Die Argoth-Chroniken: Zikél von Alaska ================================================================================ Kapitel 3 --------- Titel: Die Argoth-Chroniken: Zikél Teil: 03/?? Autor: Alaska & BlueMercury Genre: Fantasy, Drama Warnung: Gewalt, Sex, Depri, Zucker (die Warnungen gelten jeweils nur für einzelne Kapitel, also nicht abschercken lassen ^^) Kommentar: Ich werd jetzt versuchen jede Woche ein Kapitel hochzuladen, schließlich haben wir schon genug geschrieben, die nur noch gebetat werden müssen. Und Blue ist da eine ganz schnelle ^^ Also viel Spaß mit dem 3. Teil! ~3~ Der Tag war schrecklich gewesen. Zikél stand die gesamte Zeit im Konflikt mit sich selbst, da er nicht ganz von dem Gedanken an Flucht abkam. Er wollte hier nicht länger bleiben. Er wollte nach Hause zu seiner Familie. Mit jeder vergehenden Sekunde vermisste er sie mehr und sein Herz wurde immer schwerer. Für einige Zeit wagte er es zu schlafen, da Leonidas und Nitta nicht zurückzukehren schienen. Vermutlich beratschlagten sie noch über sein Strafe, was den Tama-i schwer schlucken ließ. Es dauerte noch Stunden, bis Nitta und Leonidas zurückkamen. Am frühen Abend, als die Sonne langsam zu sinken begann, kehrten sie von ihrem Tag draußen in der Stadt zurück. Zikél war sofort hellwach. Als die Beiden eintraten, schien zunächst nichts anders zu sein als sonst. Nitta machte sich daran, den Tisch für seinen Herren zu decken, also das vom Hause gestellte Essen mit diversen Kleinigkeiten und Gewürzen zu verfeinern. Leonidas legte seine Tagesrobe ab und schlüpfte in die legeren Kleider, die Zikél noch vom Vorabend kannte. Dann gesellte er sich zu Nitta zum Essen. Weder Nitta noch Leonidas hatten ein Wort mit dem Tama-i gesprochen. Zwar nahmen sie das Katzenwesen wahr, aber auf eine Art, wie auch Möbelstücke wahrgenommen, aber nicht beachtet wurden. Ansonsten wies das Verhalten beider keine sonderlichen Auffälligkeiten auf. Es schien zwar, als würde besonders Nitta darauf verzichten, mit Zikél in Blickkontakt zu geraten, aber das konnte auch täuschen. So verzog Zikél sich in die hinterste Ecke des Zimmers und beobachtete die Beiden mit einer Mischung aus Misstrauen und Unsicherheit. Nicht ein Blick wurde auf ihn gerichtet, geschweige denn ein Wort gesprochen. Als er das Essen roch, knurrte sein Magen laut und er verschränkte beschämt die Arme vor dem Bauch. Seit dem vergangenen Tag hatte er nichts mehr zu sich genommen, doch jetzt kam der Hunger durch. Aber wahrscheinlich wollten die beiden Männer ihn jetzt verhungern lassen - zur Strafe. Oder ihn zu Tode ignorieren. Nicht einmal Nitta nahm sich seiner an. Die ganze Situation machte ihm Angst. Er konnte damit umgehen, angeschrieen oder geschlagen zu werden, aber völlige Ignoranz... das war ihm noch nie passiert. In diesem Moment stieg die Sehnsucht nach seiner Familie, ihrem Dorf und den Freunden nur noch mehr. Mit eingezogenem Schwanz und hängenden Ohren rollte sich Zikél zusammen und rief sich Bilder aus der Vergangenheit ins Gedächtnis, die Gesichter derer, die er liebte... und die ihn liebten. Eine Hand, die ihm einen Teller hinstellte, tauchte in seinem Blickfeld auf. Einmal mehr hatte sich Nitta ihm völlig lautlos genähert, jedoch ohne böse Absichten. Brot, Käse, Fleisch. "Eine Auswahl. Es wäre einfacher, wenn du dich endlich zu uns setzten würdest." Damit verschwand Nitta wieder im Speisezimmer. Als er des Anderen gewahr wurde, hatte sich Zikél automatisch geduckt und angespannt. Dementsprechend überrascht war er auch, als Nitta ihm sein Essen gab. Misstrauisch beäugte er das Fleisch und schnupperte vorsichtshalber. "Mich zu euch setzen? Ihr wollt mich doch gar nicht bei euch haben! Ihr ignoriert mich und ich soll mich zu euch gesellen?" In der aufgeregten Stimme schwang etwas Bitterkeit mit, doch Zikél bemerkte es selbst nicht. Seine Verzweiflung über die Trennung mit seiner Familie schwang um zu Wut. Wut über die ganze Lage, in die ihn seine eigene Dummheit hineingebracht hatte. Schnell verschlang er das Fleisch und donnerte den Teller vor Leonidas auf den Tisch. "Hör zu... ich habe keine Lust mehr bei dir zu hocken und mir dein blödes Gelaber anzuhören! Ich will endlich wieder nach Hause! Deshalb schlage ich dir einen Handel vor! Eine Wette... wie du es auch immer nennen willst!" Leonidas hielt in der Bewegung inne und betrachtete den Teller, der vor ihm niedergegangen und gesplittert war. Langsam und ruhig legte er das Besteck beiseite, faltete die Hände und sah Zikél an. Sein Gesichtsausdruck war wenig aussagekräftig und fast schon besänftigend neutral. "Mein blödes Gelaber also... und wir wollen dich ja gar nicht bei uns haben..." Amüsement zuckte um seine Mundwinkel, doch nur kurz. "Es beeindruckt mich doch immer wieder, was für einen gefährlichen Lebenswandel du führst..." "Was interessiert dich mein Lebenswandel?" fauchte der Tama-i und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Zikél war sich gar nicht der Gefahr bewusst, in die er sich unweigerlich begab, in dem er Leonidas reizte. Nitta stand auf. "Entschuldigt mich." meinte er knapp, verbeugte sich leicht vor Leonidas und verließ das Zimmer. Ohne seinen Begleiter zu beachten, fuhr der Schwarzhaarige fort. "Wette... erzähl mir mehr." "Wette... ja. Ich wette, dass ich dich schlagen kann... die Disziplin kannst du wählen. Ein fairer Kampf, bei dem jeder die gleichen Chancen hat. Ob es nun ein Wettrennen ist oder ein Kampf..." Zikél war sich seiner sicherer, während er sprach, was seine Haltung bewies. "Wenn ich gewinne, lässt du mich frei. Wenn du gewinnst, werde ich machen, was immer du mir sagst, ohne mich länger dagegen zu sträuben." Abwartend blickte er auf den Anderen hinunter. Das war seine einzige Chance hier rauszukommen und er würde nicht verlieren... er würde es schaffen, egal wie hart der Kampf sein würde. "Interessant..." sinnierte Leonidas, legte den Kopf schief und betrachtete den Katzenmann. Er setzte zu einer Bemerkung an, schwieg dann aber und dachte nach. "Wenn ich gewinne, willst du alles tun, was ich von dir verlange? Das reicht mir nicht. Ich will, dass ich zum wichtigsten Bestandteil deines Lebens werde. Ich will, dass du mir mit aufrichtiger Freude dienst und überzeugt bist von dem, was du tust." Leonidas stand auf und näherte sich Zikél. "Wirst du das tun können? Wenn nicht, ist diese Wette wenig attraktiv für mich." Zikél spannte sich an und schluckte. Das waren harte Bedingungen und selbst wenn er gewollt hätte, könnte er nicht garantieren, dass er es konnte. Nun steckte er in der Klemme. Gedankenverloren starrte er Leonidas eine Weile an und knabberte unbewusst an seiner Unterlippe. Er hatte keine Wahl. Er musste es tun, musste es wenigstens versuchen... Zikél straffte die Schultern, setzte alles auf eine Karte und nickte. "Das werde ich schon schaffen." Er war unruhig, sein Schwanz wippte leicht hin und her, die Ohren zuckten. Ein sehr zufriedenes, etwas hinterhältiges Lächeln erschien auf Leonidas' Zügen. "Nun gut. Genau das wirst du mir von jetzt an bis zum morgigen Sonnenuntergang beweisen. Diene mir einen Tag lang so, dass ich voll zufrieden bin und du wirst frei sein. Du wirst mir ab jetzt nicht mehr von der Seite weichen und jeden Befehl, jede Bitte und jeden meiner Wünsche erfüllen." Er hielt dem Jungen die Hand hin. Sollte Zikél einschlagen, galt ihr Deal. Sollte er es lassen... nun ja. Zikél starrte ihn mit einer Mischung aus Entsetzung und Abscheu an. War das sein Ernst? Er sollte schon mal eine Kostprobe liefern? Hör zu, du Sturkopf, es ist nur ein Tag! Ein lausiger Tag, für den du sein Sklave sein musst. Danach kannst du zu deiner Familie zurück... danach bist du frei! lockte eine Stimme in seinem Inneren. Die graublauen Augen blitzen einmal auf. Für 24 Stunden würde er seinen Stolz vergessen. "Einen Tag..." Mit einem leichten Klatschen schlug er ein und drückte Leonidas' Hand. "Einen Tag." bestätigte Leonidas und drückte die Hand des Anderen ebenfalls. "Du wirst die meisten Aufgaben Nittas übernehmen oder ihm wenigstens zur Hand gehen. Ansonsten..." Leonidas legte die andere Hand in den Nacken des Jungen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. "Ansonsten bist du für mein geistiges und leibliches Wohl zuständig." wisperte er, bevor er sich wieder entfernte. "Und nun setz dich und leiste mir beim Essen Gesellschaft. Ich speise nicht gerne allein." Zikél erstarrte automatisch, als die Hand in seinem Nacken erschien und konnte sich nicht im geringsten dagegen wehren. Wahrscheinlich war es auch besser so, denn so wusste Leonidas nicht, dass er am liebsten zurückgewichen wäre. Du musst tun, was er sagt... einen Tag... komm, nur einen Tag... meißelte die kleine Stimme ihm ins Hirn und der Tama-i schluckte die Abscheu herunter. "Ganz, wie du willst." Er setzte sich und starrte auf den Tisch. Kaum stieg der Geruch des Braten in seine Nase, knurrte Zikél Magen lauthals und er blickte unsicher zu Leonidas. Durfte er sich so einfach nehmen? Er war unsicher und musste sich erst einmal in diese neue Situation hineinleben. "Bitte, bedien dich." Leonidas machte eine einladende Geste und sah Zikél aufmunternd an. "Ich bin kein Unmensch. Wenn du das nur endlich erkennen würdest." "Ich glaub nicht mal, dass du ein Mensch bist." murmelte der Tama-i leise und griff nach einem großen Stück Braten, den er in einer unglaublichen Geschwindigkeit hinunterschlang. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie hungrig er war. Er musste sich auch langsam ordentlich stärken für seinen Heimweg. Leonidas lächelte, erwiderte aber nichts. Stattdessen brachte er die Sprache wieder auf ihre Unterhaltung vom Vorabend. "So. Nun erzähle mir doch etwas über deine Familie." Ein kurzes Stocken, Zögern, dann aß Zikél weiter. Seine Tischmanieren ließen zu Wünschen übrig, was schon seinen Mekjahor immer geärgert hatte. "Was willst du wissen? Wir wohnen in einem Walddorf... ca. 5 Tage von hier entfernt, vielleicht länger, vielleicht kürzer. Ich bin mir nicht sicher. Sie haben mich am Fluss aufgegriffen und verschleppt." Er schluckte den Bissen herunter und nahm einen großen Schluck von dem Wasser. "Ich habe zwei Wurf Geschwister. Castor und Suma. Obwohl Castor Erstgeborener ist, steht Suma über ihm, ich bin der Jüngste. Suma trägt gerade... ich werde Onkel." Der Stolz darüber war unverkennbar, doch auch die Sehnsucht, die kurz in den grauen Augen aufflackerte. "Sein Lebenspartner und er wohnen auch im Dorf, weil Rana, mein Mekjahor, nicht wollte, dass sein Sohn seine ersten Jungen allein bekommt." Ehrliches Interesse spiegelte sich in Leonidas' Zügen. "Ich verstehe nicht ganz... es gibt keine weiblichen Tama-i? Und was ist ein... Mekjahor?" Für einen Moment überrascht die Brauen hebend, lachte Zikél im nächsten herzhaft. Es war das erste Mal in Leonidas Gegenwart. "Nein, es gibt nur männliche. Ich vergesse immer wieder, dass es bei anderen Rassen nicht so ist. Wir leben eher zurückgezogen und wollen auch in Ruhe gelassen werden. Es gibt genug, die uns nur für Tiere halten und jagen..." Die Miene des Jungen verdunkelte sich kurz, dann schob er diese Gedanken jedoch beiseite. "Ein Mekjahor ist der Gebärende in einer Partnerschaft. Da wir zwei Väter haben, würde es nur Verwirrung geben. Es ist ein altes Wort für 'der liebt'. Kemjal ist der Gegenpart dazu, es bedeutet 'der beschützt'. Es ist von vorne herein klar, wer welche Aufgabe hat, es ergibt sich von selbst." erklärte Zikél ruhig und entspannt. Seine Familie war ein Thema, das ihm sehr am Herzen lag und über das er sogar mit einem Fremden sprach, obwohl er auch nicht alles erzählen wollte. "Jalla, das ist die Abkürzung für Kemjal, heißt Suaresh. Und Jaho, die Abkürzung für Mekjahor, heißt Rana." Leonidas nickte. "Dann... bist du 'der liebt' oder 'der beschützt'? Oder ergibt sich diese Verteilung erst im Vergleich zweier Partner?" Er ließ es sich nicht anmerken, aber er war sehr erfreut darüber, dass Zikél etwas auftaute. Das Lachen war sehr erfrischend gewesen... denn Nitta hatte vor vielen Jahren das Lachen verlernt, genau wie er selbst. Mit vollem Mund und einem aufgeweckten ungestümen Funkeln in den Augen, schüttelte Zikél den Kopf. "Das ist ganz unterschiedlich. Man weiß es erst, wenn man seinen Lebenspartner gefunden hat. Sozusagen, wenn man..." Sein Fell verdeckte es zwar größten Teils, aber man konnte eine leichte Röte auf den Wangen des Tama-i sehen. "Wenn man sich seine Liebe das erste Mal zeigt. Bei Tama-i ist es nicht so, wie bei anderen Rassen... sie suchen sich nicht verschiedene Männer oder Frauen fürs Bett... sie warten auf den Einen." Ein wehmütiger Ausdruck erschien auf dem Gesicht. Die Frage war nur, wann man ihn fand. Zikél war schon fast der Sorgenfall der Familie. Tama-i fanden sich meist in einem Alter von - nach menschlichen Maßstäben - 16 oder 17 Jahren und gründeten Familie, doch er... er hatte bis heute noch nicht den Richtigen gefunden. "Das heißt, dass deine eigene Familie auf dich wartet?" Mittlerweile hatte Leonidas sein Essen beendet, blieb aber sitzen und sprach weiter mit Zikél. Es interessierte ihn wirklich sehr, was der Junge zu sagen hatte... und mit jeder Information, die er bekam, wuchs sein Wunsch, das Dorf des Tama-i zu besuchen. "Wie man es sieht. Meine Väter und Brüder warten auf mich, aber... ich habe meinen Partner noch nicht gefunden. Castor ärgert mich deswegen immer... sie machen sich alle Sorgen. Es ist üblich, seine zweite Hälfte mit 192 zu finden... so um den Dreh, aber ich... bin schon 228... das ist viel zu spät..." Unbewusst biss er sich auf die Unterlippe, die Ohren hingen an seinem Kopf herab, doch er hob schnell wieder sein Haupt. Nein, Leonidas durfte nicht sehen, wie sehr es ihn wirklich bedrückte. Das durfte niemand. "Deine zweite Hälfte also..." Wieder dieses Lächeln. Dieses... so freundliche und offene Lächeln. "Es gibt nicht viele Rassen, welche die Theorie der Monogamie so umsetzen wie die eure. Ich bin... erstaunt." Ein Augenblick unentschlossener Stille folgte, dann begann Leonidas seinerseits, zu reden. "Die Dracath, zu denen ich gehöre, halten es anders. Wenn sich ein Mann einmal für eine Frau entschieden hat und diese beiden sich... wie du es nennst, das erste Mal ihre Liebe zeigen, binden sie sich unwiderruflich aneinender. Männer nehmen sich keine andere Frau in unserer Kultur." Er lächelte entschuldigend. "Dafür aber umso mehr Männer." Hinter der Tür verschwand ein Schatten. Nitta war nicht sonderlich angetan davon, dass sein Herr ausgerechnet einem solchen Spring-ins-Feld auf die Nase band, dass er den Dracath angehörte... eine Rasse, deren Angehörige bei mächtigen Magiern dieser Welt so beliebt als Haustiere waren, wie die Tama-i wahrscheinlich beim gemeinen Volk. Die feingeschwungenen Brauen des Blauen hoben sich fragend. "Dracath? Ich habe noch nie von dieser Rasse gehört." gestand er und schob seinen Teller etwas von sich. Endlich war er satt und zufrieden. "Hab ich das richtig verstanden? Ihr habt nur eine Frau... und viele Männer? Warum?" Für jemanden, der mit den monogamen Verhältnisse aufgewachsen war, war so etwas unverständlich und Zikél schüttelte den Kopf. "Das könnte ich nicht... es gibt nur einen, den ich suche... warum sollte ich mehrere Partner haben? Es gibt nur einen, der mich versteht und den ich brauche. So ein Band kann man nicht mit jedem knüpfen." "Das mag sein, aber Sex ist Sex." Leonidas winkte ab. "Wir haben das Problem der meisten höher entwickelten Rassen: Spaß am Fortpflanzungsakt. Erwählt ein Dracath aus Liebe eine Frau für sich, ist er ihr treu. Er lässt sich nicht mehr mit anderen Freuen ein und nimmt die Verantwortung, die er Frau und Kindern gegenüber hat, sehr ernst. Was die Männer allerdings nicht davon abhält, sich körperlich bei Anderen Befriedigung zu verschaffen." Resignierend zuckte er die Schultern, denn der Tama-i würde das wohl nicht verstehen. "Ich finde, dass wir einen gelungenen Kompromiss zwischen Monogamie und Polygamie leben." "Nein...das ist kein Kompromiss. Das ist ein egoistischer Akt und hat nichts mit Liebe zu tun. Se... Sex sollte jedoch immer mit dem Herzen verbunden sein. Jalla würde mich wahrscheinlich umbringen, wenn ich so etwas tun würde." Sein Mund verzog sich zu einer Grimasse. "Castor drückt es anders aus... er sagt immer, es mindert den Marktwert. Und da meiner sowieso schon gering ist durch mein Alter..." Zikél schnaubte verächtlich. "Ein Tama-i würde eher sterben, als seinen Lebenspartner zu betrügen. Ist der Sex mit Frauen für euch kein Spaß, dass ihr euch Männer suchen müsst?" Er verstand es einfach nicht. Das war fern seiner Vorstellungskraft. "Ich sehe schon, dein Lebenswandel gibt dir keinen Ansatz, es verstehen zu können. Sex MUSS nicht mit Liebe verbunden sein. Sieh dir die Menschen an, viele Frauen verkaufen ihren Körper an die Männer. Oder huren aus lauter Spaß an der Sache herum." Wie immer - nämlich wie aus dem Nichts - tauchte Nitta auf und begann, abzudecken. "Es soll jedem selber überlassen sein, wie es die Sache hält... ich halte es für einen gelungenen Kompromiss, aber denke auch, dass die Art der Tama-i ihre Vorteile hat." Plötzlich musste Leonidas schmunzeln. Er setzte dazu an, etwas zu sagen, überlegte es sich aber scheinbar anders. "Geh deinen Weg, er wird der Richtige für dich sein." Zikél blieb lieber stumm, da er schon bemerkte, dass sie nicht auf einen Nenner kommen würden. Zwei Rassen, zwei Lebensansichten. "Menschen sind das Letzte." murmelte er nur leise und beobachtete Nitta. Kurz warf er Leonidas einen Blick zu und fragte sich, ob der Mann erwartete, dass er von sich aus Nitta zur Hand ging. Unentschlossen schob er die Teller zusammen, verblieb aber auf seinem Platz. Leonidas aber schien die Unterhaltung lieber fort zu führen. "Die Menschen... ein seltsames Volk. Mir scheint es immer, als hätten sie in ihrer Gesamtheit kein Gesicht." Er streckte die Hand aus und berührte Zikéls Wange mit der Handfläche. Seine Augen schlossen sich kurz. "Du hast kaum gute Erfahrungen mit Menschen gemacht, nehme ich an." Der Dracath entfernte sich wieder, sah den Blauhaarigen an. Bei der Berührung wurden seine Augen misstrauisch, doch er zuckte nicht, seinem ersten Impuls folgend, zurück. Mit fester Stimme, in der gleichermaßen Hass und Verachtung mitschwang, sagte Zikél: "Die Menschen haben oft gegen unser Volk Krieg geführt. Sie sehen uns nicht als Lebewesen, nicht als gleichwertig. Wir sind Tiere, die man sich im Haus hält oder in Stollen oder Steinbrüchen arbeiten lässt. Zu Hunderten halten sie meine Rasse manchmal dort und zwingen sie bis zum Umfallen oder sogar Tod zu schuften. Erinnerst du dich an das Halsband, das ich trug, als... ach nein... Nitta hat es nur gesehen. Es sind spezielle magische Halsbänder für uns. Jeder Wärter in einem Steinbruch hat eine Art... Fernbedienung, und wenn dich ihr Strahl trifft, windest du dich unter Schocks. Sie jagen irgendeine Art magischer Energie in unsere Körper. Je höher der Regler, desto wilder 'tanzt' du." Die grauen Augen waren düster und Wolken verhangen. "Ich hasse die Menschen..." "Kein Wunder, dass du dich nicht beugen willst." Leonidas' Lächeln wurde traurig. "In deinen Augen unterscheide ich mich nicht von ihnen, nicht wahr?" Überheblich hob der Blaue den Kopf und schnaubte herablassend. "Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen dir und den Menschen. Auch wenn ich es nicht gern zugebe, aber du bist... menschlicher, als sie. Du hältst mich hier gefangen und du würdest mich zurückholen, wenn ich fliehe, aber... würdest du mich dann auch zu Tode foltern? Vielleicht irre ich mich, aber so schätze ich dich nicht ein." Er trank einen Schluck aus seinem Becher und schloss kurz die Augen. Erinnerungsfetzen jagten durch seinen Kopf. "Wenn du wegläufst und sie dich kriegen... spießen sie dich bei lebendigem Leibe auf Pfähle und stellen sie für alle sichtbar auf, damit es niemand wieder versucht. Natürlich wirst du erst gefoltert... das Fell abgezogen, Augen geblendet, Zunge herausgeschnitten. Es ist seltsam, aber die Menschen erfinden immer wieder aufs Neue grausame Foltermethoden... aber selbst jammern sie rum, wenn man sie auch nur einmal mit den Krallen erwischt." "Ein schwaches Volk, ja... und doch so faszinierend. Wie auch immer..." Damit stand er auf und ging in das andere Zimmer hinüber. "Nitta, wir verschieben unser Vorhaben." Nitta nickte und warf Zikél einen kurzen Blick zu. Dann verschwand er. "Ich finde daran überhaupt nichts faszinierend." murmelte der Tama-i und folgte Leonidas. "Was für ein Vorhaben?" wollte er neugierig wissen und ließ die Blicke durch den Raum gleiten, immer auf der Hut. Der Geruch von frischem Gras, Blumen und Wind wehte durch das Fenster und umschmeichelte seine schlanke Gestalt. Für einen Moment schloss er die Augen und stellte sich vor in seinem Dorf auf dem höchsten Baum zu sitzen und den Tag zu genießen. Dann war der Augenblick vorbei und er beobachtete wieder Leonidas. "Nichts weiter." meinte Leonidas nur. "Kannst du lesen? Und schreiben?" Nicht wirklich zufrieden mit dieser Antwort zuckte Zikél die Achseln. "Nicht besonders gut. Ich kann die tamaischen alten Schriften lesen... aber viel mehr auch nicht. Mehr brauche ich nicht." Doch seltsamerweise fühlte er sich vor Leonidas nun unterlegen und das passte ihm gar nicht. "Hm..." brummte Leonidas. "Kannst du musizieren?" Verwirrt starrte er den Mann an. Was sollte das jetzt? "Nein... Jalla hat mal versucht mir Olebra beizubringen, aber meine Finger sind nicht geeignet dafür. Aber ich kann tanzen... ein bisschen..." fügte er etwas verlegen hinzu, da Castor ihn auch damit aufzog. "Tanzen? Zu Musik, nehme ich an?" "Nein, zu Windrauschen." gab er sarkastisch zurück und zog eine Braue hoch. "Gut, dann tanz." gab Leonidas unbeeindruckt zurück, lehnte sich gegen eine Wand und verschränkte die Arme. Während der Wind angenehmer Weise leise um das Gebäude pfiff. Kurz ungläubig, dann etwas genervt, verdrehte Zikél die Augen und schloss sie gleich darauf. Gut, er hatte sich auf diesen Handel eingelassen, er musste es tun. Einen Moment blieb er ganz ruhig und erinnerte sich auf die Worte seines Mekjahor... Fühl den Rhythmus der Musik und öffne dein Herz dafür... sie wird dich tragen... Und das tat er. Zu einer kleinen Melodie, die er noch aus Kindertagen kannte. Mit anmutigen Bewegungen hob er die Arme, vollführte Drehungen und geschmeidige Windungen mit der Hüfte. Eine Weile betrachtete Leonidas, was der Junge da tat, versuchte, sich eine Weise ins Gedächtnis zu rufen, die zu seinen Bewegungen passen könnte. Aus einem der Regale nahm er etwas, das aussah wie eine Piccoloflöte, nur länger und aus einem pechschwarzen, glänzenden Material. Leise erst begann Leonidas, zu den Bewegungen des Jungen zu spielen, musste sich zunächst auf dessen Rhythmus einstellen. Ruhige, helle Töne entkamen dem Instrument, und doch waren sie so weich, dass man meinen wollte, jemand spiele sehr vorsichtig und mit viel Bedacht auf einer Harfe, deren Töne kaum hörbar, jedoch umso fühlbarer waren. Und Zikél fühlte sie. Er hatte nicht einmal gestockt, als die Musik einsetzte, sondern bewegte sich grazil weiter. Den Genen seiner Rasse verdankte er seine Geschmeidigkeit und Anmut bei den Bewegungen. Sein Gesicht war entspannt und leicht verträumt, wie immer, wenn er die Welt vergaß und sich den Klängen hingab. Mit unglaublicher Leichtigkeit sprang er in die Luft, streckte die Beine und drehte sich erneut. Arme und Schwanz folgten untermalend dem Rest des Körpers und umschlangen den jungen Tama-i schmeichelnd. Nicht genau wissend, was ihm mehr Spaß machte - zu musizieren oder zu sehen, was der Junge mit seinem Körper aus der Musik machte - spielte Leonidas weiter, wurde etwas lauter und etwas leiser, etwas schneller und etwas langsamer. Er spielte mit der Musik und Zikél, bis er an einem Punkt angelangt war, an dem er durch die Klänge den Körper des Jungen wie an unsichtbaren Fäden führen konnte. Zikél merkte gar nicht, wie er sich völlig verlor und sprichwörtlich nach Leonidas' Pfeife tanzte. Seine Bewegungen schwollen mit den Klängen an und ab. Er konnte gar nicht mehr einhalten. Leichte Schweißperlen standen auf seiner Stirn und sein Atem ging schneller, doch sonst gab es keinerlei Erscheinungen von Anstrengung. Leonidas kam langsam zum Ende. Die Töne wurden leise, die Melodie langsamer, bis sie schließlich im Rauschen des Windes verlief. Leonidas schwieg, betrachtete Zikél. Er war in einer anmutigen Pose verharrt und hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Einige Augenblicke verblieb er in dieser Position, dann wich die Spannung aus seinem Körper und er öffnete wieder die Augen. "Die Sache mit dem Windrauschen ist gut, aber Musik funktioniert besser, nicht wahr?" grinste Leonidas und legte die Flöte beiseite. "Du tanz sehr gut..." "Aber dein Spiel war auch nicht schlecht..." "War das ein Kompliment?" Zikél fauchte leise. "Bild dir nichts darauf ein..." Dann wurde er sich seinem Verhalten bewusst und blickte betreten zur Seite. Nur einen Tag... "Soll ich daraus schließen, dass du mich angelogen hast oder dass du dich vehement dagegen wehrst, positives an mir zu bemerken?" Lächeln. Leonidas ging zum Balkon und schloss dort die Tür. "Ich bin müde." War das eine Falle? Wollte ihm der Andere aus einer falschen Antwort einen Strick drehen? Vorsichtshalber blieb der Blaue stumm und beobachtete den Mann. "Dann leg dich doch hin." "Nicht ohne dich. Und ich mag keine unruhigen Schläfer neben mir." "Wer sagt, dass ich unruhig schlafe? Kann ich mich hier irgendwo waschen? Das Tanzen hat mich aufgeheizt und ich mag es nicht, wenn mein Fell verklebt." Seine Augen wanderten und hielten sich an jedem Gegenstand fest, den sie fanden. Es machte ihn nervös, wenn er daran dachte, neben Leonidas im Bett zu liegen. 24 Stunden... 24 Stunden, Zikél... für diese Zeit bist du nicht du selbst, er kann mit dir machen, was er will, mahnte diese nervende Stimme in seinem Kopf, der Zikél nur widerwillig nachgab. "Dort hinten." Neben der Eingangstür stand ein kleiner Tisch mit einer Schüssel darauf und eine Karaffe mit Wasser. "Wenn dir das nicht reicht, können wir gerne noch mal die Bäder besuchen." "Nein, das geht schon. Ich mag Wasser nicht sonderlich. Je weniger, desto besser." Ohne weiter auf Leonidas zu achten, schritt er hinüber und goss das Wasser um. Mit ruhigen Gesten, als würde es ihn überhaupt nicht stören, wenn der Mann ihm zusah, entledigte er sich seiner Hose und positionierte seinen Schwanz so geschickt, dass man auch nicht viel mehr sah, als mit Hose. Es brauchte nicht lange, um sich von dem Schweiß zu befreien und sich wieder zu trocknen. Grinsend betrachtete Leonidas den schüchternen Jungen. "Du kannst gleich so bleiben. Dann muss ich dich nicht wieder ausziehen." Zikél wollte wiedersprechen, doch er knurrte nur leise und ließ die Hose wieder fallen. Was hatte er auch schon für eine Wahl? Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich dem Bett und fühlte, wie Unbehagen in ihm aufstieg. Zögerlich setzte er sich auf den Rand und verharrte dort unbewegt. Leonidas musterte ihn. Nicht, wie ein Raubtier seine Beute, nicht, wie ein Liebhaber seinen Bettgefährten... und nicht wie ein Besitzer seinen Sklaven. Etwas Warmes lag in seinem Blick, etwas Schmerzvolles und etwas... Unentschlossenes? Nein, das musste eine Täuschung sein. "Was fühlst du?" wollte der Dracath wissen und krabbelte über die Schlafstätte zu Zikél, kniete sich hinter diesen und legte seine Arme um den warmen Körper. Seinen Kopf lehnte er gegen den Rücken des Anderen. Leiser wiederholte er seine Frage. "Was fühlst du, Zikél?" Aus irgendeinem Grund konnte er den dunklen Augen des Mannes nicht begegnen. Ob es nun aus Angst oder Nervosität war, konnte Zikél nicht sagen. Er spannte sich unwillkürlich an, als sich Leonidas gegen ihn lehnte. Die Frage trug zu seiner Unsicherheit bei und Zikél fürchtete eine Falle. Dementsprechend vorsichtig war er auch. "Wie soll ich mich schon fühlen? Für 24 Stunden gehöre ich dir... es ist besser, wenn ich dabei nichts fühle." Er versuchte seine Stimme fest klingen zu lassen, doch es kratzte unangenehm im Hals. Selbst die Wärme konnte er nicht wirklich genießen, obwohl er sich so sehr danach sehnte. Es stach in Leonidas' Brust. Nicht nur, weil der Junge das ausgesprochen hatte, was Leonidas befürchtet hatte, sondern auch, weil es Nitta wahrscheinlich nicht anders ging, dieser sich aber im Gegensatz zu dem Jungen nie etwas anmerken ließ. Es war ganz egal, wem er Zuneigung entgegenbrachte, nie war es ihm vergönnt, eben diese Zuneigung, ehrliche Zuneigung, ebenfalls entgegengebracht zu bekommen. Wäre ein Magier zugegen gewesen, hätte er gesehen, wie sich für einen Moment aus der völlig düsteren und scheinbar toten Gestalt Leonidas' eine feine, dunkelviolette Aura erhob, die so schnell verschwand, wie sie aufgetaucht war. Warum stellte er auch immer Fragen, deren Antwort er gar nicht hören wollte? "..." nuschelte er irgendwas ganz leise. Doch war er nicht bereit, von der Seite des Jungen zu weichen. Das Blut rauschte in seinen Ohren und in seinem Magen hatte sich ein kalter Klumpen gebildet. Zikél saß ganz steif da und versuchte sein hämmerndes Herz zu beruhigen. Kurz erklang die spöttische Stimme seines Bruder in seinen Ohren und er schloss gequält die Augen. Das mindert den Marktwert! Seine Ohren zuckten kurz, als Leonidas etwas flüsterte, aber selbst sein scharfes Gehör konnte es nicht verstehen. Schließlich nahm er seinen ganzen Mut zusammen und fragte leise: "Was wirst du jetzt mit mir machen?" Ja, was? "Mal sehen..." wisperte er und begann, den Nacken des Tama-i sanft zu küssen. Seine Hände fuhren zärtlich über den Bauch und die Seiten des Jungen, in dem Versuch, die Anspannung Zikéls ein wenig zu lösen. Doch das wirkte eher gegenteilig. Er schnappte nach Luft und kniff die Augen zusammen. Seine Nackenhaaren sträubten sich und er versuchte sich von dem Anderen zu befreien. "Bitte... nicht... nicht DAS. Ich finde doch sonst nie..." Er brach ab und senkte verlegen den Kopf. Wieso sollte Leonidas das auch verstehen? Er hatte ihm ja erzählt, dass sich Dracath so viele Männer nahmen, wie sie wollten. Wie sollte er einem nicht-Tama-i erklären, wie wichtig seinem Volk die ewige Partnerschaft war. Er hatte noch nie von einem Fall gehört, wo sich zwei Katzenwesen freiwillig getrennt hatten. Und Leonidas' Berührungen machten ihm Angst. Es würde doch darauf hinauslaufen, dass der Schwarzhaarige mit ihm schlafen wollte. Der Prinz hielt inne. Einen Moment schien er zu überlegen, dann entfernte er sich etwas. "Du spielst mit dem Feuer, Tier. So gewinnst du deine Wette nicht." Seine Stimme war lauter geworden, mit Mühe unterdrückte Wut schwang in ihr mit. Es war wie ein Schlag in den Magen und Zikél sackte etwas in sich zusammen. Aus irgendeinem Grund hatte er nicht erwartet, dass Leonidas ihn jetzt noch so sah, so bezeichnete. Als Tier. Die Ohren lagen ängstlich am Kopf an und er duckte sich leicht. Noch immer verweigerte er den Blick in die Augen des Anderen. Einerseits hatte er Angst vor dem, was er darin sehen würde... andererseits wollte er nicht, dass der Mann seine Angst und Verzweiflung bemerkte. Doch diese Stimme in ihm... reiß dich zusammen, Zikél! Niemand wird es erfahren. Es bleibt dein Geheimnis... "Entschuldige." murmelte er leise und senkte den Kopf. Es war wohl am Besten, wenn er Leonidas nicht schon wieder ärgerte, das machte alles nur schlimmer. Leonidas stand auf. Sein Weg führte ihn zur Eingangstür. Dort sammelte er die Hose des Jungen auf und brachte sie ihm. "Zieh dich wieder an, wenn du willst." Seine Bewegungen wirkten eigenartig hektisch, auch wenn sie nichts von ihrer gewohnten Geschmeidigkeit einbüßten. "Nitta!" hallte es schließlich durch den Raum. Ohne ein Wort griff er sich die Hose und schlüpfte schnell hinein. Sofort fühlte sich der Blaue sicherer und wagte es seinen Blick zu heben. Was kam jetzt? Eine Strafe? Die Stimmungsschwankungen des Mannes waren ja schlimmer als bei einem trächtigen Tama-i und das sollte schon etwas heißen. Abwartend beobachtete er die Haltung und Körpersprache Leonidas' und mahnte sich auf der Hut zu bleiben. Nitta trat ein. Sein Blick streifte den Tama-i und wanderte dann zu Leonidas. "Ja?" "Zikél... zieh ihn aus." "Was?!" rief der Angesprochene erschrocken und wich einen Schritt zurück. Seine Augen hetzten von Leonidas zu Nitta und wieder zurück, ungläubig. War das sein Ernst? "Aber..." setzte er an, merkte aber schnell, dass es nicht ratsam war, den Befehl nicht zu befolgen. Mit weichen Knien ging Zikél auf den großen Mann zu, schien dabei immer kleiner zu werden, und blieb vor ihm stehen. Noch einmal blickte er sich zu Leonidas um. Sollte er wirklich? Leonidas hatte eine Augenbraue gehoben, sagte aber nichts. Der aufflammende rote Schein in seinen Augen verriet jedoch, dass er nicht in der Stimmung war, irgendwas mehr als einmal zu sagen. Er wartete. Ebenso wie Nitta. Er hatte sich Zikél zugewandt und sah ihn an. Sein Gesicht war die gleiche Maske wie immer, schien aber etwas weicher als sonst zu sein. Auffordernd hob er die Arme ein wenig. Mit zitternden Fingern legte er seine Hände auf Nittas Brust und begann mit dem entkleiden. Leichte Röte erschien auf seinen Wangen und sein Herz schien den Brustkorb sprengen zu wollen. Mit angespannten Bewegungen ließ er das Oberteil auf den Boden fallen, zuckte kurz vor dem Hosenbund zurück, doch öffnete dann auch ihn mit zitternden Händen... Als Nitta nackt vor ihm stand, wandte Zikél den Kopf beschämt ab und biss sich auf die Unterlippe. Er fühlte sich erniedrigt, gedemütigt und nicht zum ersten Mal schwor er sich, nichts von den Geschehnissen hier jemals jemandem zu erzählen. Was auch immer in Nitta vorging, ihm war nichts anzumerken. Seine große, durchtrainierte Gestalt stand frei im Zimmer. "Du wirst Zikéls Platz einnehmen." "Sehr wohl." "Komm her." Leonidas ließ sich auf einem der großen Sessel nieder und betrachtete den Mann, der auf ihn zukam. Folgsam kniete er vor seinem Herrn nieder, öffnete dessen Hose und beugte sich über dessen Mitte. Derweil war der Blick Leonidas' starr und durchdringend auf Zikél gerichtet. Entsetzt verfolgte er Nittas Tun und wich bis an die Wand zurück. Er konnte sich nicht rühren, obwohl alles in seinem Kopf nach Flucht schrie. Zikél fühlte wie Übelkeit in ihm aufstieg und er wandte den Kopf zur Seite. Warum tat Leonidas so etwas? Warum musste Nitta ausbaden, was er selber nicht im Stande gewesen war zu tun? Wieso nur war der Dracath so grausam? Zikéls Hände waren zu Fäusten geballt und er zitterte vor Wut. Wut über Leonidas und seine eigene Unfähigkeit. Er konnte Nitta nicht helfen. Und er hasste es, ihn in diese Situation gebracht zu haben. Und er hasste Leonidas, der das zu wissen schien. "Sieh mich an!" durchschnitt die scharfe Stimme des Dracath das stille Zimmer. Seine Augen flackerten kurz, ein Seufzen entkam ihm und in seinen Augen breitete sich die Röte weiter aus, ob nun aus Wut oder aus Lust. Auch sein Kopf sackte leicht zurück. Nitta schien völlig unbeteiligt, machte weiter, womit er angefangen hatte. Sein Körper hob sich ab vor der dunkleren Gestalt des Anderen und den ebenso dunklen Möbeln. Kleine kreisrunde Wunden führten von seinem Nacken zum Steiß und erinnerten unweigerlich an die Geschehnisse des Morgens. Zikél zuckte zusammen, blitzte Leonidas dann jedoch zornig an. Die Pupillen waren nur schmale Striche in dem wogenden Grau. Der Wechsel in den Augen des anderen Mannes schien dem Tama-i kein gutes Zeichen, obwohl es gleichzeitig auch faszinierend war, da er solch ein betörendes Rot noch nie gesehen hatte. Dennoch war er sich der Anwesenheit Nittas sehr wohl bewusst. Die gleichmäßigen Bewegungen, leise Geräusche, die dem Blauen eine Gänsehaut bescherten. Doch Zikél wagte es nicht den Blick von Leonidas zu nehmen. Leonidas griff unsanft in das Haar des Tradon. Nittas Kopf wurde emporgezogen und Leonidas zwang ihm einen begierigen Kuss auf, den Nitta erstaunlicher Weise scheinbar ebenso begierig erwiderte. Und auch dabei wand Leonidas seinen Blick nicht von dem Katzenwesen ab. Die ganze Sache machte ihn immer nervöser. Wollte Leonidas ihn nur ärgern oder wirklich hier mit Nitta... aber das konnte ihm ja egal sein. Wenigstens war er nicht an Nittas Stelle. Und zu allem Überfluss schien es dem Weißhaarigen ja auch noch zu gefallen. Obwohl er sich das nicht vorstellen konnte. Der hellhaarige Mann wurde genauso dazu gezwungen wie er selbst. Kälte kroch langsam in Zikél hoch und ihm wurde schlecht, allein bei der Vorstellung so etwas bei jemandem zu tun, den er nicht liebte, der nicht sein Partner war... er fühlte sich schuldig an Nittas Leid. Was auch immer Leonidas erwartete oder bezweckt hatte, es schien nicht einzutreten. Unsanft, brutal schon, stieß er Nitta von sich, mit einer Kraft, die diesen gegen die Wand schmettern ließ. Sein Kopf prallte hart auf und er ging benommen zu Boden. "Los, renn zu ihm. Erzähl ihm, wie leid es dir tut, was für ein Schwein ich bin." Aufgebracht kam Leonidas auf Zikél zu. "Das ist es doch, was du denkst, nicht wahr?" Dicht vor Zikél erst blieb er stehen. Er war so nah, dass der Blaue seinen Atem spüren konnte. Sein Instinkt sagte Zikél sich auf Verteidigung einzustellen, sein Verstand versuchte verzweifelt ihn davon abzuhalten, da er somit die Wette verlieren würde. Krampfhaft hielt er sich davon ab, den Mann wegzustoßen und mehr Distanz zwischen sie zu bringen. Seine Ohren lagen dicht am Kopf, der Schwanz war gesträubt und peitschte wild hin und her. "Woher willst du wissen, was ich denke?" zischte er nur und schluckte all die Beschimpfungen und wütenden Worte hinunter. Ein Tag, ein Tag, ein Tag! hämmerte es wie ein Mantra in seinem Schädel, so dass er Kopfschmerzen bekam. Seine Lippen waren leicht gekräuselt, so dass man die spitzen Eckzähne sah, wenn er sprach. "Ich verstehen nicht, wie du ihn so behandeln kannst." Kurz versicherte er sich, dass Nitta nicht ernstlich verletzt war, sonst würde er sich vielleicht doch noch gegen Leonidas zur Wehr setzen. Und wenn er Nitta auf seine Seite ziehen konnte... gemeinsam waren sie dem Dracath bestimmt fast ebenbürtig. Leonidas spürte, wie sich etwas in ihm aufbäumte. Etwas in ihn wollte heraus. "Ich hätte dich in Ketten legen können. Ich hätte dich einfach gegen deinen Willen nehmen können... ich hätte, weiß Gott was, mit dir anstellen können..." knurrte er. Er packte Zikél im Nacken, wohl wissen, dass dort sein Schwachpunkt lag, zog ihn hinter sich her und drückte ihn mit seinem gesamten Oberkörper auf das Bett. Wie in einem Schraubstock lag Zikél zwischen dem Möbel und dem Mann und konnte nur zu deutlich dessen Erregung an seinen Schenkeln spüren. In seiner Starre gefangen, fauchte er gefährlich, was wenig Nutzen hatte. Seine Arme und Beine gehorchten nicht mehr Zikéls Befehlen und beißende Angst stieg in ihm auf. Er hasste es so ausgeliefert zu sein, schutzlos, wehrlos. Er zuckte zusammen, als er Leonidas an sich spürte und seine Atmung wurde hektisch. "Nein... nicht..." brachte er gepresst hervor und versuchte sich zu wehren, zwecklos. "Aber ich habe es nicht. Oder? Habe ich?" Leonidas ließ den Jungen los. Schnürte seine Hose wieder zu und sah prüfend zu Nitta, welcher sich wieder aufgerappelt und seine Kleidung zusammengesucht hatte. Wortlos verließ er das Zimmer. "Geh." Zikél war so mit Verzweiflung und Schock beschäftigt, dass er das kleine Wort aus Leonidas' Mund gar nicht hörte. "Verschwinde!" zischte Leonidas und setze leiser, resignierend hinzu: "Bevor ich es mir anders überlege." Es war ihm deutlich anzusehen, dass er es nicht glauben konnte, doch ohne sich noch einmal der Wahrheit zu versichern, rannte Zikél einfach aus dem Raum, aus der Suite. Hatte er es nun überstanden? Er war frei? doch das glaubte er erst, wenn er wieder Zuhause war. Bei seiner Familie. Während er, von missbilligenden Blicken verfolgt, aus dem Hotel stürmte und Richtung Stadtrand lief, machte sich ein Gefühl der Erleichterung in dem Tama-i breit. Er hatte seine Sandalen bei Leonidas vergessen, aber was kümmerte es ihn? Er konnte zu seiner Familie zurück, dort gab es alles, was er brauchte. Leonidas war erschöpft. Er verfolgte vom Balkon aus den Weg Zikéls, bis dieser aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)