mich wie immer benommen. ... Und gestern in der Limousine, da habe ich gemerkt, dass dir meine Einstellung zu dir nicht egal ist, denn sonst wärst du nicht so wütend gewesen. Deshalb ... habe ich beschlossen, dass ich aufhören sollte, unsicher zu sein." "Und ... deshalb auch ... diese Entschuldigung auf einmal und ... die Rosen und das alles, ja?" "Ja. Ich hatte gehofft, du nimmst das an." Also noch einmal: ... er war derjenige gewesen, der meinte, ich wäre das gefühllose Wesen und hatte immer diese Shows abgezogen, um das, was er wirklich dachte, zu vertuschen ... Ich kannte ihn so lange und die ganze Zeit über spielte er sich auf. Wir waren doch nur Partner, dachte ich und er ... hatte er etwa gedacht ...? "Und ... gehst du nach diesem Auftrag?", fragte er noch einmal voller Hoffnung und zog meine Hand an sich. " ... Ich ... ich ... überlegs mir ... Auf jeden Fall ... müssen wir ein Ehepaar spielen ..." Auf seinen verwirrten Blick hin, öffnete ich den Umschlag und hielt ihm die Beschreibung hin. Wir sollten in einem Hotel einige Edelsteine holen und mussten uns dafür als Ehepaar ausgeben. Er las den Text, stand auf und legte den Umschlag auf den Tisch. Ich stand auch auf, weil ich dachte, das Gespräch sei zu Ende und er wolle gehen, doch ganz unerwartet legte er seine Arme von hinten um meinen Körper und sagte mir leise ins Ohr: "Das wird aber nicht klappen, weil du mich so abweist." "Ich weise dich nicht ab." "Nein?" "Nein ..." Kapitel 6: _passion_ -------------------- Auch wenn es mir schwer fiel, ich entfloh dieser Umarmung, denn sie brannte so sehr. Nicht der Schmerz war es, sondern das Verlangen in dieser Position zu bleiben. Es durfte nicht sein ... Warum? ... Es war Angst. Ganz ehrlich, es war das Schlimmste für mich, auf ihn rein zu fallen, wenn er doch nur Theater machte. Zu ungewöhnlich dieses köstliche Schauspiel, welches angeblich keines war ... Ja, diese Angst. Von ihm enttäuscht, verletzt, ausgenutzt zu werden. Demütigung. Nicht mit mir. Aber ... dieser verdammte unmenschliche Magnet. So vermied ich es mein Gesicht dem seinen zu zuwenden. Weil es klar war, dass ich dem Blick nicht widerstehen würde. Er würde mir leid tun, wenn es denn sein völliger Ernst war und er betrübt dreinblicken würde. In diesem Moment - vielen dank - klingelte das Telefon. Erleichtert wie selten, beeilte ich mich abzuheben und dieser traurigen Lage aus dem Weg zu gehen. Ich hörte ihn nur resignierend seufzen und merkte sofort wie mich diese berauschende Wärme verließ. Trotzdem nahm ich den Hörer ab, nur um mich abzulenken. "Victoria?!" "James?" Es war ein gemeinsamer Freund von Sara und mir. Das heißt, sie kannte ihn schon sehr lange und ich wusste, dass er ein guter Kerl war. Übrigens war er mit seinen 32 Jahren ein guter Mediziner. "Ja, ich bin es. Etwas Furchtbares ist passiert!" Er klang sehr besorgt und gehetzt. "Gott, was ist denn los?!" "Victoria ... Sara ... sie wurde angegriffen!" Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Als ob mir jemand ein eisiges Messer ins Genick gejagt hätte. Sofort fing mein Herz an zu rasen. "WAS?! WER?! Wie konnte das passieren?!!!" Meine Stimme klang hysterisch und fast weinerlich. Ich war höchst erzürnt, traurig und sehr geschockt. Das, was zu den Dingen gehörte, die ich am Meisten fürchtete, war geschehen. Meine Finger klammerten sich eisern um den Hörer und ich erwartete ungeduldig die Antwort: "James, sag schon, verdammt!!!" "Ich kann nichts Genaues sagen ... Sie blutet stark und ist aufgebracht! Wir mussten ihr ein Beruhigungsmittel verabreichen, aber sie hat einen starken Schock erlitten." "Sie wird doch wieder?" Ich schluckte und biss mir vor Panik auf die Hand. "Ja ... die Verletzungen sind nicht sehr gefährlich, nur ... sie blutet eben stark am Hals und na ja, es ist eher die Psyche, die mir Sorgen macht ..." "Aber WER? WER kann so was tun?", stieß ich verzweifelt aus. "Nun ich weiß nicht, ob dir der Name etwas sagt, aber ... sie hat, bevor wir ihr das Beruhigungsmittel gegeben haben, immer wie wahnsinnig irgendwo in eine Richtung gestarrt und geschrieen ,Nein, fass mich nicht an, Adrian!'" Der Hörer fiel mir fast aus der Hand und ich hob langsam meinen Blick zu dem Vampir, der ins Zimmer gekommen war. Keinen Ton konnte ich meiner Kehle erzwingen. "Victoria? Bist du noch dran?" "N-nein." Mein Hals fühlte sich so trocken an, sodass ich die Worte nur mit Mühe herausbrachte. "Nein, e-er ... er war das nicht. Er konnte nicht." "Kennst du diesen Mann?" "Er war das nicht. Nein, unmöglich! Nein!" So ein Schwachsinn. Adrian konnte es nicht sein. Oder etwa doch? Nein, ich hatte versprochen, ihm zu vertrauen und ich wusste, dass er es nicht war. Zu dem Zeitpunkt war er doch die Rosen für mich holen ... Er war wegen mir weg. Für mich ... Nicht um jemanden anzugreifen und schon gar nicht Sara. Er wusste doch, wie viel sie mir bedeutete. Nein, nicht er. Nicht Adrian, verdammt noch mal. "Sie ist wach. Ich werde mich jetzt um sie kümmern. Du wirst sie doch besuchen kommen?" "Ja, natürlich, aber erst nachdem ich etwas wichtiges erledigt habe." "Arbeit?" "Ja es ist ein dringender Auftrag. Ich werde kommen, so schnell ich kann. Sag ihr das." "Ist gut. Pass auf dich auf." "Mache ich, James. Bis bald und danke für den Anruf." "Keine Ursache. Wir sehen uns hoffentlich bald. Sie braucht dich." Ich legte auf und starrte den Schwarzhaarigen entsetzt an. "Du warst das nicht? Sag mir, dass du das nicht warst." "Was meinst du?" "Sara. Sie ist von jemandem angegriffen worden und angeblich sollst DU das gewesen sein." Trotz meiner Gewissheit in seiner ,Unschuld' hielt ich Abstand. "Du weißt, dass ich Sara nie was zu leide tun würde. Sie steht unter DEINEM Schutz. Ich würde es nicht wagen, so schmutzig und blutbefleckt meine Seele ist, ich habe immer noch ein Gefühl der Ehre und stehe dazu." Es war ehrlich gemeint. Das konnte ich in seinem Ausdruck sehen. ... Seit den letzteren Ereignissen konnte ich nach und nach seine Gedanken in seinem Gesicht lesen, denn er verbarg sie nicht mehr vor mir. "Du hast dich für den Auftrag entschieden?" "Ja, sie muss sich ausruhen. In der Zeit... " "... spielen wir Mr. Und Mrs. Last.", vollendete er meinen Satz und ich nickte müde. Die nächsten Stunden vergingen ohne dass ich sie registrierte. Ich ließ Adrian alles machen, die Koffer, den Flug. Völlig geistesabwesend folgte ich ihm schließlich durch den Korridor im besagten Hotel. Nicht einmal richtig gemerkt hatte ich es, wie wir dort überhaupt ankamen. Ständig fragte ich mich, wer so etwas Grausames tun konnte. Mensch? Vampir? "Geht es dir besser?", fragte Adrian ganz plötzlich. "Ähm. Ja, es ist schon ok", sagte ich mit einem mageren Lächeln, während er die Tür aufschloss. "Was soll das denn?!", sagte er empört. "Was ist los?" Ich klang wohl etwas teilnahmslos, muss ich zugeben. "Sind wir nich ein Ehepaar? Warum stehen hier zwei getrennte Betten?!" "W-wie bitte?! Und DESwegen regst du dich auf?" Anstatt ihn aber wegen des ungünstigen Momentes verärgert anzusehen, fing ich an zu lachen. Unglaublich, aber ich fand das so komisch, ich konnte mich kaum halten vor Lachen. Vermutlich lag das daran, dass ich durch diesen Vorfall mit Sara zu niedergeschmettert war und mich diese kleine unbeabsichtigte Einlage von Adrian aufgeheitert hatte, so einfach sie auch war. "Soll ich mich beschweren gehen oder neee nein ich weiß was, wir schieben die Betten zusammen!", setzte er seinen Monolog fort. "Ok, das reicht jetzt aber.", sagte ich lachend. "Schon gut, war doch nur ein Witz. Ist schon schön genug mit dir in einem Raum schlafen zu dürfen.", erklärte er und ging zum Fenster, um die Vorhänge zu zuziehen. "Schmeichler." "Warum? Das ist die Wahrheit. Hattest du mir nicht vorgeworfen, ich würde dich nicht an meinen Gedanken teilhaben lassen?" "Ich meinte die allgemeinen Gedanken, nicht speziell das, was mich betrifft." Verlegen zog ich meinen Mantel aus und stellte meinen Koffer neben das Bett. Wieder mal diese kläglichen Aktionen, die man so durchführt, nur um der Person, die sich unmittelbar neben dir befindet und mit dir spricht, nicht in die Augen sehen zu müssen. Vor allem wenn man weiß, dass diese Augen schlimmer als alle Fesseln und Ketten sind. "Wenn du aber ein Teil meiner Gedanken bist, ... dann will ich dir das nicht verschweigen.", fuhr er gedämpft fort. "Ach? Nun, wenn du unbedingt meinst." Mist. Wie oberflächlich das klang. ... Als ob du gerade dabei bist einen spannenden Film anzusehen und es ruft jemand an, um dich voll zu heulen. Dann reagierst du auch genauso mit Nicken und ,Ja aha ok, so was aber auch'. Dabei wollte ich das doch nicht. "Hast du Zweifel?" Verdammt. Wieso musste der Kerl ständig nachfragen? Wieso suchte er denn dauernd Bestätigung? Als ob er unsi- JA, GENAU, hatte er nicht gesagt, er wäre unsicher gewesen? Hatte er nicht gesagt, er hätte damit aufgehört? "Du bist immer noch unsicher?", fragte ich steif. "..." "Sag es mir." Ich musste es wissen. "Na und? Du hast doch auch immer noch Zweifel." Stimmte das etwa? "Aber hätte ich dich dann verteidigt? Obwohl Sara - meine werteste Freundin - es anders bestätigt?!" Er machte einen nachdenklichen Eindruck, zog den Mantel aus und setzte sich auf mein Bett. Seufzend knöpfte er den obersten Knopf seines Hemdes auf. "Ja, das stimmt. Du hast das nicht geglaubt, ohne mich auch nur gefragt zu haben." "Na? Zeugt das nicht von Vertrauen? Was willst du denn noch?" Den letzten Satz sprach ich schon noch ruhiger und leiser, denn er blickte mich schon so seltsam an. "Setz dich doch." Das tat ich dann auch. Neben mir saß er und nicht schon wieder passierte das, was ich hasste, weil ich es liebte. Ich hasste es und ich liebte es. Dieses Leuchten der Augen. Eintauchen in dieses magische Rot und alles vergessen ... Das wäre wohl das schönste überhaupt und es wirkte jetzt. Weil ich keine Barriere um mich herum aufbaute, wie früher. Ihn einfach nur schweigend ansehen. Kein Zeitgefühl. Nichts. Nur ... das pochende Rot ... und das Feuer. Die Wärme, die mich durchströmte, als sich unsere Hände wieder berührten. Wie ich ihn in Gedanken verfluchte, denn ich kam nicht mehr los von ihm. Diesem sonderbaren Wesen. Nicht wie Menschen. Aber auch nicht wie Vampire. Die Vampire, die bei Sir Edward angestellt waren, hatten nie das Leuchten in ihren Augen. Keine Anziehungskraft. Sie waren leer. Warum nur brauchte ich diese Wärme, die von dem Blut, in seinem Körper ausging? Es war falsch sich nach der Wärme des Blutes eines Opfers von ihm zu sehnen, nicht wahr? Letztendlich verstand ich. Es war nicht das Blut. Es war zwar das Pochen, doch die Wärme kam nicht von seinem Leib, nein, es war etwas anderes in ihm, das mich knechtete. Die Melodie, der Geist und Körper folgten und die jede Bewegung kontrollierte, ging von ihm aus und geschrieben war sie von seiner Seele, die meisten Vampire leugneten zu haben. Ohne, dass ich etwas gegen das Verhalten von uns beiden ausrichten konnte, näherte er sich mir merklich. Entfachtes Verlangen. Nur Zentimeter trennten uns voneinander. Das Unterbewusstsein hatte längst die Macht ergriffen. Der Begierde unterworfen. Immer noch diese Augen ... Sie brannten ein Mal in mich, eines, das mir die flucht unmöglich machte. Doch wollte oder sollte ich denn fliehen? Auch dieses Mal? "Adrian?" "Wusstest du,", flüsterte er, "dass ein Kuss, für Vampire viel intimer ist, als für Menschen?" Mit diesem Satz legte er seine Lippen auf die meinen, doch nicht mit Gewalt oder Zügellosigkeit, sondern ganz sanft und ohne zu drängen. Er hatte mich gefangen genommen und ich ließ es zu. Kapitel 7: _so close_ --------------------- "Wir ... hätten das nicht tun dürfen ..." Ich hatte mich von Adrian abgewendet um meine Röte zu verbergen und versuchte ihn nicht anzusehen. Wie hatte ich nur die Kontrolle über mich verlieren können? "Du kannst nicht verleugnen, was dein Herz fühlt ...", antwortete mit einer Milde in der Stimme, die mich daran zweifeln ließ, ob das alles tatsächlich passierte. Vielleicht träumte ich das alles ja nur. Der Gedanke daran ließ mich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verspüren und so verwarf ich ihn sofort. Etwas eingeschüchtert blickte ich zu ihm auf und sah ihn lächeln. "Was ist los?", fragte ich verwirrt. "Nichts ... ich habe nur daran gedacht, wie süß die Lippen einer solch edlen Dame schmecken.", grinste er und berührte sanft meine Wange. Immer noch rötlich im Gesicht und mit leicht zitternden Händen erhob ich mich und schlug stotternd vor, wir sollten uns lieber den Auftrag genauer durchlesen, damit uns keine Fehler passieren würden. Er seufzte nur irgendwie enttäuscht, sagte dann aber: "Hmm ... wenigstens habe ich etwas erreicht, was ich nie zu erreichen gewagt hätte." Der Vampir schmunzelte und blätterte in der Beschreibung des Auftrages: "Ok ... die Person, die diese Juwelen besitzt ist eine gewisse Miss Avery ... Aha ... das ist ja mal sehr interessant ... Sie ist steinreich und ... zu ihren Leidenschaften gehört es ... " Hier brach er ab und fing an zu lachen. Auf mein Kopfschütteln hin hielt er mir den Text vor die Nase: " ... verheiratete Männer zu verführen ...", las ich zu ende. "Also ... was ist denn das für eine?", meinte ich empört. "Na das ist doch ein aufregender Job, hm? Jetzt weiß ich auch, warum wir so tun müssen, als wären wir ein Paar. ... Das wird ein toller Spaß!" "Ach? ...Für dich vielleicht ... Ich darf dann wohl die zickige beleidigte und betrogene Ehefrau spielen!" "Aber den schwierigen Teil habe ich doch! Ich muss die Frau verführen!" "Wie bitte? ... So wie es hier steht, musst eigentlich du dich von IHR verführen lassen." "Hmm ... ja schon ... auf jeden Fall ... ist das nur Theater ... Das weißt du doch ... Hey, Victoria ... was ist denn? Du bist doch nicht eifersüchtig?" Adrian legte einen Arm um meine Taille und zog mich wieder an sich. "Lass das ja nicht zur Gewohnheit werden ...", sagte ich scharf, doch das schien ihm nur zu gefallen. "Entschuldigung ... ich versuche mich zu beherrschen ...", hauchte er mir ins Ohr. "Wie es aussieht, schaffst du es nicht ...", sagte ich und zog eine Augenbraue hoch. "Willst du mir erzählen, meine Berührungen seien unangenehm?" Mein Gott ... also man konnte das nennen wie man wollte, aber auf keinen Fall unangenehm. Sie waren ... ja ... einfach intensiver als bei Menschen und in dem Augenblick war mir auch klar, was er mit 'für Vampire intimer' meinte. Für einen kurzen Moment entfachte das ein kleines Neidfeuer in mir, weil Menschen so etwas nur zu einem gewissen Teil spürten. Wie wunderbar musste es denn sein, das alles mit jeder Faser und bis zum letzten Gefühlsfunken voll und ganz durchdringend zu fühlen ...? Halt! Das war es doch, was er von mir immer noch wollte. Er wollte mich auch zu dem machen, was er war. ... Nein, jetzt durfte das noch nicht sein. Nicht bevor ich es bewiesen bekam, dass er nicht einfach abhauen würde. Mich allein lassen würde. Ja ... lächerlich aber ... diese Zweifel waren wohl ein Teil meines kümmerlichen Lebens, denn schließlich konnte ich keine Entscheidung fällen, ohne dass sie auftauchten ... Egal wie oft ich versucht hatte, sie zu verbannen. Seine Lippen waren wieder nur Millimeter von den meinen entfernt. Wieder das Begehren ... Dieses verdammte ansteckende und endlose Begehren, das nur er zu stillen schien ... "Adrian ... Nicht jetzt ... Wir vermasseln den Job ..." "Ich will doch nur einen Kuss ..." "... Versteh doch, wir müssen uns auf etwas anderes konzentrieren." "Und ... wenn ... wenn es vorbei ist?" "Dann ... dann ist es in Ordnung ..." "..." "Ich verspreche es dir." Der Satz überraschte ihn anscheinend, aber bereuen konnte ich es nicht, weil ich mich sowieso nicht wehren können würde, wenn wir mit unserer Aufgabe fertig werden würden. Wenn ich daran dachte, dass ... ich vor ein paar Tagen noch eine komplett andere Einstellung hatte, was ihn betraf. Wie konnte sich das so schnell entwickeln? ... Wir waren doch nur Kollegen ... und jetzt ... hatte ich das Gefühl, uns würde etwas anderes als Arbeit verbinden. Ich wusste nicht so recht, WAS genau das war ... aber es war nicht ... nicht unbedingt gewöhnlich, fast schon unmenschlich, allerdings im positiven Sinne. Wieso? Wieso bestand diese seltsame Verbindung zwischen uns, obgleich wir so verschieden waren? Auf einmal hatte ich Bedenken, als hätte ich mir diese Verbindung nur gewünscht und vorgestellt ... als wäre sie eine Einbildung ... Aber immer wenn er mich ansah, ... mich anlächelte - nicht mit dem künstlichen Lächeln, das er zur Schau stellte, sondern mit dem echten - ... wenn er mich berührte ... konnte ich diese Verbindung fühlen. Umso schwieriger war es für mich ihn vorzeitig warten zu lassen. Ist schon komisch, wie ich mich in so kurzer Zeit so sehr hingezogen zu ihm fühlte ... nein, das stimmt nicht, ich fühlte mich schon eher zu ihm hingezogen, nur in meinem Unterbewusstsein, denn ich hatte das immer verdrängt, im Wissen, dass er das nicht verstehen könnte ... Da hatte ich mich anscheinend geirrt ... Ich hoffte es ... so sehr ... Und dann war da noch die Sache mit Sara. Wer zum Teufel hatte das verbrochen? Und sie glauben lassen, dass es Adrian gewesen sei ... Das ließ mir einfach keine Ruhe. Er nickte und nahm die Mappe mit dem Auftrag wieder zur Hand. "Ich verstehe, was du meinst ... " "Bist du enttäuscht?" "Nein ... ich ... ich kann gar nicht enttäuscht sein, weil ich weiß, dass du nicht von heute auf morgen aus meinem Leben verschwindest und ich also noch genug Zeit habe, um das nachzuholen ... Nur etwas ungeduldig bin ich schon." Beim letzten Satz grinste er kurz, räusperte sich und las weiter im Text: "Ähm ... ja ... 'es darf keine Opfer geben'. Tja ... ich denke nicht, dass wir sie töten müssen." "Bestimmt nicht. Wie machen wir das also? Jetzt ist es kurz nach neun Uhr. Die meisten Gäste müssten unten im Restaurant sein." "Ja, ich schlage vor, wir ziehen uns mal um und begeben uns auch dorthin ... Hier ist ja auch ein Foto von ihr." Adrian zeigte mir ein Foto, von einer jungen blonden Frau, die ziemlich schick gekleidet war und gerade in eine Limousine einstieg. "Das ist bestimmt eine eingebildete Zicke, da wette ich drauf.", kommentierte ich kurz und suchte mir ein Kleid raus. "Gut, solange wir kriegen, was wir wollen, kann uns das auch egal sein.", fügte er hinzu. Sobald wir uns beide umgezogen hatten, eilte ich bereits zur Tür, merkte aber, dass der Vampir stehen geblieben war mich stumm musterte. Das erste, was mir in den Sinn kam, war, dass bei meinem Aussehen etwas nicht stimmte, und so überprüfte ich alles. Meine Haare waren hochgesteckt und ich trug ein trägerloses langes rotes Kleid, passend dazu roten Lippenstift und Schuhe, genauso wie ein Collier und Ohrringe mit roten Edelsteinen darin. "Sag schon, was stimmt nicht?", fragte ich, nachdem ich im Spiegel nichts entdeckt hatte, was schlecht aussehen könnte. Der Moment konnte nicht grausamer sein ... Er stand da und hatte diesen fürchterlichen Blick ... Fürchterlichen nicht im Sinne von angsteinflößenden, sondern irgendwie ... hilflosen ... oder ... traurigen ... ach, ich weiß nicht - auf jeden Fall fand ich es unerträglich wie er zwei Meter von mir entfernt stand und mich einfach nur ansah. "Ad...", fing ich an, doch er unterbrach: "Wie konnte ich nur ... wie KANN ich nur ...? ... Wie kann ich nur jemanden wie dich ... auch nur hoffen, für mich beanspruchen zu können? ..." "W-wie ...?" "Du bist so ... unverwechselbar ... vom Geist wie von der Gestalt ... So schön ..." "Was redest du denn da?" "Weißt du, ... du denkst vielleicht von mir, ich würde nichts außer mir selbst lieben und ... mich für den Besten zu halten, aber ... im Grunde ... stelle ich mir immer die Frage, ob ein Wesen wie ich ... es wert ist, ... dich auch nur ansehen zu dürfen. Vom Berühren ganz zu schweigen ... Verdammt, das klingt dämlich, nicht wahr?" Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich rühren konnte, weil mich diese Aussage total überrumpelt hatte. "Wieso ... sagst du das?" "Weil ich ... Angst habe ..." "Du? ... Angst? ... Wovor?" "Davor, dass ich dich nicht ... . . . Dass ich es nicht wert bin, dich zu ... . . ." Kapitel 8: _forgive me for I am a monster_ ------------------------------------------ _forgive me for I am a monster_ Wie soll ich das nur beschreiben? ... Wir standen uns gegenüber und ich hatte das Gefühl, ich würde jeden Moment aufwachen aus diesem völlig absurden Traum. Mittlerweile begriff ich absolut nichts mehr ... "Was um Himmels Willen ist in dich gefahren?", entwich mir schließlich. "Wenn du das nur sehen könntest ... Wenn ich diese Bilder und Eindrücke ... diese Gefühle in Worte kleiden könnte ... was gäbe ich darum, ... aber das kann ich nicht ... Das Einzige, was ich sagen kann, ... willst du nicht hören, wie du selbst das hier nicht hören willst ..." Ich kannte ihn doch schon so lange. Das konnte es doch nicht sein, was er ständig unter dem vollendeten Kunstwerk verbarg. Es war unmöglich, dass ich mich all diese Zeit hatte von ihm irreführen lassen, damit ich das hier nicht erfahre. Dieses Bild, das ich von ihm hatte, konnte nicht falsch sein ... Zu oft hatte er mich allein gelassen ... doch nicht etwa nur, um sich selbst nicht zu quälen? Was für ein irrer Grund ... "Ich bitte dich, lass uns nachher darüber reden. Es ist bereits Zeit, dass wir gehen." Jeden Moment wurde er offener und offener. Sein Gesicht erzählte so viel, wie er es früher nicht zugelassen hatte und ich sah ... eine Mischung aus Angst, Wut, Verzweiflung und ... war es das, was er sagen wollte? Das, was ich sah? ... War es DAS? ... "Ja ... mein Timing ist nicht so toll ...", sagte er mit bitterem Lächeln. "Ich weiß auch nicht, was auf einmal mit mir los ist ..." "Komm ... sonst bist du überhaupt nicht mehr in der Lage, deine Aufgabe zu erfüllen ... Außerdem hast du noch nichts zu dir genommen, oder?" "Glaubst du etwa, ich würde einfach nur wegen Blutmangel durchdrehen?" "Nein ... ich meine nur ..." "Victoria, lass uns gehen ... Es tut mir leid, dass ich mich beeinflussen lasse ..." Mit schnellen Schritten verließ er das Zimmer und wir begaben uns erst einmal nach unten. "Folgender Plan: wir setzten uns hin ..., am besten gleich an den Nachbartisch unserer Zielperson ... Sie muss merken, dass wir 'verheiratet' sind ... Dann täusche ich Übelkeit vor und du sagst, ich soll lieber nach oben gehen. Während ich mich also in der Nähe ihres Zimmers ...573, wenn ich mich nicht irre, aufhalte, wirfst du ihr Blicke zu et cetera ... Also das Übliche, was du so abziehst ... Sie setzt sich bestimmt dazu und fängt an dich anzumachen. Irgendwann wird sie schon vorschlagen, nach oben zu gehen - so sieht die Schlampe jedenfalls aus ... Wenn du sie dann ähm ... betäubst ... oder irgendwie aus dem Weg schaffst - ohne zu töten -, hole ich mir die Beute, also lass die Tür offen ... Alles klar?" "... Wie hast du dir das so schnell überlegt?", fragte der Vampir verwundert. "Hm ... ich weiß nicht ... Ist doch egal, ich hoffe, es funktioniert nur ..." "Natürlich funktioniert es ... Deine Pläne gehen doch immer auf." Damit nahm er mich bei der Hand und wir gingen, möglichst unauffällig und als 'glückliches Ehepaar' getarnt zu einem Tisch in der Nähe der blonden Dame. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sie Adrian betrachtete und musste wieder mal über seine Anziehungskraft bei weiblichen ... ok, manchmal nicht nur weiblichen ... Personen grinsen. "Mist ... ich würde so was von gern deine Gedanken lesen ...", flüsterte er mir zu und ich schüttelte lachend den Kopf. Einige Zeit saßen wir am Tisch aßen ... bzw. ich aß etwas, er trank nur Wein. Irgendwann gegen Viertel vor zehn Uhr fing ich an, mir hin und wieder an die Stirn zu fassen und Adrian fragte dann ganz 'fürsorglich', ob denn alles in Ordnung sei, genau nach Plan. "Liebling, du siehst blass aus ... Vielleicht solltest du dich ausruhen ... Geh nach oben und leg dich hin ... Ich bleibe noch etwas.", sagte mein im Schauspiel talentierter Partner. "Du hast Recht. Ich fühle mich nicht wohl. Lag vielleicht an dem ganzen Stress letzte Woche. ... Bis später." Vermutlich hatte er das jetzt nicht erwartet, aber trotz der Gefahr, es könnte ihn ablenken, gab ich ihm einen flüchtigen Kuss, damit das echter wirkte und ging sofort, ohne mich umzudrehen und seine Reaktion zu sehen. Was dann kam, war nicht besonders berauschend. Ich fuhr mit dem Lift in den fünften Stock und wartete am Treppenabsatz, des Treppenhauses, das für Notfälle gebaut wurde, darauf, dass sie kamen. In der Zwischenzeit kamen mir allerlei Gedanken in den Sinn ... Wenn dieser Job beendet worden war, was würde dann sein? ... Eins stand fest: es konnte nicht mehr so ablaufen wie früher. Adrian hatte mir zu viel offenbart, was angeblich die Wahrheit war. Wir konnten nicht mehr anonym unsere Leben führen und nur die Arbeit teilen. ... Würde ich kündigen und wegziehen? ... Ihn alleinlassen? ... Obwohl er das mit mir so oft gemacht hatte, hatte ich das Gefühl, ich könnte ihm das nicht antun, denn ... wenn er ... wenn er das alles ernst meinte, würde es ihn verletzen. Außerdem ... ich konnte es mir nicht vorstellen ohne ihn ... Also, ... ich meine, ich hatte mich so an ihn gewöhnt ... Selbst wenn er manchmal ein ziemlicher Idiot war, war er ... Und überhaupt - diese letzten Tage hatte er sich so verändert ... nein, nicht verändert ... gezeigt, dass es die ganze Sache in ein anderes Licht rückte ... Ich seufzte leise und lehnte mich an die kühle Wand ... Was sollte ich denn jetzt tun? ... Ich hatte ihm versprochen, alles zu klären ... und weglaufen konnte ich nicht mehr ... Wie beschissen ist es, sich verloren zu fühlen und sich die Wahrheit, die man für unmöglich hält, nicht eingestehen zu können ... Irgendwann um zehn Uhr herum, hörte ich Stimmen auf dem Flur, allerdings waren es diesmal nicht wie etliche Male vorher irgendwelche Gäste des Hotels, sondern mein Partner und unser Zielobjekt. Nachdem ich gewartet hatte, bis sie in dem Zimmer verschwunden waren, sah ich mich kurz um und folgte ihnen. Wie besprochen hatte Adrian die Tür nicht verschlossen und ich betrat leise das Zimmer, sobald ich gemerkt hatte, dass Miss Avery ins Bad getorkelt war, wobei er ihr folgte. Auf einmal hörte ich kurz den Versuch aufzuschreien, der dann wahrscheinlich von seiner Hand erstickt wurde und nach einiger Zeit, fiel ihr Körper mit dumpfem Geräusch zu Boden. Währenddessen hatte ich ihre Sachen durchsucht und fand schließlich ein Schminkköfferchen, das ich zunächst übersehen hatte, weil es unglaublich unschuldig und primitiv aussah, sich jedoch beim zweiten Blick des geschulten Auges als Versteck outete. Schnell räumte ich die ganze Rouge und das andere Zeug weg und entdeckte tatsächlich ein kleines Schloss. Dann griff ich automatisch zum Dietrich, der in meinem Strumpfband steckte und machte mich daran das Schloss zu knacken. Es dauerte zwar einige Minuten, bis ich es geschafft hatte, doch immerhin hatte es geklappt. Wie vorausgesehen befand sich in diesem sorgfältig angelegtem Versteck die Beute: einige Edelsteine in grün und ein paar in blau. Ich konnte nicht sagen, was das genau für Steine waren, aber immerhin waren es dieselben, wie in der Mappe beschrieben und ... immerhin waren sie sowieso gestohlen. Ja, ganz Recht ... Avery war eine Diebin und Betrügerin. ... Eiligst räumte ich die Dinge wieder auf ihren Platz und wollte Adrian holen. Als ich das Bad betrat, schreckte ich allerdings erst einmal zurück ... Sie lag auf dem Boden und über ihren Körper gebeugt saß er ... Plötzlich riss er seinen Kopf zurück und ich sah Blut an seinen Lippen ... und an ihrem Hals. Seine Augen waren so angsteinflößend ... Er selbst ... war so ... anders ... Wie ein Dämon ... Als er zu mir aufblickte, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich fragte mich, ob er noch er selbst war ... War er wütend? ... "Victoria ...", wisperte er und streckte seine Hand nach mir aus. Unsicher machte ich einen Schritt zurück, doch irgendetwas zwang mich dazu ihm aufzuhelfen. Obwohl ich gewisse Angst empfand, kehrten wir zusammen in unser Zimmer zurück. Dort legte ich zunächst die Steine auf den Tisch und beobachtete den Vampir. Zwar sah er nicht mehr so teuflisch aus und hatte sich das Blut abgewischt, doch hatte ich irgendwie auf einmal Furcht vor ihm. Und wie fühlt es sich an Furcht und Zuneigung gleichzeitig, für dieselbe Person zu empfinden?! ... Eines von beidem muss schließlich die Oberhand gewinnen ... "Ist sie tot?", fragte ich leise und merkte, dass ich leicht zitterte. "Nein... Sie wird aufwachen und sich nicht erinnern. Die Wunden heilen schnell." Er hatte sich von mir abgewandt, als empfände er Schuld, dafür, dass ich das gesehen hatte und nun ... Angst vor ihm hatte. "Gut." "Hast du die Steine?" "Ja." "Fein." "Hmm." "Die Aufgabe ist erledigt.", sagte er und ich wollte das Licht anmachen, weil wir im Halbdunkeln standen, doch er drehte sich abrupt um: "Nein!" Panisch blickte ich ihn an und verstand nicht. "Du willst mich ganz bestimmt nicht ansehen, nachdem du ... wiedermal miterlebt hast, ... was für ein unmenschliches Monster ich bin ..." Gibt es eine Bezeichnung für diesen Moment, wo man die Angst plötzlich ganz verliert ... und etwas anderes empfindet? ... Nein, nicht Mitleid ... Man empfindet etwas anderes ... Ich weiß nicht was, aber ... zu diesem Zeitpunkt war es das, was ich fühlte ... "Ich ... nehme anderen das Leben ... um selbst am Leben zu bleiben ... Am Leben ... Nein ... ich lebe nicht ... Ich bringe nur anderen den Tod, aber nicht ... um zu 'leben' ... Ich lebe nicht ... zumindest ... lebte ich nicht ... Ich hatte keinen Grund zu leben. Ich hatte niemanden, für den ich leben konnte ... Es war mir eigentlich egal, ob ich sterben würde oder weiter als Untoter umherwandeln ... Völlig unmenschlich ... Dann ... war auf einmal ein Grund da, für den ich leben wollte ... und diesen Grund habe ich gerade in tiefste Angst und Ekel vor mir selbst gestürzt ..." "Willst du damit sagen ...?" "Du bist der Grund, für den ich immer noch da bin ... für den ich lebe ... Aber sieh mich ruhig an ... ich kann mir gut vorstellen, dass du mit so einer misslungenen Schöpfung nichts zu tun haben willst ..." "..." "Natürlich nicht ... Du bist so ... ... ... du bist wie eine wunderschöne Figur aus zartem Kristall und ich habe so große Angst dir weh zu tun ... Alles an dir ist ... so ... So jemanden habe ich noch nie getroffen ... Nie so etwas so stark empfunden ... Dich zu verletzen ist mir schon gelungen und ich würde lieber sterben, als es noch mal zu tun ... " Er lachte auf und sank zu Boden. "Na ja ... das ... brauche ich nicht mehr ... Immerhin fürchtest du mich ... und würdest am liebsten weglaufen ... Fort von mir. Fort von dem Ungeheuer. ... Wieso kann das nicht anders sein . . . " Niemals ... niemals zuvor sah ich ihn so ... Offen wie ein Buch ... Alles nach außen gekehrt. Alle Gefühle. Alle Gedanken. Alles. So selbstsicher, wie er immer tat ... Das war nur eine Attrappe gewesen. Theater. Er kniete vor mir, einfach und zerbrechlich. Mir wurde bewusst, dass ... seine Worte keineswegs eine Lüge sein konnten. Alle Zweifel, die ich in mir hatte wichen von selbst. "Wieso ... darf ich dich nicht ... . . .", flüsterte er und hob seinen Blick zögernd ein wenig, als erwartete er, ich würde hinausstürmen und wollte es nicht sehen. Allerdings tat ich das nicht, sondern kam ein paar Schritten auf ihn zu. "Ich habe keine Angst ...", sagte ich leise und er sah sofort auf. "... was? ..." "Ich sagte, ... ich fürchte dich nicht ..." "... aber ..." "Weißt du noch, was ich geantwortet habe, als du behauptet hast, ich würde dich abweisen ...?" Achtlos zog ich meine Schuhe aus, warf sie zur Seite hin weg und sank zu ihm auf den Boden: "... das war nicht so daher gesagt. Ich weiß doch, was du bist ..." Ich wusste es doch schon ... So lange. War es nicht eine Gefahr mit ihm auch nur in einem Raum zu sein? ... Mich kümmerte das nicht. Selbst wenn das böse höchstpersönlich in seinen Adern pulsierte. Das Ganze hatte mich so berührt und so spürte ich, wie mir einige Tränen die Wangen hinunterrollten. Längere Zeit sah er mich stumm an und wischte sie sanft mit dem Handrücken weg, dann fragte er: "Warum weinst du ...?" Lächelnd legte ich meine Arme um seinen Hals, um ihm näher zu sein und flüsterte: "Weil meine Antwort, wohl die ist, die du zu hören hoffst und von mir nicht zu bekommen glaubst ..." Kapitel 9: _this feeling keeps me warm_ --------------------------------------- Wie verrückt das klingt, ... aber ... ich konnte nur noch stumm lächeln und ihn meine Tränen wegwischen lassen. Diese Ironie. Ich habe ihn verflucht. Ich habe ihn verachtet. Ich habe ihn ignoriert. Ich bin vor ihm weggelaufen. Das alles nur, weil ich ihn brauchte. Nie habe ich geglaubt mit ihm sein zu können, doch ohne ihn konnte ich auch nicht. Nicht mehr. Egal in welcher Hülle seine verwundbare und auf ihre Weise schöne Seele sich befinden würde, ich hätte sie gefunden, denn ... sie war es, die mich faszinierte und an ihn band. Wieso war ich ihm nicht einfach gleichgültig wie andere Menschen? ... ~+~ Will it tear me apart, if you feel for me? ~+~ "Ich kann nicht mehr ohne dich ...", wisperte ich unter seinem überraschten Blick. "... Du ... du ... willst mir wirklich sagen, dass du meine Gefühle erwiderst? ..." Wie erschöpft schloss ich meine Augen und wartete einen Augenblick lang. "... Ja ... ganz sicher ..." ~+~ If only I could tell you everything, you'll never dare to ask me ~+~ "Wir sind zwei völlig verschiedene Wesen, Adrian. Du weißt das. Nur ... existiert etwas, das diesen Punkt außer Acht lässt und ... weshalb wir uns gegenseitig ... brauchen. ... Wahrscheinlich ist das der Grund, warum du meine Gedanken nicht lesen kannst. Mein Geist weist genau dieselbe Stärke auf wie deiner ... und wenn ich mich wehre, schaffst du es nicht zu sehen, was sich in meinem Kopf befindet." "... Das würde bedeuten, dass ... dass ... Wenn die Stärke absolut identisch ist, müssten sie die beiden Seelen zu einer einzigen zusammenfügen ..." "Glaubst du daran?" "... Schon möglich ... Das ist eine Glaubensfrage, aber ... was ich genau weiß ist, ... dass ich meine Existenz abschreiben kann, wenn du gehst ..." ~+~ A part of you belongs to me ~+~ Immer noch unsicher nahm er meine Hand und küsste sie liebevoll, als hätte er Angst mich damit zu verletzen. "Das werde ich nicht, ich verspreche es." Er lachte leise und löste den Knoten in meinem Haar. "Ich komme mir vor wie ein Kind ..." "Warum das?" "Ich habe etwas, was ich mir schon immer wünsche und ich weiß nicht, ob das nur eine Einbildung ist ..." "Hast du mich nicht darum gebeten, dir zu vertrauen?" "Ja, ich weiß ... Tut mir leid, es ist nur so, dass du ... mir immer so unerreichbar vorkamst, ... obwohl ich ständig in deiner Nähe war." ~+~ How can you love this exile and how could I desire you? ~+~ "War das mit dem ... na ja ... also ... Du hast doch immer versucht mich dazu zu bringen, dir die Erlaubnis zu geben, mein ..." Ich beendete den Satz nicht, sondern berührte nur meinen Hals. "Das ... das kann ich dir nicht antun ... Du würdest mich hassen ... Diesen fürchterlichen Schmerz kann ich dir nicht zufügen ..." "Irgendwo habe ich den Satz gehört: 'Nur wer sich öffnet für den Schmerz, lässt auch die Liebe mit hinein' ..." "Das mag stimmen, aber ... die Konsequenzen ... Kannst du dir das vorstellen? Ich beraube dich des Lebens. ... Andererseits ... kann ich kaum noch klar denken, wenn ich deine Haut berühre und das Blut in deinen Adern fühle ... Aaarghh ... verdammt ... nein ... du bist zu wertvoll ..." Er sprang auf und machte ein paar energische Schritte im Zimmer, bis er stehen blieb und schwer seufzte: "Da siehst du, was ich bin ... und ich kann es nicht einmal ändern ..." ~+~ Burning feathers, not an angel ~+~ "Dann ... bringt uns diese Diskussion nicht mehr weiter ...", sagte ich und stand auch auf. "Wir müssen weg von hier ... Lass uns nach Hause fahren ... Ich werde einen Wagen bestellen ..." Mit diesem Satz griff ich nach dem Telefon und fügte hinzu: "Ach ... und ich schulde dir etwas ... Sagte ich nicht 'nach dem Auftrag'?" Wie ich mich schon die ganze Zeit über danach sehnte, küsste ich ihn sanft auf die Lippen und wählte dann die betreffende Nummer. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Adrian krampfhaft versuchte mit sich zu kämpfen. Zuerst ging er auf und ab, dann blieb er am Fenster stehen und blickte hinaus. War das Ausmaß seiner Gefühle denn so groß, dass er sich kaum unter Kontrolle halten konnte? ~+~ Fell in love with the weakness within me ~+~ Den Rest der Zeit, bis der Wagen kam, verbrachten wir schweigend beim Packen der wenigen Sachen, denn ich wollte ihn nicht foltern ... Nun gut ... es war anscheinend schon eine Folter für ihn mich auch nur anzusehen ... Schließlich machten wir uns ganz säuberlich aus dem Staub und nach einer gewissen Zeit befanden wir uns auch in unserem Apartment. Müde von den ganzen Strapazen, ging ich kurz duschen und wollte mich dann sogleich schlafen legen. Mit einem Badetuch bekleidet kramte ich im Schrank nach einem Nachthemd. Dabei konnte ich den Vampir sehen, der ziellos in der Wohnung umherirrte und empfand irgendwie ... das Gefühl ... ihn ungerecht zu behandeln. Zu schnell hatte ich das Gespräch beendet und jetzt schwebten wir beide im Ungewissen. Auf dem Weg nach Hause hatten wir nicht sehr viel geredet, weil ich keinen Ansatz gefunden hatte, das Thema wieder aufzugreifen und er sagte ebenfalls nichts dazu, obwohl ich die Spannung fühlte, die von ihm ausging. Schnell zog ich das Teil an und betrat sein Zimmer, wo er auf seinem Bett saß. "Adrian, ... was ist los?" Erst einmal verwundert über die Frage, dann wohl wegen meinem 'nächtlichen Aufzug' sagte er nichts. Dann drehte er sich von mir weg und fragte: "Du musst mich schon entschuldigen, wenn ich ... das jetzt wieder anschneide, aber sag mir, ... warum ... vermisse ich dich, selbst wenn du ständig um mich herum bist?" Diese Frage gab mir zu denken. Ich setzte mich hinter ihn und legte meinen Kopf auf seine Schulter: "Hm ... ich weiß nicht, aber ich möchte dir helfen." ~+~ I'm begging you from the bottom of my heart to show me understanding ~+~ "Ich will nichts außer deiner unmittelbaren Nähe ..." Seltsam ... alles war verkehrt ... Jetzt war er der Schwache und Unsichere, nicht mehr ich ... Ja, ich wollte ihm helfen, aber was sollte ich schon sagen? ... Alles was ich sagen wollte, ... konnte ich nicht in Worte fassen. "Es sei denn, du hast doch Angst ..." Lächelnd schüttelte ich den Kopf und setzte mich auf seinen Schoß. "Du kannst mir das wirklich glauben. ... Fehler verzerren nicht. Sie machen uns einzigartig. Und das ist viel besser als die Perfektion. ... Ich habe keine Angst dich zu sehen, wie du bist." Behutsam schloss er mich in die Arme und zögerte diesmal nicht mich mit einer Mischung aus Begierde und Sehnsucht zu küssen. Nirgendwo anders wollte ich sein. Wenn das Gefahr sein sollte, ... hatte ich die Grenze schon längst überschritten. Wenn das falsch sein sollte, ... war alles an mir falsch. Wenn das ein Traum war, ... wollte ich nie mehr aufwachen. Längere Zeit konnten wir uns nicht voneinander lösen, denn zu lange war die Wartezeit gewesen ... Zärtlich streichelten seine Finger über meinen Hals und Rücken. Als er sich schließlich langsam von meinen Lippen entfernte, bemerkte ich, dass mein Blut unglaublich warm geworden war und stärker pulsierte als sonst. Selbstverständlich schlug mein Herz wesentlich höher. Dieses Rot in seinen Augen machte mich wieder einmal wahnsinnig ... Nicht umsonst sagt man, die Augen seien der Spiegel der Seele, denn seine spiegelten alles wider ... die erwähnte Sehnsucht, das Verlangen, die Zärtlichkeit und die ... ~+~ The way your heart beats makes all the difference ~+~ "Auf Ewigkeit verdammt und doch habe ich meine Erlösung gefunden ...", sprach er leise und seufzte erleichtert. Dann fuhr er plötzlich auf und zog mich wieder fest an sich: "Mein Gott ... wie lange habe ich davon geträumt, dir zu sagen, ... dass ich dich liebe ..." Zunächst konnte ich nicht fassen, dass er das gesagt hatte. Nach diesen Jahren voller Zweifel, Unsicherheit und Kälte, die ich fast allen Menschen gegenüber empfand, weil sie mich enttäuscht hatten ... Ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben ... Und dann ... Öffnete ich mich einem auf den ersten Blick völlig unmenschlichen Wesen ... Einem Wesen, von denen gesagt wird, sie hätten weder Herz, noch Gefühl ... Jemand, der mich unmöglich lieben konnte, und es doch tat ... Seine Augen ... sie spiegelten seine Liebe wider ... ~+~ Tell me once again, it's just 'you and I' ~+~ Kapitel 10: _I do not exist without you_ ---------------------------------------- Absolut leicht wie eine Feder frei von allen Sorgen und Zweifeln ... das war das, was ich empfand, als ich in Adrians Nähe. Nähe. Das wollte er doch. Natürlich konnte ich es nicht leugnen, dass es mir genauso erging. Es war wie eine eigene Zone innerhalb der Zeit. Abgegrenzt von allen anderen, von allem anderen. Nur er war da. Alles was ich wollte. Wie wunderschön war es bei ihm zu sein. Schon allein seine Umarmung war unbezahlbar ... Jedes Mal, wenn er seine Hände an meiner Haut hinuntergleiten ließ, fühlte ich dieselbigen leicht zittern. Wieso konnte er es nicht glauben? Immerhin wollte er, dass ich ihm und an ihn glaube ... Auf der Suche nach meinen Lippen wanderte seine Zunge über meinen Hals, der ihn so sehr reizte, doch er wagte es nicht mir weh zu tun. Er umspielte mit seinen Fingern mein Haar und streichelte über meine Wange. Auf einmal hatte ich den Eindruck, seine Augen würden in der Dunkelheit wieder leuchten. Er, dieses "Monster" ... Wie lächerlich ... Menschen sind zu dumm, um die kranke Schönheit, die Ästethik, den unendlichen Wert einer solchen Seele wahr zu nehmen und stempeln sie als "Monster" ab. Wie idiotisch. Menschen hatten schon immer Angst vor dem Unerklärlichen. Diese ... sturen Ignoranten ... Menschen können nur sich selbst lieben ... und wenn sie jemanden lieben, so ist es nicht auszuschließen, dass diese Liebe irgendwann erlischt ... Einfach so ... So ist der Mensch konstruiert. Er ist sterblich ... Vampire sind Kinder der Ewigkeit und ... wenn sie einst ihre zweite Hälfte finden, dann bleiben sie auf ewig mit ihr verbunden ... wie eine ganze Einheit. Dies ist die wunderschöne Seite eines "Monsters" ... Zu dumm, dass Menschen nie einsehen werden, dass sie allein die wahren Monster sind ... und alles Übel der Welt erst dann ausgelöscht ist, wenn das Herz eines jeden von ihnen nicht mehr schlägt ... Solange aber sie leben, wird es Vampire geben ... und solange es Vampire gibt, wird es ihn geben ... und so lange es ihn gibt, wird meine Verbindung, meine Zuneigung, meine Liebe für ihn bestehen ... Adrian nahm meine Hände fest in die Seinen und küsste mich mit inniger Leidenschaft. Dann fragte er etwas unsicher: "Würdest du in meinem Bett schlafen? ... Ich fürchte, ich vermisse dich sonst zu sehr ..." Müde lächelte ich und nickte. Sanft legte er seine Arme um mich un bedeckte meinen Körper mit der schwarzen Satindecke. Überraschend schnell schlief ich ein, weil ich wusste, dass er da war ... und mich nicht fallen lassen würde ... . . . //.:hörst du nicht? ich rufe flehend dich!:.\\ Von der Sonne geblendet musste ich blinzeln und hielt meine Hand davor. War es so schnell morgen geworden? ... Irritiert sah ich mich um und stellte fest, dass ich mich in meinem Bett befand. ... "Seltsam ... So wie ich Adrian kenne, wird er mich doch nicht in mein Bett getragen haben." Schnell zog ich die Bettdecke weg und wollte in sein Zimmer laufen. Plötzlich blieb ich stehen, denn ... der blanke Horror ergriff mich ... Wortlos starrte ich die Stelle an der Wand an, die Adrians Zimmertür gewesen war ... Dort befand sich nämlich keine Tür mehr ... Nichts ... Nicht mal Anzeichen davon, dass die Stelle zugemauert wurde ... "Adrian?! ..." Krampfhaft versuchte ich mir einzureden, dass er mich aufziehen wollte, ... dann dass es nur ein Traum sei ... Wie eine Wahnsinnige lief ich in dem Appartement herum und suchte nach Lebenszeichen ... Vergeblich ... Kein einziger Gegenstand, der ihm gehörte ... Nicht mal sein Lieblingsdrink in der Bar ... Nicht mal sein Mantel ... NICHTS ... Verzweifelt sank ich zu Boden und biss mir auf die Unterlippe. Was zur Hölle sollte das?! ... Wieso dieser Alptraum?! ... Nein ... Ich fühlte mich, als hätte man mich in ein Vakuum eingeschlossen ... Tränen kullerten bereits meine Wangen hinunter und meine Fingernägel gruben sich in das Fleisch meiner Hände. Das Klingeln an der Tür nahm ich zunächst nicht war, als es dann aber nicht aufhörte, rappelte ich mich auf, in Hoffnung, es sei der Vampir. "S-sara? ... ... ... D-du bist w-wieder g-gesund?", stotterte ich, als ich meine Freundin an der Tür sah. Obwohl sie zuerst gestrahlt hatte, verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck sofort, als sie meinen Zustand registrierte. "Oh Gott, was ist hier los, Victoria?! Gehts dir nicht gut?", stieß sie besorgt hervor. Völlig leer und entgeistert torkelte ich zur Couch und ließ mich auf ihr nieder. "Nein, ... mir gehts nicht gut ... Sara? ..." "Ja?" "... Sag mir, ... wo ist Adrian? ... Sag mir bitte, dass er nur kurz raus ist ... dass er gleich wieder da ist ... Bitte ..." Das Mädchen versuchte mich anzulächeln, legte einen Arm um mich und wischte meine Wangen. Dann fragte sie zögernd: " ... Victoria, ... wer ist Adrian?" Fassungslos starrte ich sie an. Mein Innerstes verkrampfte sich und ich drohte meine Stimme zu verlieren: "... Mein Partner ... wo ist er?" "Partner?" "... Der Job ... wir ... zusammen ... Juwelen ..." "Soweit ich weiß, ... arbeitet in eurem Juwelierladen kein Adrian ..." "... J-juwelier ... laden?" "Du ... arbeitest in einem Juwelierladen. Das kannst du doch nicht vergessen haben." " ... " "Victoria, komm schon, was ist los? ... Hattest du einen schlechten Traum?" Ohne eine Zuckung war mein Blick auf das Fenster gerichtet, wo er manchmal gestanden hatte und meine Augen füllten sich wieder mit Tränen. Traum? ... Ich hatte nur für eine Sekunde lang einen kostbaren Ring in meinen Händen gehalten, bevor er in die unendliche Tiefe des Ozeans untertauchte ... In diesem Moment fühlte ich mich, als würde alles in mir sterben. ... Willkommen Wirklichkeit ... "Er ... Vampir ...", stockte ich und spürte die heißen Tränen. "Vampire? ... Unsinn. Es gibt sie nicht, das wissen wir doch beide." ... So lange Zeit nur geträumt? ... "Victoria, mach dich fertig. Wir wollten doch heute zu deinem Vater. Er hat doch Geburtstag, weißt du noch?" "Mein ... V-VATER?!" Gehässig spuckte ich dieses Wort aus. "Ich habe weiß Gott wie lang keinen Kontakt zu meinem Vater und du weißt das!" Sara schreckte zurück, als ich wütend aufsprang. "Was ist nur in dich gefahren? Dein Vater liebt dich!" "MIR brauchst du das nicht erzählen ...", fauchte ich, doch dann hielt ich inne. Wenn ich das geträumt hatte, hatte ich womöglich auch den Streit mit meinem Vater nur geträumt ... Vielleicht stimmte das, was Sara sagte ... Aber ... ich fühlte nichts ... "Komm schon, zieh dich an, iss was und dann lass uns gehen.", sagte sie lächelnd. "Alles wird gut ..." "Nein, ... das wird es nicht ...", wisperte ich und wankte in mein Zimmer. Ich war in der Welt der Sterblichen mit ihrem primitiven Weltverständnis eingeschlossen ... Angst. Hilflosigkeit. Leere. Das, was ich mir mit so viel Leid erkämpft hatte, war ein verdammtes Hirngespinst! ... An der Grenze des Wahnsinns ließ ich den Dingen ihren Lauf, denn ändern konnte ich nichts ... Kein Gefühl, keine Erinnerung an das, was danach geschah ... Irgendwann fand ich mich bei meinem Vater wieder. Zu meiner Überraschung empfing er mich herzlich und umarmte mich warm ... Hmm ... warm ... ich bildete mir ein, es sei warm. In Wirklichkeit nahm ich überhaupt nichts an Gefühlen mehr wahr. Die Umarmung musste wohl warm gewesen sein ... Immerhin war sein Lächeln glücklich ... Es zerriss mir das Herz ihn und alle anderen zu sehen ... Glücklich ... Nur Sara glücklich zu sehen war schön ... Nur ihretwegen zwang ich mich zu einem gekünstelten Lächeln ... Still saß ich im Wohnzimmer meines Vaters und trank Tee. Selbst dieser, obwohl ich den Dampf sah, war kalt ... und schmeckte nach nichts. Alles kam mir schrecklich grau vor ... Ich vermisste das Rot ... das ersehnte leidenschaftliche Rot ... Automatisch suchte ich nach den Augen der Anderen und erst da ... da fiel mir auf, dass ... dass ihre Augen glasig waren ... Völlig tot ... Nicht real ... Hysterisch donnerte ich die Tasse auf den Boden und flüchtete zum Ausgang. Hinter mir hörte ich die Stimme meines Vaters: "Victoria! ... Victoria!!!" Alles um mich herum begann zu verschwimmen. Gesichter, die verschiedenen Töne des widerlichen Grau, alles ... Der Boden schien mich zu verschlucken ... //.:ich brauch kein Leben, ich brauch nur dich ... deinen Körper, deine Seele und dein Herz ...:.\\ "Victoria!!! ... Victoria! Wach auf!" ... Die Stimme meines Vaters veränderte sich allmählich und wurde zur Stimme von James. Langsam öffnete ich meine Augen und sah den Arzt über mir. Noch völlig benebelt schloss ich sie wieder, um sie nach einigen Sekunden abermals zu öffnen. "James ... " Mein Hals fühlte sich rau an. "Gott sei Dank, endlich bist du wach ... Du hast mehrere Stunden in einem eigenartigen Fiebertraum gelegen ... Niemand konnte dich wecken. Wie ein Koma. ... Adrian, sie ist wieder wach!", rief er und mir fuhr ein kalter Schauer den Rücken hinunter ... und ich sah ihn ... Der Vampir war aus dem Nachbarzimmer herbeigeeilt und ich sah die furchtbare Angst in seinen Augen. "... Victoria ..." Lächelnd nahm das nasse Tuch von meiner Stirn und setzte mich auf. "Ich hatte solche Angst!", stießen wir beide gleichzeitig aus. Zärtlich umarmte er mich und ich wusste zum ersten Mal sicher, was die einzig wahre Realität war. "Bitte, lass mich nicht los. ... Nie wieder, hörst du?", flehte ich ihn an. "Hey, wer hat hier wen losgelassen?", scherzte er erleichtert und küsste mich vorsichtig. "Natürlich werde ich das nicht. Ich liebe dich, hast du das vergessen?" //.:zu lieben lebe ich, nur für dich:.\\ Kapitel 11: _your poison is running through my veines_ ------------------------------------------------------ James war noch nicht gegangen, als es an der Tür klingelte. Adrian verließ den Raum, um die Tür zu öffnen. Ich weiß heute noch, wie dieser großgewachsene ältere Herr mein Zimmer betrat. Bevor er etwas sagen konnte, war mir klar, dass seine Präsenz nichts gutes zu bedeuten hatte. Er räusperte sich und nahm den Hut ab. Aus irgendeinem Grund mied er es, mir in die Augen zu sehen: "Miss Leconte ... ich bin Dr.Raymond Barry - der Lord schickt mich ..." "Was ist denn passiert? Geht es ihm nicht gut?" "Nein, mit ihm ist alles in Ordnung ... Es geht um Sie ..." "Um mich?" "Sie ... haben doch noch diese Juwelen, die Sie als letztes von dem Lord bekommen haben?" "Ja, die habe ich." "Nun ... diese Juwelen sind der Grund für ihren seltsamen Ohnmachtsanfall." Ich konnte es nicht glauben - wie konnten Juwelen Einfluss auf mich haben? "Und für den Angriff Ihrer Freundin." "Wie bitte???" "Es war kein Angriff. Ihre Freundin hat sich das selbst angetan. ... Diese Juwelen haben Auswirkungen auf den Körper und vor allem auf das Gehirn - Sie haben bestimmt das seltsame Leuchten gesehen, diese Strahlung? ... Ihre Freundin war ihr nicht sehr lange ausgesetzt, aber es hat gereicht, um Wahnvorstellungen hervorzurufen, wobei sie sich selbst verletzte. ... Sie dagegen sind den Steinen zu lange ausgesetzt worden - daher auch dieses kurzweilige Koma." Was der Doktor von sich gab, erschien mir unsinning, aber einen anderen Grund für meine Bewusstlosigkeit und diesen grauenvollen Alptraum fand ich nicht. "Aber ... es kommt schlimmer ..." "Schlimmer?!" Adrian fixierte ihn und obwohl man von seinem Gesicht nichts ablesen konnte, wusste ich, dass er genauso Panik hatte wie ich. "Sie sind solange in der unmittelbaren Umgebung der Steine gewesen, dass Ihr Körper mit größter Wahrscheinlichkeit zu viel Schaden genommen hat." "Aber es geht mir gut!", protestierte ich. "Es gibt keine Anzeichen von Schaden!" "Wie erklärst du dir dann die Ohnmacht? ... Wir haben dich fast verloren ...", meinte James leise. "Nein ... das ..." Er wollte doch nicht wirklich sagen, dass ich ... |+| there was no time for pain |+| "Sie ... werden wohl nicht mehr lange unter uns verweilen, Victoria ..." Mir wurde unglaublich kalt bei diesem Satz. Man hatte mir gerade gesagt, ich würde sterben ... ... ... Zwar konnte ich mich nicht sehen, aber ich wusste, dass ich garantiert kreidebleich war. Der Vampir gegenüber von mir war weniger in einem gelähmten Schockzustand - wutentbrannt packte er Barry an der Gurgel und presste ihn an die Wand: "WIESO? ... Wieso hat der Lord das nicht schon vorher gesagt?!!! Wieso erfahren wir erst jetzt, dass diese verdammten Steine tödlich sind?" "Wir ... haben ... es erst ... nach dem ... angeblichen Angriff ... auf das Mädchen ... herausgefunden ..." Dem Arzt stand der blanke Horror ins Gesicht geschrieben, während Adrian ihn fest im Griff hatte. "ES IST ZU SPÄT? Zum Teufel - verstehen Sie das?! ... ZU SPÄT!", brüllte er völlig außer sich. "Adrian ... bitte ... lass ihn ... Er kann nichts dafür ..." Meine Stimme klang zittrig, aber wenigstens konnte ich Worte aneinander binden. ... Wie fühlt man sich, wenn man weiß, dass man stirbt? ... Angst bekommt da eine ganz neue Bedeutung. Ich hatte Angst, physisch nicht mehr präsent zu sein. Angst, Menschen, die mir viel bedeuteten, weder sehen, noch mit ihnen sprechen zu können. Angst, den Vampir alleine lassen zu müssen. "James, bring bitte Dr.Barry weg und mach dir keine Sorgen um mich, ja? ... Es geht mir gut." Der Arzt wollte etwas erwidern, aber ich schüttelte nur den Kopf. Dann befreite er den anderen Arzt aus den Zwängen des Schwarzhaarigen und sie verließen das Appartement. Stumm beobachtete Adrian, wie Tränen meine Wangen herunterrollten. "Ist das ... nicht witzig? ... . . . Gerade erst wiedergefunden und schon müssen wir uns trennen ... Diesmal wohl für immer ...", wisperte ich und drohte meine Stimme zu verlieren. "Ja, das Schicksal ist ein echter Spaßvogel.", antwortete er zynisch und verließ das Zimmer. Er tat das, weil er mich nicht leiden sehen konnte und weil sich in ihm Wut und Angst ein heftiges Duell führten. Einige Momente später hörte ich das Krachen der Stühle, die an die Wand geworfen und das Klirren der Gläser, die auf den Boden gedonnert wurden verbunden mit zorn- und schmerzerfüllten Verwünschungen. Diese Geräuschkulisse war furchteinflößend und bestätigte die agressive Natur des Vampirs. Seine Art zu zeigen, wie weh ihm etwas tat, war brutal. |+| he stops and takes a breath |+| Einige Zeit später kehrte er zurück und setzte sich zu mir. Spuren von Tränen in seinen roten Augen waren zu erkennen und die matte Bitterkeit, die in ihnen lag, war zu grausam. Schweigend schob ich die Bettdecke beiseite und zog ihn am der Hand zu mir herab. "Du ... du ... kannst nicht sterben . . .", flüsterte er und legte seinen Kopf auf meine Brust. Ich würde ihn alleine lassen, denn erwar untot. . . . Deshalb hatten ihm die Steine auch nichts anhaben können. . . . Das hieß . . . "Adrian ... wenn ich ... wenn ich untot wäre - so wie du ... dann ... ?" Er hob seinen Kopf und blickte mich irritiert an: "Willst du damit sagen, dass ... ?" "Wenn ich meine menschliche Existenz aufgeben würde, ... müsste ich nicht sterben, oder?" Wieso hatte ich nicht vorher daran gedacht? Dieser Gedanke ließ mich sogar ein wenig lächeln. "Aber ... du ... ich dachte, du würdest nie zu einem Vampir werden wollen?", fragte er zaghaft. ". . . Ja . . . Wir würden dann nicht mehr Partner sein können - im Sinne von Arbeit . . ." "... aber im anderen Sinne könnten wir es ..." "Außerdem ... kann ich dir das nicht antun ... und mir selbst auch nicht ..." Meine Hand glitt über seine Wange. "Wir hätten die Ewigkeit für uns ..." "Ohne den Tod als Hindernis ..." "Möchtest du das wirklich?", gab er trotzdem unsicher von sich und ich nickte: "Es gibt nur diesen Weg für mich und ich werde ihn auch nehmen ... Aber du musst mir versprechen, den Schmerz so angenehm wie möglich zu machen.", bat ich. Plötzlich war meine ganze Angst verflogen - die Lösung meines Problems schenkte mir sichere Hoffnung. "Ist gut ... ich verspreche es ..." Der Vampir lächelte sanft. "Du weißt nicht, was das für mich bedeutet ... Dein Blut zu schmecken und es mit meinem zu vermischen ..." Meine Entschlossenheit stützte sich auf das Wissen, dass ich durch IHN zu einem Vampir werden würde. |+| I'm begging you from the bottom of my heart to show me understanding |+| "Ich möchte aber vorher noch Sara besuchen ..." Er nickte verständnisvoll, bestand aber darauf mich zu begleiten, falls ich wieder umfallen sollte. Bei Sara verweilten wir nicht lange, denn sie akzeptierte meiner Entscheidung und die Sache mit den Steinen hatte sie auch schon erfahren. Trotzem riskierte ich es nicht, den Vampir mit auf ihr Zimmer zu nehmen, weil sie immer noch ein wenig unter Schock stand. Es war schon spät am Abend, als wir wieder zu Hause waren und während ich kurz duschte, räumte Adrian die von ihm demolierten Gegenstände auf. Draußen fing es an gewaltig zu regnen, sodass man das Trommeln der Regentropfen sehr deutlich vernahm. Ich hatte gerade meine Haare gefönt und kam aus dem Bad ins dunkle Zimmer, als sich Adrians Arme von hinten um meinen Körper schlangen und seine Lippen über die Schultern zu meinem Hals wanderten. Widerstand war ein Fremdwort. Mein Herz klopfte schneller, weil mir bewusst war, dass ich mich bald nicht mehr Mensch nennen konnte. Andererseits war es ein schönes Gefühl den Sinn des Wortes 'sterblich' vergessen und anders als die Menschen sein zu können. Adrian fühlte die Aufregung in meinem Körper und flüsterte: "Wenn nicht zu viel auf dem Spiel stehen würde, würde ich dich jetzt noch einmal fragen, ob du sicher bist." |+| Show me kindness, show me beauty, show me truth |+| "Natürlich bin ich sicher ... Es ist nicht irgendjemand, der die Aufgabe übernimmt.. DU bist es. Ich vertraue dir ..." Damit wandte ich mich zu ihm und legte die Arme um seinen Hals, wobei ich mich wieder einmal nicht von seinen Augen losreißen konnte. Es gab die Juwelen, die mir den Tod brachten ... und dies waren die Juwelen, die mir das Leben schenken würden. Der Vampir führte seine Lippen an die meinen und seine Zunge nahm meinen Mund in Besitz. Zunächst berauschte mich seine intensive Zärtlichkeit und nach kurzer Zeit überwiegte der wilde Teil in ihm. Adrian war nun mal ein Vulkan, den nur Leid oder Liebe zum Ausbrechen brachten. Mit Leichtigkeit hob er mich an und ließ mich auf seinem Bett nieder. Über mich gebeugt öffnete er meinen Bademantel ganz langsam und bedeckte meinen Oberkörper vom Schlüsselbein abwärts mit Küssen, die er sich wohl schon länger gewünscht hatte. Immer wieder kehrte sein Mund zu meinem Hals zurück und seine Hände streichelten sanft über meine Schenkel. Der Gedanke, dass er mein Blut nehmen und mir seines geben würde, verdoppelte den Rausch. Als er schließlich ohne sämtliche Kleidung über mir war, überrollte mich die Hitze des Verlangens nach ihm. "Ich liebe dich ...", wisperte er in einen der tausend Küsse und während ich ihn dann in mir fühlte, hauchte ich in sein Ohr: "Dann töte mich, ... damit ich leben kann ..." Der Blutdurst schien in so sehr anzuspornen und seine Erregung zu vergrößern, dass er mich damit an den Rand des Wahnsinns trieb. Plötzlich fühlte ich wie sich seine Fangzähne in meinen Hals bohrten und die Mischung aus Lust und Schmerz ließen mich aufschreien. Die Spannung meines Körpers erschlaffte, während Adrian mir das Blut aus den Adern sog. |+| the way your heart sounds makes all the difference |+| Meine Sinne schienen betäubt - nur noch das Pochen meines eigenen Herzens war zu hören ... langsamer ... und langsamer ... und langsamer ... bis es aufhörte zu schlagen und ich Blut auf meinen Lippen schmeckte. Jede einzelne Faser meines Körpers starb. Dieser Schmerz durchzuckte mich wie ein Blitz und war wohl der größte, den ich je empfand, aber ich wusste, von wem er mir zugefügt worden war und ich nahm ihn begierig auf. Lust und Schmerz sind von der gleichen Mutter geboren und sind unzertrennlich. Erst zusammen erreichen sie die ultimative Gefühlsintensität. Wer Schmerz will, muss wohl Lust danach verspüren und wer Lust will, muss mit Schmerz rechnen. Zunächst rührte ich mich nicht, doch dann packte mich eine teuflische Gewalt und zwang mich dazu nach der Quelle dieses köstlichen Saftes zu tasten. Mehr. Noch mehr. Noch viel MEHR. Die Quelle war keine andere als Adrians Hals, an den ich mich sofort warf, um noch mehr Blut zu bekommen. Ich ahnte nur, was mich dazu trieb - das musste wohl der Blutdurst gewesen sein, wie ich dachte. Heute weiß ich, dass er es ganz sicher war. Das Blut des Vampirs in meinem Mund zu schmecken, es meinen Hals herunterrinnen und durch meinen Körper fließen zu fühlen, schenkte mir unermessliche Befriedigung und die Gewalt ließ allmählich nach. Ein letztes Mal noch fuhr ich mit der Zunge über seinen Hals und kostete den unbeschreiblichen Geschmack aus. Die Erschöpfung überkam mich und ich sank in Adrians Arme: "Wir sind eins ..." |+| here before me is my soul - I'm learning to live |+| Inzwischen habe ich mich an das neue Leben gewöhnt und mir ist alles recht, solange Adrian und ich nicht voneinander getrennt werden. Den Job haben wir beide behalten und durften wir sogar weiterhin als Partner arbeiten. Immerhin fühlte sich der Lord schuldig an dem, dass ich beinahe ums Leben gekommen bin und machte für mich eine Ausnahme. Allerdings müssen wir jetzt aufpassen, dass wir nichts verbauen, sonst wird das noch rückgängig gemacht. Der Blutdurst ist zu bewältigen und wie Adrian irgendwann gesagt hatte, ich habe das Zeug zum Vampir, auch wenn ich nicht sonderlich brutal bin - aber das ist eh nur ein Vorurteil gegenüber Vampiren. Gut, Adrian kann brutal sein, aber das hat seine Gründe. Wir werden weiterexistieren, solange es etwas gibt, wofür wir leben wollen. Menschen können den Begriff 'Leben' nicht nachvollziehen, weil ihre Augen nicht so weit geöffnet sind wie unsere. Weil ihre Herzen verschlossen sind. Weil sie Gefühle nur zur Hälfte vernehmen. Und das obwohl wir die 'Monster' sind. Obwohl mein Herz nicht schlägt, beinhaltet es eine größere Liebe, als die eines beliebigen Menschen. Mensch oder Vampir ist nicht wichtig. Wenn eine Seele die andere anzieht, gehören sie zusammen, egal wie die Hülle sein mag . . . *ENDE* Kapitel 12: aDDITIOn -------------------- Außerhalb von Zeit und Regeln. Das Schönste, was einem Menschen widerfahren kann. Ohne die Zeit kommt der Tod nicht näher und ohne Regeln kann man tun und lassen, was einem in den Sinn kommt. Ist man alleine, so läuft man Gefahr verrückt zu werden. Hat man jemanden, der das selbe Schicksal teilt, so ist das ein Geschenk. Die schmale Figur Victorias zierte das Dach eines Hochhauses und ihr langes Haar flatterte im kühlen Wind. Es erschien eine zweite, männliche, Gestalt, die sich ihr näherte. Adrians Arme schlangen sich von hinten um die Taille der Frau er und hatte wie das erste Mal das Gefühl, sie könnte zerbrechen oder wie Sand durch seine Finger rinnen. Augenblicklich wandte sie sich zu ihm um und betrachtete ihn so lange und eingehend, als hätte sie ihn noch nie getroffen und müsste sich an ihm satt sehen. „Wieso ... kommen mir jede fünf Minuten deiner Abwesenheit wie eine Ewigkeit vor?“, flüsterte sie, obwohl sie selbst die Antwort besser als jeder andere kannte. Wenn man anders ist, fühlt man sich einsam auch in einer riesigen Menschenmasse. Findet man jemanden der eigenen Art, verfliegt die Einsamkeit, auch wenn die Verbindung nicht von außen erkennbar ist. Eine Steigerung ist es, wenn man mit dieser Person seelenverwandt zu sein scheint. Diese Person ist wie ein Puzzleteil, das irgendwann vor der Geburt von der eigenen Seele getrennt und in einen anderen Körper gesperrt wurde. Wenn man eingesehen hat, dass es diese Person gibt, erstickt man vor Verlangen, diese zu finden ... und wenn man sie gefunden hat, ... ist der einzige Gedanke, sie nie wieder loszulassen. Nie wieder. „Glaubst du etwa, die einzelnen Sekunden ohne deine Anwesenheit wären keine Messerstiche für mich?“, fragte er lächelnd zurück und streichelte sanft über ihre Wange. Mittlerweile hatte sie sich an dieses Lächeln gewöhnt – besser gesagt an die Echtheit dieses Lächelns. Es erfüllte sie jedes Mal mit heller Freude, ihn richtig lächeln zu sehen, endlich nach so langer Zeit von gezwungenem, aufgemaltem Lächeln oder einfach übertrieben dreckigem Grinsen. Sie konnte die Freiheit in seiner Gestik, Mimik und seinen Worten fühlen. Früher ... da war er wie eingehüllt oder in Ketten gelegt – er musste an seinem perfekten Bild festhalten. Das perfekte äußere Bild war das eigentliche Monster und das Monster in ihm perfekt ... Perfekt, weil es Schwachstellen und Gefühl zeigte – etwas, was sich seine äußere Schicht hätte nie erlauben können. Sein Lächeln betrachtend bemerkte sie etwas, was sie vorher schon gerochen hatte: Blutspuren. Ihre Finger bebten, als sie mit ihnen vorsichtig über seine Lippen fuhr. „Du kannst es wohl nicht lassen ...“, brachte sie mit Mühe heraus, denn die Gier nach der roten Flüssigkeit stieg ... und nicht nur danach. „Was ...?“ Der Vampir zog sie an sich und berührte ihre Nasenspitze mit seiner. „... mich wahnsinnig zu machen.“ Damit leckte sie mit der Zungenspitze über seine Lippen und schmeckte das bisschen Blut in ihrem Mund. „Das ist meine Rache dafür, dass DU es die ganze Zeit tust ...“, antwortete er ihre Lippen suchend. Zwei gegensätzliche Pole ziehen sich bekanntlich an, doch ... warum? Sie sind doch so verschieden auf den ersten Blick. So verschieden, dass sie nicht zueinander passen können. Dabei hat der eine Pol die Eigenschaften, die dem anderen fehlen und umgekehrt. Wenn man sie zusammenfügt, ergänzen sie sich zu einem vollkommenen Bild, völlig lückenlos, wie das genannte Puzzle und dann ... leben sie als Symbionten, im glücklichen Fall natürlich. Wenn sie sich verlieren oder nicht erkennen, dass sie voneinander zu leben bestimmt sind, geht jeder seinen eigenen Weg bis sie sich irgendwann eingestehen, dass das falsch war, weil sie alleine enden, ohne jemals ihr fehlendes Stückchen Seele zu finden. Eine andere Möglichkeit ist die, dass sie sich einbilden, der andere Mensch, den sie gefunden haben, ist besser, wobei sie tief im Herzen die Wahrheit kennen und für sie blind sein wollen. Schließlich gibt es Menschen, für die diese Suche keinerlei Wert darstellt, weil sie lieber in Geld und Ruhm versinken. So jemand ist niemals glücklich. Egal wie oft er am Tag wiederholen mag, dass er glücklich sei, er kann es unmöglich sein. „Weißt du, ich wundere mich immer noch darüber, wie intensiv man als Vampir fühlt und ... wie viel ich trotz der Jahre für dich empfinde. Als würde ich mich jedes Mal auf Neue in dich verlieben ...“, hauchte sie und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Du bereust es nicht ...? Ich meine, gestorben zu sein?“ Sie lachte leise und entgegnete: „Natürlich nicht ... Niemals.“ Seelen, die sich ergänzen konnten, sind zu bewundern, denn nicht immer ist es einfach den anderen Teil zu finden und dann mit ihm klar zu kommen. Oft liegt es daran, dass man sich schnell aus den Augen verliert, weil man zu oberflächlich ist und auf Mängel achtet, sie nicht akzeptiert und den Menschen als unpassend abstempelt. Man braucht Geduld, Verständnis und vor allem die Fähigkeit die Intensität der Gefühle zu erkennen, wenn diese endlich vorhanden ist. „Schau die Stadt an. Sie lebt von Ruhm, Reichtum und all dem, was sich die törrichten Menschen wohl als aller erstes wünschen würden, wenn sie drei Wünsche frei hätten.“ Adrian zeigte auf die grellen Lichter der Werbungen und der Kasinos tief unten auf den nächtlichen Straßen der Stadt. „Wir haben etwas, was sie nie verstehen werden.“, ergänzte sie seinen Gedanken. Niemand weiß, was die Zukunft bringt und ob wir unserer fehlenden Seelenhälfte nicht schon morgen begegnen. Vielleicht sind wir ihr gestern begegnet und haben es nicht einmal bemerkt. Vielleicht ist es jemand, den wir im Moment nicht leiden können und vielleicht ist es jemand, dem wir jeden Tag über den Weg laufen und es nur nicht registrieren. Sie sind ein Ganzes. Einst ein Mensch und Vampir – ein unmenschliches Wesen - konnten das erreichen, was vielen Sterblichen für immer verwehrt bleiben wird, weil sie zu blind oder geblendet sind ... von sich selbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)