Nox aeterna - Die ewige Nacht von abgemeldet (Epos der Vampire) ================================================================================ Kapitel 3: Kennenlernen ----------------------- Eine Weile später saßen Orestes und Horaz an einem der von Essensresten verschmutzten Tische und warteten, ein Glas Wein trinkend, auf Clay. Als dieser sich später jedoch zu ihnen gesellte, hätte Horaz ihn zuerst gar nicht wiedererkannt. Clay trug jetzt eine weite schwarze Hose, ein weißes Hemd und einen schwarzen Mantel, dessen Stoff von silbernen Ornamenten übersäht war, die ein wenig an die erinnerten, die auch auf den Mänteln von Orestes und Horaz zu sehen waren. Seine Haut war jetzt eindeutig als sehr hell zu erkennen und seine anfangs schmutzig-grauen Haare hatten sich in eine wuschelige hellbraune Mähne verwandelt, die recht kurz geschnitten war. Clay's Gesicht wirkte ohne die Dreckkruste richtig jugendlich und Horaz musste einsehen, dass seine anfängliche Bezeichnung "alter Mann" nun so gar nicht mehr passen wollte. Als Clay neben ihnen Platz nahm, zwinkerte er Horaz kurz mit seinen freundlichen braun-grünen Augen zu, in denen gutmütiger Spott und ein freches Glitzern zu sehen waren, weil Horaz ihn mit offenem Mund anstarrte, so als hätte er sich vor seinen Augen plötzlich in ein Mädchen verwandelt. Auch Orestes entging dies nicht, denn er wies mit einer erklärenden Geste auf Clay und sagte: "Er ist erst 34 Jahre alt, weißt du? " Horaz schüttelte ungläubig den Kopf. "Sowas...DAS hätte ich jetzt auch nicht erwartet...!", murmelte er fassungslos und schaute wieder in Clays Gesicht. Clay grinste. "Tja, ich sah wohl echt schlimm aus, hm? Ich hab mich ganz schön gehen lassen...", er zuckte bedauernd die Schultern. "Weiß gar nicht warum ich das überhaupt gemacht habe...Was soll's...!" Er lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück, nahm aber sogleich wieder eine gerade Sitzhaltung ein und wandte sich an Orestes. "Hättet ihr etwas dagegen, mich in Euren Dienst zu stellen, Mylord? Es wäre mir eine große Ehre." Orestes schüttelte sachte den Kopf. "Nein, gewiss nicht, aber du kannst mich ruhig Orestes nennen, Clay. Du warst mir früher oft genug zu Diensten um dir dieses Privileg zu verdienen!" Clay lächelte verlegen. "Nun, wenn ihr meint, Orestes..." Jetzt mischte sich Horaz grinsend in das Gespräch ein. "Ha, ich darf ihn sogar duzen!", rief er mit triumphierendem Gesichtsausdruck und leerte sein Glas mit einem letzten Zug. Orestes lachte. "Kindskopf.", er nahm einen tiefen Schluck und drehte das Glas unschlüssig in den Händen. "Da fällt mir ein...Hey Wirt, kommt doch mal her!" Der Wirt kam beunruhigt näher und hielt dabei einen schmutzigen Lappen vor seinem runden Bauch umklammert. "Ja, Herr?" Statt Orestes antwortete Horaz: "Lord Orestes sucht nach einem Mann namens Borgen. Ist dir der Name bekannt?" Der Wirt nickte langsam. "Warum...warum will seine Lordschaft das wissen?", murmelte er und starrte unverwandt in Orestes' blaue Augen. Horaz schnaubte verächtlich. "Das geht dich nichts an! Und pass auf, wo du hinstarrst!" Der Mann zuckte merklich erschrocken zusammen und Clay legte Horaz beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. "Was mein junger Gefährte eigentlich fragen wollte: Wisst ihr vielleicht, wo sich Mister Borgen aufhält? Selbstverständlich würden wir Euch für Eure Hilfe entlohnen!", er schenkte dem Wirt ein dünnes Lächeln. Dieser schluckte hörbar und ein gieriger Ausdruck trat in seine wässrigen Augen. " E-entlohnen sagt Ihr...Oh...Nun Mister Borgen hält sich derzeit in dem linken Dachzimmer meiner bescheidenen Wirtschaft auf. Ihr könnt es nicht verfehlen!", beeilte er sich zu sagen. Clay lächelte noch eine Spur breiter. "Sehr gut. Hier habt Ihr Euren Lohn!", rief er und zog eine funkelnde Goldmünze aus seinem Mantel hervor. Dann wandte er sich an Orestes. "Wollt Ihr ihn gleich aufsuchen, Mylord? Ähm, ich meinte , Orestes.", fragte er leise und leerte sein Glas. Orestes nickte und erhob sich gewandt. Als die anderen zwei sich ebenfalls aufrichten wollten, sagte er ruhig: "Ihr bleibt hier. Keine Sorge, mir wird schon nichts passieren.", fügte er mit einem spöttischen Lächeln hinzu, als er die besorgten Gesichter seiner Begleiter gewahrte. Horaz seufzte. "Ist schon klar. Aber lass dich nicht dazu hinreißen ihn zu töten, sonst haben wir viele lästige Fragen am Hals!", rief er ihm mahnend hinterher, aber da war Orestes bereits lautlos die Treppe hinauf gestiegen und verschwunden. "Na ja, er wird sich schon beherrschen...", murmelte Clay aufmunternd und klang dabei ein wenig so, als wollte er sich damit ein Stück weit selbst beruhigen. "Ich habe außer seiner Lordschaft - Lucifer möge ihn mit Lobpreisungen bei sich aufgenommen haben - noch nie einen Vampir oder gar Menschen getroffen, der eine so kalte Ruhe und imponierende Beherrschtheit ausstrahlte.", bemerkte er und schaute erwartungsvoll zu Horaz. "Du etwa?" "Nein, noch nie.", gab dieser zu und setzte sich wieder. "Du hast wohl Recht." Er stützte gelangweilt das Kinn auf die Ellenbogen. "Hoffentlich kommt er bald. Ich fühle mich hier nicht wohl. Es stinkt und ist nervtötend laut. Außerdem dringt diese verdammte Kälte in jeden Muskel meines Körpers ein.", beschwerte sich Horaz missmutig. Clay nickte zustimmend. "Ich war ne ganze Weile hier und bin echt froh von diesen Menschen wegzukommen. Sie sind ganz anders als wir - irgendwie...primitiv." Horaz schaute ihn grinsend an. "Hattest du dich deshalb so überzeugend verkleidet?" Clay lachte. "Na klar! Keiner ist auch nur ansatzweise darauf gekommen, dass ich zu seiner Lordschaft gehörte. Hat manchmal seine Vorteile, verstehst du, Kleiner?", rief er lächend und seine Augen musterten ihn freundlich. Horaz grinste wiederum. "Selbstverständlich, ehrwürdiger Weiser! Dein Alter und deine Lebensweisheiten scheinen legendär." Clay lachte erneut. "Werd nich frech, Kleiner ! Noch bin ich größer und älter als du, woran sich wohl auch nichts ändern wird!", rief er gutgelaunt und wieder glitzerte in seinen Augen gutmütiger Spott. Eine Stimme unterbrach die Beiden: "Bei der Größe wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher, Clay!" Es war Orestes. In seinen Augen war ein Glimmen zu sehen, das immer verriet, wenn Orestes einem Menschen seine Macht vorgeführt hatte. Er wirkte dann bedrohlich und äußerst furchteinflößend. "Vielleicht wächst Horaz ja noch." Er kam mit gemäßigten Schritten auf sie zu. Clay grinste erfreut. "Orestes!" Horaz jedoch sah ihn fragend an. Orestes bemerkte diesen Blick und sagte lächelnd: "Ich bin fertig hier. Lasst uns gehen." "Okay, aber was genau hast du mit Borgen angestellt? Mir war vorhin so als hätte ich einen erstickten Schrei gehört..", setzte Horaz an und stand auf. Clay spitzte aufmerksam die Ohren, während er ein paar Münzen auf den Tisch warf und sich ebenfalls erhob. Orestes lächelte kühl und entblößte dabei weiße Eckzähne die für den Bruchteil einer Sekunde noch spitz und blutverschmiert waren, dann jedoch wieder ihre normale Form annahmen. "Nun, Borgen wird mich wohl nie wieder hintergehen...Er hat sich sozusagen, hm, in Rauch aufgelöst." Jetzt erst fiel Horaz auf, dass Orestes ein leichter Brandgeruch anhaftete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)