Klang des Regens von Astre (Ryoki) ================================================================================ Prolog: Regenschirm ------------------- Prolog Regenschirm Der tobende Wind peitschte den kalten Regen unbarmherzig auf die nasse Straße, ließ die Nacht unfreundlich und düster wirken. Sie blieb stehen, hob ihr Haupt und seufzte geräuschlos. Die Kälte tat gut, genau, wie es die Dunkelheit tat. Es war spät, das war ihr bewusst, ebenso wie ihre durchnässte Kleidung an ihrem Körper lag. Die junge Frau besah sich das vorbeifahrende Auto einen Moment lang an, bevor sie weiterging. Sie wusste nicht einmal, wo sie entlang lief, hatte die Orientierung bereits vor Stunden verloren, doch das interessierte sie genauso wenig, wie ihre durchfrorenen Glieder. Ihre Beine trugen sie von alleine über die einsame Kreuzung, die um diese Urzeit, ohne Leben, gespenstisch wirkte. Blinzelt stellte sie kurze Zeit später fest, dass sie, ohne es zu bemerken, in den kleinen Park abgebogen war. Die Eisenketten der Schaukel gaben leise Geräusche von sich und schnaufend ließ sie sich nieder. Es war wie damals, als sie sich einmal mehr mit ihrer Mutter gestritten hatte. Meistens war es sie gewesen, die sauer aus dem Haus gelaufen war und das hatte sich bis heute nicht geändert. Es frustrierte, Rumiko wollte sie einfach nicht verstehen, doch damit hatte sie sich vor Jahren abgefunden, es war viel mehr der momentane Umstand, der sie vertrieb. Die kitschigen rosa Kleider oder die kurzen Röcke konnte sie ignorieren, ebenso die darauf folgenden Diskussionen, doch das jetzt konnte sie nicht missachten. Nicht einmal umgehen, dass Einzige, das sie seit Monaten tat, war, flüchten. Sie war kaum Zuhause, versuchte ihr Bestmögliches, so selten dort zu sein, wie es ging. Am Anfang hatte Rumiko die ganze Nacht über versucht, sie zu erreichen, hatte ihr Nachrichten geschickt. Zuerst waren es zornige, was sie sich einbildete und sie solle gefälligst nach Hause kommen, danach folgten unzählige, liebe, sorgenvolle Worte und mittlerweile einfach nur noch flehende Ausrufe. Auf keine einzige Kontaktaufnahme hatte sie je geantwortet. Durchgelesen, abgehört, ansonsten nichts. Dieses Spiel wiederholte sich nun mehr seit drei Monaten und am nächsten Tag, wenn die Sonne schien, war die Welt wieder in Ordnung, für ihre Mutter und stundenweise für sie selbst. Doch es war nichts in Ordnung und das wussten beide Frauen. Ihre Augen öffneten sich, als der prasselnde Regen abrupt ein Ende fand. „Wusste ich doch, dass ich mich nicht geirrt habe“, meinte Ryo und hielt seinen Schirm schützend über sie, ungeachtet dessen, dass er selbst nass wurde. „Irren liegt im Auge des Betrachters.“ Obwohl sie versuchte, ihre Stimme spöttisch klingen zu lassen, gelang es ihr nur mäßig. Seit er hier wohnte, begegneten sie sich nach ihrem Geschmack zu oft. „Es ist kurz nach Mitternacht, Rika.“ „Ach nein, ich dachte wir hätten frühen Morgen.“ Kurz fragte sie sich, was er eigentlich um diese Uhrzeit hier trieb, aber verwarf sie diesen Gedanken ebenso schnell wieder. Es war ihr egal. Geräuschlos ausatmend stand sie auf, duckte sich unter seiner Hand hinweg und augenblicklich prasselte der noch anhaltende Regen auf sie nieder. Er war keine zwei Minuten hier und schon ging er ihr auf die Nerven, allein deswegen, weil sie ihre Ruhe haben wollte. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, lief sie auf den Ausgang zu. Vielleicht hatte sie Glück und bei ihr Zuhause schlief jeder. „Hör auf, mir hinterherzulaufen“, fauchte sie, doch der barsche Ton blieb weitestgehend aus. Rika wollte ihm wie immer antworten, hart und voller Ironie, zwar hätte es ihn nicht abgeschreckt, das tat es nie, doch würde es den Schein wahren, das alles bestens war. Wahrscheinlich war sie nur einfach müde zu streiten, und dass sie es war, konnte sie nicht abstreiten. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich mitten in der Nacht alleine rumlaufen lasse oder?“ „Doch, das denk ich, jetzt hau ab und lass mich zufrieden.“ Der Schirm, den er wie zuvor über sie hielt, schützte ihre eh schon nasse Gestalt nur geringfügig, was nicht unter an der Tatsache lag, dass sie möglichst viel Abstand zu ihm hielt. „Dann denkst du falsch, ich begleite dich nach Hause oder wohin du willst. Was machst du überhaupt so spät draußen und noch dazu bei dem Wetter?“ „Geht dich nichts an.“ Sie hörte ihn seufzen und auch spürte sie seinen Blick auf sich. Ryo war genauso scharfsinnig wie sie selbst und das sie ihm nicht wie immer begegnete, dürfte ihm nicht entgangen sein, leider. „Was führt dich hier raus?“ Nicht dass es sie wirklich interessieren würde, aber vielleicht lenkte eine Konversation ab und er würde nicht nachbohren, was los sei. Nur leider war er nicht dumm, wie sie feststellen musste. „Ich war bis vorhin bei Kazu und ein paar anderen Freunden. Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Alles bestens.“ Und wie alles bestens war. „Sicher?“ „Ja“, stieß sie knurrend aus, legte ihre Hand auf den Schirm und drückte ihn zu ihm hinüber. „Ich brauch keine Begleitung, wir sehen uns.“ Mit diesen Worten rannte sie los, dass er ihr hinterher rief, ignorierte sie eisern. Sie wollte niemanden um sich haben und Ryo war der Letzte, den sie gebrauchen konnte. Er sah ihr hinterher und seufzte leise, wie so oft, wenn sich beide einmal trafen. Ryo glaubte ihr nicht und das nicht nur, weil sie gegen ihr sonstiges Verhalten, weggelaufen war. Rika fauchte und tobte, das war nichts Neues, vor allem, wenn sie sich mit ihm unterhielt, aber sie lief nicht einfach weg. So war sie nicht und so kannte er sie auch nicht, doch genau das hatte sie getan. Sie war geflüchtet und zwar vor ihm, weil sie genau wusste, dass er ihr nicht glaubte. Die Sorge war es, die ihn dazu veranlasste, sein Handy herauszuziehen. Zwei kleine Nachrichten an zwei verschiedene Frauen. Kapitel 1: Die Furcht sie flackert auf -------------------------------------- Kapitel 1 Die Furcht, sie flackert auf Die laute, trommelnde Musik, die trotz Kopfhörer nach außen drang, beruhigte und isolierte sie von der Außenwelt, was ihr nur ganz Recht war. Warme, angenehme Luft wehte durch das offene Fenster ihres Zimmers zu ihr hinüber und seufzend huschten ihre Augen auf das Handy in ihrer Hand. Dummer Idiot hatte sie sich in der Nacht nicht klar genug ausgedrückt? Anscheinend nicht, denn er hatte ihr noch in eben dieser eine Nachricht geschrieben. Er glaubte ihr nicht, schrieb er. Pech für ihn. Das kleine Telefon auf den Tisch schmeißend, drehte sie sich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter ihrem Kopf. Ein verfluchtes Jahr musste sie das hier noch aushalten, nur noch eines, dann konnte sie ausziehen und ihre Mutter würde es still hinnehmen müssen, genauso wie dieser Bastard. Denn dass sie mit 18 hier wegging, war sicher. Rika schloss ihre Augen. Müde war sie nicht, auch wenn sie kaum geschlafen hatte, aber der Körper gewöhnte sich an wenig Schlaf. Am Anfang war es schwer gewesen, aber mittlerweile klappte es doch ganz gut. Die Tür wurde aufgezogen und knallte an die Wand, sodass sie es noch durch ihre Kopfhörer vernehmen konnte. Er war sauer, kein Wunder, sie hatte ihm vor nicht einmal einer Stunde gesagt, was für ein Arschloch er eigentlich sei. Ihr Glück, und dafür war sie dankbar, war, dass sich ihre Mutter ausnahmsweise einmal zu Hause aufhielt. Sie machte auf heile Familie und kochte selbst, was ihr tierisch auf die Nerven ging. Die Musik verstummte und zwang sie so, die Augen zu öffnen. Er hasste es, wenn sie ihn ignorierte, das wusste sie nur zu gut. „Ruki!“, erklang die dunkle Stimme des Mannes, der an ihrer Anlage stand und sie wütend musterte. „Nenn mich nicht so, das hab ich schon mal gesagt“, fauchte sie ihm entgegen. „Du nimmst dir heute eindeutig zu viel raus!“ Sein Blick verdunkelte sich, als sie weiterhin die Kopfhörer aufbehielt. Das sagte der Richtige... „Was willst du?“ Ihr Ton minderte sich nicht im Geringsten, doch bereute sie ihre barschen Worte im nächsten Moment, als seine Faust ihre Stereoanlage traf. Wunderbar... „Das Essen ist fertig!“ Langsam zog er seine Hand zurück und besah sich die junge Frau knurrend. Sie antwortete ihm nicht und schloss seufzend die Augen. Ihre schöne Musikanlage, davon abgesehen, dass sie teuer und neu war, konnte sie jetzt auch keine Musik mehr hören. „Du wirst jetzt aufstehen und zum Essen kommen, hast du mich verstanden, Ruki?“ Sie fixierte einen Punkt über ihr. Wenn sie jetzt liegen blieb, würde entweder noch mehr zu Bruch gehen, was sie nicht wollte, oder aber er zog sie mit Gewalt hinaus, was sie ebenso wenig wollte. Was blieb ihr also übrig? Genau, zum Essen zu gehen und sich irgendetwas hinunterzuwürgen. Dreckiger Mistkerl. Das Splittern von Kunststoff versicherte ihr deutlich, dass eine ihrer CD's gerade an die Wand geprallt war. Klasse, wahrscheinlich auch noch eine, die sie gerne hörte, aber gut, sie hatte ja jetzt auch kein Gerät mehr, womit sie eben genannte abspielen konnte, wie dumm aber auch. „Ich komm gleich“, zischte sie leise. „Jetzt!“ Ihre Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in ihren Arm und noch im nächsten Moment, zog sie die Kopfhörer von ihrem Kopf. Sie musste daran denken, immer schön ruhig bleiben, alles, was sie zu ihm sagte, würde doppelt und dreifach zurückkommen. Sie würde also weiterhin still sein, denn seine Ohrfeigen hatten es in sich. Abwertend schnaufte sie aus, während sie an ihm vorbei ging. Das Nächste, das sie spürte, war die Kante ihres Schranks, die sich unbarmherzig in ihren Rücken bohrte. „Du willst mich Reizen, nicht wahr, Ruki?“ Zischend und leise. „Nenn mich verdammt noch mal nicht so.“ Im nächsten Moment wurde ihr Kopf hart auf die Seite gerissen, als er ausholte und ihr eine mitgab. Sie blieb still, doch das unterdrückte Beben der Wut ließ sich trotz allem nicht verschleiern. Der Mann beugte sich zu ihr hinab, sein Griff um ihren Oberarm verfestigte sich und gefährlich wisperte er: „Du willst es nicht anderes, nur so lernst du endlich, mir Respekt entgegenzubringen, Ruki.“ Rika wandte ihren Kopf zu ihm. „Du kannst mich noch so oft verprügeln, Respekt werde ich vor dir nie haben, Jack.“ Die laute und fröhliche Stimme ihrer Mutter hallte geräuschvoll wider, als sie nach beiden rief. „Das werden wir sehen“, meinte er noch, stieß sie abermals gegen die Kante und verließ ihr Zimmer. Schluckend berührte sie ihre Wange. Sie war so dumm, warum konnte sie nicht einmal ihre verfluchte Klappe halten. Spätestens, wenn ihre Mutter außer Haus war, würde er auf ihre Worte zurückkommen. Rumiko rief abermals nach ihr und keuchend ging sie einen Schritt nach vorne. Ihr Rücken tat höllisch weh und sie bezweifelte nicht, dass er spätestens in einer Stunde blau gefärbt war. Scheißkerl. Sie war feige, einfach nur feige, sie sollte sich wehren, so wie sie es bei jedem anderen getan hätte. Sie war immer schon selbstbewusst gewesen, hatte sich nie etwas gefallen lassen, nur bei ihm gab sie jedes Mal klein bei und es war egal, um was es ging. Immer war es sie. Rika schluckte abermals. Wenn sie ehrlich war, wusste sie auch ganz genau wieso. Dieses dunkle Flimmern in seinen Augen, wenn sie widersprach oder etwas tat, was er nicht mochte. Dieses scheiß Flackern war es, was ihr Selbstbewusstsein weichen ließ. „Ruki!“, rief es durch das Haus, zornig, eine solche Wut, die ihre Mutter niemals an den Tag gelegt hätte. Rika biss die Zähne zusammen, als sie durch die Tür hinausging und seiner donnernden Stimme gehorchte. Nur am Rande vernahm sie das Vibrieren ihres Handys, dass sie aus ihrem Halbschlaf riss. Genervt tastete sie mit einer Hand nach eben besagten Teil. Sie wollte eigentlich nur schlafen, ein paar Stunden, mehr nicht. Ihre Mutter hatte mitten im Essen ein Anruf bekommen, ein Shooting bei Nacht für irgendeinen angesagten Designer und so wie Rumiko am Abend ging, würde sie es ihr gleichtun. Alleine blieb sie mit diesem Mann nicht, natürlich könnte sie einfach ihre Mutter fragen, ob sie mit könnte und das Rumiko begeistert davon wäre, wusste sie. Genau das war der Grund, warum sie nicht fragte, am Ende bildete sich die Frau noch ein, es gefiele ihr. Desinteressiert öffnete Rika ihre Augen einen Spalt weit, um zu sehen, wer ihr dieses Mal eine Nachricht geschickt hatte. Wenn es Ryo war, würde sie das Telefon rückwirkend zurückschmeißen. Ihr Blick huschte über die Wörter, die ihr Jen geschickt hatte. Ob sie Lust hätte, ins Kino zu gehen, heute Abend. Nein, hatte sie nicht und genau das schrieb sie auch. Mit der Kato alleine vielleicht, aber sie wusste auch, ohne dass ihre Freundin es dazu geschrieben hatte, dass auch die Anderen dabei waren. Das Handy ausschaltend, legte sie es beiseite und zog sich die Decke höher. Jen würde ihre kurze Antwort nicht so einfach auf sich beruhen lassen, genau deswegen hatte sie es ausgeschaltet. Was sich jedoch im Nachhinein, wie sie feststellen musste, als Fehler herausstellte. Denn keine zwei Stunden später, in denen sie vergeblich Versuch hatte, irgendwie Schlaf zu finden, hallte die Türklingel wieder. Als ihre Mutter dann auch noch wenig später leise in ihr Zimmer trat, hätte sie sich am Liebsten selbst schlagen können, denn Kazus Stimme vernahm sie trotz der Decke, die über ihr lag. „Rika, Süße, deine Freunde sind hier.“ Eigentlich wollte sie nicht antworten und hoffte, dass ihre Mutter wieder ging und somit auch ihre Freunde. Das Parfüm, das ihr in die Nase stieg, hielt sie jedoch davon ab, ihre Mutter legte es nur auf, wenn sie außer Haus ging. „Gehst du jetzt schon?“, rutschte es ihr dummerweise über die Lippen. Die Augen öffnend, besah sie sich Rumiko. „Ja, ich geh noch Kaffee trinken mit dem Fotografen.“ Super. Echt klasse. Jetzt musste sie ins Kino gehen oder mit ihrer Mutter mit. Scheiß Auswahl und doch fiel die Entscheidung nicht schwer. Nach dem Motto: Glut oder Feuer. Sie zog die Glut eindeutig dem Feuer vor. „Sag den Idioten, ich komm gleich“, murrte sie ihr entgegen. „In Ordnung, bis morgen Spatz und hab Spaß.“ Ihr Lächeln konnte sie sich sonst wohin stecken. „Mama?“ Rumiko drehte sich kurz, bevor sie aus der Tür hinaus war, fragend um. „Hast du noch kurz Zeit?“ „Sicher, was ist denn?“ Den nächsten Satz würde sie so bereuen, sie wusste es, aber wie zuvor, sie lief lieber durch die Glut. Jack wartete im Wohnzimmer oder sonst wo. Sie bezweifelte stark, dass es ihm schwerfallen würde, ihren Freunden die Tür vor der Nase zu zuhauen, wenn ihre Mutter vor ihr aus dem Haus ging. Und dann hatte er es leicht, sie daran zu hindern, zu verschwinden. „Kannst du mir schnell helfen? Ich weiß nicht genau, was ich anziehen soll.“ Rika sah Rumiko ungläubig blinzeln und konnte es selbst nicht glauben, dass sie so etwas wirklich laut ausgesprochen hatte. Ein strahlendes Lächeln blitzte ihr entgegen. Was hatte sie getan, auf nimmer wiedersehen Stolz, nun gut, viel besaß sie ohnehin nicht mehr. „Natürlich, mein Liebling.“ Sie beobachtete ihre Mutter dabei, wie sie ihre Handtasche auf dem Boden abstellte und zu ihrem Schrank ging. „Möchtest du lieber ein Kleid oder einen Rock?“ Jetzt hieß es den Schaden so weit wie möglich eingrenzen. „Es wird in der Nacht sicher kalt und ich weiß nicht, wann ich nach Hause komme.“ Rumiko legte einen ihrer Finger an die Lippen, eine alte Angewohnheit, wenn sie überlegte. „Da könntest du recht haben.“ Sicher hatte sie recht und auch wenn nicht, würde sie eine Hose anziehen. Wenigstens das wollte sie beibehalten. Jack hatte ihr vor einem Monat schmerzend klargemacht, dass er nicht wollte, dass sie mit geschlossenen Haaren rum lief. Zwei Ohrfeigen waren ausreichend, um auch die letzten Haargummis wegzuschmeißen. So blieb ihr nur eine Möglichkeit, ihre Strähnen einigermaßen hinten zu halten, das altbewährte Haarspray. Fehlte nur noch die Schminke, dann sah sie aus wie die Weiber in ihrer Schule. Aufgetakelt, als wäre der Unterricht eine angesagte Disco aber gut, man wusste ja nie, wann einen die Stifte im Stich ließen, nicht? Zur Not nahm man eben einfach mal einen Lippenstift oder die Wimperntusche, der Lehrer wäre sicher angetan davon. Rika zog das Oberteil an, das ihre Mutter ihr entgegen hielt, und musste ein frustriertes Seufzen unterdrücken. Sie liebte nichts mehr, als bauchfrei. Wenigstens war die Hose normal und die Kürze des T-Shirts das Einzige, das nach ihrer Meinung nicht stimmte, damit konnte sie sich noch irgendwie abfinden. „Du siehst gut aus, Schatz, und die Handschuhe passen sehr gut dazu.“ Rikas Blick schweifte kurz zu ihren Händen, an denen sie eben Besagtes trug. Die Finger waren frei und eigentlich verdeckten sie genau die Flächen. Zum Spaß oder, weil es gut aussah, trug sie die Dinger sicher nicht. Vielmehr verschleierte einer davon den hässlichen Bluterguss, der sich schön sichtbar auf ihrer Haut entlang zog. Sie hatte vorgestern einen Moment lang geglaubt, Jack würde ihr die Knochen brechen, als er so fest zudrückte. „Danke“, meinte die junge Frau, ehe sie sich ihr Handy schnappte und an ihrer Mutter vorbei ging. Kazu konnte man durch das ganze Haus hören und genervt seufzte sie. Dass Jen nie ein Nein akzeptieren konnte, erschreckenderweise kam die Kato mit solch einer Masche auch immer durch. Am Ende ging sie mit, obwohl sie zuvor nicht wollte. „Glaubst du, es war eine gute Idee herzukommen? Immerhin hat Rika geschrieben, dass sie nicht mit will“, vernahm man Takato, der neben Kazu und Ryo stand. Jen winkte ab und fing an zu lächeln, als sie Rika entdeckte. „Das Wort „Nein“ ist dir ein Fremdbegriff oder?“ Die junge Frau lief auf die Gruppe zu und griff nach ihrer Jacke. „Ach hab dich nicht so, wird sicher lustig.“ Bekam sie lediglich zur Antwort, bevor die Kato sich bei ihr unterhakte und sie, ohne auf die Jungs zu achten, aus dem Haus zog. Kazu blinzelte genau wie es Takato tat. „Die haben uns gerade so was von stehen gelassen“, warf der Kappenträger in die entstandene Stille hinein. Ryo schüttelte grinsend den Kopf und vergrub seine Hände in den Taschen, ehe er den Frauen folgte. Man merkte, dass beide Freundinnen waren. Es war eine gute Idee, Jen eine Nachricht schreiben zu lassen, vielleicht vertraute sich Rika ihr an oder aber er übertrieb. Immerhin war gerade nichts ungewöhnlich, außer dass sie ihre Haare offen trug und er musste zugeben, sie sah gut damit aus, sehr gut sogar. Wahrscheinlich dramatisierte er das von gestern Nacht einfach. Die jungen Männer holten sie in der nächsten Seitengasse ein, wobei nur Takato leicht außer Atem schien. „Könnt ihr nicht warten?“ Jen wandte nur milde lächelnd den Kopf zu Kazu, was wohl so viel hieß wie nein. „Was willst du dir überhaupt ansehen?“ „Der Film gefällt dir sicher, Rika“ Die Augenbrauen hebend, besah sie die Jüngere und ignorierte die Jungs weiterhin. „Herr der Ringe. Im Karoji Kino wird der erste und zweite Teil gezeigt.“ „Du willst mir gerade nicht ernsthaft erzählen, dass wir sechs Stunden in einem Film sitzen, denn du bereits auswendig kennst oder?“ „Im Kino ist aber die Atmosphäre ganz anders.“ „Du hast doch ’nen Dachschaden“, schnaufte die Nonaka genervt aus. Noch schlimmer konnte es nicht kommen. „Jen hat recht, es gibt Süßzeug und daneben ist gleich eine Bar, falls wir noch was trinken wollen.“ Kazu verschränkte seine Hände über dem Kopf. „Ich verbessere mich, ihr habt alle einen Dachschaden.“ „Wie war das noch? Gleich und Gleich gesellt sich gern.“ Rikas Augen schweiften zu Ryo. „Dann frage ich mich, was ich hier zu suchen habe“, konterte sie ihm. Ein Schmunzeln legte sich auf seinen Zügen nieder. Jedes Mal dasselbe, egal was er sagte, sie hielt immer dagegen. Er wollte gerade ansetzten, etwas zu erwidern, als Kazu ihm zuvor kam. „Oh bitte. Ihr seit keine zwei Minuten zusammen und schon fangt ihr an zu streiten.“ Jen lachte leise. „Streiten? Das ist eher die hohe Kunst der Diskussion.“ Ryo schüttelte belustigt den Kopf. Streiten war das wirklich nicht, es war mehr ein ewiger Meinungsaustausch, den es gab, seit sie sich kannten. Das Karoji Kino war nichts im Vergleich zu den wirklich großen Filmpalästen in der Innenstadt, doch bot es alles, was man für einen schönen Abend brauchte. Getränke, Essen und eine kleine Bar, die ein wohlfühlendes Flair verbreitete. Rika ließ ihren Blick über die Menschen schweifen. Es waren erstaunlich viele Leute hier, obwohl es den Film bereits auf DVD und Video zu kaufen gab. Anscheinend war nicht nur Jen so verrückt, die mit Takato im nächsten Moment laut verkündete, dass sie die Karten holten. Kazu war kurz danach verschwunden, um sich und den anderen, Popcorn zu hohlen, typisch. „Lass uns schon mal zum Saal gehen.“ Ryo umfasste ihre Hand und zog sie aus der Menschenmenge hinaus. Stumm ließ Rika es sich gefallen, doch löste sie den Griff, sobald sie an der großen Tür angelangt waren. Lautlos seufzend lehnte sie sich an die Wand hinter sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Sechs Stunden würde das Ganze hier dauern, also würden sie circa um 12 Uhr hier rausgehen, dann wäre sie um halb eins zu Hause. Eigentlich eine gute Zeit, Jack schlief um die Uhrzeit meist, aber sie wusste nicht, wann ihre Mutter nach Hause kam, vielleicht wartete er auf sie. Sollte sie auf Nummer sichergehen oder auf ein Funken Glück hoffen? Wenn sie in Betracht zog, dass sie kaum geschlafen hatte, war es durchaus einen Versuch wert. Ryos Stimme holte sie aus den Gedanken und blinzelnd drehte sie ihren Kopf zu ihm. „Hast du was gesagt?“ Der junge Mann musterte sie kurz. „Nicht wichtig. Ist alles in Ordnung?“ „Sicher.“ Rika wandte sich ab, als Jen und Takato auf sie beide zu liefen. „Man, es geht hier ganz schön zu.“ Die Kato hakte sich, wie bereits auf dem Weg hierher, bei der jungen Frau unter und zog sie mit sich. Seinen Blick über sie schweifend, legte Ryo die Stirn in Falten. Eigentlich hatte er ihr nur gesagt, dass sie gut aussähe. Er wurde das Gefühl nicht los, dass eben nicht alles in Ordnung war, sie verhielt sich zwar weitest gehend normal, wie immer, aber irgendetwas war anderes. Kalte Nachtluft strich ihr entgegen, als sie dicht gefolgt von den anderen das Kino verließen. Das war definitiv das letzte Mal gewesen, dass sie Herr der Ringe ansah. Sechs Stunden in einem Film sitzen, den man in und auswendig kannte, war einfach nur langweilig. Sie strich sich ihre Haare mit einer lockeren Bewegung nach hinten und sah zurück, Jen war die Erste, die anfing zu sprechen. „Auch wenn ich beide Filme liebe, ich bin froh, wenn ich jetzt daheim bin.“ Ein langes Gähnen unterstrich ihre Worte. Sie hoffe, dass ihre Mutter jetzt bereits daheim war oder zumindest, dass Jack schlief. Die Chancen standen gut, dass sie unbemerkt in ihr Zimmer kam und wenn nicht, dann konnte sie sich auf einen Streit vorbereiten, bei dem sie unterlag. Er hatte ihre Worte heute Mittag sicher nicht vergessen. Keinen Blick oder gar ein Wort hatte sie mehr an ihn gerichtet und das hasste er, das wusste sie. „Wir sehen uns dann morgen.“ Rika sah auf, als sich Jen verabschiedete und mit Kazu, Takato über die Kreuzung ging. Sie hob nur ihre Hand und als ihr die Kato hinterher rief, dass sie gegen Nachmittag bei ihr war, entwich ihr ein Seufzen. Jen kannte das Wort „Nein“ einfach nicht. Noch im Kino hatte sie laut verkündet, morgen Bowlen zu gehen. Natürlich hatte man sie selbst nicht gefragt, auf ihr nein hatte Jen nur gelächelt. Ein solches Schmunzeln, das sagte: Ist mir egal, du kommst trotzdem mit. „Hättest du nicht die Letzte abbiegen müssen?“, richtete sie sich nach Kurzem an Ryo, der neben ihr herging. „Richtig.“ „Und warum läufst du mir dann nach?“ Er ließ seine Augen über sie schweifen. Sie hatte ihm ganz normal geantwortet, fast müde, so wie in der Nacht, als es regnete. „Weil ich dich nicht allein um die Uhrzeit herumlaufen lasse.“ „Mach, was du willst.“ Die junge Frau zog ihr Handy aus der Tasche, das leise summend vibrierte. Klasse... Jack war noch wach und nach seinen Worten zu urteilen, die er ihr geschrieben hatte, nicht gerade gut gelaunt. Beinahe wäre ihr ein wehleidiger Laut über die Lippen gerannt, doch wurde ihr der Blick von Ryo, der nach wie vor musternd auf ihr lag, siedend heiß bewusst. Das Telefon wegsteckend, strich sie ihre Haare erneut nach hinten. Sie konnte nicht einmal wegbleiben, er würde ausrasten, und dass er das tun würde, stand in seiner Nachricht drinnen. Was blieb ihr also anderes übrig, als nach Hause zu gehen, sofern sie seinen Zorn nicht noch mehr anstacheln wollte. Richtig, nichts. „Rika.“ Der junge Mann wandte seinen Kopf nach vorne und betrachtete die Autos, die an ihnen vorbeifuhren. „Was willst du?“ „Ich will wissen, was los ist.“ Sie konnte ihm nicht erzählen, dass mit ihr alles in Ordnung sei. Sie war nie so still gewesen wie jetzt. „Alles bestens“, fauchte sie ihm barsch entgegen. „Glaube ich dir nicht und das weißt du. Ich bin nicht blind.“ Ihre Blicke trafen sich. „Und ich bin nicht dumm. Das mit Jen war unnötig, genau wie dieser beschissene Kinobesuch oder glaubst du, dass ich den Zusammenhang nicht sehe? Deine SMS trudelt ein und am nächsten Tag belagert mich Jen. Von Zufall kann kaum die Rede sein.“ Rika wandte sich ab und registrierte unwohl, das Licht in ihrem Haus brannte. Sein Seufzen erklang. „Ich mach mir nur Sorgen, Rika, mehr nicht.“ Die junge Frau antwortete nicht, zog das Gartentor auf, an dem Ryo stehen blieb. „Danke fürs Begleiten.“ Sie drehte sich kein einziges Mal mehr um und doch stockte sie, als sie seine Worte vernahm. „Du kannst jederzeit zu mir kommen, egal wie viel Uhr es sein sollte. Gute Nacht.“ Idiot... Tief durchatmend sperrte sie die Haustür auf und fand sich in einem dunklen, nur vom Wohnzimmerlicht beleuchteten Gang wieder. Ihre Augen huschten von alleine zu den Schuhen ihrer Mutter. Sie war also noch nicht wieder da. Zögernd zog sie ihre Jacke aus, hing sie zu den anderen und verbannte ihre Haare zurück, die ihr in das Gesicht fielen. „Ruki.“ Obwohl die junge Frau bereits wusste, dass er noch wach war, musste sie anhand seiner Stimme schlucken. Wenn sie es nicht besser wüsste, könnte sie meinen, dass sie Angst hätte. „Ruki! Komm her und zwar jetzt!“ Wie einen dummen Hund rief er sie und was tat sie? Gehorchte. Das war reiner Balsam für ihren noch vorhandenen Stolz. Ihre Beine trugen sie unwillig in das milde scheinende Wohnzimmer, doch blieb sie am Türrahmen stehen. „Was willst du?“ Ihre Stimme hörte sich sogar in ihren Ohren dünn an. „Wenn ich jetzt aufstehen muss...“ Gefährlich leise. Rika riss sich los, ging zu Jack, der auf der Couch saß. Der Fernseher spulte leise einen eingelegten Film ab, dem er bis eben aufmerksam verfolgt hatte. Sein Blick richtete sich auf ihre Gestalt. Das kurze Flackern in seinen Augen veranlasste sie, sich neben ihn zu setzen. „Dein Benehmen ist zurzeit unakzeptabel, Ruki, das weißt du selbst, aber ich will es noch einmal im Guten mit dir versuchen.“ Die junge Frau zuckte zusammen, als er sich zurücksinken ließ und seinen Kopf auf ihren Schoß bettete. Mit dem Rücken wich sie an die Polsterung und musste den Impuls, ihn wegzustoßen unterdrücken. „Was soll das werden?“ „Wir warten auf deine Mutter!“ Seine Hand griff nach der ihren, legte sie auf seine Schulter. „Zieh die scheiß Handschuhe aus!“, setzte er nach, doch riss er ihren Arm grob nach vorne. Rika biss sich schmerzhaft auf die Lippen, als er den Stoff ruppig herunterzog. Die dunkel unterlaufene Färbung konnte man trotz schlechtem Licht erkennen. „Wo waren wir?“ Er legte ihre Hand zurück. „Genau, ich will es noch einmal im Guten mit dir versuchen und dazugehören einige Regeln.“ Mehr und mehr verkrampfte sie sich und wollte ihre Finger von seiner Haut nehmen. Sein leises Knurren veranlasste sie, die Augen zu schließen und zu verharren. Sie hätte wegbleiben sollen. „Die Regeln werden folgende sein: Wenn deine Mutter arbeiten muss, dann wirst du hier bleiben und mir Gesellschaft leisten. Deine Ausflüge in der Nacht wirst du einstellen, genauso wie deinen immer wehrenden Trotz. Du wirst tun, was ich dir sage und zwar sofort ohne Widerworte. Solltest du dich nicht daran halten, werde ich es nicht mehr auf deine schlechte Erziehung schieben, sondern persönlich nehmen.“ Er stoppte, bevor er weiter sprach: „Und du willst doch nicht, dass ich mir etwas zu Herzen nehme oder, Ruki?“ „Nein.“ Mehr wie ein abgehacktes Wort bekam sie nicht über die Lippen. Sie wollte hier nur noch weg... „Gut! Jetzt lass uns den Film ansehen, er soll gut sein, habe ich gehört.“ Sie hoffte bei allem, was ihr lieb war, dass ihre Mutter bald nach Hause kommen würde. Kapitel 2: Und hüllt sie ein. ----------------------------- Kapitel 2 Und hüllt sie ein. Angenehme Morgenluft drang durch das offene Fenster, ließ die seidigen Vorhänge mild tanzen. Seufzend drehte sie sich auf die andere Seite, vergrub ihre Hände unter dem Kissen. Sie hatte schlecht geschlafen, genau wie die Nächte zuvor und war nicht nur einmal aufgewacht. Ihre Mutter war erst gegen zwei Uhr nach Hause gekommen. Zweieinhalb Stunden hatte sie mit ihm auf der Couch ausgeharrt und erst, als die Tür ins Schloss gefallen war, hatte er ihr erlaubt zu gehen. Die Tür wurde leise aufgeschoben, was sie durchaus registrierte. Allein anhand der schweren Schritte wusste sie, wer gerade in ihr Zimmer kam. Ihre Mutter hatte eine feine Gangart, man hörte sie kaum, Jack jedoch vernahm man bereits von Weitem. „Ruki.“ Wie sie es hasste, wenn er sie so nannte. Ihr Vater hatte es immer getan, genau wie ihre Großmutter. Doch seit beide tot waren, wollte sie diesen scheiß Kosenamen nicht mehr hören. Ihrer Mutter war er einmal vor ihm herausgerutscht, seitdem nannte er sie so. „Wach auf.“ Sie hörte, wie er näher kam und seufzte. „Was ist?“ Sie wollte nicht, dass er auf die Idee kam, sie wach zu rütteln oder sich gar neben sie zu setzen. Körperkontakt, egal auf welche Weiße, wollte sie vermeiden, es hatte ihr gestern gereicht, als ihre Hand auf seiner Schulter lag. „Steh auf und hohl Semmeln! Wir machen Frühstück für deine Mutter.“ Einen Moment war sie versucht zu widersprechen. Sollte er doch selbst loslaufen, aber fielen ihr seine Worte wieder ein. „Gleich.“ Die junge Frau öffnete die Augen und unterdrückte ein Gähnen. „Jetzt, Ruki!“, fauchte Jack ihr entgegen, bevor er aus dem Raum schritt. Die Tür jedoch ließ er auf. Sie kam sich immer mehr wie ein räudiger Straßenköter vor, der seinem Herrchen unterwürfig entgegen trottete. Seufzend stand sie auf, sich die Haare zurückstreichend, suchte sie sich ihre Kleidung zusammen, bevor sie im Bad verschwand. Fehlte nur noch, dass sie bellte und Männchen machte... Ihre Augen huschten von alleine zu ihrer Hand, als sie den Wasserhahn aufdrehte. Das wurde auch nicht besser und schmerzte noch immer. Wenigstens konnte sie die Finger wieder einigermaßen bewegen, ohne dass sie dachte, dass ein Zug darüber fuhr. Er hatte wirklich verdammt fest zugedrückt. Sie hatte ihn warten lassen, bis er sie einfach mitgezogen hat. Dass er ihr dabei fast die Hand brach, war ihm nicht einmal aufgefallen. Das kurze Top, das sie über Nacht meistens trug, schmiss sie ungeachtet auf den sauberen weißen Boden. Das einzig Positive war, dass ihr Rücken nicht so wild aussah, wie sie glaubte, genau ein Bluterguss, wo sich die Kante hineingebohrt hatte, mehr nicht. „Beeil dich, verdammt noch mal!“, hörte sie seine Stimme durch die Tür knurren. „Ist ja gut.“ Einen Moment lang schloss sie die Augen, ehe sie sich zurechtmachte. Seine Stimme hallte ihr entgegen, als sie aus dem Bad ging und sich die Handschuhe überstreifte. „Ruki!“ Das nannte sie mal einen entspannten Morgen... Ihre Beine trugen sie in die Küchenzeile, wo er ihr mahnend entgegen blickte. „Hier und sei da, bevor deine Mutter aufwacht, hast du verstanden?“ Er drückte ihr einen weißen Zettel in die Hand und nickend nahm sie ihn entgegen, ließ ihre Augen darüber schweifen. „Muss ich dir Beine machen?!“ Ihre Finger verkrampften sich um den Fetzen Papier. „Ich bin schon weg.“ Das wütende Fauchen blieb ihr im Hals stecken, gleichzeitig er sie an der verletzten Hand zu sich zog. „Muss ich meine Worte von gestern wiederholen?“ Sie schüttelte ihren Kopf und unterdrückte ein Wimmern. „Gut!“ Abrupt löste er den festen Griff und wandte sich ab. Dreckiger Bastard... Ihr Beine trugen sie von alleine aus der Küche in den Gang hinaus, kurz bevor sie aus dem Haus lief, hörte sie ihn ihr noch hinterher rufen: Sie solle sich ja beeilen. Hoffentlich würde er an dem Frühstück ersticken, er wusste ebenso gut wie sie, dass ihre Mutter vor Mittag nicht aufwachen würde. Es war angenehm warm für den Morgen, dicke Wolken verdeckten, die bereits strahlende Sonne. Der Himmel versprach Regen und sie hoffe, dass es sich halten würde, bis sie wieder zu Hause war. Langsam ging sie den kleinen Weg zur Hauptstraße entlang. Sie würde sich nicht beeilen, wenn er die scheiß Semmeln haben wollte, dann konnte er auch warten. Reine Schikane, mehr war an seinen Worten nicht dran, er hätte ebenso gut gehen können. Ihre Augen schweiften zu ihrer Hand hinab, vorsichtig bewegte sie ihre Finger. Das hatte dieser Mistkerl gut hin bekommen, egal was sie tat, es schmerzte wie am Anfang. Seufzend sah sie auf und überquerte die Straße, die Hand ließ sie sinken. Sie war gespannt, wie sie das heute beim Bowlen hinbekommen sollte. Die junge Frau stockte, als etwas Großes um ihre Beine strich und bellend zu ihr aufsah. Schwanzwedelnd stieß der Hund sie an, bettelte winselnd um Streicheleinheiten. „Na du.“ Rika gab seiner Bitte nach, ihre Finger fuhren durch sein schwarzes Fell und schmunzelnd beobachtete sie, wie er sich hinlegte. Eigentlich sollte man keine fremden Hunde streicheln, doch so penetrant dieses Tier hier vor ihr lag, blieb einem nichts Anderes übrig. „Kuroi.“ Eine ihr nur allzu bekannte Stimme erklang. Rika sah auf und beobachtete, wie Ryo auf sie zu ging. „Sag bloß, du bist auf den Hund gekommen, Akiyama.“ Er blinzelte verblüfft. „Rika?“ Neben ihr blieb er stehen und strich sich seufzend durch die Haare, als er den Schäferhund betrachtete, der trotz seines Rufs auf dem Boden lag. „Wer soll ich sonst sein.“ Die junge Frau ging einen Schritt nach vorne und augenblicklich sprang das Tier auf. Ryo schüttelte grinsend den Kopf. „Wie es aussieht, mag er dich.“ „Scheint so.“ Sie beobachtete Kuroi, wie er mit seinem Kopf gegen ihre Hand stupste, ehe sie weiterging. „Wo hin willst du?“, hörte sie ihn fragen. „Bäcker.“ „Trifft sich gut, dann können wir ein Stück zusammen gehen, wenn du möchtest?“ Die Augenbrauen hebend, wandte sie sich halb um. „Ich glaub dein Hund hat dir die Entscheidung bereits abgenommen.“ Kuroi wich ihr nicht von der Seite und fing an zu bellen, als Ryo nach wie vor stehen blieb. „Ich seh’ schon, ich bin abgemeldet bei dir, was?“, murmelte er zu dem Tier, ehe er aufholte. „Wie war das mit einem Stück?“, meinte Rika, als Ryo sie nun bereits 30 Minuten lang begleitete. Die Tasche mit dem frischen Gebäck um ihr Handgelenk raschelte leise, während sie ihre Hand in ihrer Jacke vergrub. „Der Hund gibt die Richtung vor“, schmunzelte er der jungen Frau entgegen, die belustigt den Kopf schüttelte. „Außerdem hab ich ihn noch nie so anhänglich gesehen.“ Er beobachtete Rika dabei wie sie den Ball, den Kuroi vor Kurzem gefunden hatte, schmiss. Es war verblüffend, er mochte sogar behaupten, dass der Hund mehr auf Rika hörte, als auf jeden anderen, ihn mit einbegriffen. „Wie lange hast du ihn noch?“ Er hatte ihr erzählt, dass Kuroi seinem Vater gehörte und nur bei ihm war, weil dieser für ein paar Wochen in den Urlaub gefahren war. „Drei Wochen denke ich.“ Er sah zu ihr und setzte hinzu: „Wenn du willst, können wir öfter zusammen rausgehen, mit dem Hund meine ich.“ Die Augenbrauen hebend schweifte ihr Blick zu ihm und ein belustigtes Schmunzeln legte sich auf ihren Zügen nieder. „Das ist ’ne billige Anmache, Ryo.“ Er lachte und schüttelte den Kopf. „Das war keine Anmache.“ „Wer’s glaubt.“ „Ja oder nein?“ Rika schnaufte, wollte ihm antworten, als ihr Handy laut und penetrant klingelte. Ihre Augen huschten über die ihr bekannte Nummer und mit einem Schlag verschwand ihr Lächeln. Sie war schon viel zu lange unterwegs... Ungeachtet dessen, dass Kuroi ihr den Ball brachte, drückte sie auf Annahme und setzte das Telefon an ihr Ohr. „Ich bin-“ Rika wurde von der schreienden Stimme Jacks unterbrochen, das Gerät weghaltend wartete sie ab, bis er leiser wurde. Ryo hob die Augenbrauen und vernahm das Knurren des Hundes. Er verstand nicht, was der Anrufer brüllte, nur eines war deutlich herauszuhören: Zorn. Rika im Gegensatz verstand genau, was er sprach. Sie hätte nicht so lange brauchen dürfen, er war sauer, richtig wütend. Das konnte heiter werden, wenn sie nach Hause kam. „Ich bin gleich da.“ Bevor der Lebensgefährte ihrer Mutter noch etwas erwidern konnte, legte sie auf. „Wer war das?“ Er beobachtete ihre Gestalt und sehr wohl fiel ihm das kaum sichtbare Zittern ihrer Hände auf. „Niemand, wir sehen uns später.“ Rika lief los, befahl dem Hund ein „Bleib“ und verschwand hinter der nächsten Abzweigung. Dass ihr Ryo, verwirrt über den schnellen Verlauf der Situation, etwas hinterher rief, ignorierte sie. Niemand, eine wahrlich passende Umschreibung für Jack und Ryo konnte ihr mit seinem Rufen auch nicht helfen. Er würde sie höchstens noch länger aufhalten wie ohnehin schon. Währendem Rika rannte, musste sie seufzten. Ryo traf keine Schuld, sie alleine war dafür verantwortlich und es grauste ihr davor, jetzt Jack gegenüberzutreten. Was konnte er schon tun, außer sie grün und blau zu schlagen... Rika schluckte, biss sich auf die Lippen und überquerte die Straße. Gott, wie sehr sie jetzt hoffte, dass ihre Mutter wach war... Sie musste gestehen, sie wusste nicht, ob sie froh sein sollte oder nicht. Ihre Mutter war wirklich schon wach gewesen, nicht lange, doch sie hatte sie begrüßt. Den Blick, den ihr Jack jedoch zugeworfen hatte, sprach Bände und war auch der Grund, warum sie sich fragte, ob es nicht besser gewesen wäre, Rumiko würde noch im Land der Träume verweilen. Versucht ruhig führte sie die Tasse Kaffee an die Lippen, den Blick gesenkt. Sie hatte sich nicht getraut, einfach in ihrem Zimmer zu verschwinden, und so saß sie jetzt in der Küche. Rika konnte sich Angenehmeres vorstellen, als mit beiden zu frühstücken. Beispielsweise weit weg zu sein, denn die Wut, die ihr Jack nach wie vor entgegenbrachte, ließ sie klein werden. „Ruki, Spatz, möchtest du nichts essen?“ „Keinen Hunger.“ Das Lächeln auf Rumikos Zügen verblasste und seufzend wandte sich die Frau ab. Das war nicht der erste Versuch ihrer Mutter gewesen, ein Gespräch anzufangen. Kein Wunder, denn seit sie durch die Tür hinein gehastet war, hatte sie nicht viel mehr, als guten Morgen über die Lippen gebracht. Die Tasse, die Jack in den Händen hielt, kam geräuschvoll auf dem Tisch auf und automatisch hob die junge Frau den Kopf. Die stumme Drohung, dass sie reden sollte, lag schwer in der Luft und schluckend sah sie zu ihrer Mutter, die von alldem nichts wahrnahm. Tat sie nie. „Was hast du heute vor, Mama?“ Rumiko strahlte ihr entgegen und Rika wusste, wie sehr es sie freute, dass sie mit ihr sprach. „Ich muss heute arbeiten, aber das ist nicht weiter schlimm. Der Fotograf ist ein alter Bekannter, ich habe ihn dir mal vorgestellt. Mare Lorace, erinnerst du dich?“ „Ähm, ja.“ Tat sie nicht, aber die Tatsache, dass Rumiko nicht hier war, lenkte sie viel mehr ab. Nicht weiter schlimm? Für die ältere nicht, nein... „Wie lange musst du denn arbeiten?“, warf Jack in die Runde und seine Stimme jagte ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken. „Den Nachmittag, aber gegen Abend werde ich wieder da sein. Es ist kein besonders großer Auftrag und die Fotos werden schnell gemacht sein.“ Er nickte und seine Augen schweiften wieder zu ihr, während er weiter sprach. „Dann werden ich und Ruki heute Abend gekocht haben, bis du nach Hause kommst.“ Mit den Worten hatte er ihr auch die letzte Möglichkeit genommen, außer Haus zu gehen. Sie konnte ihre Mutter zwar immer noch fragen, ob sie mit könnte aber sie ahnte, was er dann tun würde. „Das ist doch nicht nötig, außerdem ist Ruki doch bei ihren Freunden oder Spatz?“ Mechanisch verneinte sie und setzte hinzu: “Ich hab gestern abgesagt, weil ich keine Lust habe.“ Lüge... „Ach so, aber ich dachte es macht dir Spaß, mit Jen und den anderen rauszugehen, wo wolltet ihr heute hin?“ „Wir wollten bowlen gehen, aber ich habe keinen Bock darauf!“, presste sie versucht nett heraus. Rumiko hatte ein einmaliges Talent, kochendes Wasser auf die Wunde zu schütten. „Wann musst du gehen?“ Jack. „Ach ich hab noch Zeit, erst gegen zwei Uhr.“ Der Tag entwickelte sich immer mehr zu einem bösen Albtraum, dem sie nicht entfliehen konnte. Sie würde hier bleiben, die ganze Zeit. Ihre Hände zitterten und die Augen schließend, hoffte sie, dass es nicht so schlimm werden würde. Wenn sie den Mund hielt und brav das tat, was er sagte, dann war alles bestens. Rika stellte ihre Tasse ab und beobachtete die Flüssigkeit darin. War es nicht... und je länger sie darüber nachdachte, desto stärker wurde dieses unwohle Kribbeln. Kapitel 3: Der Seele weißes Blut -------------------------------- Kapitel 3 Der Seele weißes Blut Ihr Blick schweifte zu ihrem Handy, das sie in der Hand hielt und seufzend lehnte sie sich an die Wand hinter ihrem Bett. Sie hatte mit Jen telefoniert. Eine nicht enden wollende Diskussion, bis die Jüngere ihr glaubte, dass sie wirklich keine Zeit hatte und auch keinen Versuch starten würde sie trotz allem abzuholen. Rika schloss die Augen, als sie hörte, dass ihre Mutter durch den Gang lief und ihre Zimmertür öffnete. „Spatz, ich geh jetzt. Überleg es dir doch noch mal oder möchtest du mit mir mit? Mare würde sich sicher freuen, wenn er dich wiedersieht.“ Es gab nichts zu überlegen, genauso wenig wie es eine Alternative für ihr hierbleiben gab. „Nein. Wann kommst du wieder?“ „Ich denke gegen sechs Uhr. Na gut, ich wünsche dir trotzdem einen schönen Tag, mein Spatz.“ Den würde sie haben, ganz sicher. „Ich dir auch.“ Obwohl sich die junge Frau bemühte, ihre Stimme neutral zu halten, vernahm sogar sie selbst das leichte Zittern. Die Schiebetür scharrte, als sie geschlossen wurde, auf dem Fußboden entlang und Rika schüttelte den Kopf. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie sagen, dass sie Angst hätte. Das Geräusch der sich schließenden Haustür erklang und die Stille zog sich durch das Anwesen. Aber sie hatte keine Angst, unbestimmte Dinge, nicht wissend, was passieren könnte, so etwas jagte ihr dieses Gefühl nicht ein. Rika konnte sogar so weit von sich behaupten, dass sie nur ein paar Mal in ihrem Leben Angst hatte. Ungeachtet dessen empfand sie Furcht und das war es, was sie fühlte, als Jack ihren Namen schrie. Denn sie wusste genau, was dieser Mann tun konnte, wie stark er war und dass sie gegen ihn nicht ankam. Die junge Frau stand auf, ließ ihr Telefon in ihre Hosentasche wandern und ging zu ihrer Tür. Sie dachte eindeutig über zu viel dummes Zeug nach. Ändern konnte sie nichts, also half es ihr auch nicht, über Angst und Furcht zu philosophieren. Ihre Beine trugen sie durch den Korridor, an dem großen Garten entlang, milde Sonnenstrahlen fielen auf das alte Holz und ihr Blick richtete sich gen den Himmel. Vielleicht würde es doch keinen Regen geben, die Wolken hingen zwar nach wie vor dunkel über ihnen, doch brach die Sonne immer mehr heraus. „Ruki!“ „Ich komm schon.“ Jack saß auf dem Boden des Wohnzimmers und legte sich seine Gewichte zurecht. „Wo hat Rumiko die 10er Hanteln hingelegt?“ Ganz davon abgesehen, dass ihre Mutter niemals so etwas schweres Tragen würde, woher sollte sie das wissen. „Ich weiß es nicht. Schlafzimmer?“ „Bist du eigentlich zu irgendwas zu gebrauchen?!“ Die junge Frau zuckte zusammen, als er eines der Gewichte hart auf den Boden schmiss und aufstand. „Bleib in der Stube und tu sonnst was, aber geh mir aus dem Weg!“, knurrte er ihr entgegen und schob sie grob auf die Seite, ehe er im Flur verschwand. Was sollte sie seiner Meinung nach tun? Dumm auf der Couch sitzen und sich langweilen? Nicht einmal Musik konnte sie hören, ihre Anlage funktionierte nicht mehr, und seit Jack ihren kleinen Player gegen die Wand geschmissen hatte, war dieser nur noch für den Schrotthaufen gut. Laut ausschnaufend ließ sich die junge Frau auf das Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein. Eine Tür wurde lärmend zugeschlagen und seine Schritte konnte sie trotz den Geräuschen des Films, der lief, hören. „Mach die Scheiße aus!“, herrschte er sie an, sobald er zurück in den Raum kam. „Was soll ich deiner Meinung nach tun? Musik hören fällt leider Gottes aus.“ Sie fürchtete ihn zwar, aber sie hatte noch einen Funken Stolz in sich. Was sollte sie sonst tun? Außer sich zu langweilen... „Ich sag es nicht noch einmal!“ Bevor sie etwas erwidern konnte, riss er das Stromkabel heraus. Der Mann war doch krank... Rika schwieg daraufhin und stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab. Das konnte ein wahrlich schöner Nachmittag werden, wenigstens schien er das mit dem Frühstück vergessen zu haben. „Weißt du was ich denke, Ruki?“, setzte er an und legte sich auf die Liege, die aufgebaut war. “Dass es dir schwerfällt, eine Autoritätsperson anzuerkennen.“ Sie vernahm, wie er anfing, die Hanteln hochzuheben, jedoch drehte sich die junge Frau nicht um. „Ich meine es wirklich nur gut mit dir!“ Das bezweifelte sie stark, doch ihm das sagen? Nein. „Nehmen wir heute früh. Ich habe dir gesagt du sollst mit dem Gebäck hier sein, bevor deine Mutter aufwacht und wo warst du?“ Sie sollte wohl wirklich nichts verschreien, denn wie es den Anschein hatte, hasste der liebe Gott oder was sonst dort oben hockte sie. „Ich habe dich etwas gefragt!“, fauchte Jack und setzte die Gewichte für einen Moment ab. „Auf den Weg hierher.“ „So warst du das?“ Er fuhr fort mit seinem Training, seine Stimme verlor den harschen Tonfall jedoch nicht. „Ja“, antwortete Rika ihm monoton. „Und wieso brauchst du für eine Strecke, die man in 30 Minuten schafft, eine Stunde?“ Was war das hier, ein Verhör? Das ging ihn überhaupt nichts an! „Weil ich nicht auf die Uhr geschaut habe?“ patzig und doch konnte man den Hohn gut verstehen. Erschrocken zuckte sie zusammen, als eines der Geräte gegen die Wand donnerte und eine tiefe Kerbe hinterließ. „Weißt du, was mein Vater gemacht hat, wenn er so eine bissige Antwort bekam, wie du sie mir gerade gegeben hast?“ Schluckend besah Rika sich die Delle. Sie sollte wirklich lernen, den Mund zu halten. „Er hätte denjenigen windelweich geprügelt sage ich dir und glaube mir, ein Gürtel tut verdammt weh. Willst du denn, dass ich genauso handeln muss wie mein Vater? Soll ich dich mit einem Gürtel dreschen, bis du mir endlich Respekt entgegen bringst?“ Jack wartete, stemmte die Gewichte und beobachtete die junge Frau. „Nein.“ „Gut, denn ich will dich nicht verletzen, Ruki. Ich mag dich wirklich und schließlich bist du ein Teil meines und Rumikos Leben, aber wenn du mir nicht bald die Achtung entgegen bringst, die ich von dir verdiene, werde ich dir wehtun müssen. Verstehst du das?“ Rika blieb unbewegt und auch antwortete sie ihm nicht. Er nickte milde und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Gut und jetzt sei ein braves Mädchen und hohl mir ein Bier aus dem Kühlschrank.“ Ihre Hände ballten sich zusammen und sich auf die Lippen beißend stand die junge Frau auf. Ryo hatte die Arme verschränkt und sah dem Hund seines Vaters dabei zu, wie er mit einem Tennisball spielte. Knurrend und bellend nahm er ihn in sein Maul, um ihn ein paar Meter weiter wieder loszulassen. Jen hatte ihn vor nicht einmal einer halben Stunde angerufen und gemeint, dass Rika ihr abgesagt hätte. Der junge Mann lehnte sich auf der Bank zurück. Das war ungewöhnlich, sie sagte für gewöhnlich nie etwas ab, auch wenn sie keine Lust darauf hatte. Ryo wusste von ihr, dass ihre Mutter ihr so gut wie nie etwas verbot. Auch konnte er sich nicht vorstellen, dass sie mit Rumiko etwas unternahm oder gar mit zu deren Arbeit ging. Rika war der Job ihrer Mutter zuwider, das merkte man. Vielleicht wollte sie lernen, denn sie hatte Jen keinen bestimmten Grund genannt, warum sie nicht konnte. Ryo schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Nein, er kannte sie, Rika war in dieser Beziehung wie er, sie hatte wahrscheinlich alles für die Schule in den ersten Tagen der Ferien erledigt. Seufzend atmete er aus und stand auf. Vielleicht machte er sich einfach zu viele Sorgen, jedoch ging ihm die Begegnung in den Morgenstunden nicht mehr aus dem Kopf. Zu gerne würde er ihr eine SMS schicken, allerdings würde sie ihm nicht zurückschreiben, das tat sie so gut wie nie. „Kuroi“, rief er den Namen des schwarzen Schäferhundes, der augenblicklich gehorchte und hechelnd auf ihn zu rannte. Per Nachricht würde sie ihm sicher nicht antworten, wenn er hingegen einfach bei ihr vorbei schaute, würde sie nicht anders können, als mit ihm zu sprechen. „Na komm, lass uns Rika besuchen gehen.“ Ryo musste schmunzeln, während der Hund schwanzwedelnd bellte. Schwer ausatmend setzte sich die junge Frau auf die Veranda und schloss die Augen. Jack war soeben einkaufen gefahren, nachdem er weitere zwei Stunden seine Hanteln gehoben hatte. Bis zu diesem Moment wusste sie nicht, wie anstrengend es war, seinen Mund zu halten. Er hatte geredet, viel gesprochen und nicht nur einmal lag ihr eine wüste Beleidigung auf den Lippen. Hol mir dies, hol mir das. Und jedes Mal dieselben beschissenen Worte: Braves Mädchen, sie hätte ihm am liebsten seine Gewichte entgegen geschmissen. Den ganzen Tag hatte sie damit verbracht, sich sein Geschwafel anzuhören und war sich immer mehr wie ein räudiger Hund, der erzogen werden musste, vorgekommen. Nicht nur einmal hatte er seinen Vater mit einbezogen, hatte erzählt, was dieser doch immer getan hatte. Sie wollte das nicht hören, es reichte, dass er ihr dasselbe versprach, wenn sie nicht gehorchte. Von Drohungen konnte man nicht mehr sprechen, denn er würde es tun, da war sie sich sicher. Ein geräuschvolles Bellen riss Rika aus den Gedanken und verwirrt besah sie sich das ihr bekannte Tier, das an der braunen Gartentür stand. Knurrend fing er an, die Erde am Boden wegzuschaufeln, um sich einen Weg hinein zu erschaffen. „Hey.“ Sie stand auf und pfiff leise, um seinem Verhalten Einhalt zu gebieten. Der Hund sah auf und setzte sich freudig abwartend auf den Boden, als sie auf ihn zulief. Erst, als sie an der Tür angelangt war, sprang er hinauf, seine großen schweren Pratzen auf dem Eisen verharrend. Was tat das Tier hier? Rika strich ihm durch das Fell und noch im gleichen Moment hörte sie Ryos Stimme. „Es ist verblüffend, wie schnell Kuroi rennen kann, wenn er nur will“, meinte der junge Mann, ehe er gemütlich schlendernd auf das Tor zuging. „Was tust du hier?“ Dass sie verwirrt war, konnte man ihr nicht nur ansehen, auch hörte man es aus ihrem Tonfall heraus. „Ich war in der Nähe und dachte, ich schau mal vorbei.“ Wenn man Ryo kannte, könnte man ihm das glatt abkaufen, sie jedoch hatte seit nun mehr sieben Jahren das Vergnügen. Die Augenbrauen hebend antwortete sie ihm daher auch: “Das nehm ich dir nicht ab. Du warst im Übrigen noch nie gut im Lügen.“ Er strich sich seufzend durch die Haare und ein Schmunzeln legte sich auf seine Züge. Wie es aussah, ging es ihr gut. „Du kennst mich zu gut, was?“ Kuroi sprang runter und Ryo lehnte sich mit den Armen auf die Gartentür. „Jen hat mich angerufen und meinte, dass du abgesagt hast, daher habe ich mir gedacht, ich schau vorbei.“ „Ahja, also hat dich Jen vorbei geschickt oder was?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Belustigung blitzte in seinen blauen Augen auf. „Nein, ich hab mir Sorgen gemacht und deswegen hab ich ebenso abgesagt.“ „Hättest du keine Nachricht schreiben können?“, seufzte sie. Dass er ihr gerade eben offen dargelegt hatte, dass er sich um sie sorgte, ignorierte sie gekonnt. „Hättest du mir den geantwortet?“ Einen Moment begegneten sich ihre Augen, ehe sie antwortete: „Wahrscheinlich nicht.“ Ryo musterte die junge Frau, und obwohl ihm nichts auffiel, huschten die folgenden Worte trotz allem über seine Lippen. „Geht es dir gut?“ Ihr Blick löste sich von dem Hund und legte sich auf Ryo nieder. „Natürlich geht’s mir gut und jetzt verschwinde.“ Bevor Jack wieder nach Hause kam... Das würde nur unnötigen Ärger geben. „Rika. Du weißt, dass ich dir nicht glaube und das liegt nicht daran, dass du mir sowieso nie sagen würdest, ob irgendetwas ist.“ Genervt schnaufte sie aus und sah weg. „Ryo, du gehst mir auf die Nerven.“ „Ich weiß“, lachte er milde und noch im selben Moment wurde er wieder ernst. “Ich meine es ernst, du warst noch nie so ruhig.“ Zugleich ihr auffiel, dass es langsam dunkel wurde, ignorierte sie seine Worte und lehnte sich neben ihn auf das Tor. Ihre Finger griffen nach der Leine des Hundes, die er hielt und ehe sich Ryo versah, war Kuroi angeleint. „Du bist unmöglich, mir geht es wirklich gut und jetzt mach, dass du wegkommst.“ Das Nächste, das sie tat, war für sie unbegreiflich und doch legte sich ein Schmunzeln nieder, als sie Ryo die Haare zerzauste. „Hey.“ Amüsiert richtete er sich auf und umfasste ihr Handgelenk. Das betäubende Zuschlagen der Haustür hallte im gesamten Anwesen wieder und ließ sie zusammenzucken. „Ruki!“, donnerte es durch das Haus. Rika wollte ihre Hand zurückziehen, doch verstärkte sich sein Griff. Sein Blick an ihr vorbei gerichtet, beobachtete er das Gelände. „Lass mich los und verschwinde endlich“, meinte sie und versuchte ihr Handgelenk aus seiner Umklammerung zu lösen. Was sollte der Scheiß... „Ryo!“ Hastig und ungeduldig. „Wer ist das?“ Nach wie vor lag seine Aufmerksamkeit auf dem Gebäude, und bevor sie ihm antworten konnte, wurde eine der Schiebetüren aufgerissen. „Ruki, wenn ich... Sag doch, dass wir Besuch haben!“, verhallte Jacks zuerst geräuschvolle Stimme. Rika vernahm, wie er auf die Wiese schritt, und musste an sich halten, um die Reaktionen ihres Körpers zu unterdrücken, trotzdem verspannte sie sich zunehmend. Was Ryo veranlasste, seinen Blick auf sie zu richten. Kuroi stellte sein Fell auf und ein leises Knurren drang ihm aus der Kehle. „Ich bin Jack, freut mich.“ Er hielt neben ihr inne und streckte Ryo die Hand entgegen. „Ryo.“ Er ließ ihr Gelenk los und erwiderte den Gruß, auch wenn er sich um einiges kälter anhörte, als vor wenigen Minuten. „Schönes Tier.“ Jack klang neutral, galant, doch sprach seine Körperhaltung genau das Gegenteil. Rika wusste, dass er alles andere, als angetan von der Situation war. „Deswegen bin ich hier. Rika wollte mitgehen, wenn ich ihn ausführe.“ Die junge Frau sah ihn mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Entsetzen an. Bitte was?! „Ach wirklich.“ Gott, wusste Ryo eigentlich, in welche Scheiße er sie hier gerade ritt. „Das hat sich erledigt, ich habe gesagt, dass ich keine Zeit habe“, stieß sie mit wankender Stimme aus und drehte sich um. Fluchtartig verließ sie den Garten und biss sich, sobald sie im Haus war, auf die Lippen. Dieser verdammte Idiot... Mit der Hand strich sie sich fahrig durch die Haare und lehnte sich an die Wand des Korridors. Den ganzen dummen Tag hatte sie es vermieden, ihn zu reizen, nicht noch mehr zu provozieren, wie sie es durch ihr Verhalten ohnehin schon die ganze Woche über tat. Es war keine Absicht, aber zwischendurch rutschte ihr das heraus, was sie sich dachte und jetzt das. Es würde für Jack so aussehen, als ob sie verschwinden wollte. Als wenn das ausgemacht gewesen wäre und dass er so dachte, spürte sie, als er die noch offene Terrassentür schloss. „Mit dem Hund rausgehen?“, grollte er sacht, weil er nicht wusste, ob Ryo noch draußen stand. Unbewusst drängte sie sich an die Wand, während er näher kam. „Willst du mich verarschen, Ruki?“ „Nein!“ Rika schluckte schwer, als sie hinzusetzte: „Das war nicht ausgemacht, Ryo ist einfach so vorbeigekommen.“ Jack blieb vor der jungen Frau stehen, musterte sie abschätzend. Ihr Körper reagierte von alleine, als sie ausweichend auf die Seite gehen wollte. Ein gedämpfter Schrei ran ihr über die Lippen, gleichzeitig er ihre verletzte Hand ergriff und sie gegen die Wand über ihr schlug. Mit seinem Gesicht kam er gefährlich nahe herunter. „Ruki, ich glaube langsam, dass du mich einfach nur ärgern willst, nicht war?“, knurrte er, lies sie los, um darauf ihre Schulter zu umfassen. „Ich hatte heute wirklich das Gefühl, das du verstanden hast, doch wie es aussieht, habe ich mich getäuscht.“ Die junge Frau unterdrückte ein schmerzhaftes Wimmern. „Du lügst mich sogar offen an.“ „Das tue ich nicht!“ Ihre Worte gingen in einem Keuchen unter, gleichsam sein Griff fester wurde. „Habe ich-“ Der Lebensgefährte ihrer Mutter wurde von einer lauter werdenden Melodie unterbrochen, ihr Handy. Seine freie Hand fuhr langsam in ihre Hosentasche und zog das Gerät heraus. Sein Blick schweifte über das Display, bevor er es ihr entgegen hielt. „Lautsprecher!“, herrschte er sie an. Rika sah nicht nach, wer sie anrief, sie drückte einfach nur auf Annahme und tat, was er verlangte. „Rika?“, hallte es durch den dunkler werdenden Gang. Ryo... Jacks stumme Drohung, ließ sie erstickt anfangen zu sprechen. „Ja, was ist denn noch?“ Einen Augenblick blieb es still. „Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch deine Aufzeichnungen für Mathematik habe. Ich bin sowieso noch in der Nähe, du kannst sie dir schnell abholen.“ Ihre Beine knickten ein und nur Jacks Hand hielt sie weiterhin aufrecht. „Ich hol sie morgen“, presste sie versucht normal, scheiterte jedoch kläglich. „Rika. Ist alles in Ordnung?“ „Sicher, bis dann.“ Leise piepste das Handy auf, als sie auflegte. Der Mann vor ihr nickte und ließ sie los. „Braves Mädchen. Ruki, du hast wirklich Glück, dass ich heute nachsichtig mit dir bin und daher wird dein jetziges Verhalten auch nicht bestraft werden. Doch glaube mir, das nächste Mal werde ich wirklich zornig werden. Verstanden?“ Stumm nickte die junge Frau und rutschte an der Wand hinab. „Gut.“ Er drehte sich um, verschwand in der Küche. Ryo nahm langsam das Handy herunter. Rika hätte im alles erzählen können, nur nicht, dass es ihr gut ging. Davon abgesehen, dass er mittlerweile studierte und sie noch zur Schule ging, gab es keine Aufzeichnungen, wie auch. Er war nicht dumm... Ihre Stimme hatte sich alles andere als normal angehört. Kuroi trabte angespannt von einer, zur anderen Seite, ein Knurren drang ihm aus der Kehle. Der Hund seines Vaters hatte noch nie fremden Leuten gedroht, und dass er gerade diesem Jack nicht freundlich gesinnt war, ließ ihn noch skeptischer werden. Auch sprach Rikas Verhalten gegenüber dem Typen nicht gerade für die gesamte Situation. Sein Blick richtete sich erneut auf das angeleinte Tier neben ihm. Nun, Klingeln konnte er schlecht, aber es sprach nichts dagegen, wenn ihm der Hund ausversehen abhandengekommen wäre. Seine Hand umfasste den Verschluss der Leine und im nächsten Moment sprintete der Hund los. Ryo sah ihm nach und verschränkte die Arme vor der Brust. Kuroi war schlau, er würde schon einen Weg in das Haus finden. Tief durchatmend schloss sie die Augen und tastete, das Gesicht verziehend, an ihrer Schulter. Das brannte höllisch genau, wie ihre Hand pochte, sie wollte gar nicht sehen, wie das aussah. Nicht einmal die Finger konnte sie ohne Schmerzen bewegen. Wenn man seinen Zorn berücksichtigte, welcher in seinen Augen aufgeflimmert war, konnte man das wohl glimpflich davon gekommen nennen... Rika schloss ihre Augen, ließ ihren Kopf in den Nacken fallen. Aufzeichnungen... Es gab keine Aufzeichnungen, Ryo ging nicht einmal mehr auf die Schule. Sie wollte nicht wissen, was er mit diesem Mist bezwecken wollte. Ein tapsendes Scharen auf dem Boden veranlasste sie blinzelnd, die Lider wieder zu öffnen. Einen Moment lang entgleisten ihr die Gesichtszüge, während der Hund hechelnd auf sie zutrottete. „Was...“ Kuroi legte sich vor sie und stupste sie mit seiner Schnauze an. Schluckend legte sie die Hand auf sein Fell, strich ihm über den Rücken. Ihr Handy, das neben ihr auf dem Fußboden lag, fing an zu vibrieren, und erst als es verstummt war, hob sie es auf. Ihre Augen huschten über die Nachricht. ~Ich warte an der Kreuzung.~ „Idiot“, wisperte sie leise und strich sich hastig über die Wange, verbannte die Träne, die sich gelöst hatte. Kapitel 4: Warmer Spätnachmittag -------------------------------- Kapitel 4 Warmer Spätnachmittag Schwer ausatmend stand die junge Frau auf und mit ihr der Hund, der ihr noch immer stillen Beistand gab. Im über das Fell streichend, führte sie Kuroi mit in das Badezimmer. Wie sollte sie ihn Ryo jetzt zurückbringen? Einfach gehen fiel weg, Jack würde sie windelweich prügeln, wenn er mitbekommen würde, dass sie weg war. „Was mach ich jetzt mit dir?“, flüsterte sie und öffnete den Wasserhahn. Die Handschuhe ausziehend, sah sie durch das Fenster in den Garten. Die Dämmerung hatte längst eingesetzt und der Wind frischte auf. Kaltes Wasser benetzte ihre pochende Hand. Es kühlte angenehm und linderte die Schmerzen ein wenig. Jack würde sie wohl kaum einfach so rauslassen, aber vielleicht, wenn sie anbot, ihm sein hässliches Bier zu holen. Das Letzte hatte er heute Nachmittag in sich hinein geschüttet und vielleicht gerade das beim Einkaufen vergessen. Bei ihrem Glück glaubte sie zwar nicht daran, aber ein Versuch war es wert. Sie zog die Hand zurück und schüttelte den Kopf. Nein, er war nicht dumm und sie hatte noch nie angeboten, ihm etwas freiwillig zu holen. Auch wenn, er vergaß so gut wie nie etwas. Sie musste wohl einfach hoffen, dass er ihre Abwesenheit nicht mitbekommen würde. Die Handschuhe anziehend, umfasste sie das Halsband des Hundes, der anfing, mit dem Schwanz zu wedeln. „Sei jetzt ja still, sonnst kann ich mich eingraben lassen“, murmelte sie zu ihm und schloss die Tür hinter sich. Sie hörte Jack in der Küche hantieren, der Radio lief leise nebenbei und schluckend hielt sie vor dem Durchgang an. Wieso musste die Haustür auch so nahe an der Küche und dem Wohnzimmer sein. Wenn die Schiebetür zum Garten wenigstens geschlossen wäre, könnte sie durch diesen, aber die Chance, dass er sie dort sah, war weitaus höher. Dem Rüden über den Kopf streichend, ging sie weiter und schloss die Augen. Erleichtert atmete Rika aus, als sie den Hund losließ und die Haustür hinter ihr geräuschlos ins Schloss fiel. Er hatte sie nicht gesehen. Jetzt musste sie Ryo schnell Kuroi bringen und ebenso leise wieder ins Haus schleichen. Der Tag heute war einfach zum Kotzen... „Komm her“, wies sie den Hund an, der brav gehorchte und hechelnd neben ihr her lief. Ryo konnte nur eine Kreuzung meinen und die war gleich da vorne. Sie wollte gar nicht erst erfahren, wie Jack ausrasten würde, sollte er sie erwischen. Eigentlich wollte sie daran auch überhaupt nicht denken, das vorhin hatte ihr gereicht. Ihre Augen erfassten den jungen Mann nicht weit vor ihr, der, mit verschränkten Armen auf sie wartete. Noch bevor er zum Sprechen ansetzen konnte, kam sie ihm zuvor. „Was verdammt noch mal sollte die Scheiße?!“ „Was meinst du?“ Ryo hob die Augenbrauen und ließ seinen Blick über sie schweifen. „Jetzt stell dich nicht dümmer, als du ohnehin schon bist“, fauchte sie ihn an. Er wusste doch genau, von was sie sprach, der Anruf und dann das mit dem Hund. „Ich stell mich nicht dumm. Rika ich-“ Die junge Frau unterbrach ihn harsch. „Doch tust du! Was sollte der Schrott mit Kuroi? Und erzähl mir jetzt nicht, dass er sich von alleine losgemacht hat.“ Ryo fing trotz, ihres ruppigen Tonfalls an zu schmunzeln. „Wollte ich auch nicht. Ich hab ihn von der Leine genommen und da ist er wohl zurückgelaufen.“ „Ja klar und mein Name ist Hase“, schnaufte sie ungehalten, schüttelte jedoch dann den Kopf und drehte sich um. Sie musste sich beeilen und mit Ryo streiten nutzte sowieso nie etwas. „Wehe er taucht wieder bei mir auf.“ „Rika, warte.“ Er umfasste ihren Arm, bevor sie zurückrennen konnte. „Ich weiß nicht, was mit dir los ist und du wirst es mir auch nicht sagen, aber du hast meine Nummer, also ruf mich an, sollte etwas sein.“ Ehe sie etwas einwenden konnte, sprach er weiter. „Ich will, dass du mir das versprichst.“ Eigentlich wollte sie etwas Spitzes erwidern, doch anhand seines Blickes und der Ernsthaftigkeit seiner Worte, entfloh ihr nur ein Seufzen. „Du übertreibst.“ Sie löste sich von seiner Hand, ließ ihn stehen. „Rika!“ „Ja, ich verspreche es dir“, rief sie genervt aus, ehe ihre Beine sie um die nächste Ecke trugen. Ja, vielleicht übertrieb er wirklich, trotzdem, er hatte ein ungutes Gefühl und bisher hatte ihn das noch nie getäuscht. Müde öffnete Rika am nächsten Morgen die Augen und musste mit einem Blick auf die Uhr feststellen, dass sie länger, als alle bisherigen Tage geschlafen hatte. Den Kopf wieder in die Kissen vergrabend, zog sie ihre Decke weiter hinauf. Es war spät, und dass sie bisher niemand geweckt hatte, hieß nur eines, ihre Mutter und Jack waren nicht mehr da. Rumiko war gestern kurz vor ihr nach Hause gekommen und hatte Jack somit abgelenkt, ansonsten wäre ihm wohl aufgefallen, dass sie kurzzeitig verschwunden war. Er hatte ihr, als sie in die Küche geeilt war, einen Blick zugeworfen, der bereits davon zeugte, dass er sie gesucht hatte. Seufzend drehte sie ihren Kopf auf die andere Seite. Er hatte sie den ganzen restlichen Abend beobachtet und erst, als ihre Mutter zwei Tickets aus ihrer Tasche zog, änderte sich dies. Strahlend hatte sie verkündet, dass sie zur Eröffnung der neu erbauten Terme in Kyushu eingeladen war, mit ihm. Das war auch der Grund, warum sie jetzt auch noch liegen blieb. Kein Jack, keine Rumiko, niemand. Das würde einer der besten Tage der ganzen letzten Monate werden, was nicht unter an der Tatsache lag, dass sie so lange liegen bleiben konnte, wie sie wollte. Das geräuschvolle Klingeln der Haustür hallte in dem stillen Anwesen wieder, ließ sie frustriert die Luft ausstoßen. Der liebe Gott musste sie wahrlich hassen... Sich durch die Haare streichend, richtete sie sich mühselig auf. Das hin war das ewige Liegenbleiben, wäre zu schön gewesen. Sie sollte endlich lernen, nichts zu verschreien, denn jedes Mal, wenn sie es tat, passierte das Gegenteil. Sie stand auf, griff nach den schwarzen Handschuhen, die auf dem Nachttisch lagen, und streifte sie über. Es war schon reine Routine, dass sie die Dinger, bevor sie aus dem Zimmer ging, anzog. Irgendwann würde sie noch aufwachen und feststellen, dass sie mit ihnen eingeschlafen war, sie wartete schon darauf. Ein Gutes hatte es jedoch, sie brauchte niemanden erklären, warum ihr rechter Handrücken violett angelaufen war. Abermals erklang die Schelle und genervt riss Rika ihre Zimmertür auf. „Ich komm ja schon!“, rief sie missmutig aus, ehe sie zur Haustür eilte. Das Erste, was sie wahrnahm, als sie öffnete, war, dass ihr etwas winselnd um die Beine strich und freudig bellte. „Sag bloß, dass ich dich aus dem Bett gejagt habe“, grinste ihr Ryo entgegen, was ihr nur einen unleidigen Laut entlockte. „Sehe ich so aus?“ Belustigt hob er seine Augenbrauen und musterte sie kurz. „Wenn man es genau nimmt, ja.“ Am liebsten hätte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschmissen. „Was willst du hier?“ „Na, was wohl, dich abholen.“ Rika stockte. Sie holen, hatte sie irgendetwas vergessen? „Mich ab- Hey!“ Kuroi lief schwanzwedelnd in den Gang hinein und verschwand im Wohnzimmer. Ohne auf den jungen Mann zu achten, ging sie zügig dem Tier hinterher. Wenn er irgendetwas kaputtmachte, wie solle sie das denn erklären... Außerdem war Rumiko gegen alles, was übermäßig haarte, sie würde einen Anfall bekommen. Kopfschüttelnd schloss Ryo die Tür hinter sich und ein Schmunzeln legte sich auf seinen Zügen nieder, während er ihre Stimme ausrufen hörte: „Runter von der Couch!“ Er musste ein Lachen unterdrücken, als er beobachtete, wie Kuroi bellend aus der Stube und weiter in das Anwesen rannte. Unterstützt von Rikas lauter werdendem Fluchen. „Akiyama, grins nicht so dumm und hohl deinen Hund zurück!“, fauchte sie ihn an, sobald sie aus dem Zimmer kam. „Ist nicht meiner“, grinste er weiterhin. „Du weißt genau was ich meine!“, stieß sie laut aus und beide hörten, wie etwas laut zu Boden ging. „Ryo!“ „Kuroi“, lachte er mehr, als dass er nach dem Tier rief. „Jetzt mach dich fertig oder willst du so raus?“, wandte er sich an die junge Frau, wie der Rüde auf beide zutrottete. Ihre Augen blitzten ihn verwirrt an und amüsiert setzte er hinzu; „Ich hab dich gestern gefragt, ob du mich beim Gassi gehen begleitest und dein Schweigen habe ich als ja interpretiert.“ „Willst du mich gerade verarschen?“ „Sehe ich so aus?“, griff er ihre Worte von vorhin auf und lehnte sich wartend an die Wand. „Nein!“ Ein Fauchen, ein Knurren. „Ich bin gleich fertig... Pass auf, dass der Hund nicht im Haus rumläuft.“ Rika drehte sich um, strich sich harsch die Haare aus dem Gesicht, bevor sie in ihrem Zimmer verschwand und die Tür hinter sich zuschmiss. Das Top über den Kopf ziehend, suchte sich die junge Frau ihre Kleidung aus dem Schrank. Das war es wirklich mit „den ganzen Tag im Bett bleiben“. Ryo konnte genauso dickköpfig sein wie sie selbst, da half kein Reden, Schreien und Ignorieren. Sie hatte alles versucht, das ging bei ihm in das eine Ohr rein und im anderen wieder raus. Schmerzhaft zuckte sie zusammen, als sie ihre verletzte Hand zu schnell bewegte. Aber gut, Gassi gehen war bei Weitem angenehmer, als einen Tag mit Jack zu verbringen oder mit ihrer Mutter. Ihre Hände zogen ihre Haare aus dem Kragen des T-Shirts, bevor sie den Gürtel mit einem Handgriff schloss. Ihr Handy, das neben ihrem Bett lag, fand seinen Platz in ihrer Hosentasche, ehe sie wieder aus dem Zimmer ging. Ohne Ryo zu beachten, huschte sie in das angrenzende Badezimmer. Er stieß sich von der Wand ab und kniete sich zu Kuroi hinunter, der zwischen dem Durchgang zur Stube lag. Kraulend strich er dem Rüden durch das schwarze dichte Fell. Es war ihm zuvor nicht aufgefallen, aber Rika hatte auch jetzt die Handschuhe angehabt. Keine Frage, sie passten zu ihr, doch war sie, wie es den Anschein hatte, erst aufgestanden und da meldete sich sein Misstrauen in alter Manier zurück. Er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie nie so beharrlich auf ein Kleidungsstück geachtet hatte. Warum also zog sie die Dinger sogar an, wenn sie nur die Tür öffnen ging? Die Badezimmertür öffnete sich wieder und seufzend kam ihm die junge Frau entgegen. „Na, fertig?“ „So sieht’s aus.“ Er stand auf und mit ihm Kuroi, der vorfreudig zu der Nonaka tapste, die ihn nicht weiter zu beachten schien, aber kleinlichst darauf achtete, dass er ihre linke Hand nicht streifte. Unbemerkt von ihr, beobachtete Ryo sie weiter und legte die Stirn in Falten. Auch, als sie ihre Schuhe anzog und die Jacke nahm, benutzte sie nur die rechte Seite. Lauer, warmer Wind hauchte über sie und die Sonne versprach einen angenehmen Spätnachmittag. Lautes Kindergeschrei schallte durch den großen, angelegten Park und Kuroi hetzte dem Ball hinterher, den ihm Rika zum wiederholten Mal schmiss. Sie hatten normal miteinander geredet, über belanglose Sachen und doch fiel ihm immer mehr auf, wie ruhig sie sich verhielt. Sie hatte keinen Ton darüber verloren, dass sie mittlerweile seit fünf Stunden durch den Park gingen oder auf einer Bank saßen. Für einen normalen Spaziergang mit dem Hund also viel zu lange. Seine Augen schweiften zu der jungen Frau, die still neben ihm herging. Den ganzen Tag über hatte sie ihre linke Hand nicht benutzt, vergrub sie in ihrer Jackentasche. „Was ist?“ Rika erwiderte seinen Blick skeptisch, als sie diesen bemerkte. „Nichts.“ Ryo verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah gerade aus. „Lust auf einen Kaffee?“ Die Augenbrauen hochziehend, musterte sie den jungen Mann neben ihr, der sich mit dem Kopf erneut ihr zu wandte. Ryo musste sich ein Schmunzeln verkneifen, als er ihren nach wie vor argwöhnischen Augen begegnete. „Jetzt schau nicht so. Ich dachte, dass wir mal eine Pause vom ständigen Ballwerfen gebrauchen könnten und in der Nähe ist ein Café.“ „Eigentlich schmeiß nur ich den Ball, du läufst neben her und hältst die Leine“, stellte sie nüchtern klar. „Dann ist doch ein kühlendes Getränk genau das Richtige oder nicht?“ Rika bückte sich und hob den feuchten Ball, den ihr Kuroi brachte, auf, um ihn kurz darauf wieder auf die Wiese zu werfen. „Ich dachte du willst Kaffee trinken.“ „Vielleicht will ich auch nur irgendwo in einem Lokal sitzen, wo es nicht so warm wie hier ist“, meinte er belustigt und nahm seine Arme herunter. „Ich hoffe du verstehst das wirklich nur als kleine Pause zwischendurch.“ „Sicher, wie soll ich es denn sonst verstehen?“ Ihr lautes Schnaufen und den Blick, der sagte „du weist genau was ich meine“ ließen ihn lächeln. „Kuroi“, rief er den Hund zurück und legte ihm die Leine um, während sie in die Richtung schlenderten, wo das Café lag. „Nur ne kleine Abkühlung, mehr nicht“, bestätigte er ihr grinsend, woraufhin sie ihren Kopf milde schüttelte. Das hoffte sie für ihn... Mit der rechten Hand stützte sie ihren Kopf ab und nippte an dem Strohalm, ihres Eiskaffees. In dem Lokal war es angenehm kühl, was nicht nur Kuroi unter dem Tisch herzlich willkommen hieß. Wenn man genau hinhörte, vernahm man unter den gedämpften Stimmen der Gäste die leise Musik, die im Hintergrund spielte. Vor dem Café liefen spielende Kinder lärmend hintereinander her und kleine Spatzen suchten pickend nach Futter. „Weißt du, was mir aufgefallen ist, Rika?“, riss Ryo sie aus ihren Beobachtungen. Desinteressiert drehte sie ihren Kopf zu ihrem gegenüber. „Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.“ Ehe sie reagieren konnte, umfasste er das Handgelenk ihres linken Armes und zog ihn zu sich heran. „Was...“, stieß sie perplex aus und zuckte im nächsten Moment schmerzhaft zusammen, als Ryo ihren Handrücken berührte. „Dass du deine linke Hand nicht benutzt.“ Sein Griff verfestigte sich, als sie versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu lösen. „Lass los!“ Auf ihr Fauchen nicht reagierend, zog er ihr vorsichtig den Stoff über die Finger, denn ihm war das Zusammenfahren nicht entgangen. Kapitel 5: Der Glanz des Stolzes -------------------------------- Der Glanz des Stolzes Sie hörte ihn scharf die Luft einziehen, als der schwarze Stoff ihre Hand freigab und die violett gefärbte Haut zeigte. Ryo lockerte den bis eben festen Griff um ihr Gelenk, doch hinderte er sie weiterhin daran, ihren Arm zurück zu ziehen. „Ryo lass...“ Der junge Mann unterbrach sie. „Warst du damit bei einem Arzt?“ Je länger sein Blick auf der Verletzung verweilte, desto kühler wurde seine Stimme. Die Frage, was sie getan hatte, dass ihre Hand so schlimm aussah, lag ihm auf der Zunge, doch war momentan viel wichtiger zu erfahren, ob sie damit bei einem Mediziner war. Er kannte sie und wusste, dass Rika erst zu einem Heiler ging, wenn es wirklich nicht mehr auszuhalten war. „Lass mich los und zwar jetzt“, fauchte sie leise und drohend. Die junge Frau wehrte sich nicht mehr gegen seine Umklammerung, verspannte sich jedoch zusehends. Ryo ging zu weit, er sah es, als er den Blick von der Prellung abwandte. Das Grau ihrer Augen schimmerte in einem hellen Magenta, ein tosender Sturm, der nichts Gutes verhieß. „Rika, hast du das ansehen lassen?“ Sie antwortete nicht, riss sich von seiner Hand los und stand abrupt auf. „Lass es sein...“ Kuroi unter dem Tisch sprang wie Ryo auf, als die junge Frau gegen ihr normales Verhalten, fast fluchtartig das Café verließ. Die junge Frau hörte, wie er ihr hinterher rief, doch es könnte sie nicht weniger interessieren. Ryo war zu weit gegangen, eindeutig. Ihr Blick schweifte zu ihrer Hand und Wut flammte wild auf. Den Handschuh, den sie hielt, streifte sie sich in einer harschen Bewegung über, dass es nur umso mehr schmerzte, war ihr ebenso egal. Sie brauchte keinen Arzt ebenso wenig wie sie Ryo brauchte. Sie würde eher sterben, als das sie ihm erzählte, wie das passiert war und diese Frage würde unweigerlich kommen. „Rika!“ Ryo ignorierend ging sie weiter, versucht nicht über Kuroi zu stolpern, der spielerisch neben ihr her rannte. „Verdammt noch mal, jetzt bleib doch stehen!“ Ryo umfasste ihren Arm, bestimmend, doch nicht grob. Rika drehte sich mit Schwung um, löste sich ruppig von ihm. „Lass mich in Ruhe, Ryo. Nur weil du denkst, wir seien Freunde, heißt das nicht, dass du dich in alles Einmischen kannst. Es geht dich nichts an, ebenso wenig wie Ich dich etwas angehe.“ Mit diesen Worten ließ sie den jungen Mann stehen, nicht einmal der Hund folgte ihr noch. Er sah ihr nach, sprachlos und erschrocken. Der Schäferhund neben ihm winselte leise, ehe er sich hinsetzte und den Kopf schief legte. Er wusste sie meinte es nicht so, tat sie nie, aber trotz allem war es ein Dämpfer, der gesessen hatte. Ryo seufzte, strich sich durch die Haare und richtete seinen Blick auf das Tier, bevor er sich hinkniete. „Ich bin selbst schuld“, sprach er leise zu sich. Rika hatte schon immer eine gewisse Grenze um sich herum, eine unsichtbare Linie, die sie selbst errichtet hatte. Nicht einmal Jen überschritt diese, wohl wissend, dass die Nonaka immer eine gewisse Distanz aufrecht erhielt. Egal ob sie jemanden zu ihren Freunden zählte, der Abstand blieb. Ryo hatte diese Grenze überschritten, die Drohungen ignoriert. „Was soll ich denn sonst tun, kannst du mir das sagen?“, flüsterte er leise zu Kuroi und strich dem Rüden über den Kopf. Sie sprach nicht mit ihm, würde es höchstwahrscheinlich nie tun. Er machte sich nur Gedanken, auch wenn sie es nicht sehen wollte. Diese eigensinnige und stürmische Frau bedeutete ihm mehr als sie erahnen konnte. „Na komm, lass uns nach Hause gehen.“ Ryo stand auf und hing sich die Leine über die Schulter, bevor er sich auf den Weg zu seiner Wohnung machte. Früher war es reine Schwärmerei, ihr Mut damals hatte ihn gefesselt, genau wie die Tatsache, dass sie immer gegen das war, was er sagte. Egal ob sie im Recht oder Unrecht war und letzteres war sie oft. Rika hatte eine Ausstrahlung, die nur wenige Menschen hatten, und diese innere Stärke, die sie umwarb, raubte ihm beinahe die Luft. Um ehrlich zu sein, Rika war auch einer der Hauptgründe gewesen, warum er vor zwei Jahren nach Shinjuku gezogen war. Noch genau konnte er sich an den Streit mit seinem Vater erinnern, der nicht verstanden hatte, warum er unbedingt dort studieren wollte. Ryo seufzte abermals und sein Blick fiel auf den kleinen See, in dem sich die untergehende Sonne spiegelte. Kuroi neben ihm hechelte und tapste müde neben ihm her. Sein Vater verstand es immer noch nicht und Ryo würde ihn auch in nächster Zeit nicht aufklären, warum auch. Die Einzige, die erahnen konnte, was er wirklich für diese junge Frau empfand, war Jen. Das Feingefühl der Kato war in manchen Momenten erschreckend genau. Vor Monaten hatte sie ihn einmal gefragt, warum er Rika nichts sagte, die Antwort war einfach. Weil sie nichts für in empfand. Er nahm den erschöpften Schäferhund an die Leine, sobald sie die große Hauptstraße erreichten. Dennoch, er sorgte sich um Rika, ob sie es wollte oder nicht, war ihm relativ egal. Sie war genauso verletzbar wie alle anderen, auch wenn die junge Frau es gut zu verstecken wusste. Es gab einfach Dinge, gegen die sie nicht ankam, egal wie stark und mutig sie war. Ihre Hand sah alles andere als schmerzfrei aus, und auch wenn er nicht Medizin studierte, konnte er sagen, dass so eine Prellung nur durch massive Krafteinwirkung entstehen konnte. Ob sie ihn liebte oder nicht, war ihm nicht wichtig, sie waren noch immer Freunde, seit nun mehr als sieben Jahren. Er würde sie nicht alleine lassen, auch wenn Rika das Gegenteil wollte. Das Erste, das Rika wahrnahm, als sie durch die Haustür in den kühlen Gang hinein trat, war, dass die Schuhe ihrer Mutter noch nicht an ihrem Platz standen. Das Zweite, was ihr auffiel, ließ sie schlucken, denn Jack war sehr wohl zu Hause. Seine Stimme, die Laut widerhallte, ließ sie schwer seufzen. Sie hatte nämlich gedacht, dass er erst spät abends wieder kam, falsch gedacht. Langsam zog sie ihre Schuhe aus und schmiss sie in die nächstbeste Ecke. „Ruki“, rief der Mann erneut nach ihr. Der fröhliche, fast belustigte Ton in seiner Stimme ließ sie unbehaglich die Jacke aufhängen. Unwillig trugen ihre Füße sie in das Wohnzimmer, wo Jack bereits auf der Couch auf sie wartete. „Wo ist Mama? Ich dachte, ihr seit zusammen dorthin gefahren.“ „Deine Mutter musste kurzfristig arbeiten. Wo warst du? Ich warte seit einer Stunde auf dich“, brummte er und winkte die junge Frau zu sich. Ihm nicht antwortend, fielen ihre Augen auf die große Tasche, die er öffnete und erst der dunkle Blick, den er ihr daraufhin zuwarf, brachte sie zum sprechen. „Draußen.“ Er wandte sich ab fing an, in dem Beutel zu wühlen, leises Klirren erklang. „Du hast Glück, ich habe heute sehr gute Laune und daher habe ich dir etwas mitgebracht. Ich hoffe die Sachen gefallen dir. Deine Mutter war im übrigen begeistert“, meinte er und ein Grinsen legte sich auf seinem Gesicht nieder. Misstrauisch beobachtete Rika sein Tun. Sie hatte Jack bisher nur zwei Mal so gut gelaunt ihr gegenüber erlebt und beide Male hatte sie sich gewünscht, ein Auto würde sie überfahren. Das erste Mal war er mit teurer Schminke angekommen. Damals kannte sie ihn noch nicht lange und hatte einfach abgelehnt, was er zwar nicht gutgeheißen hatte, aber still hinnahm. Das zweite Mal war, als sie entsetzt feststellen musste, dass ihr Zimmer nicht mehr schwarz, sondern rot gestrichen war. Gut konnte sie sich an sein erfreutes Gesicht erinnern, als er „Überraschung“ gesagte. Aus der Sprachlosigkeit wurde Wut, denn noch nie hatte es jemand gewagt, so in ihre Privatsphäre zu dringen. Sie hatte ihn alles geheißen und auch seine Ohrfeige danach war ihr noch gut in Erinnerung geblieben. „Was gebe ich dir als Erstes?“, murmelte er leise zu sich selbst, ehe er einen schwarzen Stofffetzen herauszog. Auffordernd hielt Jack ihn ihr entgegen. Argwöhnisch nahm sie ihm den Stoff ab. Ein Kleid? „Zieh es an!“ Blinzelnd sah sie auf. „Was? Warum sollte ich?“ Soll er es doch selbst anziehen. Sie hasste Kleider und das Teil zeigte mehr, als es bedeckte, dazu brauchte sie es nicht einmal auszubreiten. „Weil ich es dir sage, Ruki!“, knurrte er ihr leise entgegen und stand im nächsten Augenblick auf. „Oder soll ich es dir mit Gewalt anziehen?“ Automatisch wich sich zurück, ein stiller Machtkampf, in dem sie schluckend nachgab. Es würde sie nicht umbringen, das Ding anzuziehen. Ihre Hand um das kurze Kleid verkrampfte sich, während sie sich umdrehte und aus dem Zimmer verschwinden wollte. „Wo willst du hin?“ Abrupt blieb sie stehen. „Ich sagte nichts von „aus dem Zimmer gehen“, oder?“ Rika drehte sich um, sah ihm in die Augen. War das sein Ernst?! Starr und sich nicht bewegend stand sie da und hob ihren Kopf an. Das konnte er vergessen... Sie zog sich nicht vor ihm um! „Du kannst dich in der Küche umziehen“, fauchte er weiter, als sie sich noch immer nicht rührte, sich still weigerte. „Du machst mich durchaus an, keine Frage und auch würde ich dich sicher nicht von der Bettkante scheuchen, doch ich bin mit deiner Mutter zusammen. Der Sex ist ausreichend.“ Ein Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte, flammte auf, eine Mischung aus Angst, Entsetzen und absoluter Fassungslosigkeit. Rika wurde schlecht, die stille Botschaft hatte sie durchaus verstanden. „Jetzt mach hin oder soll ich nachhelfen?“ Die gute Laune, die er zuvor ausstrahlte, war gewichen, ließ der Gereiztheit ihren Platz. Die einzige Option, die sie hatte, war zu tun, was er sagte oder wegzulaufen, wobei Letzteres schmerzhafte Folgen hätte. Der Mann war einfach nur krank... Unter seinem stechenden Blick trugen sie ihre Füße in die angrenzende Küche. Sollte er auch nur einmal versuchen, sie anzufassen, würde sie ihn umbringen... Ihre unverletzte Hand zog die Trenntür zu und abwertend schmiss sie den Stoff auf einen Stuhl in der Nähe. Wie sie diesen Mann hasste... Mit einem Blick zurück versicherte sie sich selbst, dass die Tür nach wie vor geschlossen war. Schnell zog sie ihr Oberteil über den Kopf und die Hose folgte kurz darauf. Schluckend griff sie nach dem Kleid, wenn man es den ein solches nennen konnte. Es war kurz und schulterfrei, reichte ihr gerade einmal bis zur Mitte ihrer Schenkel. Ihr Blick legte sich automatisch auf die Terrassentür, die ihr Spiegelbild zeigte. Den Kopf senkend ballte sie ihre Hände zusammen. Sie sah aus wie eine drittklassige Schlampe, das alles hier war reine Schikane und sie konnte nicht einmal etwas dagegen tun, ohne ihn wütend zu machen. „Ruki!“ Sich auf die Lippen beißend, gehorchte sie seiner Stimme. Rika hatte sich noch nie hilflos gefühlt, doch jetzt tat sie es. Auch, als sie die Tür öffnete, hob sie ihr Haupt nicht. „Das sieht gut aus. Komm her und dreh dich!“ Es war einfach demütigend, aber anderes würde sie hier nicht wegkommen und das war das Einzige, das sie noch wollte. Weg von ihm, einfach nur noch weg. Resigniert tat sie, was er sagte, jedoch vermied sie aufs Genaueste, ihn anzusehen. Sie spürte seinen Blick auf sich und schmeckte ihr eigenes Blut. „Du kommst eindeutig nach deiner Mutter. Sieh mich an, Ruki“, meinte er, bevor er weiter sprach, “Weißt du was mich wundert?“ Jack lehnte sich in der Couch zurück, die Arme lässig über die Lehne hängend. Seine Augen hingen auf ihrem Körper und schweiften musternd darüber. Rika schüttelte nur stockend den Kopf, brachte keinen Laut über ihre blutigen Lippen. „Es wundert mich, dass dich noch keiner flach gelegt hat oder irre ich mich?“ Er wartete keine Antwort ab, nippte an seinem Bier, das er von dem Tisch nahm, ließ Rika weiterhin vor ihm stehen. „Der Kerl, der letztens hier war mit dem Köter. Hat er es geschafft? Oder lässt du ihn nicht ran?" Rika antwortete wieder nicht, wandte lediglich den Blick von ihm ab, sah starr auf den sauberen Boden. Dreckiger Mistkerl... Der Zorn flammte auf, wild und unbändig. Ihre Fingernägel bohrten sich immer stärker in ihr Fleisch und die linke Hand fing schmerzhaft an zu stechen. „Muss ich denn immer betteln, damit du mir antwortest?“, sprach er monoton, dennoch knallte er die Flasche geräuschvoll auf den Tisch. „Wir sind nur Freunde“, zwang sie sich zu sagen. „Nur Freunde, ja? Er würde dich sicher nicht abweisen, wenn du dich ihm anbietest. Weißt du, Ruki.“ Jack machte eine kurze Pause, ehe er belustigt weiter sprach, „Männer sind Arschlöcher und Frauen nichts weiter, als ein billiges Spielzeug.“ Er seufzte theatralisch, bevor er abwinkte und wie zuvor in der Tasche wühlte. „Ich hab noch etwas für dich. Komm her!“ Leise klirrte es, während er ein schwarzes Fußkettchen mit Glöckchen hervorzog. „Die Kette wirst du ab sofort anhaben. Ich will wissen, wo du bist.“ Ihre Gesichtszüge entgleisten gänzlich, gleichzeitig er auch das zweite Kleid herauszog. Das war verdammt noch mal nicht sein Ernst... Auffordernd streckte er ihr beide Sachen entgegen und sein Schmunzeln wurde breiter. Die junge Frau nahm es und schrie innerlich. „Es wird dir sicher stehen und dich daran erinnern, mich nicht mehr warten zu lassen.“ Starr blickte sie auf die Sachen in ihrer Hand, nicht fähig etwas zu tun. Sie war ohne ein Wort in die Küche gegangen und hatte leise die Tür hinter sich geschlossen, verfolgt von seinem abwartenden Blick. Rika schloss die Augen, die Glöckchen klingelten leise, während sie sich durch die Haare strich. Tief atmete sie durch. Sie hatte bisher alles mitgemacht, mit Widerworten, doch sie hatte es getan. Ihren Stolz gänzlich herunter geschluckt, weil sie wusste, ihr blieb nichts anderes übrig. Doch das ging zu weit, war einfach zu viel... Sie würde nicht wie ein Dienstmädchen herumlaufen, lieber ließ sie sich verprügeln! Das Kleid und das Band auf den Tisch legend, zog sie ihre alte Kleidung an. „Was dauert das so lange?“, hörte sie ihn rufen und reagierte nicht darauf. Rika nahm das Kostüm in die Hand und wandte sich langsam um, schritt zurück zur Schiebetür. „Ich werde das Zeug nicht anziehen!“, meinte sie nichtssagend, als sie ins Wohnzimmer kam und ihm beide Sachen vor die Füße schmiss. „Was hast du gesagt?“ Jack musste kurz blinzeln, Unglauben legte sich nieder. „Du hast mich verstanden, ich werde nicht als Dienstmädchen herumlaufen." Kurz musste sie schmunzeln, allein deswegen, weil sie so etwas wie Zufriedenheit verspürte und das erste Mal seit Monaten ein Gefühl des Wohlgefallens um sie herum schwebte. „Weißt du, was mir schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt? Dass du ein dreckiger Bastard bist, der weder Würde noch sonst irgendein Ehrgefühl besitzt.“ Der Triumph war nur ein mildes Streichen, ein kurzer Hauch, der ihrem Stolz und ihrem Selbstbewusstsein schmeichelte. Ungeachtet dessen, wusste Rika, dass dieser vergänglich war. Die junge Frau drehte sich um, eilte aus dem Wohnzimmer. Sie hatte nicht viel Zeit, gerade einmal so viel, um zu versuchen, aus dem Haus hinaus zu kommen. Denn sobald er wirklich realisierte, was sie gerade getan hatte, würde er reagieren. Schneller als sie es selbst von sich erwartete, hatte sie ihre Schuhe genau wie ihre Jacke an. Ihre Worte und ihr Verhalten würden Konsequenzen haben... Rika riss die Haustür auf, knallte sie hinter sich zu und rannte. Aber es konnte sie in diesem Augenblick nicht weniger interessieren. Kapitel 6: Angenehmer Nachtwind ------------------------------- Kapitel 6 Angenehmer Nachtwind Milder Wind strich ihre Haare nach hinten und die Schaukel, auf der Rika saß, bewegte sich leicht nach vorne. Es war angenehm warm, dafür dass es bereits Nacht war und nur die Laternen mäßig Licht spendeten. Ihren Kopf an die Eisenketten lehnend, schloss die junge Frau die Augen. Sie hatte erwartet, dass Jack versuchen würde, sie anzurufen oder eine Nachricht schrieb, doch nichts. Dass er ihr nicht hinterherkam, sie suchte, wunderte sie nicht, denn das tat er nie. Er wusste, sie musste irgendwann zurück nach Hause, allein wegen ihrer Mutter. Jack würde warten, er hatte Zeit. Ein kleiner Teil in ihr, der sich Verstand nannte, schrie sie an, wie dumm sie eigentlich war. Warum hatte sie das Kostüm nicht genau wie das Kleid zuvor angezogen, er wäre zufrieden gewesen und sie hätte einen Abend mehr überstanden. Es wäre nichts dabei gewesen, egal ob sie sich schwach und klein fühlte, doch jetzt würde es noch schlimmer werden. Ihr Bein bewegte sich, schob sie vor und zurück. Ihre Augen öffnend, blickte sie in den dunklen Nachthimmel hinauf. Sie würde es jederzeit wieder so machen! Es war ihr egal was er tun würde, wenn sie zurückkäme, sie bereute es in keinster Weise. Die Worte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte, waren ihr bereits seit Tagen auf den Lippen gelegen und hatten nur darauf gewartet, endlich ausgesprochen zu werden. Lautes Gelächter drang an ihr Ohr und Rikas Aufmerksamkeit richtete sich auf den Weg, der aus dem Park führte. Zwei junge Mädchen liefen lachend an dem Spielplatz vorbei. Einzelne Gesprächsfetzen wehten ihr entgegen. Wie es den Anschein hatte, waren beide viel zu spät dran, doch scherte es keine von ihnen, was ihre Eltern dazu sagten. Sie selbst war genauso und ihre Mutter hatte nie wirklich etwas dagegen gesagt. Sie wusste durchaus, dass sich Rumiko Sorgen machte, doch war diese meistens durch ihre Arbeit so eingenommen, dass sie selbst auf der Strecke blieb. Es war ihre Großmutter gewesen, die sie dann ruhig zurechtwies. Mit verständnisvollen, alten Augen stand sie seufzend in der Küche und hatte lediglich gefragt, warum sie schon wieder so lange weggeblieben war. Nur Seiko hatte es vermocht, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen und den darauf folgenden Abend früh zu Hause zu sein. Lautlos seufzte sie, wandte den Blick von den beiden ab. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte ihre Großmutter sie verstanden, egal um was es ging. Diese Frau war für sie da gewesen, auch wenn Rika es nie wollte, allein das Wissen hatte ihr genügt. Die junge Frau schüttelte den Kopf, strich sich über das Gesicht. Sie dachte zu viel nach! Seiko war nicht mehr hier und daran würde sich nichts ändern. Tote konnte man nicht wieder lebendig machen. Auch nicht mit Erinnerungen. Sie musste sich an die jetzige Situation gewöhnen und damit leben. Ein Rascheln rechts von ihr ließ sie aufschrecken. Ihre Augen schweiften zu dem Gestrüpp und automatisch stand sie auf. Vielleicht war es doch keine gute Idee gerade hier herzugehen. Man sollte sein Glück nicht überstrapazieren hieß es immer und sie hatte ihr Schicksal heute bereits zu oft herausgefordert. Rika versteifte sich ohne es zu wollen, als ein Schatten durch den schwachen Schein der Laterne huschte und im nächsten Moment verschwunden war. Sie hob beobachtend ihr Haupt, bevor sie sich umwandte und aus dem Spielplatz ging. Ein kaum beleuchteter Park war wohl wirklich nicht der geeignete Platz, um die Nacht rum zu bekommen. Aus dem Augenwinkel sah sie gerade noch, dass etwas Großes auf sie zusprang, erschrocken schrie sie auf und stolperte zurück, während sich etwas Schweres gegen ihre Beine warf. "Gott...", japste die junge Frau, als sie erkannte, was dort um sie strich. Zögernd hob Rika ihre Hand, ehe sich ein leicht belustigtes Schmunzeln über ihre Züge legte. „Du hast mich ganz schön erschreckt.“ Hechelnd und mit dem Schwanz wedelnd, jaulte der große Hund freudig auf, als Rika ihm über das dicke, weiche Fell strich. „Na, was machst du hier?“, murmelte sie weiter und hockte sich zu ihm auf den Boden. Den Kopf schief legend sah er ihr mit seinen treuen dunklen Augen entgegen, genoss die Streicheileinheiten. Dieses Mal musste er Ryo wirklich abgehauen sein, den sie bezweifelte, dass er um halb zwölf noch Gassi ging und auch, dass der Hund kein Halsband trug, sprach dafür. Seufzend stand sie auf, zog ihr Handy aus der Hosentasche. „Mal sehen“, meinte sie eher zu sich, als zu dem Hund, bevor sie die Nummer des Akiyama wählte. Das Telefon an das Ohr haltend lief sie weiter, wohl wissend, dass ihr Kuroi hinterherkam. „Rika?“, erklang es nach unzähligem Läuten verschlafen. „Sicher, ist schließlich meine Nummer, nicht.“ Bevor sie noch etwas sagen konnte, kam er ihr zuvor. „Warum rufst du an? Ist alles in Ordnung?“ Rika hob die Augenbrauen anhand seiner nun hellwachen Stimme. War es den so verwunderlich, dass sie anrief? Gut, sie musste zugeben, man konnte es an einer Hand abzählen, wie oft sie ihn in den sieben Jahren angerufen hatte. „Kann es sein, dass du etwas verloren hast?“, sprach sie belustigt und umfasste den Rüden am Fell, während sie über die verlassene Kreuzung lief. Auf seine zweite Frage jedoch ging sie bewusst nicht ein und Rika bezweifelte, dass es ihm jetzt auffallen würde. „Nicht dass ich...“ Ryo stockte, ehe er ungläubig weiter sprach. „Sag jetzt nicht, dass Kuroi bei dir ist.“ Die junge Frau musste schmunzeln, ließ den Hund wieder los und wie bestellt fing er kurz an zu bellen. Resigniert seufzte der junge Mann und sie konnte sich bildlich vorstellen, wie er sich durch die Haare fuhr. „Ich komm ihn holen, wo bist du gerade?“ „Nicht nötig, ich bin in zehn Minuten bei dir.“ Mit der letzten Silbe legte sie auf, noch ehe er etwas erwidern konnte. Ryo würde nur mit derselben Leier wie immer kommen. Dass er es nicht mochte, dass sie alleine bei Nacht in der Stadt herumstreifte. Sie würde den Schäferhund abgeben und schleunigst verschwinden, noch ehe er zu einer Standpauke ansetzen konnte. „Hey Schnecke“, lallte es ihr lärmend von der anderen Straßenseite entgegen. Rika verdrehte schnaufend die Augen, gleichsam sie den besoffenen Typen sah. Die junge Frau ging weiter und hörte, wie er ihr hinterher rief: „Nicht so schnell. Wo musst du denn hin? Soll ich dich nach Hause bringen?“ Wankende Schritte erklangen. Genervt stöhnte sie auf. Es war unter der Woche und nicht einmal dann war man vor besoffenen Idioten geschützt. „Verzieh dich“, fauchte sie kalt, in der Hoffnung er würde wieder auf die andere Straßenseite verschwinden. Der Geruch von Alkohol wehte ihr entgegen, mit keinem Blick beachtete sie den nun neben ihr herlaufenden Mann. „Hab dich nicht so. Wir können auch zu mir.“ Billiger ging es nicht mehr... Stand auf ihrer Stirn „Schlampe“? „Was verstehst du an den Worten „verzieh dich“ nicht?“ „Du zierst dich aber ganz schön.“ Er griff nach ihr, doch im nächsten Augenblick erklang ein drohendes Knurren, das ihn innehalten ließ. Kuroi stand vor beiden, die Lefzen weit hochgezogen und das Fell abstehend nach oben gerichtet. Vorsichtig und wieder vollkommen nüchtern senkte der Fremde den Arm und stolperte zurück. Rika musterte den Hund verwundert, doch dann verhärtete sich ihre Mine, ehe sie sich umwandte. „Und haust du jetzt ab? Oder muss ich erst den Hund auf dich jagen?“ Schluckend schüttelte er seinen Kopf und schneller, als man schauen konnte, verschwand er um die nächste Ecke. Ihr Blick fiel auf Kuroi, der nicht im entferntesten an gerade eben erinnerte. Schwanzwedelnd kam er auf sie zu, jedoch die Ohren wachend aufgestellt. Hunde waren in manchen Momenten wirklich praktisch, so schnell war noch keiner abgehauen. Ihm über den Rücken streichend, schritt sie weiter und bog in die Straße ein, in der Ryo wohnte. Ein belustigtes Schmunzeln legte sich nieder, als sie den jungen Mann mit verschränkten Armen am Zaun seiner Wohnung erblickte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie nichts anderes erwartet. Kuroi rannte um ihre Beine, ehe er zu seinem Ersatzherrchen eilte. Den Hund nicht beachtend, stieß er sich von dem Holz ab, wartete bis auch Rika bei ihm war. „Du weißt, ich mag es nicht, dass du mitten in der Nacht alleine durch die Stadt läufst“, fing er an und erntete ein Schnaufer. „Dann fahr ich das nächste Mal aufs Land“, meinte sie Schulter zuckend. Er musste wirklich schon geschlafen haben, wie ihr auffiel, ansonsten würde er nicht mit Jogginghose und solch zerzausten Haaren dort stehen. „Rika...“ „Du übertreibst mal wieder. Den Hund hab ich dir gebracht, bis dann.“ Sie wollte sich umdrehen, gehen, denn das Letzte, was sie wollte, war irgendeine Diskussion oder gar Streit. Der Tag war schlimm genug gewesen. „Kannst du vergessen. Rika, entweder kommst du mit rein und wartest, bis ich mich angezogen habe oder du bleibst hier. Alleine lass ich dich nicht gehen.“ Eigentlich hätte sie es sich denken können... „Ryo, ich hab kein Bock auf irgendeine unnötige Diskussion, also...“ Er unterbrach sie seufzend und löste seine verschränkten Arme. „Ich mach mir nur Sorgen und Shinjuku ist so spät auch nicht ungefährlich. Also bitte komm mit rein oder lass dich von mir nach Hause bringen.“ Sie atmete schwer aus und ihr Blick, den sie abgewandt hatte, fiel wieder auf den jungen Mann vor ihr. Rika wusste nicht, was sie dann dazu bewegte, resigniert den Kopf zu schütteln und nachzugeben. Aber seine müden Augen, die, als sie ihm in die Wohnung folgte, erleichtert aufblitzten, trugen zu ihrer Reaktion bei. Im Gegensatz zu allen anderen war sie nicht oft hier gewesen, genau dreimal in den zwei Jahren, in denen Ryo bereits hier wohnte. Aus irgendeinem Grund, der ihr selbst nicht klar war, hatte sie es vermieden, zu ihm zukommen. Ebenso wie sie zugeben musste, dass sie es heute auch noch tat. In den letzten Tagen hatte sie mehr Zeit mit ihm verbracht, als in den Jahren davor. Es war nicht so, dass sie sich nicht trafen, das war häufig der Fall, jedes Mal, wenn die anderen etwas unternahmen, doch dass sie alleine waren, war selten. „Kuroi“, murrte er genervt und lief durch das offene Wohnzimmer hinüber zur Terrassentür, schloss diese etwas lauter, als beabsichtigt. Rika hob ihre Augenbrauen, beobachtete den Hund, wie er von der nun geschlossenen Tür zurück auf seine Decke tapste. Das waren ganz neue Seiten, sie hätte nie erwartet, dass Ryo so etwas, wie schlechte Laune empfinden konnte. „Ich bin gleich fertig, dann fahr ich dich nach Hause.“ Die junge Frau ließ sich auf die helle Couch nieder und lehnte sich leicht zurück. „Lass stecken, ich hab keine Lust auf ein schlechtes Gewissen.“ Und das würde sie unweigerlich bekommen, wenn er wegen ihr noch raus musste. Er fing an zu schmunzeln. „Es macht mir nichts aus. Es ist mir lieber, als wenn du alleine rumgeisterst.“ „Trotzdem würde ich eines bekommen und darauf hab ich keine Lust.“ Erstens das und zweitens würde sie heute ganz sicher keinen Fuß mehr in das Haus ihrer Mutter setzen. Leise lachte er und schüttelte den Kopf. Das hieß dann wohl, dass sie hier bleiben würde. „Willst du was trinken?“ Sie verneinte und er ließ sich auf den Sessel nicht weit der Couch nieder. „Wo hat dich Kuroi eigentlich gefunden?“ Ryo unterdrückte ein Gähnen und sein Blick schweifte zu dem Tier, das auf der Decke schlief. Irgendwie war er froh, dass Kuroi die Chance genutzt hatte, durch die offene Trassentür abzuhauen, als er auf der Couch eingeschlafen war. „Er ist mir im Park entgegen gekommen.“ Ryo verkniff sich den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag. Er wusste nicht, wie oft er es ihr bereist gesagt hatte, dass sie um so eine Uhrzeit nicht mehr alleine raus sollte, aber in der Beziehung sprach man bei Rika gegen eine Wand. Ihr war die Gefahr nicht im Geringsten bewusst, ihm schon und der Park war um 12 Uhr auch nicht gerade der hellste Platz. Er setzte an, etwas zu sagen, als sie ihm zuvor kam. „Spar es dir, Ryo.“ Der junge Mann seufzte und stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab. Er wollte doch nur, dass ihr nichts passierte... Die kleine Nachttischlampe erhellte Ryos Schlafzimmer nur mäßig und der seichte Wind strich durch das offene Fenster über die weißen Vorhänge. Vorsichtig zog sie ihre Handschuhe aus, legte sie auf den Tisch neben dem Bett, in dem sie lag. Es war ungewohnt und seltsam, dass sie bei Ryo war, aber nicht unangenehm, eher beruhigend. Ein geräuschloser Laut rann ihr über die Lippen. Erst jetzt bemerkte sie wirklich, wie müde und erschöpft sie war. Wenn sie daran dachte, dass sie morgen nach Hause musste, wurde ihr schlecht. Denn das Hochgefühl, Jack eines ausgewischt zu haben, war längst der Furcht gewichen. Es gab keine andere Option, das wusste sie und genau das war es, was sie schlucken ließ. Der Türgriff ging mit einem kratzenden Geräusch nach unten und leise schabte das Holz auf dem Boden entlang, als die Tür aufgeschoben wurde. Ihre Aufmerksamkeit legte sich verblüfft auf den Hund, der durch den Spalt hindurch lief. Mit einem beherzten Sprung war er neben ihr auf dem Bett und schnaufend legte er sich hin. Schlaues Tier... Langsam strich sie ihm durch das schwarze, weiche Fell und drehte sich zu ihm um, nachdem sie die Lampe ausgemacht hatte. Ob er das auch durfte, wenn Ryo hier schlief? Wahrscheinlich nicht. Sein Kopf rutschte etwas zu ihr und ein Schmunzeln legte sich auf ihren Lippen nieder. „Du bist ganz schön aufdringlich“, meinte sie leise. Ihren Kopf auf das weiche Kissen legend, streichelte sie Kuroi weiter, sah dabei aus dem Fenster. Vielleicht konnte sie es mit einer Entschuldigung probieren, aber sie glaubte nicht daran, dass Jack es so leicht hinnehmen würde. Die junge Frau schloss ihre Augen und ein bekannter, angenehmer Duft stieg ihr in die Nase. Ein Gedanke kam ihr in den Sinn, doch verschwand dieser so schnell, wie er gekommen war. Ryo konnte ihr nicht helfen und das wollte sie auch nicht. Sie schaffte das alleine, irgendwie... Kapitel 7: Still stand die Zeit ------------------------------- Kapitel 7 Still stand die Zeit Gähnend stand er vor der Kaffeemaschine und wartete geduldig darauf, dass er die dunkle Flüssigkeit in die Tassen schütten konnte. Er hatte relativ lange geschlafen, was nicht unter an der Tatsache lag, dass Kuroi ihn nicht wie sonst winselnd aufgeweckt hatte. Der pfiffige Schäferhund war wie vom Erdboden verschwunden, doch das gab ihm nicht zum Denken. Irgendwo lag er bestimmt, und wenn er raus musste, machte er sich bemerkbar. Sich durch die Haare streichend, stieß er sich von der Spüle ab und schaltete mit einer schnellen Bewegung den Ofen aus. Er war sich nicht sicher, ob Rika in der Früh etwas essen wollte, er selbst tat es eher selten, doch das lag mehr daran, dass er für sich alleine nichts kochte oder herrichtete. Mit Kaffee jedoch konnte er bei der jungen Frau nichts falsch machen, das wusste er seit dem Zeltwochenende vor einem Jahr. Er hatte schnell bemerkt, dass sie dieses Getränk immer und egal um welche Uhrzeit trinken konnte. Heiße drückende Luft stieg ihm entgegen und mit schnellen Handbewegungen lagen die noch dampfenden Brötchen in einem kleinen Korb, der seinen Platz auf dem gedeckten Küchentisch fand. Die Arme vor der Brust verschränkend lehnte er sich wie zuvor an die Küchenzeile und beobachtete die Uhr, die an der Wand hing. Es war seltsam, nicht alleine zu sein, es hatten schon des Öfteren Freunde hier geschlafen, doch das war kein Vergleich. Wahrscheinlich lag es einfach an der Tatsache, dass Rika es war und kein anderer. Nicht dass er etwas dagegen hätte, im Gegenteil. Aber er wusste nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte, bei Kazu oder Kenta war es ein Leichtes, die quatschten sobald sie wach waren vor sich hin. Rika jedoch war in vielerlei Hinsicht anderes, als die beiden. Seufzend strich er sich seine noch zerzausten Haare zurück. Er machte sich viel zu viele Gedanken. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie den Morgen zusammen verbrachten. Ungewöhnlich war nur, dass die anderen nicht dabei waren. Ein lauter Schnaufer und das wärmende Gewicht auf ihrer Schulter veranlasste sie dazu, müde die Augen aufzuschlagen. Geräuschvoll atmete sie aus, als ihr bewusst wurde, was sich immer aufdringlicher an sie schmiegte und seinen Kopf versuchte in eine bequemere Lage zu bringen. Das war auch eine Methode sie zu wecken, wirklich einfallsreich... Das Tier ignorierend, blieb sie liegen. Sie hatte gut geschlafen, besser als den ganzen letzten Monat. Die Hände unter dem weichen Kissen vergrabend, schloss sie ihre Augen wieder. Vielleicht konnte sie noch einmal einschlafen, sie hörte zwar das Zischen der Kaffeemaschine und konnte daraus ableiten, dass Ryo bereits wach war, aber es sprach trotzdem nichts dagegen, noch ein paar Stunden liegen zu bleiben. Ryo würde sie schon irgendwann wecken und nach Hause konnte sie heute Abend auch noch. Sie würde Jack so lange es möglich war aus dem Weg gehen und weiter schlafen war der erste Schritt dazu. Brummend bewegte sich Kuroi neben ihr, stupste mit seinem Körper an ihre Seite, um noch mehr Platz zu ergattern. Die Decke, auf der er lag, raschelte leise, als sich seine Pfoten darauf bewegten. Konnte das Tier nicht wenigstens ruhig bleiben, wenn es schon so viel Fläche brauchte, sie spürte bereits das Ende der Matratze. Das Gewicht auf ihrem Rücken verschwand und die junge Frau spürte, wie sich der Untergrund senkte, gleichzeitig der Rüde aufstand. Vielleicht würde er ja verschwinden, dann hatte sie wirklich noch eine reale Chance, etwas Ruhe zu finden. Die Nonaka stieß die Luft aus, als sein Maul samt Schulter auf sie fiel. Konnte er sich nicht wenigstens vorsichtig hinlegen? Nein, Hund musste sich ja mit seinem gesamten Gewicht fallen lassen... Seine feuchte Nase vergrub sich in ihren Haaren und genervt stöhnte sie. Das war doch nicht mehr normal. „Runter von mir, jetzt.“ Rika versuchte mit ihrem Arm das Tier wegzuschubsen. Irgendwann reichte es. Sie hatte kein Problem damit, dass er neben ihr lag, aber sehr wohl hatte sie eines damit, dass 40 Kilo auf ihrem Rücken lasteten. „Hund“, murrte die junge Frau, während sie sich auf den Rücken drehte und eben genanntes Tier nicht reagierte. Ihre Hand vergrub sich in seinem dicken Fell, während sie sich aufsetzte und ihn wegdrückte. Die einzige Antwort, die sie bekam, war ein erneutes Schnaufen und das kurze Heben des Schwanzes, als er sich mit seinem Kopf in ihren Schoß fallen ließ. So etwas Penetrantes hatte sie selten erlebt. Sich durch die Haare streichend, besah sie sich den Schäferhund, dessen schwarze Augen zu ihr aufblickten. „Du bist das lästigste Wesen, was ich bisher gesehen hab“, stellte sie nüchtern fest und doch legten sich ihre Finger auf seine Schnauze. Lästig aber irgendwie süß, auch wenn er sie zum Aufstehen zwang. Seufzend schlug sie die Decke zurück, verließ das warme Bett und musste feststellen, dass Kuroi es ihr gleich tat. Schwanzwedelnd und leise piepsend stand er neben ihr. „Du willst mich verarschen oder?“ Ihre Augenbrauen zogen sich abschätzend nach oben. Ihr ruppig über die nackten Beine streichend, lehnte er sich mit seinem Gewicht an sie, was Rika nach hinten stolpern ließ. "Wie es aussieht, ja", grummelte die junge Frau und stoppte, als sie an ihm vorbei gehen wollte. Geräuschvoll fing er an zu bellen. "Gib Ruhe, jetzt." Stürmisch sprang er gegen die angelehnte Tür, die sich mit einem leisen Knall schloss. Der Hund war doch irre und sie hatte immer mehr das Gefühl, dass er sie wirklich veralbern wollte. Kopfschüttelnd umfasste sie sein Nacken, zog den lauter werdenden Hund zurück, bevor sie die Zimmertür öffnete. Rika ließ ihn los und lärmend verschwand er auf den Gang hinaus. Auch wenn Ryo noch schlafen würde, spätestens jetzt wäre er ganz sicher wach. Ihre Beine trugen sie aus dem Raum hinaus und gähnend hielt sich die junge Frau die Hand vor den Mund. Kaffee würde ihre müden Lebensgeister sicher schnell munter machen. Der Geruch frischer Semmeln stieg ihr in die Nase und verblüfft blinzelte sie. Hatte er etwa Frühstück gemacht? Ryo sah Kuroi hinterher, als er bellend durch die Terrassentür lief und im angrenzenden Garten verschwand. Das Knallen der Tür vorher hatte ihn aufschrecken lassen und er vermutete stark, dass der Hund Rika aufgeweckt hatte. Das Gejaule war kaum zu überhören gewesen und er bezweifelte, dass die junge Frau einen so tiefen Schlaf hatte. Der Rüde kam zurück in die Wohnung, rannte in den Gang hinein. Ein Schmunzeln legte sich nieder, als er Rikas genervte Stimme hörte: „Kuroi, jetzt geh mir nicht auf die Nerven!“ Eigentlich ein perfektes Timing, die Brötchen waren angenehm abgekühlt und der Kaffee fertig in der Kanne. Die Maschine ausschaltend, schüttete er die Flüssigkeit in die hergerichteten Tassen. „Morgen du Schlafmütze“, meinte er und stockte im nächsten Moment. Das schwarze T-Shirt, das er ihr gestern Nacht zum Schlafen gegeben hatte, gab ihm einen wunderbaren Ausblick auf ihre langen Beine. Es war nicht so, dass das Kleidungsstück kurz war, viel mehr war es der Umstand, dass er die junge Frau noch nie mit etwas anderem, als eine ihrer Jeans gesehen hatte. Sicher, sie waren Baden gewesen, oft genug, doch ein Bikini war etwas anderes wie das hier. Das Hemd wirkte um einiges anziehender. Seine Augen strichen musternd über ihre Haut hinauf, bevor er innehielt und schluckend den Kopf schüttelte. Dumme Gedanken, dumme Idee, ganz dummes Verhalten. „Morgen“, brummte sie und versuchte, nicht über den Hund zu fallen, der immer wieder mit seinen Seiten gegen sie stieß. „Kaffee?“ Rika wandte ihren Blick von dem Tier ab. Das erste Mal seit die junge Frau den Wohnbereich betreten hatte, sah sie auf. "Ja, bitte", antwortete sie Ryo gähnend. Er hatte sich wirklich die Mühe gemacht. Ihre Aufmerksamkeit fiel auf den gedeckten Tisch, ehe sie dankend die Tasse entgegen nahm. „Das hättest du nicht machen müssen, Kaffee würde mir vollkommen reichen.“ Er winkte ab und grinste anhand ihres verblüfften Gesichts, bevor er sich hinsetzte. „Ach kein Problem, gerne.“ Wie es aussah, war ihm das mit dem Frühstück gelungen. Nippend folgte sie seinem Beispiel und seufzte genervt auf, als der Hund seinen Kopf auf ihren Schoß legte. Kuroi würde sie noch irgendwann in den Wahnsinn treiben. Gut, bei dem Ersatzherrchen kein Wunder. Hieß es nicht immer, Tiere würden den Charakter des Besitzers annehmen? Ryo konnte sie auch nie in Ruhe lassen, also wen wundert es, dass der Hund genau so war... „Gut geschlafen?“ Er vermied es absichtlich sie anzusehen, auch so wusste er was er sehen würde. Rika zuckte mit den Schultern, drückte die Schnauze Kurois weg und überschlug ihre Beine. „Geht“, meinte sie dann und nippte an der heißen Brühe. „Geschlafen hab ich gut, das Aufwachen war nur alles andere, als angenehm.“ Blinzelnd wanderte Ryos Blick doch zu ihr. “Wegen Kurois Gebelle?“ „So ähnlich. Der Hund hat mich systematisch aus dem Bett getrieben.“ „Wie denn das?“ Ihre Augen begegneten den seinen. „Ist einfach, wenn er neben mir liegt und mich immer weiter rausdrängt.“ Ryo fing an zu schmunzeln. Da war Kuroi also die ganze Zeit gewesen. „War er so aufdringlich?“ Belustigt schüttelte er seinen Kopf und fing milde an zu lachen, als Rika die Augenbrauen hob und auf den Hund zeigte. Er hatte seinen Kopf erneut auf ihren Schoß gelegt und wedelte eifrig mit dem Schwanz. „Willst du darauf wirklich eine Antwort?“ „Er mag dich eben“, feixte er gut gelaunt. Außer einem lautlosen Ausatmen erwiderte sie nichts. Was sollte man darauf auch sagen? Kurz strich sie dem Rüden über das Fell, ehe sie sich wie Ryo dem Frühstück widmete. Wenn sie ehrlich war, Kurois Verhalten störte sie nicht einmal. Ihr Vater hatte einen Maremmano besessen, ein wirklich schöner Hund. Eigens aus Italien hatte er den Welpen geholt, war eines Abends einfach in das nächste Flugzeug gestiegen und hinüber geflogen. Erst nach ein paar Tagen war er wieder gekommen, hatte ihr grinsend das Tier unter die Nase gehalten. Schneeweiß war die Hündin gewesen und tollpatschig, denn schon mit ihren paar Wochen stolperte das Tier in alles hinein, was im Weg stand. Da war es auch völlig egal, was es war, nicht nur ein Blumentopf war damals zerbrochen. Sie hatte den Namen für den Welpen aussuchen dürfen und am Ende hatte die Hündin auf Amai gehört. Lieblich, genau wie ihr Charakter es war. Erst, als ihre Mutter nach Monaten im Ausland zurückkam, trübte sich die Stimmung. Rumiko war damals schon gegen jedes Tier gewesen, ihr Vater wiederum wollte immer welche haben. Er war mit Hüttehunden aufgewachsen und dachte auch nicht in der Zukunft daran, auf sie zu verzichten. Der Ärger war groß gewesen. Streit gab es zu genüge, wegen jeder Kleinlichkeit und Amai war nur die Spitze auf dem Eisberg gewesen. Und als ihr Vater letzten Endes ging, musste er auch Amai mitnehmen. „Rika?“ Kurz musste die Angesprochene blinzeln, ehe sie den Kopf hob. Dumme Erinnerungen... „Was ist?“ Sein Blick lag auf ihrer verletzten Hand, der Handrücken war nach wie vor dunkelblau bis violett gefärbt, gleichwohl die Prellung langsam abheilte. „Würdest du mir eine Frage beantworten?“, fing er vorsichtig an, wohl wissend, wie sie gestern reagiert hatte. Skepsis und Misstrauen flackerten in ihren Augen auf. Ryo hatte noch nie so zaghaft mit ihr gesprochen und das war es, was sie die Augenbrauen heben ließ. „Kommt drauf an was.“ „Sag mir bitte, was mit deiner Hand passiert ist, und lüg mich nicht an.“ Irgendwie hatte Ryo erwartet, dass die junge Frau aufstehen würde und ging. Doch Rika sah ihn nur mit ihren grauen Augen entgegen, bis sie den Blick abwandte und einen weiteren Schluck Kaffe trank. Ihre Stimme war neutral, als sie sprach. „Wenn du keine Lüge willst, dann spar dir die Frage.“ Ryo unterdrückte einen resignierten Laut. Nun, wenigstens log sie ihn nicht an... Eine angenehm kühle Temperatur herrschte, frische Luft strich durch die Baumkronen, ließ die Blätter mild tanzen. Die Sonne stieg immer höher und versprach warmes sommerliches Klima. Der Park, in dem sie waren, war für diese Uhrzeit recht gut besucht, was mitunter an der Tatsache lag, dass die Urlaubszeit vor ein paar Tagen angefangen hatte. „Wollen wir zum See gehen?“, unterbrach Ryo die anhaltende Stille. Seit er sie vor einer Stunde auf ihre Hand angesprochen hatte, war die Stimmung um einiges abgekühlt. Rika hob den Ball auf, den ihr der schwarze Rüde brachte, und schmiss ihn, ehe sie antwortete: „Von mir.“ Seufzend sah Ryo Kuroi zu, wie er das Spielzeug in der Luft fing. Sie war zwar mitgekommen und redete auch ganz normal mit ihm, doch gab Rika ihm das Gefühl der Distanz. Sie zeigte durch Gesten, die ihr wahrscheinlich nicht einmal selbst bewusst waren, den Abstand zwischen ihnen. „Du bist kompliziert, weißt du das?“, rutschte es ihm, bevor er nachdenken konnte, über die Lippen. „Was?“, meinte sie perplex und hielt verwirrt inne. Der junge Mann verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Du bist kompliziert“, wiederholte er seine Worte und blickte kurz zu ihr, ehe er weiter sprach, „Wir sind Freunde, so empfinde ich es zu mindestens. Trotzdem redest du nicht mit mir oder einem der anderen. Ich weiß nicht ob es dir klar ist, aber du hältst zu uns allen eine gewisse Distanz, und sobald jemand dir helfen will oder sich sorgt, wird der Abstand größer.“ Die Stille war es, die nach seinen Worten erneut drohte zurück zu kehren. Er rechnete eigentlich nicht mit einer richtigen Antwort, umso überraschter war er, als sie antwortete: „Ryo, ich bin, wie ich bin. Ändern werde ich mich für niemanden.“ Rika fing wieder an, den Ball zu werfen, den sie unbewegt in der Hand gehalten hatte. „Das verlange ich auch nicht von dir. Ich sagte nur, dass ich mich um dich sorge und dass du in dem Zusammenhang nun mal kompliziert bist.“ Ein Schmunzeln legte sich auf seinen Zügen nieder. „Außerdem mag ich dich genau so, wie du bist.“ Laut schnaufte sie aus und schüttelte ihren Kopf. „Idiot.“ Der Murasaki See war ein beliebter Besucherort, was nicht nur daran lag, dass sein Wasser klar und rein strahlte. Sie liebte diesen Platz, eine Oase mitten in Shinjuku. Die Sonne stand hoch oben und doch war die erbarmungslose Hitze ausgeblieben. Angenehm warm, genau das richtige Wetter, um den Tag draußen zu verbringen. Gähnend lehnte sie sich nach hinten, stützte sich mit beiden Händen in dem frischen und saftigen Gras ab. Ein geräuschvolles Plätschern erklang und das Bellen Kurois, als er nicht zum ersten Mal in das kühlende Nass hinein sprang. „Ich hab das Gefühl, dass wir den so schnell nicht mehr aus dem Wasser bekommen“, warf Ryo in die Ruhe hinein und besah sich den spielenden Hund. Schwimmend schnappte der Rüde immer wieder nach der wallenden Flüssigkeit. „Drei Stunden hab ich ihm seinen dummen Ball geschmissen, von mir aus kann er die nächsten drei gerne im See bleiben.“ Man glaubte es nicht, aber stupides Spielzeug werfen machte müde. Der junge Mann, der neben ihr saß, lachte leise, was sie dazu bewegte, zu diesem zu sehen. Kritisch hob sie ihre Augenbrauen. „Was? Das war mein Ernst. Schmeiß du doch mal so lange an einem Stück.“ „Ich hab nichts gesagt“, meinte Ryo grinsend, ehe er aufstand und ihr helfend die Hand reichte. „Lass uns weitergehen.“ Schnaufend ließ sie sich hochziehen. „Ich frage mich sowieso, wie der Hund noch immer laufen kann.“ „Na ja, wenn man bedenkt, dass Kuroi erst zwei ist, wundert es mich nicht. Agil und Aktiv war er schon immer“, antwortete Ryo und wandte sich von ihr ab, um nach dem Tier zu pfeifen. Seit 11 Uhr waren sie jetzt unterwegs und Kuroi wies keine Anzeichen von Erschöpfung auf, im Gegenteil es wirkte auf sie, als ob er noch gut und gern bis abends herumrennen konnte. Geräuschvoll erklang das Galoppieren des Hundes. „Rika.“ Fragend drehte sie sich um, da sie bereits ein Stück weiter gegangen war. Aus reinem Reflex fing sie den gelben Tennisball, den ihr Ryo entgegen warf. „Was soll...“ Unüberhörbares Bellen unterbrach sie und im nächsten Moment entwich ihr ein erschrockener Laut, als Kuroi triefend nass und sich schüttelnd um ihre Beine strich. Ryo fing lauthals an zu lachen, als sie starr und begossen verharrte. Das Folgende jedoch ließ ihn verstummen, denn sie warf das noch in der Hand haltende Spielzeug zurück und mit ihm lief auch der Hund auf Ryo zu. „Hey, so haben wir aber nicht gewettet.“ Er wich auf die Seite aus, was Kuroi wohl als Aufforderung zum Toben deutete, denn er ließ von dem Ball ab und rannte auf ihn zu. „Da bist du selbst schuld, du Idiot“, rief sie belustigt aus und beobachtete, wie er vor dem Hund davonlief. Er kannte sie lang genug, um zu wissen, dass sie sich bei so etwas gerne rächte. „Nicht zu mir!“, brachte sie lachend heraus, ehe sie vor Ryo genau wie Kuroi davonrannte, um nicht noch nasser zu werden. Eine wilde Verfolgungsjagd entbrannte, und obwohl sie sich ebenbürtig waren, fing Ryo sie. „Hab ich dich“, meinte er grinsend und umfasste ihr Handgelenk, woraufhin sie sich lachend umdrehte. Durch den Schwung, den beide noch immer hatten, stolperte Rika rückwärts über Kuroi, der auf einmal hinter ihr aufgetaucht war. Mit einem kurzen Aufschrei landete sie unsanft auf dem Rasen und mit ihr Ryo, der sich gerade noch mit seinen Händen abfangen konnte, um nicht mit seinem ganzen Gewicht auf sie zufallen. „Alles gut bei dir?“, stieß er schnell atmend heraus. Gott sei Dank waren sie nicht auf Kies oder Podest gefallen, das hätte um einiges mehr geschmerzt. „Dummer Hund...“, murrte die junge Frau leise keuchend, während sie sich etwas aufrichtete. Ryo erstarrte unterdessen unmerklich, als er sich ihrer Nähe bewusst wurde. Ihr Brustkorb berührte den seinen regelmäßig und schnell. Seine Augen huschten kurz zu ihren Lippen, die sich milde bewegten, als sie etwas sagte. Verdammt dummer Gedanke... Sekundenlang schloss er seine Lider, um, als er sie wieder öffnete, ihrem aufforderndem, wie fragendem Blick zu begegnen. Ohne zu überlegen, beugte er sich nach vorne, versiegelte seine Lippen mit den ihren. Die junge Frau zuckte nach hinten zusammen und erstarrte. Ein Hauch nach Kirsche, war das Erste, was durch den Nebel seiner Gedanken drang, als sie den Kuss erwiderte und ihren Mund auf seine Bitte hin öffnete. Das Pfeifen des Windes, der durch das dicke Blätterdach der Bäume strich, vermischte sich mit dem lärmenden Bellen des Hundes. Weit entfernt und fast unwirklich. Still stand die Zeit, um schneller denn je fortzuschreiten, zugleich sie sich langsam trennten. Ihr warmer Atem strich einen Moment noch über sein Gesicht, ehe sie blinzelte und ihn harsch wegstieß. „Rika, es...“ „Halt den Mund“, unterbrach sie ihn grob und stand schneller, als sie selbst damit gerechnet hatte, auf. Dass ihre Beine verdächtig zitterten, ignorierte sie so gut es ihr möglich war. „Das war ein Versehen.“ Der junge Mann tat es ihr gleich und rappelte sich schluckend auf. „Rika.“ Ryo umfasste ihr Handgelenk, hinderte sie daran zu verschwinden. Unsanft riss sie sich los. „Fass mich nicht an!“, fauchte die junge Frau kalt, bevor sie ihn stehen ließ und den schnellsten Weg aus dem Park einschlug. Ryo sah ihr hinterher, Bedauern legte sich in seinen Zügen nieder und seufzend strich er sich durch die Haare. Scheiße... Kapitel 8: Kalter Nebel sperrt sie ein. --------------------------------------- Kapitel 8 Kalter Nebel sperrt sie ein. Der kühle Wind, der durch ihre Haare strich, war ein stiller Vorbote des Sturms, der nahte. Dunkle Wolken zogen sich durch den Himmel, ließen die kommende Nacht umso dunkler wirken. Ein geräuschloser Seufzer rann über ihre Lippen, als sie den Weg zu ihrem Haus einschlug. Stunden war sie durch die Stadt gelaufen, um letztendlich feststellen zu müssen, dass ihre Gedanken sich nicht vertreiben ließen. Immer wieder kehrten sie zu dem Geschehenen zurück und ihr Herz fing von neuem an schneller zu schlagen. Ihre zarten Finger handelten von selbst, während sie hauchend über ihren Mund fuhren. Ihr Kopf hatte sich einfach ausgeschaltet, als sie seine Zunge über ihre Lippen streichen spürte. Das stetige mehr werdende Kribbeln, hatte auch die letzten Einwände vertrieben und erst danach hatte sie wirklich realisiert, was gerade passiert war. Wie ein eisiger Lufthauch hatte sich die Wirklichkeit um sie gelegt und mit ihr war die Wut gekommen. Zorn auf sich selbst, weil sie es zugelassen hatte und Ärger auf ihn, weil er der Auslöser für das alles war. Das Prickeln kam zurück, stärker als je zuvor. Seit nun mehr sieben Jahren ignorierte sie es, doch jetzt wollte es ihr nicht mehr gelingen. Sie schüttelte ihren Kopf und ihr Augenmerk legte sich auf das alte große Haus, das sich vor ihr erstreckte. Ryo, dieser verfluchte Idiot... Ihre Beine hatten danach so stark gezittert, dass sie dachte, sie würden jeden Moment nachgeben. Er hatte versucht, sie zu erreichen, doch jeden seiner Anrufe hatte sie unerwidert gelassen und nicht einmal die Nachricht lass sie sich durch. Ihren Schlüssel aus der Hosentasche ziehend, schloss Rika leise auf, trat in den abgedunkelten Gang hinein. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, musste sie zugeben, dass es ihr gefallen hatte und das behagte ihr keineswegs. Es war nicht ihr erster Kuss gewesen und doch im Gegensatz zu allen anderen war dieser nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. Ihre Schuhe fanden ihren Platz neben den anderen und ihre Jacke schmiss sie ungeachtet auf den Hacken. Sie würde sich nicht verlieben! Ryo war eindeutig der Falsche für solch dumme Gefühle. Spätestens dann, wenn er keine Lust mehr hatte, würde er sie fallen lassen und dafür war ihr Stolz einfach zu groß. Sie hatte sich einmal verletzen lassen, ein zweites Mal würde ihr so etwas nicht passieren. Ihre Beine trugen sie an dem milde beleuchteten Wohnzimmer vorbei, als eine Stimme sie erstarren ließen. „Ruki, wo willst du hin?“ Glühend heiß fiel ihr der gestrige Abend wieder ein. Ihre Augen wanderten zurück zur Haustür, hinunter zu den Schuhen. Ihre Mutter war natürlich nicht da und einfach wieder gehen konnte sie jetzt auch nicht mehr. Irgendwann musste sie ihm gegenübertreten. Sie konnte nicht immer weglaufen, leider. „Komm her“, erklang es erneut. Dass seine Stimme neutral war, ja fast schon sachlich, ließen sie frösteln. Tief durchatmend gehorchte die junge Frau, schritt zurück. Ihre Finger legten sich auf das Holz des Türrahmens, in dem sie stehen blieb. Ein Fluchtweg war immer gut, und wenn sie hier blieb, hatte sie noch die Möglichkeit aus dem Haus zu gelangen. Ihre Augen schweiften zu Jack, mit einem Glas, das er zu den Seiten schwenkte, saß er an der Theke der Küche. Rika musterte den Mann einige Sekunden lang. Er sah nicht wütend aus, dennoch, sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er ihr Verhalten nicht tolerieren würde. Er hatte es sich gemerkt, da war sie sich sicher. Trotzdem, sie bereute nicht, dass sie ihm die Sachen vor die Füße geschmissen hatte. „Ruki.“ Mit einer einfachen Geste signalisierte er, dass sie näher kommen sollte. Misstrauen schlängelte sich an ihr empor, veranlasste sie dort zu bleiben, wo sie war. Er war für ihren Geschmack fast schon zu gelassen. Stumm nahm er es zur Kenntnis, stand seufzend auf und kam zu ihr hinüber. Jede seiner Bewegungen, egal wie klein sie auch waren, besah sie sich. Rika fühlte sich wie ein verschrecktes Reh, das jeden Moment bereit war zu fliehen... Und vielleicht war das auch gar nicht Mal so falsch. „Wie gefällt dir unser neuer Tisch?“ Er nickte zu eben genanntem Möbelstück. „Schön, nicht?“ Das Glas auf dem Holz abstellend, betrachtete er ihn, ehe er weiter sprach: „Der Alte ist leider kaputt gegangen, eine Schande, aber ich war wirklich wütend auf dich, Ruki.“ Schluckend verfestigte sich ihr Griff um den Rahmen. War sein Zorn gestern wirklich so groß gewesen? Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, flackerte das Gefühl der Furcht allmählich in ihr auf. „Ich sage es dir jetzt nicht noch einmal, komm her“, zischte er plötzlich und die Ruhe verschwand mit einem Mal. Rika zuckte zusammen, sein Benehmen war ungewöhnlich und etwas in ihr veranlasste sie zu gehorchen. Die junge Frau kam ihm entgegen, nicht so viel wie er wollte, aber genug, um ihn zufrieden zu stellen. „Dein Verhalten gestern war inakzeptabel, aber das weißt du, nicht? Warum solltest du auch sonst so lange wegbleiben. Willst du dich nicht entschuldigen?“ Das Flackern in seinen Augen, das sie immer schon zur Vorsicht getrieben hatte, war präsenter wie sonst und doch, irgendetwas in seinem Blick war anderes. „Ich wüsste nicht für was.“ Die Silben sollten fest und kalt klingen, dem ungeachtet gelang es ihr nur mäßig. Der Mann schüttelte milde seinen Kopf, als wenn er sich selbst etwas verneinte. Das Folgende kam unerwartet und schnell, ohne irgendeine Warnung holte Jack aus und gab ihr eine Ohrfeige. Schmerzhaft keuchte die junge Frau auf, während sie hart auf dem Boden aufkam. „Du musst wissen, ich bin dir nicht böse. Ich verstehe, warum du so bist. Wie solltest du auch anderes werden, wenn nie jemand hier war, der dich maßregelt?“ Ihre Finger legten sich auf ihre erhitzte Wange und zuckend stellte sie fest, dass er dieses Mal richtig zugeschlagen hatte. „Aber keine Angst, wir bekommen das schon wieder hin, denkst du nicht auch?“ Sie sah zu ihm auf und bei seinen nachfolgenden Worten breitete sich Panik in ihr aus. „Du bist schlau und ich glaube zu wissen, dass du dir die Regeln nach heute Abend merken wirst.“ Instinktiv versuchte sie mehr Abstand zischen sich zu bringen, was Jack jedoch nur mit einem Kopfschütteln registrierte. „Ach Ruki, warum hast du Angst vor mir? Das jetzt wird wehtun, ja, aber auch das wird vorbeigehen, glaube mir. Du wirst merken, wie schön es sein kann, wenn man in einer harmonischen Familie zusammenlebt.“ „Komm mir nicht zu nah“, stieß sie zittrig hervor und stand auf, brachte so noch mehr Freiraum zwischen beide. „Ruki, mach mich jetzt nicht auch noch wütend, sonst überlege ich mir, dich für gestern zu bestrafen.“ Gleichzeitig, wie er einen Schritt auf sie zu ging, brach der dünne Damm, der sie bisher verharren ließ. In dem Moment wurde ihr klar, dass sie hier raus musste, das waren keine leeren Worte, er würde ihr die Regeln erklären, so wie es sein Vater mit ihm getan hatte. Aus seinen Erzählungen würde brutale Realität werden. Zugleich sie aus dem Raum hinaus flüchten wollte, wurde sie mit Gewalt gepackt und zurück gerissen. Ein erstickter Schrei ran über ihre Lippen, als sich die raue Wand in ihren Rücken bohrte und er ihren Oberkörper unbarmherzig dagegen schleuderte. Ein Stechen breitete sich in ihre Schulter aus und ihre Arme fingen an zu brennen, die unebene Fläche schürfte ihre Haut sekundengleich auf. Ihr Wimmern ging in ihrer bebenden und lauten Stimme unter. „Lass mich los!“ Hastig und verzweifelt versuchte sich die junge Frau gegen seinen eisernen Griff zu wehren. Es schien für ihn ein Leichtes zu sein, sie an die Wand zu nageln. Er brauchte nicht einmal beide Hände, denn nur mit einer hielt er ihre Handgelenke über ihrem Kopf zusammen. Schmerzlich wurde ihr bewusst, wie schwach sie im Vergleich zu diesem Mann eigentlich war. „Ich lasse dich los, wann ich es für richtig halte, Ruki. Ich hab mir das alles lange genug angesehen, habe ich dir nicht einmal gesagt, dass du dich mir nicht widersetzen sollst? Warum tust du es also dennoch?“ „Ich tu was ich will und jetzt lass...“ Sein Handrücken traf ihr Gesicht, welches durch die Kraft auf die Seite gerissen wurde. „Du wirst nicht mehr widersprechen, Ruki!“ Der Geschmack von Eisen legte sich auf ihre Zunge, als sie ihr eigenes Blut schmeckte. Schluckend betrachtete sie den Boden unter ihren Füßen. „Es wird Zeit, dass du endlich lernst, mich als deinen Stiefvater anzuerkennen, und mich auch dementsprechend behandelst. Die Zeit deines immerwährenden Trotzes ist endgültig vorbei.“ Rika erstarrte. Wut und Verzweiflung wallten lodernd in ihrem Inneren auf, vertrieb die Angst. Er war nicht ihr Vater und würde es auch nie sein, egal was er tat. „Einen Scheißdreck muss ich, du Mistkerl!“, schrie sie ihm die Silben entgegen und versuchte sich aus seiner Übermacht zu befreien. Der nächste Schlag folgte sogleich, kraftvoller, als alle bisherigen. „Es reicht, Ruki!“, donnerte ihr seine zornige Stimme entgegen, doch vernahm sie diese nur am Rande, den harten Fußboden jedoch spürte sie mit aller Härte. Bebend stieß sie ihren Atem aus und stützte sich leicht auf ihren Armen auf. „Du weißt, Ruki, dass ich dir immer die Wahl gelassen habe. Ich habe dich gewarnt und immer wieder mit dir geredet, aber du wolltest einfach nicht hören.“ Eisig lief es ihren Rücken herunter, als sie das Geräusch seiner Gürtelschnalle hörte. Ihre Augen weiteten sich entsetzt, während sie vernahm, wie das Leder aus der Hose gezogen wurde. Nein, das würde er jetzt nicht wirklich tun... „Der erste Schlag für deinen Ungehorsam mir gegenüber.“ Ihr Schrei hallte markerschütternd und durchdringend an den Wänden wieder. Brennend heiß zog sich der Schmerz über ihren Rücken, entlockten ihr ein heiseres Schluchzen. „Der zweite dafür, dass du nicht vergisst.“ Peitschend grellte das Leder auf, zusammen mit ihrer brechenden Stimme. Jede Regel, ein Schlag. Dröhnend hallten seine Worte in ihren Ohren wider, begleitet von ihrem bitteren Wimmern. Bei dem dritten und vierten Schlag noch hatte sie geschrien, bei dem fünften jedoch verstummte ihre Stimme fast gänzlich. Ein dicker Schleier legte sich auf ihre Umgebung, das Einzige, das ihre Sinne noch wahrzunehmen schienen, war seine Stimme und das reißende Glühen. Es erfüllte die junge Frau, ließ sie kaum noch Luft holen. Mit jedem peitschenden Hieb des Leders zuckte ihr Körper von Neuem zusammen, brachte ihn zum Schreien. Das Brennen zog sich quälend durch sie hindurch und breitete sich schleichend langsam aus. Der Schmerz war alles, was sie spürte, alles, was sie fühlte und alles, was sie atmete. Der Nebel umhüllt sie, legt sich hauchend nieder und sperrt sie ein. Verwischt registrierte Rika, wie etwas neben ihr auf den Boden fiel. Jacks Stimme erklang, Silben, die sie trotz Anstrengung nicht verstand. Mühevoll schlug sie ihre Lider auf, richtete ihre Augen auf das Armband, das nicht weit ihrer Hand lag. Die unzähligen Glöckchen glitzerten durch das Wohnzimmerlicht auf und aus weiter Entfernung hörte sie, wie die Haustür ins Schloss fiel. Der Schleier, der sich um sie gelegt hatte, hüllte sie noch immer ein. Kein Gedanke wollte zu ihr hindurch dringen, einzig und allein das Stechen in ihrem Rücken schaffte es. Etwas lief ihre Wange hinunter und ihr Körper fing an zu beben, zitterte mit jeder Sekunde mehr. Ihre Finger krallten sich zusammen und ein raues Schluchzen rann über ihre Lippen, während sie sich aufrichtete. Strähnen ihres Haares fielen der jungen Frau in das Gesicht und ihre Arme drohten unter ihrem Gewicht einzuknicken. Zerschmetternd, reisend, gnadenlos, kalt holte die Realität sie ein. Das laute Knallen einer Tür erklang und sie vernahm das Toben des Windes, der aufgebracht gegen die Fenster drückte. Der unsichtbare Vorhang zog sich stückweise zurück, raubte ihr die Luft zum Atmen. Ihr Weinen wurde lauter je mehr sie ihr Umfeld wahrnahm, je mehr sie begriff, was passiert war. Es war ihr Körper, der von alleine handelte, als ihre rechte Hand nach ihrem Handy griff und eine Nummer wählte, die ihr bekannt war und die sie brauchte. Zitternd lauschte die junge Frau dem Klingeln, sie wusste nur eines, sie musste hier weg. „Rika? Endlich rufst du zurück...“ Die nächsten Worte verstand sie schon nicht mehr. Bei dem Klang seiner Stimme, hörte die Welt einen Moment lang auf zu drehen, bevor sie umso realer, grausamer weiter lief. Dann brach der Schleier gänzlich auf. „Ryo.“ Bebend und wimmernd wich ihr sein Name über die Lippen. Abrupt stoppte der junge Mann, ehe er weiter sprach. „Was ist passiert?“ Sie antwortete nicht auf seine Frage, schluchzte leise weiter, ehe ihr die nächsten Silben weinend entwichen: „Bitte...komm vorbei.“ „Bist du daheim?“ „Ja.“ Sie vernahm tosende Hintergrundgeräusche und das Bellen Kurois. „Ich bin in fünf Minuten da, hörst du. Bleib einfach, wo du bist.“ Das Handy glitt ihr aus der Hand und bebend stützte sich die junge Frau mit beiden Armen ab. Die Augen schließend, verharrte sie. Unzählige Gedanken rauschten durch ihren Kopf, doch keinen bekam sie zu fassen. Es war, als ob sie noch immer das Geräusch des schallenden Leders hörte. Der Regen prasselte unaufhaltsam gegen die Fenster und es war der Wind, der durch die Spalten pfiff. Das Surren des Kühlschranks kreischte ihr hallend entgegen und vermischte sich mit dem gleichmäßigen Ticken der Wohnzimmeruhr. Einfache, belanglose Klänge dröhnten viel zu laut in ihren Ohren wider. Die Umgebung fing an sich zu drehen und sie wusste nicht, ob sie noch immer weinte oder einfach still wartete, ehe sie Ryos Stimme vernahm. „Rika?“, hörte sie ihn sagen und öffnete ihre Augen. Eilige Schritte erklangen und am Rande registrierte die junge Frau, wie er sich vor ihr niederkniete. „Hey, was ist passiert?“ Seine Hand berührte sie zaghaft und dann war es, als ob die Schmerzen der vergangenen Stunden erneut über ihr einbrachen. Ein Schluchzen brach aus ihr heraus und das nächste, was sie spürte, war sein Körper, an den sie sich klammerte. Ohne ein Wort der Erklärung zog sie sich bitterlich weinend enger an ihn. Seine Hand legte sich vorsichtig auf ihren brennenden Rücken, ehe er sich nach hinten sinken ließ. „Ich... kann nicht mal... aufstehen“, brachte sie wimmernd über die Lippen. Dass er die Silben wohl nicht verstehen würde, war ihr in dem Moment egal, genauso wie ihr alles andere egal war. „Bring mich... bitte hier weg, Ryo.“ Kapitel 9: Tropfen für Tropfen ------------------------------ Kapitel 9 Tropfen für Tropfen Der tosende Wind trug die Regentropfen mit sich, ließ sie geräuschvoll gegen die Fenster peitschen. Das milde Licht des Wohnzimmers erhellte den Raum nur mäßig, doch genug um schemenhafte Gebilde an die Wände zu zeichnen. Ein Sorgen durchtränkter Seufzer ran ihm über die Lippen, als er die schlafende Frau auf seinem Schoß besah. Sie hatte geweint, geweint, bis ihr Körper vor lauter Erschöpfung eingeschlafen war. Ihre zierliche Gestalt, die sich bebend an den seinen presste und ihre Worte, die brechend an sein Ohr gedrungen waren, hatten ihm eine eisige Gänsehaut eingejagt. Er wusste, dass etwas passiert war, wusste es in dem Moment, wie sie seinen Namen schluchzend in den Hörer gewimmert hatte. Der junge Mann musste schlucken, als ihm das Bild wieder in den Sinn kam, wie sie zusammengesunken auf dem Boden saß und nicht auf seine Stimme reagierte. Ebenso erinnerte er sich an ihr Blut, das an seiner Hand klebte, als er diese von ihrem Rücken herunter nahm. Entsetzen war ihn ihm aufgestiegen und Wut. Er war nicht dumm, das Bild war eindeutig gewesen. Alleine ihre aufgeplatzte Lippe war für sich sprechend und er wollte nicht wissen, was mit ihrem Rücken passiert war. Die hitzige Haut konnte man durch das T-Shirt spüren und jede Berührung, egal wie gering sie auch war, ließ sie zusammenzucken. Sachte strich Ryo ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und lehnte sich in die Couch zurück. Dieser Abend hatte sich brennend in sein Gedächtnis hinein gebrannt und er wusste, dass er heute Nacht keinen Schlaf mehr finden würde. Die Bilder waren einfach noch zu präsent und er brauchte nur die Augen schließen, um die Stunden an sich vorbei ziehen zusehen. Wie ein immer wiederkehrendes Ereignis, kalt und grausam. Einen kurzen Augenblick schloss er seine Lider und die unbändige Wut brodelte lodernd auf. Sie hatte nicht einmal aufstehen können! Er war wirklich versucht gewesen auf diesen Mann zu warten... Ihr Verhalten Jack gegenüber hatte ihn bereits bei der ersten Begegnung stutzig gemacht, denn nie war Rika irgendjemanden so befangen gegenübergetreten. Immer mehr Teile eines Puzzles setzten sich zusammen und je mehr er sah, worauf es hinauslief, desto zorniger wurde er. Geräuschvoll ausatmend schüttelte er sein Haupt. Er durfte nicht weiter in diese Richtung denken, denn er wusste, dann würde er etwas Unüberlegtes tun. Doch bisher hatte er noch alles beglichen und eines war gewiss, mit diesem Mann hatte er eine Rechnung offen. Sanft berührte Ryo ihre Wange und beugte sich nach vorne. „Rika.“ Leise war seine Stimme, als er ihr über den Arm strich und wartete, bis sie aufwachte. Müde und zögernd öffnete die junge Frau ihre Augen einen Spalt weit. Ein fragender, gedämpfter Laut. „Ich bring dich ins Bett, in Ordnung?“ Von allein schlangen sich ihre Arme wie so oft an diesem Tag um seinen Hals, zogen ihren Körper näher an den seinen. Bedächtig langsam legte sich seine Hand auf ihren Rücken und er wusste, dass er ihr wehtun würde. Leise wimmernd stieß sie die Luft aus, während er mit ihr aufstand und sich ihre Finger in sein Hemd hinein krallten. „Tut mir leid.“ Vernehmbar blies sie die Luft aus den Lungen und legte ihren Kopf auf seiner Schulter nieder. In jeder anderen Situation wäre ihre Annäherung ein Grund für sein Herz unregelmäßig gegen seine Brust zu schlagen. Jetzt jedoch machte er sich einfach nur Sorgen. Ihr abweisendes Veralten ihm gegenüber war schon immer ein Zeugnis davon gewesen, dass es ihr gut ging. Mit dem Fuß schob er die Tür zu seinem Schlafzimmer auf und betrat den Raum, dich gefolgt von dem schwarzen Rüden. Ryo beobachtete das Tier einen Moment, wie es sich schnaufend neben dem Bett hinlegte, ehe er selbst drauf zu schritt. „Vorsicht“, warnte er die junge Frau leise, zugleich er sie auf die weiche Matratze bettete. Ihre Arme lösten sich von seinem Nacken, gleichwohl sie ihn nicht los ließ. Ihre zarten Finger griffen nach dem Stoff seines T-Shirts, hielten ihn davon ab sich aufzurichten. Das erste Mal, seit dem er sie zu sich nach Hause gebracht hatte, sprach sie. Tonlos und schmerzverzerrt. „Bleib da.“ Obwohl die Lage, der Abend, die Geschehnisse, hart und lieblos waren, legte sich ein kaum sichtbares Schmunzeln auf seine Züge nieder. „Ich komm gleich, ja?“ Ihre Finger gaben ihn frei und sich durch die Haare streichend erhob sich der junge Mann. Trotz der Umstände war es fremd solche Worte aus ihrem Munde zu hören, Silben die ihr wohl sonnst niemals über die Lippen gehuscht wären. Seine Beine hatten ihn zurück in die düster wirkende Stube getragen und seine Augen huschten hinaus in die dunkle Nacht. Der Sturm toste, wollte nicht verstummen und jagte den Regen unbarmherzig in der Luft umher. Er hoffte, dass morgen, wenn der Tag die Nacht ablöste, ihr altes Selbst zurückkehrte. Distanziert, unbeugsam und resolut. So, wie sie schon immer war. Der gleichbleibende Gesang der Amseln, war es gewesen der sie geweckt hatte und die Schmerzen ließen sie verharren. Siedend heiß brannte es und mit jeder Regung spannte die Haut sich unangenehm, doch erträglich. Gestern Nacht jedoch war es gewesen, wie ein glühendes Eisen das einer Klinge gleich in ihren Körper stieß. Unbarmherzig und entsetzlich. Behutsam bewegte sie ihren Kopf und öffnete zugleich ihre Augen, als sie den gleichmäßigen Herzschlag vernahm. Angenehm beruhigend und wohltuend hallte das Schlagen wider. Ryos Hand, die still auf ihrer Hüfte verweilte und die Wärme, die er ausstrahlte, ließen sie lautlos seufzten. Manches war ihr entfallen, wie ein unsichtbarer Schleier lag ein Nebel über ihren Erinnerungen, doch war vieles andere präsent genug, um nicht zu vergessen. Er war da gewesen, hielt und fing sie auf und dafür war sie dankbar. Die Matratze fing an zu wackelte und raschelnde Geräusche, ließen Rika an das Bettende blicken. Braune treue Augen blickten der jungen Frau entgegen, der Schwanz des Tieres hob sich milde an, als es sah, dass sie wach war. Liegend robbte Kuroi zwischen ihnen nach oben, bis ihre Hand sein Fell berührte. Kraulend strich sie ihm über sein Haupt und beobachtete, wie er immer Aufdringlicher zu ihr rutschte. „Kuroi, kannst du nicht einmal auf dem Boden bleiben...“ Verschlafen und müde hallte die Stimme Ryos wider. Die junge Frau ahnte, dass der Tag Gesprächsreich werden würde. Sie glaubt nicht daran, dass Ryo das Geschehen auf sich beruhen ließ, nicht nach der härte der Nacht. Im Moment jedoch war es einfacher den Hund anzusehen und diesem, Aufmerksamkeit zu schenken, als dem jungen Mann auf dem ihr Kopf gebettet lag. Augenblicke der Lautlosigkeit, ehe ein leises Seufzen erklang. „Wie geht es dir?“ „Gut.“ Es entsprach nicht der Wahrheit, es ging ihr nicht gut nur den Umständen entsprechend, doch wusste Ryo dies. Er hatte sie getragen und war wegen ihr wach geblieben, den jedes Mal wenn die junge Frau aufgewacht war, hatte sie seine Hand gespürte, die durch ihr Haar strich. Rika schloss ihre Lider und lauschte der erneut einsickerten Ruhe, rhythmisch bewegte sie ihre Hand über den Hund. Unangenehm, trotz allem war ihr die Situation befremdlich. Sie vertraute ihm, das stand nie außer frage, vielmehr war es die Tatsache der Schwäche, die sie ihm zeigte. Nie hatte sie vor ihm oder gar einem der anderen geweint und so hätte es auch bleiben sollen. „Ich mach uns einen Kaffee, was hältst du davon?“ Lediglich ein Nicken gab sie ihm, als Antwort, zugleich sie sich aufrichtete. Das Gesicht schmerzhaft verziehend ran ein leises Keuchen über ihre Lippen. „Gehts?“ „Sicher.“ Ryos Hand, die sich stützend auf ihren Arm gelegt hatte, fegte Rika mit einer wischenden Bewegung beiseite, ehe sie noch vor ihm aufstand. Schwindel zwang die junge Frau dazu sich an dem Nachtisch einzuhalten, einige wenige Sekunden musste sie blinzeln, um dem verschwimmen der Umgebung Einhalt zu gebieten. „Rika...“ „Mir gehts blendend.“ Rika hielt inne, als sie merkte, in welchem harschen Tonfall ihm die Silben entgegen schallten. Ihr Rücken schmerzte fürchterlich, die Worte waren einfach so herausgerutscht obwohl Ryo der Letzte war, den sie so anfahren sollte. „Kann ich vielleicht duschen gehen?“ Das erste Mal, seit beide wach waren, schweifte ihr Blick zu dem jungen Mann, der zu ihr trat. Stille Worte der Nachsicht sprachen ihre Augen und ein milder, entschuldigender Klang lag in ihrer Stimme. Flüchtig schmunzelnd schritt Ryo an ihr vorbei und öffnete die Schlafzimmertür, ehe er meinte; „Natürlich kannst du.“ Kuroi war es, der, als Erstes aus dem Zimmer stürzte und mit erhobener Rute, laut bellend in den Gang hinaus rannte. „Soll ich Semmeln holen?“ Rika nahm ihm die Handtücher ab, die er ihr aus dem Schrank im Korridor reichte, und schüttelte den Kopf. „Musst du nicht.“ Die junge Frau drehte sich um und ließ ihn stehen, ihre Hand, die sich gerade um den Griff des Bades gelegt hatte, hielt inne, als sie Ryo noch mal vernahm. „Ich lasse Kuroi hier.“ Ihr Haare die Nass über ihre Schultern hingen, durchnässten das weiße Handtuch, Tropfen für Tropfen mehr. Automatisch verfestigte sich ihr Griff um den Stoff, als ihre Augen musternd über ihre zierliche Gestalt huschten. Der klare Spiegel, der vor ihr hing, zeigte das, was sie bis zu diesem Moment eisern vermieden hatte anzusehen. Die Wahrheit über das, was letzte Nacht passiert war, über das, was sie den ganzen Morgen versucht hatte, zu verdrängen. Behutsam strichen ihre Finger über die aufgeplatzte Stelle an ihrer Lippe und schluckend spürte sie das Ziehen, das daraus resultierte. Zögernd, fast unwillig wandte sie sich um, sah über die Schulter und stockte entsetzt. Erschütterung legte sich wie ein eisiger Hauch nieder, als sie die unzähligen Striemen sah, die sich an ihrer sonnst so ebene Haut, rot und grotesk abzeichneten. Das Wasser hatte das Blut weggespült, es verschwinden lassen, doch die Stelle, an der das Leder immer gleich aufgekommen war, hob sich von allem anderen ab. Brodelnd stieg die Übelkeit in ihr auf und mit jedem verstrichenen Augenblick wurde die eisige Kälte, die sich allmählich um sie schlang, grausamer. „Regel Nummer 1: Du wirst ab sofort nicht mehr widersprechen!“ Dunkel und gefühllos schwebten Jacks Worte in der Luft, ließen sie schlucken und den Kopf senken. „Regel Nummer 2: Ohne meine strickte Erlaubnis wirst du nicht mehr hinausgehen!“ Die junge Frau zuckte zusammen, als sie glaubte das grellende Leder zuhören. „Ruki, nicht einschlafen. Wir sind noch lange nicht fertig.“ Ihre freie Hand krallte sich an dem Porzellan des Waschbeckens fest und keuchend schloss sie die Augen. Verfluchter Dreckskerl... Seit er ihr das erste Mal eine Ohrfeige gab, wusste sie, wie gewaltbereit dieser Mann war, doch nicht einmal sie hatte geglaubt, dass er zu so etwas fähig war. 15 Hiebe waren es gewesen und bei jedem Einzelnen hatte sie innerlich gebetet, dass er endlich aufhören würde. Die junge Frau vernahm Kuroi, wie er laut bellte und noch bevor sie sich, auf das Klopfen hin umdrehen konnte oder gar etwas erwiderte, öffnete sich die Tür. „Rika ich hab...“ Ehe der junge Mann zu Ende sprechen konnte, hörte sie ihn bereits scharf die Luft einziehen. Seine Augen waren starr auf ihren Rücken gerichtet, die reine Fassungslosigkeit legte sich in seinem Gesicht nieder. „Raus!“ Fauchend drehte sie sich um, zog das weiße Handtuch enger um ihren Körper. „Rika was...“ Barsch unterbrach sie ihn. „Verwinde endlich oder hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt?!“ Den Kopf schüttelnd schmiss er die Kleidung, die er ihr eigentlich bringen wollte, grob auf die Ablage, und schritt auf sie zu. „Du hast dich klar genug ausgedrückt und es ist mir egal.“ Ihr Körper handelte von alleine, als sie durch sein Verhalten verwirrt einen Schritt zurücktrat. „Lass mich das ansehen, Rika und komm mir jetzt ja nicht mit; nein.“ Überrumpelt, schloss sie ihren bereits zum Widerspruch geöffneten Mund und ließ es zu das er sich hinter sie stellte. Sie spürte seine warme Hand auf ihrer Schulter und atmete resigniert aus, doch verspannte sich ihr Körper von Sekunde zu Sekunde mehr. Musternd schweifte Ryos Blick über die roten Male und vorsichtig strich er ihr die noch feuchten Haare nach vorne. Unbändige Wut flammte auf, lodernd und zerstörerisch. Die Hände zusammenballend wandte er sich ab, kniete sich neben ihr nieder und schlug die Tür des kleinen Badeschranks auf. Dieser Mann durfte ihm nicht über den Weg laufen, er glaubte nicht, dass Jack nach einem Zusammentreffen noch fähig wäre zu gehen. Er würde ihm eigenhändig jeden Knochen brechen... Die Salbe, die er herauszog, würde nicht bei der Heilung helfen, jedoch kühlte sie und brachte somit Linderung. „Vorsicht“, meinte Ryo, als er ihre Haare erneut nach vorne wischte. „Was wird das?“ „Nach was siehts aus? Jetzt halt dein Kopf gerade...“ In dem Moment, wie die junge Frau bereits zu einer giftigen Erwiderung ansetzte, zuckte sie keuchend zusammen. Behutsam verteilte er die Salbe und musste nicht nur einmal, schwer schlucken, um den Zorn zu vertreiben. Stille herrschte, ein solches Schweigen, das drückend und bleiern über allem schwebte. Sie drohte einen zu ersticken, ohne dass man etwas dagegen tun, konnte. Unbewegt sah sie hinaus in den Garten und setzte die heiße Tasse Kaffee an die Lippen. Kein Wort hatte Ryo mehr gesagt, sowie er aus dem Bad verschwand und seitdem war es zwischen ihnen geräuschlos geblieben, bis zu diesem Moment. „Was willst du jetzt tun?“ Rikas Blick richteten sich auf den jungen Mann ihr gegenüber, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und so wie sie zuvor aus der Terrassentür blickte. „Nichts.“ „Bitte?“ Voller Unglauben hallte seine Stimme ihr entgegen und den Kopf hebend betrachtete sie sein Handeln, wie sie ihre Silben wiederholte. "Du wirst gar nichts tun?! Willst du mich Verarschen?", fuhr er sie an und stand zugleich auf. Er glaubte sich gerade verhört zu haben, das konnte mit Sicherheit nicht ihr ernst sein. Dieser Mann hatte sie verprügelt... und sie sagte ihm hier und mitten ins Gesicht, das sie nichts tun würde... „Das kannst du vergessen!“ Das dunkelblau seiner Augen fackelte stürmisch umher, ehe er sich durch die Haare fuhr und tief durchatmete. Geräuschvoll kam das Porzellan auf der Tischplatte auf, als auch die junge Frau aufstand. „Einen Scheißdreck kann ich. Du hast mir nicht zusagen was ich zu tun habe.“ „Nein, das habe ich auch nicht vor aber du hast keine großen Möglichkeiten...“, antwortete er möglichst beherrscht und doch spürte er wie der Ärger ihn erneut erfasste. Er beobachtete einen Moment, wie Kuroi mit eingezogenem Schwanz hinter der Küchenzeile verschwand, bevor er sich Rika erneut zu wandte. „Das wirst du dann sehen.“ „Du verstehst mich nicht, ich lasse dir keine Wahl. Du kannst zur Polizei, deiner Mutter oder hier bleiben, suchs dir aus.“ „Dich geht mein Leben nichts an! Was soll ich schon bei meiner Mutter? Die ist nicht dumm die weiß was Sache ist.“ Ihre Stimme wurde mit jeder verstreichenden Minute lauter. „Ich sag dir, was ich tun werde, zurückgehen. Versteh mich nicht falsch, ich bin dir dankbar das du da warst aber trotz allem hast du dich nicht einzumischen.“ Dass Nächste was passierte, ließ sie zusammenfahren und schluckend innehalten. Der Tisch bebte unter der Wucht des Schlages und seine Stimme schrie ihr die nächsten Worte brausend entgegen. „Er hat dich ausgepeitscht, nicht nur geschlagen. Du konntest nicht einmal mehr aufstehen, geschweige den gehen! Willst du allen Ernstes zurück, auf die Gefahr hin das er dich wieder verdrischt?“ Ihre Augen huschten kurzweilig zu seiner Faust. Er hatte nicht nur auf das Holz geschlagen, sondern auch auf das Porzellan... „Ich sag dir eins, wenn du zurückgehst, werde ich mit kommen und dann glaube mir das dieser Mann froh sein kann, wen er jemals wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird.“ „Lass die scheiße...“, stockte sie um einiges leiser, als zuvor und sah seinem Blut dabei zu, wie es von seiner noch immer geballten Faust auf den Fußboden tropfte. „Ich habe dir lediglich gesagt, was ich tun werde.“ Einen Moment lang schloss sie ihre Augen und atmete lautlos aus, zugleich sie auf ihn zu schritt. Behutsam zog sie seine Faust zu sich. „Du bist ein Idiot, der dümmste den ich je gesehen hab!“ Kapitel 10: Die Luft zum Atmen ------------------------------ Kapitel 10 Die Luft zum Atmen Warme drückende Luft drang durch die offene Trassentür in die Stube und ließ erahnen, welch hitzige Temperatur draußen herrschte. Kurois lautes Schnaufen erklang, als er durch den ruhigen Raum trabte und sich eine andere kühlere Liegestelle suchte. Sieben Jahre kannten sie sich nun schon und Ryo war noch nie so aus der Haut gefahren wie heute. Ein Umstand, der sie mehr erstaunte, als seine Worte es taten, den sein Zorn war bald schon greifbar gewesen. Es war wohl auch seine Wut, die sie nachgeben ließ und nun seufzend auf die Couch trieb. Ihre Augen schweiften von selbst einen Moment lang zu dem jungen Mann hinüber, der gelangweilt dem Fernsehprogramm folgte und seiner verbundenen Hand keine Aufmerksamkeit schenkte. Seit dem die junge Frau den Schnitt versorgt hatte, schwebte eine unruhige Stille über ihnen und weder er noch sie, sprachen das aus, was schwer in der Luft lag. Den Blick abwendend, lehnte sie sich weiter in die weiche Couch hinein. Eigentlich fiel ihr auf kannte sie Ryo nicht. Weder welche Musik er hörte noch was er in seiner Freizeit tat. Ja nicht einmal der Grund warum er nach Shinjuku zog, war ihr bekannt und gewissermaßen, so musste sie gestehen, hatte sie sich auch nie die Mühe gemacht, das, zu ändern. Ein geräuschloser Seufzer ran über ihre Lippen, als sie die Augen schloss und innehielt. Ryo irritierte sie Mal zu Mal mehr, einfach dadurch, weil ihr solche Sachen immer präsenter auffielen. „Meine Mutter liebt diesen Kerl, deswegen werde ich nichts tun. Sie erträgt es nach dem tot meines Vaters nicht mehr alleine zu sein“, schmiss sie ohne selbst zu wissen was sie tat in die Stille hinein. Die Lider wieder öffnend, sah sie flüchtig zu Ryo hinüber, ehe sie weiter sprach; “Sie hat seinen tot eigentlich nie wirklich verkraften, und seit meine Großmutter nicht mehr da ist, wird ihr alles zu viel. Ich will nicht das sie wieder anfangt zu trinken, auch wenn man es ihr nicht ansieht, so geht es ihr gesundheitlich nicht gut.“ Ständiger Stress forderte seinen Preis, psychisch sowohl auch körperlich. Rumiko war da keine Ausnahme, sie hatte lediglich gelernt ihre schlechte Verfassung hinter einem Lächeln, zu verstecken. „Aber du musst nicht für deine Mutter geradestehen.“ Hallten seine Worte ihr entgegen, neutral und nichtssagend, doch zeigte seine Körpersprache das Gegenteil. „Nein, aber ich werde trotzdem nichts unternehmen, ob es dir passt oder nicht Ryo.“ Er verstand sie nicht, das wusste Rika und vielleicht war ihr deswegen eine kurze Erklärung, warum sie so handelte, über die Lippen gehuscht. „Dann wirst du hier bleiben, eine andere Möglichkeit hast du nicht“ Ryo stand auf, schritt hinüber in die Küchenzeile. Egal was sie tat, er würde sie nicht zurücklassen, solange dieser Mann dort war. Er hatte jedes seiner Worte ernst gemeint und noch immer erfühlte ihn bei dem Gedanken an das Geschehene Zorn. „Und wie stellst du dir das bitte vor?“ Rika hatte sich milde über die Polsterung gelehnt und beobachtete ihn dabei, wie er zwei Gläser aus dem Schrank zog. „Einfach, du lässt deine Sachen bringen und bleibst hier.“ „Du weißt was ich meine...“ Das erste Mal seit dem Streit huschte ihm ein Schmunzeln über die Züge, zugleich er mit den angerichteten Getränken zurück ging. „Mich würde es nicht einmal stören, wen du hier einziehst, Rika.“ „Idiot“, seufzte sie kopfschüttelnd und nahm ihm den Becher ab, den er ihr reichte. Er stellte sich das zu einfach vor... außerdem wollte sie das auch nicht. „Was hältst du davon wenn wir mit Kuroi aus der Stadt raus fahren und später einkaufen?“, wechselte er das Thema und sah dem Rüden zu, wie er auf seinen Namen hin aufstand, zu ihnen tapste. „Du erwartest nicht ehrlich das ich mit deinem Hemd raus gehe oder?“ Rika zupfte nur kurz an dem großen T-Shirt herum. Ihr war der Wechsel des Gesprächs nur recht, doch führte es zwangsläufig darauf zurück, dass sie nichts anderes dabei hatte. „Oh... Naja, vielleicht sind noch Klamotten meiner Mutter hier“, meinte er überlegend und stellte das Glas auf den Tisch, ehe er auf ihren fragenden Blick hinzusetzte; „Die Wohnung hat früher meiner Mutter gehört und es sind noch immer ein paar Sachen von ihr hier.“ Die Augenbrauen hebend blickte sie dem jungen Mann hinterher, als dieser aus der Stube verschwand. "Das kann was werden...", murmelte Rika sich selbst zu, gleichwohl sie aufstand und ihm folgte. Eines jedoch konnte er sich sofort in die Haare schmieren, sie würde nichts Buntes tragen. Lieber lief sie weiterhin in seinen zu großen Klamotten herum, als das sie das über sich brachte. Jede anfängliche Befürchtung verschwand, sobald Ryo ihr das Gewand zeigte. Rika musste zugeben, dass seine Mutter so weit sie das anhand der paar Kleidungsstücke beurteilen konnte, einen guten Geschmack besaß. Im Gegensatz zu Rumiko zog sich Eri eher schlicht bis edel an. Nicht das ihre Mutter ein schlechtes Modebewusstsein hatte, im Gegenteil, doch es stimmte einfach nicht mit dem ihren überein. Zu bunt, zu kurz und viel zu auffällig. „Kuroi“, hörte sie Ryo durch die Wohnung rufen und zog sich im nächsten Moment das dunkle Oberteil an. Automatisch zuckte sie zusammen, als der feine Stoff ihren Rücken berührte. Das würde wohl noch länger Schmerzen, obwohl es durch die Creme milder geworden war. Die Haare aus dem Kragen ziehend, schritt sie aus dem Zimmer und stolperte zurück, als Kuroi bellend auf sie zu stürmte. Hektisch strich er um ihre Beine und winselnd drängte er sie den Gang entlang. „Fertig?“ Die junge Frau sah zu Ryo, der die Leine haltend an der Tür stand und auf sie wartete. „Sieht so aus...Hund, jetzt geh mir aus dem Weg.“ Genervt schnaufte sie aus und versuchte nicht über das Tier zu stolpern, das sich immer aufdringlicher in den Weg stellte. „Da freut sich halt jemand“, lachte Ryo leise, bevor er die Tür öffnete und beobachtete, wie der Rüde im nächsten Augenblick hinausrannte. „Das kann er auch ohne das ich über ihn falle. Wohin willst du überhaupt?“ Die Tür schloss sich mit einem leisen Klick hinter ihnen und angenehme Wärme umhüllte sie beide. „Ein wenig aus der Stadt raus ist mal etwas Neues, als immer durch denselben Park zu gehen.“ Ryo pfiff kurz nach dem Schäferhund, ehe er die Automatik seines Wagens aufheulen ließ. Das war wieder etwas, was sie bis vor Kurzem nicht wusste. Ihr war zwar bewusst, dass Ryo mittlerweile 21 war, doch das er einen Führerschein besaß, war ihr nie in den Sinn gekommen. Das Radio startete in derselben Sekunde, wie auch der Motor aufheulte und erstaunt, starrte sie auf das Musikgerät. Laut schallten ihr nur allzu bekannte Klänge entgegen. „Willst du was anderes hören? Ich weiß ja, ist nicht jedermanns Geschmack“, schmunzelte er ihr kurz entgegen, bevor er losfuhr. Den Kopf schüttelnd wandte sich die junge Frau ab, sah der Umgebung dabei zu, wie sie, mal schneller, mal langsamer an ihnen vorbei rauschte. „Nein lass nur, dieselbe CD hab ich daheim.“ „Wirklich, ich hätte nicht vermutet, dass du Rock hörst.“ Rika lehnte sich etwas zurück und verfluchte nicht nur das erste Mal still ihren schmerzenden Rücken. „Was hast du den gedacht, dass ich höre?“ „Um ehrlich zu sein, hab ich mir nie Gedanken darüber gemacht“, gab er belustigt zurück und bog in eine Seitenstraße ab. Sie nickte leicht und widmete sich wieder der Umgebung. Ja das er sich wenig Gedanken machte, hatte sie bemerkt. Wie stellte sich Ryo das vor? Sie konnte nicht ewig bei ihm bleiben und das wollte sie auch überhaupt nicht, das jetzt war eher gezwungener Massen. Weil eines, glaubte sie ihm seit dem Streit, er würde wirklich mitkommen und das wollte sie noch weniger. Welche Optionen hatte sie also? Keine... Zur Polizei würde sie nicht gehen, ebenso wenig wie zu Rumiko. Dass Einzige das ihr übrig blieb, von Ryo abgesehen, war zurückzugehen und je länger sie weg blieb, desto schlimmer würde es werden. „Ein paar Tage Ryo, nicht länger, dann geh ich wieder nach Hause“, warf sie plötzlich in die Ruhe hinein. Vielleicht sah die Situation dann nicht mehr so schlimm aus und Jack hatte sich mit Sicherheit auch beruhigt. „Rika ich hab...“, bestimmt unterbrach sie ihn; „ Nein, du kannst sagen, was du willst. Nicht länger!“ Der junge Mann schüttelte milde und resigniert den Kopf, doch sagte er nichts mehr. Das letzte Wort hierbei war noch nicht gesprochen, viel mehr war es eine kurze Aufstockung, das wussten beide. Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete sie den Schäferhund, wie er bellend durch das Gestrüpp hüpfte und immer wieder hörend innehielt. Geräuschvoll knackten die am Boden liegenden Äste und es schien, als ob der Rüde Spaß dran gefunden hatte stets einen neuen Stock zu holen, der geschmissen werden sollte. Die kühle Frische des Waldes ließ sie trotz Jeansjacke frösteln und aus reiner Gewohnheit vergrub sie ihre Hände in deren Taschen. „Wo ist deine Mutter eigentlich?“, meinte sie irgendwann in die Ruhe hinein, aus Neugierde und weil sie die Stille nicht länger ertragen wollte. Ryo der neben ihr ging, sah kurz überrascht zu der jungen Frau. Es war selten das Rika etwas fragte das ihn betraf. „Sie ist vor drei Jahren nach Amerika gezogen, wieso fragst du?“ „Aus Interesse und weil du vorhin gesagt hast, dass die Wohnung zuvor ihr gehört hat.“ „Rein rechtlich gehört sie immer noch ihr, doch hat meine Mutter nicht vor wieder nach Japan zuziehen. Sagen wir so, es mindert ihr schlechtes Gewissen, wen sie weiß, dass sie mir mit der Wohnung helfen kann.“ Ryo beugte sich zu Kuroi hinunter und schmiss ihm den Holzstecken. „Deine Eltern sind getrennt?“ Für sie hatte es immer den Anschein, dass Ryo in einer intakten Familie lebte, sein Verhalten ließ auch nie einen anderen Eindruck zu. Perfekt war in der heutigen Zeit nichts mehr und sie musste einräumen, das sie das bei Ryo immer dachte. „Schon länger. Ich glaub die haben jetzt seit zehn Jahren nicht mehr miteinander geredet.“ „Besser, als zu streiten“, rutschte es der jungen Frau unabsichtlich heraus. Das Ryo gegen ihre Hoffnungen zuhörte und sie nun fragend anblickte, brachte ein, seufzenden Laut über ihre Lippen. „Meine Eltern haben sich bis zu dem tot meines Vaters gestritten, wann immer sie sich begegnet sind.“ „Das tut mir leid.“ Laut krachte das Unterholz auf, durchbrach die seichte Stimmung die angefangen hatte sich auszubreiten. „Da muss dir nichts leidtun. Die haben sich auch bekriegt, als sie noch zusammen waren. Hassliebe würde ich so etwas nennen. Miteinander konnten sie nicht und anders herum auch nicht.“ Bis heute verstand sie diese Beziehung nicht und sie würde sie wahrscheinlich nie verstehen. Rumiko und Isamu waren das beste Beispiel dafür das eine Verbindung zwischen zwei grundverschiedenen Welten nicht funktionierte. Weder Interessen noch Ansichten hatten sie geteilt, eigentlich nichts. Trotzdem hatte sie ihre Mutter noch nie so um einen Menschen weinen sehen, als an dem Grab eben dieses Mannes. Die junge Frau schüttelte milde ihren Kopf um die aufkeimenden Erinnerungen zu vertreiben, die sich immer greifbarer wieder spiegelten. „In der Nähe ist ein Fluss, wen du möchtest können wir hingehen“, wechselte Ryo das Thema und irgendwie war sie dankbar über den plötzlichen Wechsel des Gesprächs. „Können wir“ Ihre Aufmerksamkeit legte sich auf den Schäferhund nieder, der schwanzwedelnd aus dem Gebüsch heraus kam und etwas in seinem Maul herumtrug. Die Augenbrauen zusammenziehend musterte sie das braune Etwas und blinzelnd hielt sie inne. Das war jetzt nicht Kurois ernst... „Ryo.“ Fragend wandte sich der Genannte zu ihr um und hielt ebenfalls an. „Was ist?“ „Der Hund hat einen Hasen im Maul.“ „Was?!“ Fassungslos blickte er zu dem Rüden, der zu der jungen Frau lief und sein Mitbringsel vor ihr niederlegte. Bellend setzte er sich hin, wartete hechelnd auf Streicheileinheiten. Rika wusste in dem Moment nicht, ob sie lachen oder entsetzt sein sollte und ein Blick hinüber zu Ryo versicherte ihr, das es ihm nicht anderes ging. „Kuroi...“ Augenblicklich gehorchte er und trabte zu seinem Ersatzherrchen hinüber. „Wenigstens lebt er noch“, meinte Rika leicht, als sie sich hinunter kniete und das Jungtier anstupste. Schnell hob und senkte sich sein Brustkorb, wie erstarrt blieb es vor ihren Füßen sitzen. „Wird nur ein Schock sein.“ Wie auf einen inneren Befehl sprang das Kaninchen plötzlich, ohne Vorwarnung auf und raste in das nächste Gestrüpp. „Du bleibst jetzt da, wer weiß, was du noch anschleppst.“ Er umfasste den Schäferhund am Halsband, hinderte ihn daran dem Tier hinterher zu laufen. Zu mindestens lenkte Kurois Aktion sie positiv ab, was er auch mit diesem Spaziergang vorgehabt hatte. Nur für einen Moment war Ablenkung das Richtige und das sie welche brauchte, wusste er, den er brauchte sie ebenfalls. Eines musste sie dem Hund lassen, durch den kleinen Zwischenfall mit dem Kaninchen, hatte sich die Stimmung um Längen gehoben, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass sie gerade einen dummen Abhang hinunter liefen. Seufzend hielt Rika an, umfasste den dicken Ast neben ihr, um nicht versehentlich ins Rutschen zu kommen. Kuroi hatte nicht lange gezögert und war, als er das Plätschern des Flusses vernahm, losgerannt. „Ich helf dir.“ Ryo der bereits die letzte Erhöhung hinunter gesprungen war, hielt ihr seine Hand entgegen und half ihr das letzte Stück, als sie sein Angebot annahm. „Danke“, hörte er Rika sagen, zugleich sie sich aus seinem Griff löste und hinüber zu Kuroi ging, der bereits schnappend nach Wasser im Fluss stand. Seine Aufmerksamkeit schweifte einen Moment über die Umgebung, bevor sie sich auf die junge Frau niederlegte, die sich nicht weit des Hundes hinsetzte und sich nach hinten lehnte. Es war nicht leicht her zu kommen, doch lohnte sich die Mühe, wie er fand. „Warum bist du eigentlich nach Shinjuku gezogen?“ Auf ihre plötzliche Frage hin stockte er kurz. „Wie kommst du drauf?“ Sie legte ihren Kopf in den Nacken und beobachtete ihn dabei, wie er zu ihr ging und sich neben sie setzte. „Weiß nicht ist mir gerade eingefallen.“ „Weil ich hier studieren wollte und nicht in Fukuoka.“ Dass sie eigentlich der ausschlaggebende Punkt für seinen Umzug war, konnte er ihr schlecht erzählen. „Gab es an der Westküste keine Hochschulen für deinen Studienbereich?“ Ryo wandte schluckend seinen Blick von ihr ab, als sie ihn fragend von der Seite ansah. Rika tat nichts Besonderes, doch in diesem Augenblick wirkte sie auf ihn Anziehender den je. „Ich hätte auch in Fukuoka studieren können ja, aber was würde mir das bringen, die meisten meiner Freunde wohnen hier." „Deswegen bist du von der einen Küste Japans zur anderen gezogen?“ Ihre Augen schweiften einen Moment zu Kuroi, ehe sie ihre Lider schloss und seiner Antwort lauschte. Rika wusste nicht, ob sie für ein paar Freunde ans andere Ende Japans ziehen und ihr Familie zurücklassen würde. Höchstwahrscheinlich nicht. „Ja, es hat mich dort nichts gehalten.“ Die Stille war es, die sich nach seinen Worten über sie beide niederlegte. Die milden Geräusche der Umgebung hallten laut und schallend wider, brachten sie dazu entspannt zu seufzen. Es war schon immer so gewesen, dass die Natur eine gewisse Ruhe in sie brachte und irgendwo wusste sie, dass sie das wohl von ihrem Vater haben musste. Denn Isamu hatte sich nirgends wohler gefühlt, als bei seinen Ausgrabungen, weit weg von dem Lärm der Straßen und der Abgase. Sie vernahm wie Ryo neben ihr schwer seufzend die Luft ausstieß, ehe seine Stimme sie ganz aus ihren Gedanken riss. „Tut mir leid.“ Zugleich sie fragend die Augen öffnen wollte, spürte sie seine Lippen auf den ihren. Rikas erste Reaktion war es überrascht nach hinten zu zucken und ihre Augen einen Spalt weit zu öffnen, bevor ihr Körper von selbst handelte. Die Lider erneut schließend erwiderte die junge Frau und nur am Rande registrierte sie wie sich ihre Hand leicht auf seinen Hals legte. Hitziges Kribbeln zog sich durchdringend und intensiv durch ihren Körper, ließ ihren Herzschlag betäubend widerhallen. Eine Wildheit floss in den Kuss hinein, die zärtlicher nicht sein konnte, etwas das ihr von Sekunde zu Sekunde mehr die Luft zum Atmen raubte. Ein Schauer ran über ihren Rücken, als seine Hand über ihre Seite strich und bewegungslos auf ihrer Hüfte verharrte. Ihre Finger strichen von seiner Haut hinunter zu seiner Brust, ehe sie ihn keuchend von sich drückte. „Hör auf damit.“ Rau und atemlos erklang ihre Stimme. „Ich weiß selbst...“ kopfschüttelnd unterbrach sie ihn und brachte noch mehr Abstand zwischen sie. „Lass uns einfach gehen.“ Ihre Beine zitterten, als sie aufstand und schluckend hoffte die junge Frau diese mögen sie jetzt nicht im Stich lassen. Ryo stand ebenfalls auf, und noch bevor er etwas sagen konnte, kam sie ihm zuvor. „Bitte halt den Mund Ryo...“ Er brachte sie genug durcheinander, er brauchte nicht auch noch versuchen irgendetwas zu erklären. Sie wollte keine Erklärungen, einzig und alleine das tobende Gefühl in ihrem Körper sollte endlich aufhören, mehr wollte sie nicht. Kapitel 11: Vieles, doch nicht alles. ------------------------------------- Kapitel 11 Vieles, doch nicht alles. Frische kalte Luft strich hauchend über ihr Gesicht und von Weitem vernahm sie die Vögel, die zum Beginn des Tages anstimmten. Seufzend vergrub die junge Frau ihre Arme unter dem weichen Kissen und registrierte kaum das sich das Gewicht auf ihrer Schulter bewegte. Sie hatte sich damit abgefunden das Kuroi egal was sie tat, spätestens wen sie eingeschlafen war, Körperkontakt suchte. Ein schwerer Schnaufer drang aus ihm heraus und der heiße Atem war durch ihre Haare spürbar ehe ihr Bewusstsein anfing erneut wegzudämmern. Es war die aufgehende Schlafzimmertür, die den Rüden kurz darauf aus seinem Dämmerzustand heraus trieb und ihn veranlasste wachsam den Kopf, zu heben. Trotz das er erkannte, wer es war, verharrte er achtsam und fing jede noch so kleine Regung aufmerksam ein. Erst, als Ryo Kuroi kraulend über den Kopf strich gab dieser seine hütende Haltung auf und bettete sein Haupt erneut auf der Schulter der jungen Frau. Behutsam strich Ryo über ihren Arm und setzte sich sachte neben sie auf die Matratze. Rika hatte ihn gestern nach dem Kuss abweisender den je behandelt. Kaum ein Wort war ihr mehr über die Lippen gehuscht und erst, als die Nacht sich schleichend ankündigte, war ihr ein neutrales; gute Nacht, entwichen. Lautlos entfloh ihm ein Seufzer, als er der jungen Frau dabei zusah, wie sie langsam aufwachte. Dass er Mist gebaut hatte, war ihm bewusst. Er konnte selbst nicht sagen, was in ihn gefahren war, ehe er überlegen konnte, waren seine Lippen bereits auf den ihren gewesen. „Hey Schlafmütze“, begrüßte er sie leise, als sich ihre Augen verschlafen öffneten. Vorsichtig hielt Ryo ihr die dampfende Tasse entgegen, die er in der Hand gehalten hatte, und setzte als Erklärung hinzu; „Ich hab gedacht, ich weck dich, als Wiedergutmachung mit frischem Kaffee und Frühstück.“ Ihre Lider einmal müde schließend, richtete sich die junge Frau langsam auf und scheuchte somit Kuroi von sich, bevor sie ihm das Getränk abnahm. „Funktioniert es oder muss ich mir etwas anderes einfallen lassen?“ Schmunzelnd beobachtete er sie dabei, wie sie kurz nippte und sich die Haare zurück strich. „Mal sehn“, murmelte sie ihm, als Antwort entgegen. Der Kuss war in ihren Gedanken durchaus noch präsent, genau wie der Erste vor einigen Tagen, doch wollte sie weder darüber reden noch sich näher damit befassen. Verdrängen und vergessen, war schon immer gut gewesen, warum also nicht auch bei so etwas Banalem, wie einem harmlosen Kuss. „Wie fiel Uhr haben wir?“ Rika schlug den Rest der Decke auf die Seite, bevor sie genau wie Ryo aufstand. Eine Gänsehaut zog sich schaudernd über ihren Rücken, wie ihre Füße den kühlen Fußboden berührten. „Kurz vor neun.“ Absichtlich vermied er es die junge Frau anzusehen und wandte sich der Tür zu, als sie gähnend ihre Jeans unter sein langes T-Shirt zog. „Du stehst gern früh auf oder?“ Rika nahm die Tasse, die sie zuvor auf den Nachttisch gestellt hatte und schritt an dem jungen Mann vorbei, hinaus in den Gang. „Sicher, dann hat man mehr vom Tag.“ Sie brauchte nicht erst hinsehen um zu wissen das Ryo schmunzelte, man hörte es bereits aus seiner Stimme heraus. Ihre Aufmerksamkeit legte sich einen flüchtigen Moment auf Kuroi, der sich ungestüm an ihr vorbei in die offene Stube drängelte, ehe ihr Blick auf den Küchentisch fiel und sie stockte. „Idiot“, brachte sie über die Lippen und von selbst schweiften ihre Augen über die unzähligen Lebensmittel. „Frühstück auch geglückt?“, hörte sie Ryo, der hinter ihr in den Wohnbereich trat und auf ihre nächsten Worte hin leise lachte. „Du bist verrückt, eindeutig.“ Der freudige Tonfall in ihrer Stimme ließ sich nicht gänzlich unterdrücken, was den jungen Mann anhand seines nun erscheinenden grinsen wohl nicht entgangen war. „Komm sonnst werden die Croissants und Semmeln noch kalt.“ „Das hättest du nicht machen müssen...“ Die junge Frau folgte ihm und setzte sich zögernd an den Tisch. Ryo war ein absoluter Idiot trotzdem konnte die junge Frau nicht widerstreiten, dass sie sich freute. Die Tatsache, dass er dafür extra einkaufen gewesen sein musste, half ihrem schneller schlagenden Herzen auch nicht und das er es war wusste sie. Denn Rika bezweifelte, dass er die ganzen Sachen zu Hause gehabt hatte. „Seit wann bist du wach?“ „Sieben müsste es gewesen sein, wenn ich mich nicht irre.“ Entgeistert sah sie auf und begegnete seinem belustigtem Blick, der auf ihr ruhte. „Du hast um sieben Uhr nichts Besseres zu tun, als Frühstück zu machen? Akiyama du hast wirklich einen Schaden.“ „Ich bin beruhigt das es dir gefällt, und ob ich jetzt auf der Couch herumsitze oder Frühstück mache ist relativ egal." Kopfschüttelnd wandte sie sich dem Essen zu und strich Kuroi über seinen Fell, der anhänglich sein Haupt auf ihren Schoss legte. Die Ruhe schwebte über dem Raum und die Atmosphäre klang beruhigend wider. Rika genau wie Ryo hielten inne zugleich das summende Geräusch ihres Handys erschallte und die anhaltende Stille durchbrach. Vibrierend surrte es in ihrer Hosentasche und mit einem kurzen Handgriff zog sie das Gerät heraus, ehe sie einen Blick auf das Display warf. Ihre Mutter... Ryo beobachtete die junge Frau, wie sie auf Annahme drückte und das Telefon an ihr Ohr hielt, ehe er ihrer Stimme lauschte. „Warum rufst du an?“ Die junge Frau seufzte, als ein Schwall schneller und fröhlicher Worte folgte. Dass sich die Blonde vielleicht Sorgen machte, schloss sie aus. Jack hatte ihr mit Sicherheit irgendeine Geschichte erzählt die Rumiko ruhigstellte. Im Grunde war es eigentlich traurig das sich ihre Mutter auf das Wort anderer verließ wen es um ihre eigene Tochter ging aber so war sie leider Gottes schon immer gewesen. Leichtgläubig und naiv. „Mama, du weißt das mich so was nicht interessiert.“ Einmal kurz nach ihrem befinden gefragt und schon ging es in das altbewährte Lieblingsthema ihrer Mutter über. Ihre Arbeit... sie blieb nicht einmal davon verschonte, wen sie nicht zu Hause war. Abermals seufzend nahm sie das Handy von ihrem Ohr und drückte kurzerhand auf Lautsprecher. Es wurde sowieso nichts Weltbewegendes gesprochen, also war es ihr recht egal ob Ryo mithörte oder nicht. So konnte sie wenigstens weiter essen. „Schatz und du willst wirklich nicht mit? Mare hat schon nach dir gefragt, er würde sich so freuen“, hallte es fragend und hell aus dem Gerät. Ryo blinzelte überrascht, als die junge Frau nichts achtend weiter frühstückte. „Schön für ihn. Weder hab ich Lust bei deinem dummen Shooting anwesend zu sein, noch das ich Englisch oder Französisch reden muss“ Rika lehnte sich milde nach hinten und nippte abermals an ihrem warmen Getränk. So eine Diskussion hatten sie erst Letztes gehabt. Sie wusste nicht einmal mehr, wer dieser Mare war. Rumiko hatte sie schon so vielen Menschen vorgestellt, dass die Blonde nicht einmal mehr selbst einen Überblick darüber hatte, wen sie kannte. „Ja aber du kannst es doch.“ „Das heißt aber nicht, dass ich es auch will. Da du sowieso schon anrufst, kannst du mir ein paar Sachen vorbei bringen?“, lenkte die junge Frau geschickt vom Thema ab. „Natürlich mein Schatz, ich muss am Nachmittag sowieso umherfahren. Wo soll ich den genau hinkommen?“ Fragend blickte sie zu Ryo, der auf ihre stille Frage hin amüsant den Kopf schüttelte, ehe er ihr die Adresse nannte. Woher sollte sie bitte wissen, in welcher Straße genau er wohnte... „Hast dus gehört?“ „Hab ich, wer ist den deine reizende Bekanntschaft im Hintergrund?“ Der neugierige Tonfall und die Worte ließen Rika innehalten. Höchste Zeit aufzulegen ... „Bis später Mama.“ „Du kannst mir den netten jungen Mann ja mal ...“ Im nächsten Augenblick unterbrach die Verbindung, als die junge Frau kurzerhand auflegte und ihr Handy zurück in ihre Tasche wandern ließ. „Lach jetzt ja nicht...“, murrte sie drohend, wie sie Ryos schmunzeln sah. „Würde ich nie tun.“ Seufzend wandte sich die junge Frau ab und versuchte den Ton in seiner Stimme zu ignorieren. „Klar doch, weißt ja mein Name ist Hase...“ Auf ihre Worte lachte er milde auf, doch wurde Ryo schnell wieder ernst, sowie die nächsten Silben seinen Mund verließen. „Hat sich deine Mutter keine Sorgen gemacht, als du nicht nach Hause gekommen bist?“ Das fragte er sich, seit er dem ausgelassenen Gespräch gefolgt war. Ihre Mutter hatte sich alles andere, wie besorgt angehört und er wusste noch das seine eigene nie so ruhig geblieben wäre. „Warum sollte sie? Jack wird ihr erzählt haben, dass ich bei Freunden bin, das reicht ihr.“ „Und das glaubt...“ Ryo wurde von der schallenden Türklingel unterbrochen, die laut und penetrant wider klang. „Erwartest du jemanden?“, fragte Rika überrascht und sah dem jungen Mann hinterher, als dieser zur Haustür schritt. „Nicht dass ich wüsste.“ Durch die Haare streichend öffnete er einen Spalt weit und bereute es im nächsten Moment zu tiefst. „Hey Ryo!“, begrüßte ihn Kazu und bevor er etwas dagegen unternehmen konnte, hatte sich dieser bereits an ihm vorbei in die Wohnung gedrängt. „Ich muss dir unbedingt was zeigen. Endlich hab ich die Karte, von der ich...“ Abrupt stoppte, der Shiota, zugleich er Rika erblickte, die ihn nur mit hochgezogenen Augenbrauen besah. Seufzend schloss der junge Mann die Tür wieder. Klasse... „Spatzenhirn, du kannst den Mund wieder zu machen“, hörte Ryo die junge Frau nach einigen Sekunden der Stille fauchen. Genau das wollte er eigentlich vermeiden. Er hatte nichts gegen Kazu im Gegenteil, doch gerade störte er und zwar gewaltig. „Die Karte ist soeben unwichtig geworden. Sagt mal hab ich irgendwas Wichtiges verpasst?“, setzte er an und dachte gar nicht erst daran seinen Blick von Rika zu nehmen. „Nein hast du nicht. Was genau wolltest du?“, antwortete Ryo ihm und schritt zurück an den Tisch. Die ganze Situation war alles andere, als angenehm, er wusste genau was Kazu in dem Moment dachte. Es stand ihm sozusagen auf der Stirn geschrieben. „Nicht wichtig ich...“ Abermals stoppte er mitten im Satz, als Rika jäh aufstand und ohne weiteres Wort in den Gang hinaus verschwand. Erst jetzt sah er auch den Hund, der ihr trabend folgte. Sich zu Ryo umdrehend fing er an zu sprechen. „Junge, wir sehen uns eine Woche nicht und meine ganze Welt gerät aus den Fugen. Du hast nen Hund und Rika ist bei dir, entweder ihr verschweigt mir was oder ich werde verrückt.“ Langsam fing er an den Tisch abzuräumen und musste den Drang unterdrücken, seinen Freund raus zu schmeißen. „Kazu welche Karte wolltest du mir zeigen?“, versuchte er abermals das Thema zu wechseln. „Die hier.“ Kazu schmiss das Genannte auf den Tisch und setzte sich auf den Stuhl wo zuvor Rika saß. Ryo ließ seinen Blick kurz darüber schweifen, bevor sich seine Aufmerksamkeit auf die junge Frau legte, die zurück in den Raum schritt. Sich die Haare aus den Kragen des T-Shirts ziehend, griff sie nach der Hundeleine, die in der Nähe der Couch lag. „Bin mit dem Hund draußen.“ „Rika warte mal...“ Die Haustür fiel ins Schloss noch bevor Ryo weiter sprechen konnte. Schnaufend stellte er die Teller in die Spüle und sah zurück zu Kazu. So hatte er sich den Vormittag nicht vorgestellt... „Was läuft da zwischen euch?“, hörte er es kurz darauf und musste ein genervten Laut unterdrücken. „Nichts.“ „Sicher doch und weil auch nichts zwischen euch ist, hält sie sich so früh hier auf.“ „Es läuft aber nichts zwischen uns“ Ryo verschränkte die Arme vor der Brust und hoffte das Kazu die stille Botschaft verstand. Die Situation ging ihm gerade gehörig gegen den Strich und das Letzte, das er wollte, war über etwas zu sprechen das nicht existierte. Außerdem, auch wenn etwas zwischen ihnen sein sollte, würde es niemanden etwas angehen und Kazu wäre bei Weitem, der letzte dem er irgendetwas auf die Nase binden würde. „Wenn du das sagst.“ Die Hände lässig über die Stuhllehne baumelnd kippte der junge Mann nach hinten und ließ seinen Blick über das Wohnzimmer schweifen. „Bist du nur vorbei gekommen, um mir die Karte zu zeigen?“ „Klar hab sie vorher bekommen. Das war eine Arbeit sag ich dir aber hat sich gelohnt“, grinste er und sprach nach Kurzem weiter, als sein Blick auf der Jacke die über der Couch hing, hängen blieb; „Gehört Rika, was?“ „Ja...“ Er hoffte das Kazu das Thema jetzt wirklich ruhen ließ. „Willst du was trinken?“ „Nein danke. Wusstest du, dass Frauen immer dann die Klamotten von einem...“ Ryo unterbrach Kazu harsch; „Ich will es gar nicht wissen und jetzt lass das Thema oder geh.“ Wenn Kazu nicht aufhörte, würde er ihn ohne Weiteres das erste Mal aus seiner Wohnung schmeißen. Er war ohnehin schon ärgerlich über die Tatsache, dass er Rika vergrault hatte und das Kazu der Grund für ihren schnellen Abgang war, konnte man nicht abstreiten. „Was bist du den auf einmal so gereizt?“ „Ich bin nicht gereizt aber es geht dich nichts an und deine dummen Kommentare kannst du dir sparen.“ Kazu lachte auf, was ihm lediglich einen geräuschvollen Schnaufer entlockte. „Man sei nicht so. Es ist nur einfach bizarr Rika hier anzutreffen und dann hat sie auch noch deine Sachen an. Was würdest du den an meiner Stelle denken?“ Ryo antwortete ihm nicht, blieb still und beobachtete seinen Freund dabei, wie dieser aufstand. Kazu bewegte sich auf dünnem Eis und es war ihm, wie es den Anschein hatte nicht einmal bewusst. „Mal ernsthaft, wir wissen ja beide was Rika für eine Frau ist. Also was läuft da jetzt zwischen euch beiden? Sag mir ja nicht, sie läuft hier mit ihrer Modelfigur vor deiner Nase umher und du lässt die Finger von ihr", meinte er und trat näher an Ryo heran, lehnte sich grinsend an die Küchenzeile. „Kazu...“ Ein theatralisches Seufzen. „Komm schon, ich bin nur neugierig, mich hat sie immer abblitzen lassen.“ Langsam wurde ihm klar, warum Rika dem Shiota so kalt begegnete. Sie waren durchaus so etwas wie Freunde, was unter an der Gegebenheit lag, dass sie in der digitalen Welt damals viel durchgemacht hatten. Doch ihm war die junge Frau immer am reserviertesten gegenübergetreten und das hatte sich bis heute nicht geändert. „Wie hast du sie rum gekriegt?“ „Gar nicht und will ich auch nicht. Falls es dir entfallen sein sollte, wir sind befreundet, mehr aber auch nicht.“ Kazu winkte grinsend ab und stützte sich auf seinen Armen von der Theke ab, bevor er weiter sprach; „Sind wir doch alle, trotzdem ich rede ja jetzt nicht, als einer ihrer Freunde. Du kannst mir nicht ehrlich sagen, dass du nicht mal mit dem Gedanken gespielt hast. Ich mein Jen ist hübsch aber bei Rika stimmt einfach alles. Weißt du, wie du dich anhörst? Wie Takato und Henry, die wollen von dem allem auch nichts wissen.“ „Warum nur...“ Es würde bald krachen und das würde definitiv nicht die Tür sein. Auch wenn sie Freunde waren, Kazu ging zu weiter. „Jetzt mal unter uns...“ „Was?“, knurrte Ryo drohend und irgendwie ahnte er bereits, was, als Nächstes kommen würde. „Wie war die Nacht mit ihr?“ In dem Moment riss der dünne Geduldfaden und Ryos nächste Worte, waren nicht nur drohend, sondern gefährlich ruhig. „Ich empfehle dir jetzt zu gehen, ansonsten werde ich dich aus meiner Wohnung werfen und das wird dir mehr wehtun, als mir.“ Beschwichtigend hob Kazu die Hände und das Grinsen verschwand langsam. „Das war doch nicht so gemeint“ Das war kein Spaß mehr, für ihn auf jeden Fall nicht. „Ich mein es ernst Kazu verschwinde und zwar jetzt.“ Schwer hingen die Silben in der Luft und einige Augenblicke herrschte drückende Stille, ehe der Shiota sich murrend abstieß. „Ich muss sowieso. Du nimmst das viel zu ernst.“ Ryo ging ihm hinterher und öffnete auffordernd die Haustür, wie Kazu sich noch einmal umdrehte. „Du schmeißt mich also echt wegen so einer scheiße raus?“ „Wir sehen uns“, meinte er nur und lautes Hundegebell drang in dem Moment an sein Ohr. Ryos Aufmerksamkeit legte sich auf Kuroi, der hechelnd die Straße entlang lief und sekundengleich stoppte sowie ein durchdringender pfiff erklang. Bellend rannte er zurück zu der jungen Frau, die ihm dafür milde durch sein Fell strich. „Naja“, meinte der Kappenträger verstimmt und vergrub seine Hände in den Taschen. „Na hat Ryo schon genug von dir?“, begrüßte die junge Frau Kazu spaßhaft, als sie bei beiden ankam, und hob auf seine nachfolgenden Worte nur überrascht die Augenbrauen. "Noch viel Spaß euch beiden", schnaufte er ihr entgegen und ging ohne Weiteres an ihr vorbei. „Was ist mit dem falsch?“ Rika sah ihm kurz hinterher, bevor sie sich Ryo zuwandte. "Nichts weiter, der hat noch anderes vor. Dass du so schnell wieder da bist, ich hab nach deinem schnellen Verschwinden erwartet, das du länger unterwegs bist." Schulter zuckend schritt sie an ihm vorbei in die Wohnung und legte die Leine zurück auf ihren Platz. "Bin nur kurz um den Block gelaufen. Ich kann mir in der Früh bei Weitem was Besseres vorstellen, als Kazus Gesellschaft." Ja das konnte er sich auch... Kazu hatte heute eindeutig den Vogel abgeschossen. Rika war ihm wichtig, wichtiger, als nur etwas flüchtiger Spaß. Sie war kein Spielzeug, dass man benutzen konnte, wann man es wollte und genau so hatte sich Kazu an manchen Stellen angehört. Eine dumme Nacht war ihm mit Abstand nicht so viel wert, wie ihre Freundschaft. Sich streckend lehnte sich Rika weiter in die bequeme Couch hinein und ließ ihre Arme über ihrem Kopf hinunter hängen. Leise schallten die Geräusche des Fernsehers im Raum wider, doch folgte sie der Serie, die lief nur halbherzig. Das Faule herum liegen machte sie müde und das langweilige Fernsehprogramm tat den Rest. „Was wollen wir heute eigentlich essen?“ Sie drehte ihren Kopf zu Ryo, der sich auf die Couch lehnte und zu ihr herunter sah. „Mir ist das relativ egal, solange ich nicht Stunden in der Küche steh“, gab sie ihm zur Antwort und unterdrückte ein platonisches Gähnen. Fragend blickte der junge Mann sie an und ein Schmunzeln legte sich auf ihre Züge. „Na, ich nehm dir dein Schlafzimmer weg und du musst auf der Couch schlafen, dann kann ich wenigstens auch kochen oder nicht?“ Das war das Mindeste, was sie tun konnte und im Gegensatz zu ihrer Mutter, beherrschte sie es wenigstens. Ihre Großmutter hatte es geliebt zu kochen und so war es nicht verwunderlich das die junge Frau ihr immer wen sie den zu Hause war helfen musste. „Mir macht es nichts aus, du musst nicht kochen.“ „Ich weiß, trotzdem. Überleg dir gut, was du willst, so oft wird es in deinem Leben nicht vorkommen, das ich für dich am Herd steh.“ Amüsiert schüttelte er seinen Kopf und stieß sich von dem Polster ab. „Dann helfe ich dir.“ Die junge Frau stand auf und streckte ihren Rücken durch, dass es erneut anfing zu spannen, entlockte ihr nur ein resignierten Laut. Die Striemen würde sie wohl noch länger spüren. „Warum, hast du Angst ich vergifte dich oder was?“ „Man weiß ja nie“, witzelte er und kassierte einen Schlag auf die Brust, was ihm ein heiteres Lachen entlockte. „Idiot. Für was genau hast du eingekauft?“ Ihre Beine trugen sie in die Küchennische und mit einer Handbewegung zog sie die Kühlschranktür auf. „Um ehrlich zu sein, hab ich mir nur Gedanken über das Frühstück gemacht.“ „Sieht man“, warf sie belustigt zurück, als sie ihre Augen über den Inhalt schweifen ließ. Das konnte Frau wohl, als typische Männer Aktion bezeichnen. Da war er schon Einkaufen und die Hälfte vergaß man oder dachte nicht daran. „Entweder noch mal Einkaufen oder Nudeln mit Soße.“ Ehe Ryo ihr antworten konnte hallte die Türklingel lästig und durchdringen wider. „Das wird meine Mutter sein“, meinte sie nüchtern und schritt bereits an ihm vorbei zur Haustür und öffnete diese ohne bedacht. Ein lautes Klatschen erklang und entsetzt, wie fassungslos beobachtete er wie die junge Frau zu Boden ging. „Hab ich mich vor einigen Tagen nicht klar genug ausgedrückt Ruki?!“ Bevor sie reagieren konnte, wurde sie hart nach oben gerissen und gegen den Hauseingang gestoßen. Ein Schmerzender, als auch überraschter Laut drang über ihre Lippen und erschüttert sah sie zu dem Mann. Dessen Stimme drohend laut an ihr Ohr drang. Jacks Hand um ihren Arm zog sich gewaltsam fester zu und entlockte ihr ein keuchendes Wimmern. Ihre Stimme versagte ihr, als sie etwas erwidern wollte, irgendetwas und auch nur, wen es ein Schrei sein sollte. „Muss ich mich noch deutlicher Ausdrücken, damit du endlich verstehst?“, donnerte er und Rika sah, wie er bereits erneut ausholte. Zurückweichend die Augen schließend, verharrte sie, doch riss sie diese einige Sekunden später auf. „Lass sie los oder ich schwöre dir, dass ich dir jeden Knochen doppelt brechen werde“, knurrte Ryo gefährlich leise und hielt weiter hin das Handgelenk des Mannes fest. Jack stockte und sie sah wie seine Augen von Ryo zu dessen Griff wanderten, der sich erbarmungslos verfestigte. Jacks Hand löste sich langsam um ihren Oberarm und sie spürte wie sich Ryos Arm um ihre Hüfte legte. Sachte zog er sie hinter sich und bedeutete ihr dort zu bleiben. Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht Jacks aus und ungeachtet dessen, das sich seine Haut um den Griff Ryos rot färbte sprach er. „Eigentlich hätte ich es wissen müssen, nicht Ruki?“ Mit dem Fuß stieß er die Tasche zu seinen Beinen in die Wohnung. „Deine Mutter hatte keine Zeit mehr, bitte schön.“ Schluckend strich die junge Frau über ihre brennende Wange und ihre Finger berührten hauchend Ryos rücken. „Verschwinde“, meinte der Akiyama eisig und ließ den Mann im nächsten Augenblick los. Jacks Aufmerksamkeit schweifte wieder zu ihm zurück und das Grinsen verschwand so schnell es kam. „Ryo, nicht? Überleg dir, mit wem du dich anlegst...“ Dieses Mal war es an diesem kalt zu lächeln und drohend ging er einen Schritt auf den schwarzhaarigen zu. „Ich mach dich fertig, wenn du nicht in den nächsten Sekunden aus meinem Blickfeld verschwunden bist.“ Kurois grollen das immer geräuschvoller zu werden schien, als der Rüde neben Rikas Füßen auftauchte, untermauerte seine Worte nur. Die Hand der jungen Frau legte sich auf Ryos Arm, ebenso er noch einen Schritt auf Jack zu gehen wollte. Die Atmosphäre wuchs dunkel an, ehe sie sich zischend entlud, als Jack düster auflachte und den Rückzug antrat. „Wir sehen uns.“ Seine Silben schwebten drückend über ihnen, ehe sie zusammenzuckte, als Ryo die Haustür zu schmiss und sich zu ihr umdrehte. Behutsam umfasste er ihr Kinn und strich sanft über die gerötete Haut. „Gehts dir gut?“ Ihre Augen begegneten den seinen. Auf der Suche nach etwas, das sie selbst nicht benennen konnte, musterte sie das tiefe Blau und musste feststellen, das es ihr Körper war, der milde zitterte. Zugleich das Gefühl der Dankbarkeit aufwallte, erfasste sie etwas anderes, etwas, das sie versucht hatte zu ignorieren. Mit einer sachten Bewegung ihres Kopfs löste sie sich aus seinem Griff und trat näher an ihn heran, legte ihr Haupt auf seiner Brust ab. „Ja“, meinte sie ausatmend und verzeichnete, wie sich seine Arme um ihren Körper legten, zugleich sie die Lider schloss. „Danke, Ryo.“ Vergessen und verdrängen ließ sich vieles, doch nicht alles und das war es, was sie mit dem Beben ihres Körpers noch erkennen musste. Kapitel 12: Leise Silben ------------------------ Kapitel 12 Leise Silben Kaltes, eisiges Wasser prasselte auf ihren zierlichen Körper hinab, brachten ihn zum Erbeben. Betäubend rauschte das Geräusch der zerschellenden Tropfen an ihr Ohr und die frostige Temperatur der Flüssigkeit spürte sie kaum noch. Die Augen öffnend strich die junge Frau ihre strähnigen Haare zurück und legte ihre Stirn behutsam an die Wand vor ihr nieder. Ein leidiger Laut entfloh ihren Lippen, kaum zu hören und doch für sie laut widerhallend. Sie musste einfach weiter ignorieren, irgendwann würde das Gefühl verschwinden, bestimmt. Kurois bellen das zu ihr hindurch drang, veranlasste Rika den Hahn der Dusche abzudrehen. Doch wie ließ sich eine Empfindung vergessen, die so präsent und einnehmend in ihrem Inneren tobte. In der Dunkelheit der Nacht, als sie keinen Schlaf fand und rhythmisch über das Fell des Hundes strich, war es ihr eingefallen. Ihr war bewusst geworden, warum sie all die Zeit Ryos Nähe gemieden hatte und warum sie es jetzt am liebsten wieder tut würde. Das hitzige Kribbeln hatte mit der Zeit nachgelassen, war fast gänzlich versiegt, jetzt jedoch, nach wenigen Tagen, flammte es von Neuem auf, brodelnder, als zuvor. Seufzend tastete sie nach dem weichen Handtuch und band es sich um, ehe sie einen Schritt aus der Dusche tat. Mollig warm fühlte sich der Stoff an und erst jetzt spürte sie, wie eisig das Wasser eigentlich gewesen war. Mildes Klopfen erklang, veranlasste die junge Frau an die Badezimmertür zu blicken. „Rika? Ich bin schnell Einkaufen, Kuroi lass ich hier ja?“, hörte sie Ryo sagen und wie von selbst antwortete ihre Stimme. Leise und in Gedanken gefangen. „Sicher...“ Egal wie, doch sie musste einfach weiter versuchen das Gefühl, zu missachten. Nie wieder würde sie so dumm sein und jemanden so nahe an sich heran lassen, es endete immer gleich. Sie war für sie alle nichts weiter, wie eine schöne Trophäe. Eine Eroberung, mit der man angab und die man herumzeigte. Wenn man genug geprahlt hatte und der Reiz des Unantastbaren verloren ging, wurde sie uninteressant. Ryo würde nicht anderes sein. Der Föhn heulte auf und lauer Wind strich über ihre Haare, entzog ihnen die tropfende Nässe. Sie würde zurückgehen, in einigen Tagen und das Gefühl verschwand so wie früher. Lange durfte sie nicht mehr warten, den eines wurde ihr gestern noch bewusst. Jack ließ ihr die Wahl. Die Wahl von alleine zurückzukommen, so wie er es erwartete und sie wusste, sollte sie nicht folgen, dann würde er sie holen, mit Gewalt. Ihre Finger fuhren durch ihre Haare, brachten sie so zum Liegen, das sie ihr nicht in die Augen fielen. Sie musste sich entscheiden und sie zog die körperlichen Schmerzen vor. „Schluss jetzt!“, murmelte Rika sich selbst leise zu und stellte den Föhn zurück. „Das ist ja schlimm...“ setzte sie hinzu und löste das Handtuch. Jack war zurückgewichen, fiel ihr ein und hielt in der Bewegung inne. Als Ryo seine Hand los ließ, war er einen Schritt zurückgegangen. Ihre Aufmerksamkeit huschte einen Moment zu dem Spiegel und von selbst berührten ihre Finger ihre Wange. Seit sie den Mann kannte, war ihr keine einzige Szene in Erinnerung geblieben, wo er, und nicht sein Gegenüber den Rückzug antrat. Den Kopf schüttelnd zog sich die junge Frau an und verließ letzten Endes das Bad, um festzustellen, dass sie bereits sehnlichst erwartet wurde. Kuroi hatte wachsam vor der Tür gewartet und strich ihr nun schwanzwedelnd um die Beine. „Na du.“ Jaulend stieß er mit seinem Kopf gegen sie und schmunzelnd ging Rika seiner Aufforderung nach. Kraulend strich sie ihm durch sein Fell und hob ihre Augenbrauen, als sich der Rüde prompt hinlegte. „Hab ich dich den in der Nacht nicht genug gestreichelt?“ Trotz ihrer Worte ging sie in die Knie und tat, nach was der Hund bettelte. Es war seltsam, Kuroi verteidigte sie obwohl sie das Tier nicht länger, als eine Woche kannte. Er benahm sich wie es Amai immer getan hatte, obwohl sie eigentlich nichts anderes war, als jemand der ihn streichelte. Ryo hatte sich gestern genauso vor sie gestellt, entsann sie sich und stand abrupt auf. Dumme Gedanken... Ohne Kuroi noch zu beachten, ging sie in das stille Wohnzimmer und ließ sich seufzend auf die Couch fallen. Sie brauchte niemanden der sie beschützte, ob Hund oder Mensch. Sie hatte bisher alles alleine geschafft und so würde es bleiben... Die Arme vor der Brust verschränkend besah sie sich das Tier, das ihr nachkam und neben sie auf die Polster sprang. Schnaufend und sie anblickend, legte er seine Schnauze auf ihren Schoss. „Schau mich nicht so an“, meinte junge Frau leise und legte ihre Hand vorsichtig auf sein Maul. Wäre sie gestern wirklich alleine klargekommen? Nein... Jack war körperlich einfach stärker. Egal was sie tun würde, die junge Frau wusste, dass sie nicht gegen ihn ankam. Sie konnte ihn verletzen und auch würde ihre Gegenwehr sicher nicht spurlos an ihm vorbei gehen, doch am Ende war es sie die unterlag. Ein Faktum der sich nicht ändern ließ. Ein leiser Seufzer entwich ihren Lippen und die Augen schließend lehnte sich Rika zurück. Ryo hatte sie beschützt und sie kam nicht umhin sich einzugestehen, das sie seine Hilfe gebraucht hatte. Das Aufschließen der Haustür schreckte nicht nur sie auf, sondern auch Kuroi, der blitzschnell sein Haupt hob und von dem Sofa sprang. „Du bist schon wieder da?“, begrüßte sie den jungen Mann und stand auf, um ihm dabei zu helfen die Taschen auszuräumen. „Schon?“ Belustigt hob Ryo die Augenbrauen, stellte die Tüten auf die Ablage. „Ich war länger, als eine Stunde unterwegs“ Hatte sie so lange im Bad gebraucht? Anscheinend... Schweigend zog sie den Kühlschrank auf, sortierte die Lebensmittel ein. „Ich hoffe du kannst dich mit Spaghetti heute Abend anfreunden“, meinte er nach Kurzem und hielt ihr einige Sachen entgegen, die sie kommentarlos annahm. „Sicher.“ Nichtssagend und neutral. Ryo runzelte einige Momente die Stirn und sein Blick schweifte musternd über die junge Frau neben ihm. Seit gestern benahm sie sich anderes, distanzierter. Ihre ganze Art ihm gegenüber war wie eingefroren. Ein solches Verhalten hatte sie ihm gegenüber noch nie an den Tag gelegt. Sicher sie war des Öfteren abweisend gewesen, vor allem nach dem Vorfall am Fluss aber nie auf eine solch befremdliche Weiße wie jetzt. Rika stoppte in ihrem tun, als Ryo ihr etwas vor das Gesicht hielt. Blinzelnd nahm sie die Tafel Schokolade entgegen und sah perplex auf. „Ich denk das ist die richtige Sorte oder hab ich mich geirrt?“ „Woher...“ „Zeltwochenende letztes Jahr. Du hast nur diese Sorte gegessen, also hab ich daraus geschlossen, dass es deine Lieblingsschokolade ist.“ Ihr Blick wanderte wieder zu der Tafel in ihren Händen, ehe sie schluckend den Kopf schüttelte. „Danke“, gab sie zurück. Es war nicht die Tatsache, dass er ihr etwas kaufte, dass sie durcheinanderbrachte, sondern viel mehr, dass er überhaupt wusste, welche Vorlieben sie hatte. Die Freude über eben jenen Umstand ließ sie ihre nächsten Worte um einiges kühler sprechen; „Du hättest mir aber nichts mitbringen brauchen. Reicht das du die Kosten für das Essen übernimmst.“ Ryo verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit dem Rücken an die Anrichte. „Sag mir, was los ist“, forderte der junge Mann sie auf und beobachtete, wie sie untypischer weiße stockte. „Nichts.“ „Es ist also alles in Ordnung ja? Und wieso verhältst du dich dann so?“ Rika schmiss den Kühlschrank zu und blickte ihn provozierend entgegen. „Wie verhalt ich mich den?“ Sie wollte eigentlich keinen Streit und war sich durchaus im Klaren darüber, wie sie ihn gerade anfuhr, doch wallte die Wut in ihr auf. Allein deswegen weil das Gefühl in ihr nicht abflauen wollte und Ryo machte es mit seinen dummen Gesten nur noch schlimmer. Erstaunt über ihren harschen Tonfall blickte Ryo sie einen Moment lang nur an, bevor er ihr antwortete. „Distanziert und zwar anderes, als ohnehin schon. Rika ich will keinen Streit, das war eine normale Frage, mehr auch nicht.“ Die junge Frau hielt inne und musste sich still ermahnen. Er hatte recht, es war eine nichtige Frage gewesen, doch fühlte sie sich von seinen Worten angegriffen, obwohl sie genau wusste, dass es keinen Grund dazu gab. Ausatmend wandte sie sich ab und fuhr fort die Einkäufe wegzuräumen. „Tut mir leid“, gab die junge Frau milde von sich und meinte hinzugesetzt; „Mir tut nur mein Rücken weh, das ist alles.“ Eine Lüge, aber es würde ihn ruhigstellen und eine bessere Begründung fiel ihr spontan nicht ein. „Sag das doch. Gedankenlesen kann ich noch nicht.“ Ein Schmunzeln legte sich auf seinen Zügen nieder, ehe er sich abstieß und ihr zur Hand ging. „Soll ich ihn mir anschauen?“ „Passt schon, danke.“ Mit verschränkten Armen beobachtete sie den Sekundenzeiger der Uhr, wie er tickend über die Zahlen strich. Das kochende Wasser in dem Topf vor ihr brodelte und nebliger Rauch stieg empor. „Was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend einen Film ansehen?“ Ihr Blick wandte sich zu Ryo, der mit einem Handtuch um die Schultern seine feuchten Haare trocken rubbelte. Wie sie, lehnte er sich an die Küchenzeile. „Oder willst du was anders machen? Es ist Freitag, wir können auch weggehen.“ Den kopfschüttelnd stieß sich die junge Frau ab, schmiss die Nudeln in den Topf. „Film hört sich gut an“, antwortete sie ihm kühl und beschäftigte sich mit der Soße. Sein Blick schweifte kurz über die Gestalt der jungen Frau. Das Gefühl, das etwas nicht stimmte, ließ ihn nicht los. Er glaubte, dass es nicht nur an ihrem Rücken lag, das sie sich so verhielt. In jenem Moment, als er etwas sagen wollte, erklang das leise vibrieren ihres Handys. Rika hielt inne und zog das kleine Gerät aus ihrer Hosentasche, bevor sie einen kurzen Blick darauf warf und den Anruf entgegen nahm. „Was gibt es?“, hörte er sie sagen und war kurz überrascht, wie sich ihre Stimme änderte. Weder abweisend, noch reserviert, sondern offen und freudig. „Was Morgen? Jen warte mal, ich stell dich laut, dann weiß es Ryo auch.“ Die junge Frau zog das Telefon von ihrem Ohr und drückte auf Lautsprecher. Auffordernd hielt sie es ihm entgegen. „Halt bitte, sonnst brennt mir die Scheiße hier an. Jen kannst weiter reden“, richtete sie die letzten Silben an die Anruferin. „Was machst du bei Ryo?“, hörte man es erstaunt aus dem Gerät, doch sprach die Kato weiter, bevor sie beide etwas erwidern konnten. „Trifft sich gut, spar ich mir einen Anruf. Also hört zu, ihr wisst ja das Takato in ein paar Tagen Geburtstag hat oder?“ Ryo sah auf und begegnete dem Blick von Rika. Anscheinend hatte nicht nur er etwas vergessen. „Ihr habt ihn vergessen? Oder wie darf ich die Stille interpretieren?“ „Nicht daran gedacht hört sich besser an“, gab die junge Frau vor ihm zurück und Jen lachte leise. „Ich hab mir überlegt das wir uns alle Treffen und schaun, was wir ihm schenken. Was haltet ihr davon, wenn wir uns morgen gegen eins im Park treffen?“ „Passt das?“, wandte sich die junge Frau ihm zu und sprach um einiges leiser. Ihr fragender Ausdruck und die Tatsache, dass sie ihn überhaupt fragte, ließ den jungen Mann schmunzeln. „Ja, wir können Kuroi mitnehmen, dann brauchen wir nicht noch mal mit ihm raus.“ „Jen um eins passt“ meinte sie weiter und zog zugleich den heißen Topf von der Herdplatte. „Perfekt, na dann bis Morgen ihr zwei“, hörten beide noch, bevor die junge Kato auflegte und das Handy verstummte. Einige Augenblicke herrschte schweigen, in denen Rika das heiße Wasser abgoss und den Ofen abschaltete. „Ich muss gestehen. Ich hätte seinen Geburtstag höchst wahrscheinlich vergessen.“ Ryo legte ihr Handy beiseite und zog zwei Teller aus dem Schrank. „Dann wärst du nicht der einzige aber Jen ist in der Beziehung praktisch. Sie hat sämtliche Geburtsdaten im Kopf“ „Ich bin froh, wenn ich mir den meiner Eltern merken kann.“ Schmunzelnd sah sie auf und nahm ihm das Geschirr aus der Hand. „Sag bloß der große Digimon König kann sich keine Geburtsdaten merken“ „Das sagt gerade die Richtige“, lachte Ryo leise und kassierte einen Hieb auf den Arm. Er war noch nie gut darin gewesen sich Geburtstage zu merken und da war es egal, um wen es sich handelte. Wobei den ihren hatte er bisher noch nie vergessen. Angenehme Nachtluft blies durch die offene Terrassentür hinüber zu ihnen und nur milde strahlte der Fernseher in den dunklen Raum hinein. Seine Aufmerksamkeit legte sich auf die junge Frau, die neben ihm auf der Couch lag und interessiert dem Film folgte, den sie eingelegt hatten. Es war komisch, seit dem Telefonat mit Jen heute Nachmittag benahm sie sich ihm gegenüber wieder normal. Nichts erinnerte mehr an die befremdliche Distanz zwischen ihnen und er war froh darüber. Denn einen Moment lang hatte ihr Verhalten ihn daran erinnert, wie sie zu Kazu immer war. Ryo schüttelte milde sein Haupt und zog die Decke, die am Ende der Couch lag zu sich. Auch wenn er sie liebte, wollte er die Freundschaft zwischen ihnen nicht riskieren und ihr keinen Anlass dazu geben, sich von ihm zu entfernen. Doch musste er einräumen, dass es je länger sie hier war, schwieriger wurde. Rika schreckte auf, als etwas Weiches ihre Beine berührte und sie dazu veranlasste zu dem jungen Mann, zu sehen. "Hier, falls dir kalt wird", meinte er schmunzelnd und wandte sich wieder dem Fernseher zu. Ihre Augen huschten zu der Decke, die teils auf ihren Beinen lag und ohne es zu wollen, umwehte sie ein warmer Hauch. Der sich jedoch schnell in ein schlechtes Gewissen umwandelte. Ihr Blick schweifte zurück zu ihm und wie zu beginn des Filmes, kam sie nicht umhin festzustellen, dass seine Position unbequem aussah. Eigentlich sprach nichts dagegen, dass sie sich beide hinlegten. Es war schließlich nichts dabei, der Film würde nicht mehr ewig dauern und bis dahin würde sie es überleben ihn hinter sich zu wissen. Sie war sonnst auch nicht so zimperlich und die Couch war breit genug, es würde also zu keinem Körperkontakt führen. Seufzend musste sie den Kopf schütteln. Ihre eigenen Gedanken waren nicht nur verwirren, sondern auch nervend. Genauso störend, wie es ihre Gefühle waren. „Du kannst dich ruhig hinlegen, mich stört es nicht aber wenn möglich hinter mich. Wenn du vor mir liegst, seh ich den Film nicht mehr“, hörte sie ihre Stimme bereits nüchtern sagen. Sie spürte mehr, als das sie es wirklich sah, das er überrascht innehielt und seine Aufmerksamkeit ihr zuwandte. „Mir macht das Sitzen nichts aus aber danke, das Angebot nehm ich gern an“, vernahm sie ihn und das Lächeln brauchte sie nicht erst sehen, um zu wissen, dass es auf seinem Gesicht lag. Die Decke etwas beiseiteschiebend, rutschte sie bis zum Rand und hoffte das die Einschätzung der Breite des Sofas auch stimmte. Gleichzeitig er sich hinlegte, streifte er ihren Arm und die daraus resultierende Gänsehaut, versuchte sie weitest gehend zu ignorieren. Schluckend bettete sie ihren Kopf auf dem Kissen und bemühte sich dem Film weiter zu folgen. Es war ertragbar, auch wenn die entstandene Situation, angenehm und unbehaglich zugleich war. Der Geruch von Kirschblüten stieg ihm in die Nase und lautlos seufzend schloss er die Lider. Sitzen wäre vielleicht doch besser gewesen. Auch wenn sie sich nicht berührten, so war doch ihr Körper präsenter und die Wärme, die sie ausstrahlte, ließen ihn schwer schlucken. Er nahm sie intensiver wahr und genau das war es, was an seiner Beherrschung zerrte. Das Verlangen danach sich zu der jungen Frau hinunter zubeugen wurde mit jedem verstrichenen Augenblick stärker. Seine Augen schweiften von alleine über ihre zierliche Gestalt und blieben letztendlich an ihrem Gesicht hängen. Er musste sich zusammenreisen, so etwas wie am Fluss durfte ihm nicht noch mal passieren. Doch das Gefühl ihrer Lippen auf den seinen, half ihm dabei recht wenig... Der junge Mann riss den Blick von ihr ab und atmete lautlos ein. Sie waren Freunde, nichts weiter und das wollte er nicht aufs Spiel setzen. Er konnte sich zügeln, auch wenn es ihm mehr abverlangte, als die ganzen letzten Wochen. Zuvor war sie nie so nah bei ihm gewesen, aber er war nicht wie Kazu und würde auch nicht so werden... Dass Erste das die junge Frau spürte, als sie durch den leisen Signalton des Fernsehers aufwachte, war der warme Hintergrund, der sich schon fast schmerzhaft an ihren Rücken drückte. Blinzelnd musste sie innehalten, um zu realisieren, wo sie war. Sie war wohl irgendwann eingeschlafen... Erst der heiße Atem, der rhythmisch an ihrem Hals entlangstrich, veranlasste sie dazu, Ryo wahrzunehmen. Seine Hand hatte sich besitzergreifend um ihre Mitte gelegt und hielten sie bestimmt, doch nicht grob, fest. Ihre Finger hebend, strich sich Rika einige Strähnen nach hinten und versuchte sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Der Schauer, der bei jedem Hauchen seines Atems über ihren Rücken jagte, veranlasste sie dazu sich irgendwie zu ihm zu drehen. Sie hätten weggehen sollen, dann wäre sie erst gar nicht in so eine Situation wie diese geraten. "Ryo", versuchte Rika den Schlafenden zu wecken, mit dem Resultat, das er sie nur noch näher an sich zog. Ihr Gesicht streifte das seine und unwohl nahm sie wahr, wie seine Lippen ihren Hals berührten. Ein Japsen entwich ihr unabsichtlich, als seine Hand auf ihren Rücken rutschte. "Ryo!" Ihre Hand legte sich auf seine Schulter und brachte so etwas abstand zwischen sie. "Verdammt, Idiot wach auf!" Erleichtert beobachtete sie, wie seine Lider anfingen zu flackern und er sie kurz danach verschlafen öffnete. "Na auch wach? Jetzt lass mich..." Die nächsten Worte, ging in einem erstickten Laut unter, als er ohne Zögern seine Lippen auf die ihren drückte. Überrumpelt erstarrte die junge Frau und von selbst handelte ihr Körper, als seine Zunge über ihre Lippen strich. Prickelnd loderte das Kibbeln in ihrem Körper auf, zugleich sie ohne zu überlegen erwiderte. Seine Hand, die sanft über ihren Rücken fuhr, entlockte ihr ein verschlucktes Keuchen. Durch einen angenehmen Nebel aus Empfindungen spürte sie ihre Finger, die über sein Hals fuhren und still dort verweilten. Die ausgehende Luft war es die sie dazu brachten sich schwer atmend, zu trennen. "Tut mir..." Es war sie selbst die Ryo zum Verstummen brachte. Die Gedanken längst verdrängend, pressten sich ihre Lippen erneut auf die seinen. Ungezähmte Augenblicke der Wildheit fegten über sie und erst, als ihre Gedanken durch den Schleier brachen, erkannte die junge Frau, was sie tat. Schnell atmend brach sie den Kuss ab und fühlte, wie sich seine Arme vorsichtig um sie legten. Seinen Kopf in ihrer Halsbeuge vergrabend, schluckte er und hoffte das sie nicht verschwinden würde. Die leisen Silben, die er sprach, waren kaum hörbar, doch zerschnitten sie die Atmosphäre in zwei. Es war eine dumme Kurzschlussreaktion, aber seine Worte meinte er ernst. Still verharrend schloss Rika die Augen und verfluchte alle Götter dieser Existenz. Das kurze Zittern ihres Körpers unterband sie und trotz das sie seine Worte hörte, schrie ihr Verstand. Einer von vielen und auch er würde ihr wehtun. Anmerkung: Ich habe versucht Rika nicht Occ werden zu lassen, aber man glaubt gar nicht, wie schwer das in solch einer Situation ist. Ich hoffe es ist mir einiger maßen gelungen und falls nicht, entschuldige ich mich vielmals. Kapitel 13: Für jedes Wort eine Meile. -------------------------------------- Kapitel 13 Für jedes Wort eine Meile. Die Arme verschränkend, wanderte sein Blick hinauf zu der feinen Wanduhr und einen Moment lang beobachtete Ryo, wie der Sekundenzeiger unerbittlich weiter tickte. Vielleicht waren seine Worte ein Fehler gewesen, doch bereuen tat er sie nicht. Es war die Wahrheit, auch wenn sie durch eine dumme Kurzschlussreaktion gesagt worden. Der ganze Umstand gestern Nacht war eine Kurzschlussreaktion... Sie hatte ihn aufgeweckt, er hatte ihren Körper so nah bei dem seinen gespürt und ihre Stimme erklang. Das danach, war einfach passiert, ohne das er noch überlegen, konnte. Ein lautloser Seufzer ran über seine Lippen, zugleich er sein Haupt auf seiner Hand ablegte. Der Kaffee der vor ihm stand war längst erkaltet und eigentlich hoffte er nur, dass die junge Frau endlich aus seinem Zimmer kommen würde. Er bereute seine Worte wirklich nicht, doch bedauerte er, dass sie ihm seit dem aus dem Weg ging. Weder ein Wort darüber noch sonnst irgendeine Erwiderung war ihr entwichen. Nichts. Zwar sprach sie mit ihm so weit normal, doch blockte sie ab, sobald er ein klärendes Gespräch einleiten wolle. Dass eine Bereinigung der Dinge anstand, was sie beide betraf, war unumgänglich und beiden klar. Negativ trug auch der Fakt bei, das sie sich bald mit den anderen treffen würden und so keine große Gelegenheit hatten zu reden. Die ganze Situation war einfach nur kompliziert, genau, wie es die junge Frau war. Er wollte die Freundschaft zwischen beiden nicht riskieren, doch verlangte sein Gefühl eine Antwort. Kuroi war es, der den jungen Mann aufschrecken ließ, als er bellend aus dem Gang gerannt kam. Der Rüde drehte sich schwanzwedelnd um und wartete jaulend auf die junge Frau, die sich durch die Haare streichend in die Stube kam. "Lass uns gehen, sonst kommen wir zu spät", meinte sie kurz angebunden und vermied es zu ihm zu sehen. Dass, gestern Nacht, war, ein Fehler gewesen und nichts weiter. Sie würde sich nicht verletzen lassen, nicht von Ryo und auch von sonnst niemanden mehr. Es war schwer zu vergessen, doch möglich und genau das würde sie tun. Die ganze Situation, das ganze geschehene Rationalisieren. Gefühle ließen sich unterdrücken und gesagte Worte ignorieren, ganz einfach. "Rika lass uns bitte erst darüber reden", hörte sie Ryo und vernahm, wie er aufstand. "Über was?", gab sie ihm zurück und legte Kuroi zu ihren Füßen sein Halsband um. Ryo hatte nicht gesagt, dass er sie liebte und diese Tatsache, ließ ihr Vorhaben um einiges leichter erscheinen. Dass sie ihm viel bedeutete und bleiben sollte, konnte man auch anderes interpretieren. Freundschaftlich, wenn man es denn so wollte. "Du weißt über was. Ich..." Rika unterbrach ihn. Neutral und nichtssagend. "Da gibt es nichts zu bereden. Ein kleiner Ausrutscher mehr nicht." Die junge Frau sah ihn, als sie sprach nicht an. Dem Rüden anleinend, schritt sie auf den jungen Mann zu und reichte ihm auffordernd die Leine. Seinen betroffenen Ausdruck übersah sie gekonnt und auch seine Worte ließen sie von außen hin kalt. "Ist das dein ernst..." "Ja." Schluckend wandte sie ihren Blick ab und, als er keine Anstalten machte ihr die Leine abzunehmen, schritt sie an Ryo vorbei. "Das gestern war also gar nichts?" "Richtig", antwortete Rika nüchtern und zog sich ihre Schuhe an, ehe sie hinzusetzte; "Was soll es schon anderes gewesen sein." Sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken und lautlos einatmend schloss sie die Tür auf. "Wie du meinst", drang seine verletzte Stimme an ihr Ohr und jagte ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken. "Aber meine Worte waren und sind ernst gemeint." Einige Sekunden lang schloss sie die Augen, doch hallte das gesagte in ihrem Inneren wider. Schall und Rauch, mehr nicht, verkündete ihr Verstand und ließ sie ohne eine weitere Erwiderung die Haustür öffnen. Warm und hitzig strömte die Luft ihr entgegen und umhüllte sie mit den nächsten Schritten gänzlich. "Passt es dir, wenn ich meine Tasche morgen hol?" warf sie Ryo entgegen, als sie sich auf den Weg machten. Sie würde zurückgehen und dann hatte sich das Ganze, sowieso erledigt. Das Kribbeln würde verschwinden, ebenso wie sie mit dem hier abschließen konnte. "Du wirst nicht zurück gehen Rika. Mir ist es egal, was du sagst", erwiderte er ruhig. Kurois lautes Hecheln ging in dem Lärm der Straßen unter und geräuschvoll erklang das Getöse der Stadt. "Du wirst mich sicher nicht davon abhalten können nach Hause zu gehen." "Das wirst du dann sehen. Weißt du was ich, glaube Rika?" Ryo Blick legte sich auf die junge Frau, die neben ihm ging und darauf wartete, dass er weiter sprach. "Das du weglaufen willst und zwar von der Situation, wo du vor wenigen Minuten noch meintest, es wäre ein bloßer Ausrutscher gewesen." Das kaum sichtbare zusammenfahren ihres Körpers, entging ihm keines Falls. "Ein Scheißdreck will ich." Ein Zischen, kalt und harsch. "Deine jetzige Antwort spricht nicht gerade dafür, das du deine Worte ernst gemeint hast. Ich bin nicht dumm Rika und ich kenne dich seit sieben Jahren. Glaubst du nicht, dass ich mittlerweile gelernt habe, mich nicht nur auf das, was du sagst zu verlassen?" Ihre Finger krampften sich um das Leder der Leine und stur sah sie gerade aus. Wann hatte er gelernt sie so zu studieren... "Ich meine genau das, was ich sagte, also interpretiere nichts anderes hinein, Ryo" "Tu ich das?", fragte er kühl und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. "Ja verdammt, das tust du", hörte Ryo sie fauchen, doch vernahm er auch das geringe Zittern in ihrer Stimme. Es war nicht so das er sie lesen konnte, wie ein Buch aber hatte er sich angewöhnt, genau aufzupassen. Er glaubte ihr nicht, keines ihrer Worte und doch kam er nicht umhin sich einzugestehen, dass ihre Silben geschmerzt hatten. "Ich passe nur genau auf, mehr nicht. Du hast mir mit deiner Reaktion lediglich bestätigt, was ich glaube." Aufgebracht wandte sich die junge Frau zu ihm und es waren ihre Augen, die ihn einmal mehr faszinierten. Ein tosender Sturm, der wütend in ihnen tobte. "Hör auf damit!", rief sie zornig aus. "Du glaubst falsch, das war ein dummer Ausrutscher ansonsten nichts!" Er umfasste ihren Arm, hielt sie sachte davon ab auf die Straße zu gehen. "Pass auf, wo du lang läufst." Der Laster raste dröhnend an beiden vorbei, genau, wie es die anderen Fahrzeuge taten. Laut atmete sie aus und entzog sich ihm ruppig, doch huschte ihr ein stockendes "Danke" über die Lippen. Dieses Mal ließ er sie nicht weglaufen, allein deswegen, weil er wusste, dass sie gelogen hatte. Ihre Hand umfasste das Halsband des Rüden, als sie den Park erreichten und mit einem schnellen Handgriff, löste sich die Leine. Kuroi bellte geräuschvoll und umrundete die junge Frau freudig, ehe er auf die Wiese, rannte. Sie hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt, waren still den Weg entlang gelaufen und sie würde dies auch nicht ändern. "Hier", bemerkte sie trocken, zugleich sie ihm die Hundeleine reichte und weiter ging. Solle er glauben, was er wollte und auch wen er recht hatte, es veränderte nichts. Von Weitem vernahm Rika Kazu und Kenta, die sich polternd wegen irgendeiner Karte stritten. Henry, der den Kopf schüttelnd danebenstand, versuchte beide zu beruhigen, was nach dem immer lauter werdenden Tonfall zu urteilen wohl nicht gelang. Es war Jen, die sie beide, als Erstes bemerkte und erleichtert seufzend auf sie zu eilte. "Da seit ihr ja." Die Kato hackte sich bei ihr ein und zog sie zu den anderen hinüber. Kazu verstummte, ebenso wie es der Kitagawa tat. "Euch ist schon aufgefallen, das ihr ganze 15 Minuten zu spät seit oder?", begrüßte der Shiota sie und der Klang seiner Stimme war es, der sie die Augenbrauen heben ließ. "Verkehr", entgegnete Ryo gegen sein sonstiges Verhalten kühl und einsilbig, ehe er sich auf die Bank setzte. "Ja klar." Die Atmosphäre senkte sich sichtlich und nicht nur Rikas Blick schweifte zwischen beiden her, ehe sich ihre Aufmerksamkeit schnell auf den Hund legte. Schwanzwedelnd lief er auf die junge Frau zu und brachte ihr einen morschen Stock, den sie schmeißen sollte. "Ui wer ist den das?" Der Rüde war es auch der Jen und die anderen ablenkte. Die junge Kato ging etwas in die Knie und strich ihm graulend über das weiche Fell. "Kuroi, er gehört meinem Vater, und da dieser irgendwo in Florida ist, hab ich ihn währenddessen", klärte Ryo die Gruppe auf währenddessen, seine Augen kurz über Rika huschten, die bis jetzt still geblieben war. Das hier ging ihm gegen den Strich. Er traf sich für normale gerne mit seinen Freunden, doch gerade und in dieser Situation wäre ihm alles andere lieber. "Jen du wirst am besten wissen was Takato sich wünscht oder?", wechselte Rika auf das eigentliche Thema, weswegen sie sich alle versammelt hatten. Sie warf Kuroi den Stock und setzte sich nicht weit von ihm ebenfalls nieder. "Warum, soll das Jen am besten wissen?" Rika ging nicht auf die unfreundliche Frage Kazus ein, sondern wartete geduldig darauf das ihre Freundin zu Wort kam. "Gib ruhe", gab diese mit winkender Geste zurück und sprach weiter; "Seine Eltern werden ihm diese neue Konsole schenken und da dachte ich mir, dass wir zusammenlegen und ihm ein paar Spiele kaufen." Erwartungsvoll sah die Kato durch die Runde und ignorierte die beleidigte Haltung des Shiota. "Ja, das ist in der Tat eine gute Idee. Weißt du auch welche Spiele?" Henry lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Rutsche hinter ihm. "Nicht direkt, er hat mal gemeint das ihn diese dummen Ego-Shooter interessieren würden", meinte Jen daraufhin. Kuroi tapste auf Rika zu und legte brummend seinen Kopf auf ihren Schoß und seufzend ging sie seiner Aufforderung nach. "Ärger im Paradies?", hörte sie Kazu wie neben bei sagen und lenkte so vom eigentlichen Themenkreis ab. Blinzelnd huschten ihre Augen zu eben diesem um festzustellen das die Worte an sie und Ryo gerichtet waren. "Was?", rutschte es ihr perplex heraus und sie spürte wie sich Ryo neben ihr versteifte. "Ist schon scheiße, wenn man uninteressant wird. Oder kriselt es wo anderes?" "Von was bitte sprichst du?", erwiderte sie eisig und spürte die Wut, die sich langsam an ihr hinauf zog. "Na", schnalzte er mit der Zunge. "Von was soll ich schon reden. Eure kleine Bettgeschichte oder was das auch immer ist." Einen Moment lang entgleisten ihr die Gesichtszüge, ehe sie bereits Ryos drohende Stimme vernahm. "Kazu, halt deine Schnauze..." Jens Augenmerk huschte zwischen den Dreien umher und auf die Hoffnung hin den nahenden Streit zu schlichten, trat sie in die Mitte. "Leute, wir sind doch hier um den Geburtstag von Takato zu planen." Kazu achtete nicht auf ihre oder Ryos Worte, er verschränkte die Arme vor der Brust und ging einige Schritte nach vorne. "Würde mich interessieren, wo der Stress liegt. Im Bett sicher nicht oder?" Abrupt stand die junge Frau auf, scheuchte somit Kuroi harsch von sich, der wachsam die Ohren gespitzt hatte. "Da läuft nichts und auch wenn, würde es dich mit Sicherheit nichts angehen." Nur am Rande bemerkte sie, dass ihr Tonfall lauter, ungezügelter wurde. "Na klar sicher und ich bin der Weihnachtsmann oder was? Ey man, du warst früh morgens bei Ryo und hattest seine Sachen an, tu nicht so, als ob da nichts gewesen wäre", erwiderte er bissig und achtete weder darauf, was er sagte noch wie er es sagte. "Was geht es dich eigentlich an, was ich mache und was nicht? Ich war bei Ryo ja, aber aus einem ganz anderen Grund, der dich nen Scheiß angeht!" Sie ballte ihre Hände zusammen und zischte hörbar hinzu. "Was ist überhaupt dein Problem?“ "Ich hab kein Problem! Es ist nur faszinierend, das du zurzeit anscheinend für jeden die Beine breitmachst", schrie er plötzlich und brachte die Vögel in der nähe dazu, hastig zu fliehen. Wie, ein eisiger Schlag rasten seine Worte auf die Gruppe nieder und brachten die Zeit einen Moment lang zum Erliegen. Zugleich die junge Frau sich ruckartig umdrehte und aus dem Park rannte, sprang Ryo auf. "Rika!" Das abfällige Laut Kazus, ließ ihn noch einen Moment innehalten. "Du kannst dich warm anziehn, wenn wir uns wieder treffen, Kazu...", knurrte er dem Shiota entgegen, bevor er der jungen Frau hinterher lief. Mit verschränkten Armen ließ sich dieser auf die Bank nieder und hörte kurz darauf Henrys Stimme, die leise doch durchdringend wieder hallte. "Eifersucht ist keine gute Eigenschaft Kazu. Ich an deiner Stelle würde mir schnell Überlegen, wie ich das wieder bereinige, außer natürlich du willst zwei Freunde verlieren." Es war Kuroi der sie veranlasste langsamer zu werden, den der Hund der neben ihr herjagte, würde wohl auch mit ihr auf die Hauptstraße rennen und das wollte sie nicht. Den jungen Mann der neben ihr zum Stehen kam ignorierte sie und doch flammte die Wut auf eben diesen erneut auf. Wie jeder andere schrie der Verstand ihr gehässig zu. Das Tier am Halsband packend, überquerte sie die Fahrbahn und steuerte zielstrebig die nächste Biegung an. „Rika du weißt, das es nicht stimmt, was er gesagt hat.“ Seine Augen huschten einen Moment lang über sie, ehe er ihr weiter folgte. Was auch immer plötzlich los war, er konnte sich nicht vorstellen, das Kazus Worte sie so getroffen hatten. Es waren haltlose Beschuldigungen, nichts weiter. „Wo willst du hin?“, vernahm Rika ihn fragen und seinen Blick, der auf ihrer Gestalt lag, ließ sie die Hände zusammenballen. „Zu dir...“ Kalt und abweisend. Sie würde ihre Jacke bei ihm holen und verschwinden, den das Einzige, das sie jetzt wollte, war Ruhe. Ruhe vor ihm und auch jedem anderen. „Rika, was genau ist los mit dir?“ Nicht auf Ryo eingehend, schritt sie weiter und blieb schließlich vor seiner Tür stehen. Still wartete die junge Frau darauf das er aufschloss. „Mach auf“, gab sie eisig von sich und war noch vor Kuroi in der Wohnung, als er ihrer Aufforderung nach ging. Eilig trugen ihre Beine sie hinüber ins Wohnzimmer und mit einer schnellen Bewegung drehte sie sich samt Jacke wieder der Tür zu. "Rika, was ist los?!" Ryo umfasste ihren Arm, zugleich sie an ihm vorbei wollte. Es war der Zorn, der sie handeln ließ, als sie sich losriss und ihm die nächsten Silben entgegenschrie. "Fass mich nicht an! Was los ist, willst du wissen? Du bist los! Wem hast du noch erzählt, dass du mich Flach gelegt hast?“ „Was?!“ Ryos Gesichtszüge entgleisten ihm einen Moment und fassungslos besah er die junge Frau. „Von wem soll Kazu diesen Mist sonnst haben? Ach vergiss es.“ Die Tür brachte sie genau einen Spalt weit auf, ehe Ryo diese mit einer einfachen Geste zuschlug. "Ich hab nichts dergleichen gesagt!" Die Wut darüber, das sie so etwas überhaupt annahm stieß brodelnd in ihm auf und vertrieb die Sprachlosigkeit so schnell, wie sie kam. "Sicher doch. Lass mich raus!", zischte sie leise und versuchte abermals die Haustür zu öffnen, scheiterte jedoch kläglich. "Denkst du wirklich so schlecht über mich um mir zuzutrauen so etwas zu erzählen?", fragte er ungehalten und dachte nicht einmal daran, seine Hand von dem Holz zu nehmen. "Du willst gar nicht wissen was ich alles denke, Ryo!" Schnaufend gab sie ihre Versuche auf und verschränkte ihre Arme vor der Brust, ehe sie zu ihm aufsah. "Doch! Na los spucks aus!", gab er zornig von sich und ballte seine Hand zur Faust. Er wollte wissen, für was sie ihn noch alles hielt... "Rede endlich, was denkst du noch über mich!" „Dass du wie die anderen bist! Genauso wie Kazu oder sonnst irgendein dahergelaufener Idiot der meint mich, als Trophäe herzuzeigen", donnerte sie ihm entgegen und doch verstimmte sie, als sie merkte, was genau sie gerade von sich gegeben hatte. Einen Moment lang konnte Ryo die junge Frau nur anstarren, ehe die Wut vollkommen aufflammte. "Wann habe ich dich jemals angemacht oder irgendetwas versucht? Ich habe dich in den letzten sieben Jahren kein einziges Mal bedrängt! Weißt du auch warum? Weil mir unsere Freundschaft wichtiger war, also sag mir nicht das ich wie alle anderen bin Rika!“ Automatisch wich sie durch die plötzliche Heftigkeit der Worte zurück und musste schwer schlucken. „Oder stimmt es etwa nicht? Sag mir auch nur eine Situation, in der ich dich belästigt habe.“ Rika wandte den Blick ab und ihre Finger verkrampften sich um den Stoff, den sie noch immer in den Händen hielt. Nicht einmal die kleine Stimme, die ihr immer zu sagte, er sei genauso erklang. Denn eines musste sie zugeben, ihr fiel nicht die geringste Gegebenheit ein, in der er sie bedrängt oder gar angeflirtet hätte. „Da fällt dir keine ein nicht?“, meinte er wesentlich leiser und strich sich beruhigend durch die Haare. Er hätte sie nicht so anschreien dürften, doch waren ihre Worte wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. „Es... ändert trotzdem nichts“, gab sie stockend von sich und legte ihre Finger um den Türgriff. „Lass mich raus.“ In dem Moment, wie Ryo seine Hand von dem Holz nahm und sie hinaus wollte, spürte sie die Wand in ihrem Rücken, als er sie dagegen presste. „Was...“ Seine Lippen senkten sich auf die ihren, verschluckten die Silben und ließen sie erzittern. Behutsam schlangen sich seine Arme um sie, drückten ihren Körper näher an den seinen. Das bekannte, hitzige Prickeln flackerte von Neuem auf, ließ sie ohne zu denken erwidern und die Augen schließen. Ungeachtet dessen, das ihre Gefühle sie drohten zu ersticken, war es die Furcht davor verletzt zu werden, die sie eisig einfing, sobald sie sich trennten. Ihre Gestalt versteifte sich, als Ryo seinen Kopf in ihrer Halsbeuge vergrub und sein heißer Atem ihre Haut streifte. Ihr Verstand sagte, sie solle ihn wegstoßen, doch blieb sie unbewegt und schweigend stehen. Seine nächsten Worte waren es, die schallernd in ihren Ohren widerhallten und sie die Augen weiten, ließ. „Vielleicht habe ich mich in der Nacht nicht klar genug ausgedrückt, aber ich liebe dich und das meine ich ernst.“ Ihre Stimme, als sie nach einigen Augenblicken sprach, war dünn und einen Moment dachte die junge Frau, dass sie ihr versagt blieb. "Was...erwartest du jetzt von mir? Das..." Ryo unterbrach sie murmelnd; "Ich erwarte überhaupt nichts von dir Rika. Ich wollte es lediglich noch einmal klarstellen." Sie hob ihr Haupt und atmete milde aus, ehe sie die Augen schloss. "Ich hätte liegen bleiben sollen", gab sie leise von sich und trotz der Situation zuckten ihre Mundwinkel nach oben, als Ryo schmunzelnd sprach. "Ich glaub das hätten wir beide" Kapitel 14: Wenn der Verstand fällt. ------------------------------------ Kapitel 14 Wenn der Verstand fällt. Leise seufzend versuchte die junge Frau das milde, doch penetrante Stupsen gegen ihre Schulter zu ignorieren, was ihr allerdings nur bedingt gelang. Was nicht unter auch an der Tatsache lag, dass der Arm der um ihre Mitte geschlungen lag, sie bei jeder kleinen Bewegung enger an den dazugehörigen Körper zog. Das daraus resultierende Gefühl entlockte ihr nur einen sachten Laut. Filmabende würde sie in nächster Zeit umgehen. Gestern noch fand sie ihre eigene Idee gut, jetzt, nach dem sie abermals in den Armen Ryos aufwachte, könnte sie sich dafür am liebsten Schlagen. Wobei man sagen musste, dass die DVD sie wirklich von den Geschehnissen und den Gedanken abgelenkt hatte. Bis jetzt zumindest... Murrend öffnete Rika ihre Augen und schupste den Hund der für ihr aufwachen verantwortlich war beiseite, was lediglich zur Folge hatte, das Kuroi sich hechelnd niedersetzte. "Mach Platz und geh mir nicht schon in der Früh auf die Nerven Hund", murmelte sie dem Tier entgegen und automatisch fiel ihr Blick auf Ryos Arm. Eines hatte sie nach dem Desaster in der vorletzten Nacht gelernt, sie würde nicht versuchen ihn zu wecken... Rika hob ihre Augenbrauen, als sie beobachtete wie Kuroi der auf ihren Befehl hin flach auf dem Boden lang, zu ihr robbte und sie erneut antippte. Erst, als er dann auch noch leise anfing zu fipsen, reagierte sie darauf. "Nervtötendes Wesen..." Sachte befreite sich die junge Frau aus dem Griff Ryos und setzte sich gähnend auf. Ihre Augen huschten kurz über sein schlafendes Gesicht, ehe sie kopfschüttelnd aufstand und ins Schlafzimmer verschwand. Ihr Leben war momentan der reinste Albtraum und das schlimmste daran war, dass sie nicht glaubte, dass es in nächster Zeit besser werden würde. Sie konnte die Beziehung zwischen ihnen nicht ewig offen halten, irgendwann mussten die Dinge geklärt werden, das wusste sie. Er hatte gesagt, dass er sie liebte und das, konnte sie nicht mehr ignorieren. Natürlich könnte sie einfach abblocken und sagen es würde nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Doch und das war leider Gottes das Problem, war es eben nicht so. Das war ihm genauso wie ihr bewusst. Die Haare aus dem frischen T-Shirt ziehend, schritt sie zurück in die Stube und zog sich in einer fließenden Bewegung die Handschuhe über die Handflächen. Sie brauchte sie nicht mehr, doch hatte sie den Stoff so lange getragen, das es reine Gewohnheit war und so lief sie auch jetzt noch mit ihnen herum. Die junge Frau hielt in der Mitte des Raumes kurz inne und sah einen flüchtigen Moment hinüber zu der Couchlehne, ehe sie sich seufzend einen leeren Zettel heranzog. Das Kratzen des Stiftes, als sie eine flüchtige Nachricht darauf schrieb, ging komplett in dem gedämpften Jaulen Kurois unter, der schwanzwedelnd an der Tür auf sie wartete. „Sei still“, murrte Rika das Tier an und hoffte das Ryo nicht wach wurde. Das Papier auf den Tisch legend, schnappte sie sich die Leine und verließ die Wohnung. Sie musste ihre Gedanken ordnen und spazieren gehen, war die einfachste Möglichkeit dazu. Ihre Aufmerksamkeit flog kurz über Kuroi. Außerdem hätte er wohl kaum ruhe gegeben. Die Hand in der Hosentasche vergrabend folgte sie der großen Hauptstraße und ließ Kuroi von der Leine, sobald sie den Park erreicht hatten. Schmunzelnd beobachtete sie den Rüden einen Augenblick lang, wie er bellend über die Wiese rannte und sich im nächsten Moment auf das taubenetzte Gras schmiss. Es war einfach schwer... Eigentlich dachte man in solchen Sachen nicht viel nach, was passierte, das passierte eben aber genau das wollte sie nicht. Das alles, entzog sich ihrer Kontrolle, hatte sich bereits vor Wochen gelöst und das war es, was sie wütend machte. Man musste vertrauen... In einer Sache, wo der andere einen in der Hand hielt, die Möglichkeit hatte einen zu verletzen ohne das man etwas dagegen tun konnte. Neben Jen, Takato und Henry, war wohl Ryo derjenige, dem sie mit am meisten vertraute, dennoch war die Furcht er würde ihr wehtun allgegenwärtig. Die Glieder der Schaukel quietschten milde auf, als sie sich schwer ausatmend auf diese niederließ. Was war Liebe den schon... Eine dumme Empfindung, die früher oder später in der Verzweiflung endete, mehr auch nicht. Die Aufmerksamkeit der jungen Frau legte sich auf den Hund, der hechelnd auf sie zukam und seinen Kopf auf ihrem Schoß ablegte. Sachte strich sie ihm über sein Fell und lehnte sich etwas nach hinten. Es war schon komisch, immer wenn sie nachdenken musste, führten ihre Beine sie von alleine zu dem alten Spielplatz. Vielleicht lag es daran, das sie hier früher mit ihrem Vater war oder einfach weil kaum Menschen vorbei kamen und sie so ruhe vor der hektischen Außenwelt hatte. „Rika“, hörte sie es plötzlich von Weitem Rufen und Stirn runzelnd wandte sie ihren Kopf zu dem nah gelegenen Ausgang des Parks. Ein herablassendes Schnaufen entwich ihr, als sie Kazu entdecke, der auf sie zu lief. Es war früher Morgen und nicht einmal dann blieb man von Idioten, wie ihm verschont. „Was willst du.“ Sie stand auf, als er bei ihr ankam und seine Hände auf den Knien abstützte. „Ich hab dich gesehen und...“Harsch unterbrach sie ihn.“Schön für dich, sag, was du willst, und verschwinde wieder“ Seine Worte hatte sie noch lange nicht vergessen... „Ich...ähm..es tut mir leid.“ Der Shiota richtete sich auf und seufzte leise, ehe er weiter sprach. “Das gestern hätte ich nicht sagen dürfen und ich weiß, dass es Blödsinn ist, irgendwie hab ich nicht nachgedacht.“ „Denkst du überhaupt nach?“, erwiderte sie nüchtern und verschränkte die Arme vor der Brust. "Schon gut, ich weiß, dass ich scheiße gebaut hab. Nimmst du meine Entschuldigung an oder muss ich dir erst Blumen schenken?" Ein schiefes, vorsichtiges Grinsen legte sich auf seinem Gesicht nieder. "Untersteh dich." Sie kniete sich zu Kuroi hinunter, als sich dieser knurrend auf den Boden warf und sie mit seinen Pfoten anstupste. "Was machst du so früh überhaupt hier?", meinte Rika weiter und gab ihm lautlos eine Antwort. Es war nicht so das sie vergaß, jedoch hatte sie auch nicht vor ewig sauer auf ihn zu sein. Immerhin waren sie so etwas wie Freunde, auch wenn sie ihn am meisten von allen auf Distanz hielt. "Naja, um ehrlich zu sein, war ich auf den Weg zu Ryo. Weil du bei dir daheim nicht warst, hab ich mir gedacht, dass du vielleicht wieder bei ihm bist. " Kazu verschränkte die Arme hinter dem Kopf, bevor er, als Erklärung weiter sprach; "Ich konnte die halbe Nacht deswegen nicht schlafen, also bin ich heut so früh wie möglich aus dem Haus." Blinzelnd sah die junge Frau auf. "Du warst bei mir? Wer hat dir aufgemacht?" Eine schlechte Vorahnung beschlich die junge Frau. "Deine Mutter, sie war wohl gerade dabei aus dem Haus, zu gehen. Wieso?" Das erleichterte Ausatmen konnte sie sich selbst nicht erklären, doch irgendwie war sie froh darüber, dass er nicht Jack begegnet war. "Nur so." "Oder weil sie gehofft hat, dass du mir nicht begegnest oder Ruki?", erklang eine belustigte Stimme nicht weit von den beiden und veranlasste Rika abrupt aufzustehen. Erstarrt flog ihr Blick zu dem Mann, der mit in den Taschen vergrabenen Händen auf sie zu ging, langsam und schleichend. "Ein wirklich schöner Zufall nicht war? Ich wollte deine Mutter begleiten und hab ihn" Er machte eine milde Geste zu Kazu "Deinen Namen rufen hören. Die Chance dich alleine anzutreffen, wollte ich mir nur ungern entgehen lassen." Kuroi, der mit der Frau aufgesprungen war, fing an zu knurren und schluckend hob sie ihren Kopf an. Das war nicht gut... "Ohne deinen Macker ist es gleich viel angenehmer findest du nicht?“ Die junge Frau antwortete nicht, was ihm nur einen amüsierten Laut entlockte. “Gesprächig wie immer, dann lassen wir das Gerede eben. Kommst du freiwillig mit nach Hause oder muss ich Gewalt anwenden Ruki?“ "Einen Scheißdreck werd ich tun!" Ein Fauchen und doch wich sie zurück, als das belustigte Funkeln in seinen Augen verschwand. „Hüte deine Zunge Kleine!“, knurrte er und je näher Jack kam, desto unwohler wurde ihr. Der Shiota runzelte seine Stirn und seine Augen huschte zwischen dem ihm unbekannten Mann und Rika her. „Ich rede mit dir, wie ich will.“ Im Gegensatz zu ihr wich der Schäferhund keinen Meter zurück, die Lefzen zogen sich bereits gefährlich weit nach oben und sein Grollen wurde lauter. "Ruki, du weißt das ich kein Problem damit habe dich zurück zu prügeln." "Und ich hab kein Problem damit den Hund auf dich zu hetzen, wenn du nicht endlich stehen bleibst.“ Dass ihre Stimme dünner wurde, entging nicht nur ihr. "Glaubst du den wirklich, dass der dumme Köter dich beschützen kann?" Unwirsch und schroff "Ein Tier kann man ganz schnell ausschalten. Wusstest du das ein gezielter Schlag gegen den Hals auch einen Hund töten kann?" Von selbst schweifte ihr Blick zu Kuroi und schluckend spürte sie, wie seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. „Kuroi komm her.“ Der Rüde gehorchte und fest umklammerte sie sein Halsband. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass Jack ihm wirklich verletzen würde... "Was geht hier eigentlich ab?" „Ruki, muss ich vorher wirklich den Köter umbringen, ehe du dich bewegst?“, murrte er weiter und ignorierte Kazus Einwurf komplett. „Hier wird gar nichts umgebracht...“, gab dieser laut von sich und stellte sich zu Rikas entsetzen vor sie. „Ich weiß nicht wer sie sind aber verschwinden sie!“ Ihre Augen flogen zu Jack, der ihn abschätzend musterte und, als er dann spöttisch die Augenbrauen hoch hob, wusste sie, dass er nicht wie bei Ryo ausweichen würde. „Geh mir aus dem Weg Balg oder es wird wehtun", sprach er und automatisch wich ihr Kazus Name über die Lippen. Er hörte nicht auf ihren Tonfall, der zeugte, dass er verschwinden sollte und nachdem die nächsten Silben seinen Mund entwichen waren, weiteten sich ihre Augen geschockt, als Jack ausholte und seine Faust ihn traf. „Kazu!“ Zugleich sie auf den am Bodenliegenden zustürzte, preschte auch Kuroi nach vorne und vergrub seine Zähne in dem Arm Jacks. „Du bist so ein dummer Armleuchter!“, fauchte Rika dem jungen Mann zu, als dieser leise stöhnend nach vorne stolperte. Sein Gewicht, das auf ihr lastete, brachte sie aus dem Takt und keuchend umklammerte sie den Arm fester, der um ihre Schultern lag. Jack hatte hart zu geschlagen, verdammt hart. Kazus Blut tropfte noch immer ungehalten auf den grauen Asphalt der Straße und auch brachte er nicht viel mehr als leidige Laute über die aufgeplatzten Lippen. „Komm schon...Lauf mal ein wenig Selbst“, murrte sie weiter und ihr Blick schweifte über den Rüden, der humpelnd neben ihr herlief. Jack musste ihm einen ordentlichen Tritt mitgegeben haben, denn sie hatte nur noch gesehen, wie er jaulend von dem Mann abgelassen hatte. Ihr Glück war die Gruppe Passanten gewesen, die in jenem Moment in den Park eingebogen waren, denn ansonsten hätte Jack mit Sicherheit keinen Rückzieher gemacht. Erleichtert seufzte sie aus, als sie samt Kazu die paar Stufen hinauf zu Ryos Haustür geschafft hatte. Die Klingel hallte laut wider und Rika hoffte das Ryo sich beeilen würde, den lange konnte sie den Shiota nicht mehr stützen. Die Tür ging in dem Augenblick auf, als sie zusammen mit dem jungen Mann in die Knie ging, um ihm den harten Aufprall zu ersparen. „Was...“, erklang Ryos entsetzte Stimme und noch im nächsten Moment griff er nach dem Arm Kazus um ihn von Rika herunter zu ziehen. „Was ist passiert?!“ Im Gegensatz zu ihr hatte Ryo keine Probleme den Shiota zu stützen und tat sich dem entsprechend leicht ihn in die Wohnung zu führen. Rika antwortete ihm nicht, schritt zielstrebig in die Küchenzeile und zog den Verbandskasten aus einer der Schubladen heraus. „Kopf hoch“, wies sie den Shiota an, als Ryo diesen auf einen Stuhl verfrachtet hatte. Vorsichtig zog sie ihm die blutbesudelte Hand von der Nase und verzog das Gesicht leicht. Jack hatte wirklich getroffen... „Scheiße...“, jammerte er leise und zuckte zusammen, zugleich sie das Blut weg tupfte. Wenigstens hatte er ihm die Nase nicht gebrochen, es sah zu mindestens nicht danach aus. „Rika, was ist passiert?“ Ryo beobachtete die junge Frau in ihrem tun und ließ seinen Blick kurz über sie schweifen. „Kazu meinte den Helden spieln zu müssen...“ „Ja klar... konnte ich ahnen, dass der Kerl so fest zu schlägt? Ich hab einfach nicht damit gerechnet“, nuschelte er und stöhnte erneut, wie Rika über die aufgeplatzte Stelle fuhr. „Halt die Klappe, sonnst tu ich dir nur weh.“ „Rika...“ Die junge Frau seufzte milde auf und antwortete Ryo schließlich einsilbig. „Jack.“ Kurz herrschte Stille, in denen nur das leichte Jammern des Shiotas zu hören war, ehe Ryo sprach, kälter, als zuvor. „Wo?“ „Im Park.“ Sie hörte ihn geräuschvoll ausatmen, bevor er ohne geringsten Zusammenhang erneut sprach. „Kazu, soll ich dich nach Hause bringen?“ Ihr Blick huschte darauf hin einige Sekunden zu ihm, bevor sie sich wieder Kazu widmete und diesem ein Pflaster auf die aufgeplatzte Stelle klebte. Irgendwie hatte sie das dumpfe Gefühl, das Ryo dies später mit Sicherheit noch einmal zu Sprache brachte. „Wäre nett. Ich verspüre nicht gerade das Verlangen so wieder auf die Straße, zu gehen. Wer war der Kerl überhaupt?“ „Ein Bekannter... Halt das drauf.“ Die junge Frau hielt ihm ein Tuch hin, das er dankend entgegen nahm und sich auf die Nase hielt, um das wenige Blut das noch Floß zu stillen. „Netter Bekannter...“ Der Wasserhahn heulte auf, zugleich sie ihre Hände unter den Strahl hielt und sich die rote Flüssigkeit ab wusch, die an ihrer Haut klebte. „Ruki, wenn du nicht in den nächsten Tagen zurückkommst, werde ich dich holen und glaub mir das willst du nicht...“ Jacks Worte, bevor er sich umgedrehte und verschwand. Sie glaubte ihm, das heute hatte es ihr einmal mehr deutlich gemacht und sie wollte wirklich nicht wissen, was er dann machte. Er schreckte jetzt schon nicht mehr davor zurück ihre Freunde anzugreifen und das Kazu einer davon war, wusste er, es war offensichtlich gewesen. Aber, sie wollte nicht zurück, nicht so lange er noch da war. „Gehts dir gut?“, vernahm sie es leise neben sich. Rika nickte auf Ryos Frage hin nur. Ihr Blick ging an ihm vorbei zu dem Shiota, der mit dem Tuch und dem Kopf in den Nacken aufstand. „Ich bring ihn nach Hause. Bleib bitte hier und mach die Tür nicht auf, tu mir den Gefallen“ „Sicher...“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit ab und fing an sich die nassen Handschuhe von den Händen zu zupfen. Der feuchte Stoff störte sie eigentlich nicht, doch war es ein guter Vorwand um Ryo nicht anzusehen. „Gehts dir wirklich gut?“, eindringlich, als auch fragend. „Ryo mir geht es bestens...“ Sie ging an ihm vorbei und hörte noch das schwere Seufzen, ehe sie bereits Kazu vernahm, der leidend wie witzelnd sprach; „Rika wir sehn uns. Im Übrigen, du bist mir was schuldig, immerhin hab ich mich für dich schlagen lassen.“ Mit der letzten Silbe, fiel auch die Tür leise ins Schloss und nur das Ticken der Wanduhr erklang noch. Die Geräuschlosigkeit sickerte nieder, schwer und drückend. Ein verzweifelter Laut drang über ihre Lippen und die Augen schließend stützte sie sich an der Theke ab. Wie schlimm konnte ihr Leben den noch werden, sie wusste doch jetzt schon nicht mehr, was sie tun sollte. Dass milde Scharren auf dem Boden, ließ sie aufsehen und Kuroi betrachten, der hechelnd auf sie zu trottete. Das rechte Hinterbein schonend in der Luft gehalten und zu ihr aufsehend blieb er stehen. Schluckend strich sie ihm über den Kopf und führte ihn mit in das Wohnzimmer, ehe sie sich auf dem Teppich niedersetzte. „Kuroi komm her“, wisperte sie dem Tier zu und kraulte ihn kurz, als Belohnung, wie er gehorchte. Vorsichtig fuhr sie über seine Seite und hielt schließlich bei seinem Hinterlauf inne. Achtsam tastete sie den Knochen ab und streckte das Bein zaghaft aus. Kuroi fipste leise und ging mit dem Oberkörper nach oben, wollte die schmerzende Stelle abschlecken. „Wenigstens nichts schlimmes...“ Rhythmisch streichelte sie über sein Fell und beobachtete den Rüden dabei, wie er seinen Kopf auf ihren Füßen bettete. Früher war ihr leben um einiges leichter gewesen. Die kleinen Streitereien mit ihrer Mutter kamen ihr im Gegensatz zu den jetzigen Problemen einfach nur lachhaft vor. Es war nicht so, das die Differenzen damals nicht schlimm waren, doch wusste sie, dass immer jemand da war, mit dem sie hatte sprechen könnten. Jetzt jedoch war sie wirklich auf sich alleine gestellt, weder ihre Großmutter war noch da, noch ihr Vater. „Renamon“, murmelte die junge Frau leise und nahm seit fünf Jahren das erste Mal wieder den Namen ihres Digimon Partners in den Mund. „Was soll ich machen? Sag du es mir...“ Ein freudloses Schmunzeln legte sich auf ihre Züge nieder und mit geschlossenen Augen lehnte sich die junge Frau nach hinten, hielt mit ihren Streicheleinheiten inne. Seit sechs Jahren hatte sie es nicht mehr gesehen oder gar gesprochen und mittlerweile war die Hoffnung, dass es zurückkommen würde, so gut wie erloschen. Jeder Versuch von Yamaki oder Henrys Vater eine sichere Möglichkeit zu finden, war gescheitert und um ehrlich zu sein, sie glaubte auch nicht mehr daran. Die Nachricht, die sie damals sendete, war für sie im Nachhinein ein stilles Lebewohl gewesen. Eines jedoch war ihr bis heute nicht gelungen, sie konnte das fuchsartige Wesen nicht gänzlich aus ihren Gedanken vertreiben und vielleicht, vielleicht war das auch gut so. Es hatte einmal gesagt, das man die Vergangenheit nicht ändern konnte, doch aber die Gegenwart und somit auch die Zukunft. Damit würde sie heute beginnen... Die junge Frau öffnete langsam ihre Lider und fuhr damit fort Kuroi über das Fell zu streichen. Möglicherweise sollte sie wirklich mit Rumiko reden... Jack hatte längst eine gewisse Grenze überschritten und heute war er noch weiter gegangen... Sie würde nicht verlangen, dass sich ihre Mutter von diesem Mann trennte oder sich entscheiden musste. Gegebenenfalls zog sie das letzte Jahr, bis sie volljährig war, in eines der Appartements die Rumiko besaß aber mit Sicherheit würde sie nicht mehr mit Jack unter einem Dach leben. Sie hatte sich bemüht für ihre Mutter auf heile Familie zu spielen, doch das ging nicht mehr und das sie seit nun mehr fünf Tagen bei Ryo war, bewies ihr Dies nur allzu deutlich. Ausziehen hatte sie sowieso vor, jetzt würde es nur früher sein, als sie selbst es eigentlich wollte. Das Aufsperren der Haustür riss sie aus ihren Gedanken und seufzend vernahm sie, wie er seinen Schlüssel auf den Tisch schmiss. Das nächste Thema, das sie irgendwie lösen musste... „Rika?“ Die junge Frau antwortete nicht, fuhr Kuroi weiterhin über das Fell und hörte, wie Ryo zu ihr hinüber schritt. „Hier bist du.“ „Wo sollte ich sonnst sein...“, meinte sie und sah zu ihm auf, als er sich laut ausatmend auf die Couch setzte. Ryos Augen schweiften von selbst einen Moment über die junge Frau, ehe er erneut sprach; „Was genau ist passiert? Kazu sah nicht gut aus...“ „Das habe ich dir bereits gesagt.“ „Du hast nur Park und Jack gesagt.“ Die junge Frau wandte ihren Blick ab und stand sich durch die Haare streichend auf. „Reicht doch oder...“ Kalt und harsch. „Rika...“ Ryo hielt sie am Handgelenk fest, als sie ohne weiteres Wort an der Couch vorbei wollte. „Bitte.“ Die junge Frau blieb einen Augenblick lang still, bevor sie resigniert ihren Kopf zu ihm wandte. „Er hat gehört, wie Kazu meinen Namen gerufen hat und den Rest kannst du dir doch denken...“ „Ich dachte du warst im Park?“ Behutsam zog er sie zu sich auf die Couch und zu Rikas eigenem Ärger ließ sie es sich gefallen. „Das war ich auch. Jack muss wohl in dem Moment an dem Park vorbei gelaufen sein, als Kazu meinen Namen gerufen hat.“ Ihre Augen huschten kurz zu seiner Hand, die noch immer ihr Gelenk hielt. „Er ist wohl zu dem Schluss gekommen, das Kazu im Gegensatz zu dir kein großes Hindernis darstellt.“ „Hat man gesehen, ja.“ Seufzend lehnte er sich nach hinten und fuhr eher unbewusst mit dem Daumen über ihre weiche Haut. Eine Gänsehaut zog sich ihren Arm hinauf und lautlos stieß sie die Luft aus ihren Lungen. „Rika? Versprich mir eins, bitte geh ohne mich nicht mehr raus.“ „Was?“ Perplex sah sie auf und begegnete seinem Blick, der zeugte, dass er jedes Wort auch so meinte. „Ist das dein Ernst?“, fragte sie trotz das Rika seine Antwort bereits kannte. „Ja... Es hat ihn nicht einmal abgeschreckt das Kazu oder Kuroi dabei waren, also bitte tu mir den Gefallen.“ Den Mund bereits zum Widerspruch öffnend, zögerte die junge Frau, ehe sie schnaufend den Kopf abwandte und den Hund zu ihren Füßen musterte. Rika wollte protestieren, sagen das sie gut alleine klar kam, keinen Beschützer brauchte...aber es wäre eine Lüge und das wusste sie. Im Grunde tat sie seit fünf Tagen nichts anderes, als sich feige hinter Ryo zu verstecken. Die junge Frau schloss einen flüchtigen Moment lang die Augen, ehe sie tief ausatmete und ein Nicken andeute. Wie armselig sie doch war... ließ sich von Jack so weit treiben, dass sie nicht mehr ohne Ryo aus dem Haus konnte... Sie musste etwas tun und zwar schnell, lange würde sie die ganze Situation nicht mehr ertragen. Ryo ließ ihr Handgelenk los und das nächste das sie spürte, ließ sie keuchend erstarren, als sich seine Arme um ihre Mitte schlang. Seufzend zog er sie enger an sich heran und vergrub sein Haupt in ihren Haaren. „Warum bist du überhaupt alleine mit Kuroi raus?“, hörte sie ihn gedämpft murmeln und verfluchte nicht zum ersten Mal das angenehme Prickeln in ihrem Körper, das sie veranlasste in dieser Position zu verharren. „Weil ich alleine sein wollte, deswegen“, antwortete sie ihm ehrlich und schloss seufzend die Augen. Der Tag war nicht einmal bei der Hälfte angelangt und schon konnte sie sagen, das er genauso scheiße, wie die Letzten war. Seufzend las sie sich die Nachricht von ihrer Mutter abermals durch und ihr Griff um das Handtuch, das um ihren Körper geschlungen war, verfestigte sich. Sie würde in den nächsten Tagen nicht hier sein. Irgendeine Veranstaltung, wo sie hinmusste... Ihre Augen huschten durch die Fenster des Schlafzimmers, hinaus in die angehende Nacht. Eigentlich wollte sie ja mit ihr reden, doch das musste sie zu ihrem Leidwesen verschieben. Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gerät in ihrer Hand legend, schrieb sie zurück. Nun andererseits war Jack die Zeit über auch nicht in Shinjuku... "Die Striemen heilen langsam ab..." Erschrocken fuhr sie zusammen, als sie Ryo hinter sich vernahm und seine Hand sich auf ihren Rücken legte. "Würdest du verdammt noch mal damit aufhören mich zu erschrecken", stieß Rika aus. "Tut mir leid, das war nicht meine Absicht", schmunzelte er und fuhr behutsam über die bereits verblassenden Male. "Tut es noch weh?" Je länger er sich die Zeichen ansah, desto mehr musste er die aufkeimende Wut unterdrücken. "Nein..." Ihre Augen richteten sich erneut auf das Fenster, als die junge Frau einen leidigen Laut unterdrückte. Als sie abermals sprach, hörte sich ihre Stimme bei Weitem nicht so fest an, wie sie es eigentlich wollte. „Hör auf damit.“ Sie meinte so viel mehr, als nur seine Berührungen. Seine Hand stoppte, doch nur um sich einen Moment später um ihre Mitte zu legen. Sein warmer Atem, als er seinen Kopf in ihrer Halsbeuge vergrub strich ihr hauchend über die Haut, erschuf einen angenehmen Schauer, der sich rasch ausbreitete. "Ich kann und ich will es nicht Rika." Ein bebender Seufzer entwich ihr, zugleich er ihren Körper näher an den seinen zog und sich der andere Arm ebenfalls um sie schlang. Seine Lippen streiften hauchend ihre Schulter und sie vernahm, wie er schwer ausatmete. "Ein Wort und ich bleibe bei dir oder ich lasse dich in Ruhe." Ihren Kopf in den Nacken legend musterte sie die mit Schatten bezogene Decke und obwohl sie seine Worte versuchte zu ignorieren, gelang es ihr nicht. Die innere Zwietracht, die seine so einfachen Worte auslösten, wurde stetig mehr. Es schnürte ihr langsam fast schleichend die Luft ab und zweifelnd biss sie sich ungesehen auf ihr Fleisch. Eine tobende Auseinandersetzung zwischen Verstand und ihren Gefühlen. Und, als sie nach endlosen Momenten sprach, war ihre Stimme leise und milde. „Spiel nicht mit mir Ryo.“ Trotz der Lautstärke schlugen ihre Silben gewichtig nieder, kein Beben erfühlte den Ton nur das resignierte schweifen ihres Verstandes. Von selbst drehte sich die junge Frau in seiner Umklammerung um und blickte ihm entgegen. Unbeugsam und aufrecht. „Du weißt das ich dich Liebe, ich werde dich nicht verletzen das verspreche ich dir.“ Im selben Augenblick, wie er sich zu ihr hinunter beugte, wich die junge Frau zurück. „Das kannst du nicht versprechen... Spiel nicht mit mir, das ist das Einzige, das ich verlange. “ Rika wartete keine Antwort ab, versiegelte ihre Lippen mit den seinen, und auch wenn es ihre Gefühle waren, die entschieden hatten, so würde doch ihr Geist immer präsent sein. Anmerkung: Dieses Kapitel hat mich um den Verstand gebracht ... So lange hab ich noch nie an einem mit so wenig Wörtern gesessen ... Aber mir war wichtig, das Rika nicht zu OCC rüberkommt und das es noch realistisch ist. Es war schwer ... und ich finde den Schluss noch immer nicht gut. Ich weiß nicht, wie oft ich angefangen hab, um ne halbe Stunde später alles wieder zu löschen ... Alles zusammengefasst, tut es mir leid das, dass Kapitel so lange gebraucht hat. *Um Verzeihung bittet* Als Entschädigung, wird es noch ein zusätzliches Kapitel geben und zwar das nächste lol Das war nämlich nicht geplant. lg Astre Kapitel 15: Vertrauen und sein trügerischer Glanz. -------------------------------------------------- Kapitel 15 Vertrauen und sein trügerischer Glanz. Laut hallte das Klingeln des Telefons durch die bereits von der aufgehenden Sonne durchfluteten Wohnung wider. Murrend vergrub Rika ihren Kopf tiefer in den weichen Kissen und zog sich zugleich auch die Bettdecke über. Es war kein Tag vergangen, wo sie nicht durch irgendetwas aufgeweckt wurde, sei es jetzt Kuroi oder wie heute, der Telefonapparat. Zum Kotzen... Erleichtert seufzte die junge Frau daher auch auf, als das Gerät verstummte und so wieder angenehme Stille einkehrte. Sie hatte diese Nacht kaum ein Auge zugemacht, war erst in den Morgenstunden endlich eingeschlafen. Der Grund dafür war simpel, wen man bedachte, was gestern passiert war. Von Nachdenken konnte man kaum reden, den genau das hatte die junge Frau nicht getan, als sie die Silben ausgesprochen hatte. Im Nachhinein bereute sie es nicht, allerdings hoffte sie, das Ryo ihre Worte ernst nahm. Ihr Stolz hatte in den letzten Monaten genug erleben müssen, um es nicht zu ertragen, noch einmal einen Dämpfer mitzubekommen. Vertrauen war gut, Kontrolle besser und nach diesem Schema lebte sie. Auch jetzt, wo sie so etwas wie eine Beziehung mit Ryo einging, würde sie ihre alten Gewohnheiten nicht ablegen. Was brachte es ihr, wenn sie sich darauf verließ, dass er sie nicht verletzte und am Ende genau das eintraf. Das Schlimmste annehmen, man konnte nur positiv überrascht werden, hieß es. Sie vertraute Ryo in vielerlei Hinsicht, doch nicht in dieser und das würde sich auch so schnell nicht ändern. Ein leises, doch präsentes Scharren auf dem Boden erklang und die Matratze war es, die sich im nächsten Augenblick senkte. Ob sich das mit Ryo, als Fehler herausstellte, musste sich erst noch zeigen, doch noch einmal würde sie ihre Gefühle nicht entscheiden lassen. Er war nicht ihre erste Beziehung und die junge Frau zweifelte stark daran, dass es umgekehrt anders war. Nun Beziehung war genau wie Liebe ein großes Wort, Verhältnis und Verliebtheit traf es in ihrem Fall besser. Doch auch so etwas konnte Schmerzen, wenn es unschön auseinanderging und das hatte ihr damals Masao nur allzu deutlich gezeigt. Das Einzige, das ihr also im Bezug auf Ryo und ihrer Bindung übrig blieb, war rational zu denken. Die junge Frau stieß schwer die Luft aus, als sich ein Gewicht ruppig auf ihren Rücken fallen ließ und sich brummend eine bequeme Lage verschaffen wollte. „Kuroi...“, murrte sie leise und zog die Decke über ihren Kopf zurück, um zu dem Rüden, der mit seinem Haupt auf ihr lag, zu sehen. Die Zuversicht noch einmal etwas Schlaf zu ergattern, verflüchtigte sich in dem Moment, wie die Tür leise auf ging ganz. „Du bist schon wach?“, drang es an ihr Ohr und seufzend wandte sich die junge Frau Ryo zu, der mit einer Tasse Kaffee auf sie zu kam. „Wie du siehst.“ Nicht einmal, als sie sich umdrehte und sich aufsetzte, wich der Hund auf die Seite. Lediglich ein erneutes Brummen drang aus ihm heraus und die Tatsache, das er jetzt mit seiner Schnauze auf ihrem Schoß lag, störte ihn nicht. Im Gegenteil, er wedelte flüchtig mit seinem Schwanz und wartete darauf das sie anfing ihn, zu streicheln. Die Augenbrauen hebend schüttelte Rika den Kopf und fand sich einige Sekunden später in einem milden, fast flüchtigen Kuss wieder. „Gut geschlafen?“, fragte Ryo zugleich er sich von ihr löste und ihr die Tasse entgegen hielt, die sie dankend annahm. Nickend nippte sie an der heißen Flüssigkeit und schloss ihre Augen genießerisch. Sie hatte zwar nicht gut geschlafen, aber das brauchte er nicht wissen, denn so, wie sie ihn kannte, würde er nur nach dem weshalb fragen. „Kaffee ist wirklich das Einzige, das du in der früh brauchst oder?“ Ein erneutes Nicken, worauf hin er sich leise lachend an den Rand der Matratze setzte. „Jen hat vorher angerufen“, meinte er nach Kurzem weiter und beobachtete die Frau dabei, wie sie innehielt. Fragend und auffordernd blickte sie ihm entgegen, entlockte ihm ein Schmunzeln. „Sie hat gefragt, ob wir heute Zeit hätten. Takatos Geburtstag ist bald und sie wollte mit uns allen das Geschenk kaufen.“ „Und? Wann ist das Treffen?“ Die Kato hatte wirklich Glück gehabt, das sie nicht auf ihrem Handy anrief, den sie hätte ohne zögern wieder aufgelegt. „Wie das letzte Mal gegen eins.“ Rika lehnte sich samt Tasse nach hinten und ignorierte es, das Kuroi hinterher rutschte. „Was hältst du davon, wenn wir früher losgehen?“ Er musste abermals schmunzeln, als sie sich eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht wischte. „Von mir aus“ Ryo beobachtete sie dabei, wie sie den Kaffee auf den Nachttisch stellte und Kuroi schonend von sich herunter drücke. Bevor die junge Frau jedoch aufstehen konnte, hatte er sich nach vorne gebeugt und seine Lippen auf die ihren gesenkt. Er wollte sie nicht bedrängen oder gar unter Druck setzen aber er konnte nicht anderes. Viel zu neu war die Situation und der Fakt, dass er mit ihr zusammen war. Sieben Jahre lang hatte er sich zurückgehalten, das stetige Herzklopfen in ihrer nähe nicht beachtet und ihre Freundschaft höher, als seine Gefühle gesetzt. Die Zuneigung zu ihr war in der Zeit schwankend, doch eines war sie immer gewesen, präsent Es gab keinen Moment, in dem er sich nicht zu ihr hingezogen fühlte. Seine Hand fuhr sanft über ihre Seite und von selbst ließ sie sich in die Kissen zurückführen. Andere Frauen gab es in seinem Leben durchaus, von denen er auch behaupten konnte, so etwas wie Liebe für sie empfunden zu haben. Keine allerdings hatte ihm jemals so viel bedeutet wie Rika es tat. Ihre Hand, die sich auf seinen Arm legte, war es die ihn dazu brachte sich schwer atmend von ihr, zu trennen. Ein stilles Zeichen, das er respektierte und verstand. Seine Stimme, als er sprach, war rau und belegt. „Tut mir leid.“ Sich durch die Haare streichend, richtete er sich behutsam auf und musste einige Sekunden lang die Augen schließen. „Schon gut“, hörte er Rika milde murmeln, bevor sie aufstand und somit auch Kuroi einen Grund gab von seinem weichen Schlafplatz herunter zu hüpfen. Skeptisch zog die junge Frau ihre Augenbrauen in die Höhe und musterte das große Einkaufszentrum, das sich vor ihr erstreckte. Sie ahnte böses... „Du hättest mir sagen sollen, dass wir uns hier treffen ...“, murrte sie leise. Sie mied das Kodai-Einkaufszentrum, ging wenn möglich einen großen Bogen um das gigantische Gebäude und das hatte auch einen triftigen Grund. Nämlich der, dass Jen, egal ob sie Zeit hatte oder nicht, es liebte zu shoppen. Die junge Frau war durch ihre Mutter vieles gewöhnt, Rumiko hatte es in ihrem Leben schon einige Male geschafft sie mitzuschleifen und nur Gott alleine weiß, wie sie das vollbracht hatte aber Jen. Jen war eine Klasse für sich. Jedes Geschäft musste durchstöbert werden und da war es nicht von belang, welche Waren angeboten wurden. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die ein Nein nach öfterem Wiederholen verstand, begriff die Kato dieses simple Wort nicht. Zu mindestens hatte sie gelernt die Silben eisern zu ignorieren und so kam es dann dazu, das Rika seit nun mehr Monaten dem Gebäude erfolgreich aus dem weggegangen war. Bis jetzt... „Warum?“, vernahm sie Ryo neben sich, der seine Hand sanft auf ihre Seite legte und sie mit zog, als sie nach mehreren Minuten noch immer keine Anstalt machte hinein zu gehen. „Dann hätte ich mich in der Badewanne ertränken können...“, antwortete sie nüchtern und ließ sich resigniert durch den großen Eingang geleiten. Ryo lachte leise auf. „Wir sind doch nur hier um die Spiele zu kaufen.“ Ihm würde das Lachen schon noch vergehen... „Du warst mit Jen noch nicht hier oder?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Soviel sie wusste, war weder er noch irgendeiner der anderen mit der Kato jemals hier gewesen. „Nein aber es wird schon nicht so schlimm werden.“ Oh ja, ihm würde das Lachen so was von Vergehen und allein deswegen, würde es vielleicht nicht ganz so schrecklich werden. Schadenfreude, war die schönste aller Freuden sagte man immer. Sie würde es genießen... Kurz bevor sie am ausgemachten Treffpunkt angelangten, war es Ryo der sich im gehen zu ihr herunter beugte und hauchend ihren Hals küsste. An das musste sie sich noch gewöhnen, nicht nur einmal hatte sie heute den Impuls unterdrücken müssen, seine Gesten zurückzuweisen. Es war nicht so das sie etwas dagegen einzuwenden hatte, das stetige Prickeln das seit gestern nur noch stärker geworden war, sprach für sich aber es war trotz allem ungewohnt. „Hey ihr zwei“, lenkte Kazu sie noch im selben Augenblick ab, der bereits mit Henry an dem prachtvollen Brunnen in der Mitte wartete. „Im Gegensatz zu gestern sieht deine Visage nicht mehr ganz so scheiße aus“, begrüßte die junge Frau den Shiota nach dem sie Henry kurz zugenickt hatte. Nicht viel erinnerte noch an das Geschehen mit Jack, lediglich seine Lippen waren noch etwas lädiert, was wohl auch noch länger so bleiben würde. „Oh vielen Dank aber auch.“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, ehe er grinsend weiter sprach; “Dir ist klar, das du mir was schuldest?“ Henry neben ihm schüttelte nur sein Haupt und seufzte ergeben, bevor er sich wie Ryo auf die Bank nicht weit ihrer niedersetzte. „Wie wärs mit noch einem Schlag? Soll ja bekanntlich das Denkvermögen erhöhen und mit viel Glück bringts bei dir was.“ Wobei sie daran so ihre Zweifel hatte... „Dann hätte ich ja spätestens nach dem letzten einen Doktor machen müssen“, ging er darauf ein und sachte musste sie schmunzeln. „Danke Kazu.“ Ohne ihn wäre die Szene mit Sicherheit anderes ausgegangen und sie war ihm dankbar, auch wenn es sich oft anderes anhörte. „Wir sind Freunde“, antwortete er nur und sie wusste, wie er es meinte. Auch wenn Kazu oft ein Idiot war und dummes Zeug von sich gab, die Freundschaft zwischen ihnen vergaß er keineswegs. Ryos Arme schlangen sich einnehmend um ihre Mitte, zogen sie sacht auf seinen Schoß nach hinten. Sein warmer Atem, der ihren Hals streifte, als er sein Kinn auf ihrer Schulter ablegte, jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Nur am Rande nahm die junge Frau wahr, das Henry seinen Blick über sie beide Schweifen ließ, ehe er zu Kazu sah, der sich seufzend abwandte und suchend Ausschau hielt. Rika war nicht dumm, natürlich war ihr bewusst was der Shiota glaubte für sie zu empfinden, es war ersichtlich und das nicht erst seit ein paar Tagen. Es war mit unter ein Grund, warum sie ihn so abweisend behandelte. Sie wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen und die würden zwangsläufig aufkeimen, wenn sie ihn wie Henry oder Takato behandelte. „Was ist mit Kenta oder hat er keine Zeit?“, vernahm sie Ryo und spürte, wie er sie noch näher an sich drückte. Henry verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete ihm; „Er muss mit seinen Eltern zu Bekannten, meinte Jen.“ „Wo bleibt die überhaupt? Eigentlich wollte sie nur schnell Kentas Anteil abholen“, murrte Kazu dazwischen und ließ sich auf den Rand des Brunnens nieder. Geräuschlos die Luft aus atmend lehnte sie sich in Ryos Umklammerung nach hinten. Von ihr aus könnte die Kato auch noch länger wegbleiben, denn je mehr Zeit verstrich, desto geringer wurde die Chance, das, Jen darauf bestand alle Geschäfte, zu durchforsten. Doch wenn man vom Teufel sprach, kam er bekanntlich und so war es auch. Keinen Moment später hörte man die junge Frau bereits von Weitem rufen; „Leute tut mir leid“ Jens Blick, als die junge Frau außer Atem bei ihnen ankam, blieb einige Sekunden lang bei ihr und Ryo hängen. Diese kurze, kaum wahrnehmbare Geste, ließ Rika ernüchternd seufzen. Sie kannte die Kato und das geschmeidige Lächeln, das sich nun niederlegte, verhieß nur eines, das der Tag noch schlimmer, als angenommen werden würde. „Wir warten schon eine Ewigkeit auf dich...“, merkte Kazu an, doch verstummte er, zugleich Jen einen weißen Zettel heraus zog und freudig meinte; „Hier, da stehen die Spiele drauf. Sucht noch irgendein anderes aus. Rika und ich müssen in das Geschäft da drüben. Wir treffen und dann wieder hier.“ Sie musste überhaupt nirgends hin... Der Fetzen Papier fand hastig seinen Weg in Henrys Hand. Schneller, als Rika noch reagieren konnte, wurde sie bereits von Ryo herunter und mit gezogen. „Jen“, fluchte sie im Stolpern. Rika brauchte sich nicht umzudrehen, um die überrumpelten Gesichter der drei Männer zu sehen, sie konnte es sich bildlich vorstellen. „Jen!“, versuchte sie die junge Frau erneut zu stoppen und ließ sich letztendlich ergeben mit ziehen, wie ihr Einwurf wieder keine Wirkung zeigte. Hoffentlich überlebte sie das heute... Blinzelnd legte sich ihr Blick auf den Namen der Boutique, in die ihre Freundin sie führte, und fand sich im nächsten Augenblick in einem edlen sowie teuren Dessousladen wieder. „Das ist jetzt nicht dein Ernst oder? Was um alles in der Welt willst du hier?“ Gut dumme Frage... Was sollte sie hier?! „Na was wohl ich brauch auch ein persönliches geschenkt für Takato.“ Die Kato ließ ihren Arm los und fing an sich die elegante Unterwäsche anzusehen. „Bind dir ne Schleife um, das wirkt auch...“ Jen winkte ab und zog das erste Teil aus der Anrichte. „Warum muss ich eigentlich immer mit, wenn du dir irgendetwas kaufen willst?“ Genervt lief sie der Kato nach, nickte oder schüttelte den Kopf, sobald sie ihr stumm fragend etwas entgegen hielt. „Weil du einfach einen guten Geschmack, in Sachen Mode hast und mal ehrlich, hätte ich Henry oder Ryo mitziehen sollen? Das wäre sogar mir peinlich“, meinte sie Schulter zuckend und ging langsam durch die Reihen. „Schau mal wie ist das?“ Ein aufreizender Zweiteiler wurde ihr entgegen gehalten und kopfschüttelnd verneinte sie. In solch Momenten fiel ihr immer auf, wie sehr sich Jen in den Jahren eigentlich verändert hatte. Das zurückhaltende Mädchen von damals war so gut wie verschwunden, doch stießen die Veränderungen speziell bei Jen gänzlich ins positive. Sie ließ sich nichts mehr gefallen, war aufgeschlossen und die dumme Handpuppe hatte endlich ihren Weg in den nächsten Karton gefunden. „Ihr seit zusammen“, vernahm sie es dann und drehte sich wieder ihrer Freundin zu, die überlegend bei einer weiß-blauen Corsage stehen blieb. „Wie du sehen konntest. Für die Farbkombination hast du eine zu helle Haut.“ Bei jedem anderen würde sie ein solches Gespräch, das sich nun anbahnte, abblocken, allerdings war Jen in vielen eine Ausnahme. Einzig und alleine, weil sie die Grenze nie überschritt, die unsichtbare Linie beachtete und akzeptierte. Die Kato wusste mehr über sie, als es ihre Mutter jemals tun würde. Jen sagte ihre Meinung, wenn sie etwas nicht gut fand, doch nahm die junge Frau es hin, wenn sie anderes handelte und das beruhte auf Gegenseitigkeit. „Schade, die ist echt schön. Ich hätte nicht gedacht, dass du nach dem was mit Masao war so schnell wieder eine Beziehung eingehst.“ Bedauernd ließ sie von der Corsage ab und schritt weiter in den Laden hinein. „Was heißt schnell, das ist sechs Monate her“ „Eben, für deine Verhältnisse ist das flott, wobei man sagen muss, dass zwischen dir und Ryo schon immer irgendwas war.“ Darauf schwieg Rika, was Jen still zur Kenntnis nahm und das nächste Teil in die Hand nahm. „Du weißt das ich Masao nie gemocht habe aber bei Ryo hab ich ein gutes Gefühl und das liegt nicht daran, das ich ihn schon so lange kenne.“ In der Tat, Masao konnte sie von Anfang an nicht leiden und das hatte sie ihr oft genug gesagt. Jen war auch die einzige Person, die ihn damals kennenlernte, die anderen wussten bis heute nichts von ihm. „Das werden wir sehen. Wann habt ihr vor es endlich Kazu und Kenta zu sagen?“, wechselte Rika das Thema, zugleich die Kato ihr etwas in die Hand drückte. Die junge Frau hörte, wie ihre Freundin leise seufzte. Das war etwas, was sie nicht verstand. Takato und sie waren seit mittlerweile zwei Jahren zusammen und jeder außer Kazu und Kenta wusste es. „Es ist schwer. Takato hat einfach schiss, dass die beiden nicht so locker reagieren, wie du oder die anderen.“ „Takato ist klar, dass wenn sie es irgendwann so herausfinden, der Ärger um einiges größer ist oder?“, meinte Rika und nickte auf die stumme Frage hin, ob das dunkel rote Negligé zu ihr passte. „Ja das ist ihm bewusst, denke ich zu Mindesten. Es ist seine Sache, und wenn er meint, warten zu müssen, respektiere ich das. So jetzt probieren wir die Sachen mal an, die schwarze Corsage wird dir mit Sicherheit stehen.“ „Was?!“ Automatisch wanderte ihr Blick zu dem Stoff, den ihr Jen zuvor gegeben hatte, und setzte hinzu; „Das kannst du vergessen...Wir sind erst seit einem Tag zusammen, ich werde jetzt mit Sicherheit noch keine Reizwäsche anziehen.“ Eigentlich waren ihre Worte klar und gut verständlich gewesen, doch wie sie feststellen musste, kein Hindernis für die Kato. Denn, als sie wenig später das Geschäft verließen, hatten es beide Teile in die Tasche Jens geschafft. „Ich werde das nicht anziehen! Du hast dein Geld umsonst ausgegeben“, murrte Rika leise und schlug die Richtung zum ausgemachten Treffpunkt ein. Die junge Frau neben ihr hatte eindeutig einen Dachschaden und obwohl ihr Jen die Corsage gegen ihren Willen gekauft hatte, würde sie das Besagte nicht anziehen. Einfach deswegen, weil sie nicht vorhatte, die Beziehung so schnell zu vertiefen... „Egal ich hab dir gern eine Freude gemacht. Im Übrigen glaubst du doch selbst nicht, dass ihr lange warten werdet.“ Geräuschvoll schnaufte sie aus und meinte um einiges leiser; „Auf jeden Fall länger, als einen Tag!“ „Wollen wir wetten? Du weißt doch das ich ein gutes Auge für so was habe.“ So weit kam es noch das sie bei so etwas Wetten abschloss... „Nein...“ „Du willst nur nicht, weil du selbst nicht weißt, ob du gewinnst.“ Rikas Augen schweiften einen flüchtigen Moment über die drei Männer, die bereits auf sie zuwarten schienen, ehe sie sich noch einmal zu Jen umwandte. „Von mir aus, bitte... Du wirst verlieren!“ Die Kato fing an zu lächeln und reichte zum Einschlag ihre Hand. Verdammter Stolz... „Wenn ihr innerhalb einer Woche miteinander schlaft, hab ich gewonnen, wenn es drüber hinausgeht, du. Gewettet wird ums Recht und einen Kaffee bei Cláris.“ Rika nickte nur und schlug ein. In diesem Augenblick hätte sie sich am liebsten selbst eine rein schlagen können, dass sie jedes Mal aufs neue auf Jens Stachelei einging... „Da seit ihr ja endlich...wir warten seit einer halben Stunde auf euch!“, begrüßte sie Kazu als Erstes, zugleich sie zu den Dreien hinüber gingen. „Frauen brauchen eben ihre Zeit. Jetzt zeigt mal, was ihr gekauft habt“, gab Jen neben ihr zurück. „Hier, ich hoffe das sind auch die Richtigen.“ Henry reichte ihr eine der Tüten und neugierig zog sie die Spiele heraus. „Und was habt ihr gemacht?“, hörte es Rika hinter sich und wurde in der nächsten Sekunde von zwei Armen einnehmend umschlungen. Seine Lippen berührten flüchtig ihre Wange und entlockten ihr ein mildes Schmunzeln. Sie hatte nicht vermutet das Ryo so anschmiegsam sein würde und gegen ihre eigenen Erwartungen, störte es sie nicht einmal. „Nichts Besonderes. Jen wollte etwas Persönliches für Takato kaufen.“ Ihr Tonfall minderte sich um einige Grad, sodass die anderen nicht in ihrem Gespräch gestört wurden. Außerdem sollte Kazu möglichst wenig davon mitbekommen, sie wollte unliebe Situationen dieser Art gerne vermeiden. „Verstehe.“ Er schmunzelte leicht und hielt ihr eine Tüte vor die Nase, die sie überrascht entgegennahm. Interessiert zog sie die Verpackung des Filmes heraus und musterte einen Moment lang das Cover, ehe sie die Hülle umdrehte. „Den können wir uns heute Abend ansehen, wenn du willst“, merkte er an, als sie anfing die Inhaltsangabe, zu lesen. „Schon wieder einen Filmeabend?“ Skeptisch sah sie nach hinten, was Ryo nutzte und ihr einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte. „Warum nicht, die DVD hört sich interessant an.“ Nun ja um den Film selbst ging es nicht, der hörte sich wirklich sehenswert an aber ihr war nur allzu gut in Erinnerung, was bei den letzten zwei Mal passiert war. Ein weiterer Kuss ließ sie seufzten und den Streifen zurück in die Tasche fallen, ehe sie nickend zustimmte. „Von mir.“ „Was wollen wir jetzt eigentlich machen? Wir haben erst kurz nach zwei“, lenkte Kazu die Aufmerksamkeit auf sich und erntete von Jen nur einen unverständlichen Blick. „Wie was machen wir jetzt? Ist doch klar, wir gehen shoppen. Um die 32 Geschäfte warten noch auf uns.“ Rika musste ein Lachen unterdrücken, als Kazu die Gesichtszüge entgleisten und Henry die Kato ungläubig ansah. „Isn Witz oder?“, fragte Kazu, als Erstes. „Nein.“ Sachte lehnte Rika sich zurück und wisperte dem jungen Mann, der seinen Kopf entgeistert zu Jen gewandt hatte entgegen; „So viel zu; nur Spiele kaufen.“ Belustigt beobachtete sie den jungen Mann, wie er sich kaputt auf die Couch fallen ließ und die Taschen achtlos auf dem Boden schmiss. „Jetzt versteh ich, warum du es vermieden hast, mit Jen in das Einkaufszentrum zu gehen“, gab er von sich und strich Kuroi über den Kopf, der sie beide jaulend begrüßte. „Ach wirklich?“ So viel Spaß hatte sie bei einer Shoppingtour noch nie gehabt. Es war amüsant gewesen die Drei Männer kriechen zu sehen, wobei Ryo sich wohl am besten geschlagen hatte. Doch auch er hatte sich am Schluss vehement dagegen gewehrt in das obere Stockwerk des Gebäudes zugehen, was Jen nur frustriert hatte schnaufen lassen. Nun gut, als Verteidigung musste man sagen, dass, fünf Stunden durch Kleidung und sonstiges Zeug zu Watten, einen ans Ende des belastbaren treiben konnte. Vor allem, wenn man keinerlei Erfahrung mit kaufsüchtigen Frauen wie Jen sein eigen nannte. „Ja wirklich“, seufzte er und schloss die Augen. Rika kniete sich zu dem Rüden hinunter wuschelte ihm einige Minuten durch sein Fell, ehe sie aufstand und seine Leine in die Hand nahm. „Sag bloß das bisschen rum laufen, hat den ach so großen Digimon König erledigt“, witzelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Schadenfreude war wirklich das Beste. Ryo murrte nur etwas Unverständliches, ehe er murmelnd weiter sprach; „Komm her...Bitte“ Den Kopf schüttelnd tat sie ihm den gefallen und schritt samt Kuroi zu der hellen Couch hinüber. Seine Hände umfassten ihre Taille und zogen sie sachte zu sich. Prickelnd registrierte sie, wie sein Kopf sich müde an ihren Rücken lehnte und ihren Körper dichter an den seinen drückte. Eine Weile legte sich angenehme Stille über beide, ehe Kuroi es war, der unruhig anfing zu fipsen. Ihre Finger berührten die seinen, zugleich sie versuchte aufzustehen, was ihr jedoch nur bedingt gelang. „Ryo...“ Tief atmete er aus, zugleich er sie gänzlich los ließ. „Ich weiß“ Der Schäferhund bellte laut auf und rannte schwanzwedelnd zur Haustür, wo er jaulend sitzen blieb. „Ich kann mit ihm auch alleine raus gehen“, merkte Rika an, als sich Ryo seufzend aufrappelte und ihr hinterher ging. Er schüttelte lediglich den Kopf, ehe er Kuroi zurückzog und ihn anleinte. „Ich hab gesehen, was das letzte Mal passiert ist.“ Kühle Abendluft wehte ihnen entgegen, zugleich Ryo die Tür aufmachte und samt Hund hinaus schritt. „Meine Mutter ist ein paar Tage nicht hier, er wird sie begleitet haben.“ Sein Arm schlang sich um ihre Hüfte und anstandslos ließ sie ihn gewähren. „Auf das verlass ich mich nicht und du solltest es auch nicht tun Rika.“ Ehedem sie noch etwas erwidern konnte, beugte er sich bereits zu ihr hinunter und erstickte jeden Widerspruch in einem flüchtigen, doch zärtlichen Kuss. Vielleicht hatte Ryo recht und sie sollte auf so etwas wirklich nicht vertrauen, allerdings war es bisher noch nie vorgekommen, das Jack bei so etwas zu Hause blieb. Dieses Mal würde es auch nicht anderes sein, so glaubte sie. Sich durch die Haare streichend betrat sie das Schlafzimmer und legte ihre Kleidung zusammengefaltet auf den Stuhl in der Ecke. „Was hältst du davon, wenn wir den Film hier anschauen?“, vernahm sie es hinter sich und fragend wandte Rika sich zu Ryo um, der im Türrahmen stand. „Hier?“ Skeptisch zog sie eine ihrer Augenbrauen nach oben, woraufhin der junge Mann schmunzelte. „Es ist bequemer, das ist der einzige Grund. Ich werde trotzdem auf der Couch schlafen, wenn es dich beruhigt.“ Das musste sie ihm eingestehen, das tat er wirklich. Gestern war er ohne Weiteres zurück ins Wohnzimmer, hatte es für selbstverständlich gehalten, auch weiterhin auf dem Sofa zu schlafen. Masao war damals anderes gewesen, eigentlich genau das Gegenteil. Einengend und besitzergreifend. Nicht nur einmal hatte er unterschwellig gedrängt... und letztendlich hatte sie viel zu schnell nachgegeben. Das bereute sie bis heute. „Von mir aus“, lenkte sie ein und ließ sich auf das Bett nieder. Wenn sie verglich, Ryo war durchaus anschmiegsam aber keinesfalls lästig oder erdrückend. Auch wenn nur ein Tag vergangen war, katalysierten sich die Unterschiede bereits massiv heraus. „Rika?“ Die junge Frau sah auf und beobachtete, Ryo dabei, wie er sich zu dem Fernseher hinunter kniete und den Rekorder zum laufen brachte. „Was willst du jetzt eigentlich tun?“ „Ausziehen“, meinte sie einsilbig und hoffte das dieses Thema sich damit erledigt hatte. Es lag nicht an Ryo selbst das sie über ihre Situation nicht sprechen wollte, sonder einfach daran, das sie den momentanen Umstand gerne so lange, wie möglich ignorieren wollte. Es würde sie in ein paar Tagen sowieso schnell genug einholen. „Und du denkst er lässt dich dann in Ruhe?“ „Wird er müssen.“ Den Fakt, dass Jack sie nicht einmal hier in Ruhe ließ, war ihm ebenso wie ihr bewusst und genau das war es, was Ryo einen schweren Seufzer entlockte. Sie unterbrach ihn, noch bevor er erneut zum sprechen ansetzen konnte. „Lass uns einfach den Film ansehen...“ Er schüttelte lediglich den Kopf und schaltete das Licht aus, ehe er sich zu ihr setzte. Ryo zog sie zu sich und bettete seinen Kopf auf ihrer Schulter. „Du weißt, dass sich dieses Thema noch nicht erledigt hat“, hörte sie ihn leise gegen ihren Hals murmeln. Lautlos ausatmend drehte sie sich teils zu ihm und senkte ihre Lippen auf die seinen. Er konnte dieses Thema noch so oft anschneiden, es würde auch zu einem späteren Zeitpunkt nichts bringen. Den nach wie vor würde sie nicht zur Polizei gehen oder gar ihrer Mutter erzählen, was passiert war. Kapitel 16: Führt dich in die Dunkelheit. ----------------------------------------- Kapitel 16 Führt dich in die Dunkelheit. Durch den leisen, jedoch penetrant wiederkehrenden Signalton ihres Handys wachte die junge Frau auf. Murrend tastete sie nach eben besagtem Gerät und musste, als sie verschlafen ihren Blick auf das Display richtete, feststellen, dass der Akku mit jeder Minute weiter gegen null wanderte. Genervt seufzend schloss sie ihre Augen wieder und ließ sich zurück in die weichen Kissen gleiten. Der Filmabend gestern war alles andere, als geplant ausgegangen, dafür brauchte sie nicht erst neben sich zu blicken. Der Arm, der locker auf ihre Taille verweilte sprach für sich und auch waren ihre Erinnerungen noch allzu deutlich vorhanden. Das Bestreben die Beziehung nicht so dermaßen früh zu vertiefen war gestern schnell verflogen, was wohl nicht nur an dem Film selbst lag, der gegen ihre Erwartungen nur halb so interessant war. Vielmehr war es der Umstand, das Ryo schon fast unverschämt sanft angefangen hatte ihren Hals zu küssen. Eben dies war auch der Grund dafür gewesen, sich gänzlich von dem Fernseher abzuwenden und sich zu ihm umzudrehen. Seine Hände, die trotz allem zögernd über ihre Seiten gestrichen waren, jederzeit bereit aufzuhören entlockten ihr noch immer ein mildes Schmunzeln. Sie hatte es in jeder seiner Gesten gespürt, das es nur ein Wort von ihr gebraucht hätte, um dem Geschehen Einhalt zu gebieten. Das Telefon in ihrer Hand meldete sich abermals und durchbrach ihre Gedankengänge wie Erinnerungen mit einem Schlag. Seufzend richtete sie sich auf und strich sich mit einer schnellen Bewegung die Haare zurück. Automatisch legte sich ihr Blick dabei auf Ryo, der seelenruhig weiter Schlief und den Anschein nach nichts von dem nervenden Ton mitbekam. Das dumme Grinsen von Jen, was sagte; ich hab es doch gewusst, konnte sie sich bereits jetzt nur allzu deutlich vorstellen. Verflucht sei sie und ihre bescheuerte Wette... Ein leiser Laut ran über ihre Lippen, als sie nach ihrer Kleidung die verstreut auf dem Boden lag griff. Im Gegensatz zu Masao damals bereute sie es jetzt jedoch in keinster Weiße. Geräuschlos zog sich die junge Frau an und verließ ebenso leise das Schlafzimmer, um im nächsten Moment beinahe über Kuroi zu stolpern der freudig auf sie zu rannte. „Na du“, murmelte sie und gab seiner bitte nach. Kraulend fuhr sie über sein dickes Fell und beobachtete belustigt, wie sich der Rüde niederlegte. Ihre Aufmerksamkeit fiel einen Moment lang auf das Telefon. Was sollte sie jetzt machen, sie bezweifelte stark das Ryo das passende Ladegerät besaß. Es war nicht so das sie ohne Handy nicht konnte, oder gar darauf versessen war immer erreichbar zu sein aber die Vergangenheit hatte sie gelehrt, dass die Möglichkeit wann immer man wollte, zu telefonieren hilfreich sein konnte. Ihr Blick richtete sich wieder auf das Tier, ehe sie Schulter zuckend aufstand. Ihre Mutter und Jack waren sowieso nicht hier, was sprach also dagegen schnell einen kurzen Ausflug nach Hause, zu machen. Richtig, außer Ryos Gemurre danach nichts. Als sie aus dem Badezimmer kam, war es erneut Kuroi der schwanzwedelnd auf sie wartete und ihr leise jaulend um die Beine strich. Gefolgt von dem Hund, den Rika kurz streichelte, schritt sie in das helle Wohnzimmer und schrieb, bevor sie sich ihre Jacke überstreifte eine kurze Nachricht. Sie würde sich einfach beeilen, dann fiel es Ryo erst auf, wenn sie bereist wieder hier war und klingelte. Er stieß einen seufzenden Laut aus, als er unsanft von Kuroi geweckt wurde, der hechelnd auf das Bett sprang und sich brummend niederlegte. Dass Erste das ihm auffiel, zugleich er müde die Augen öffnete war das Rika nicht mehr neben ihm lag. Das Zweite, das er registrierte und ihn verwundert innehalten ließ, war die Geräuschlosigkeit in der gesamten Wohnung. „Sag bloß, du hast Rika aus dem Bett getrieben.“ Seine Hand strich wohlwollend über den Kopf des Rüden, der sich darauf hin nur noch breiter machte. Schmunzelnd den Kopf über das Verhalten des Tieres schüttelnd stand er auf und zog sich streckend an. Es war wirklich verdammt ruhig, stellte er fest, als er durch die Tür hinaus in den Korridor schritt. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er meinen das Rika nicht mehr da war. „Rika?“, rief er fragend aus und von alleine trugen ihn seine Beine in die Stube. Verwundert musste Ryo blinzeln, wie er sie nicht wie angenommen antraf, sondern einhüllende Leere vor fand. Vielleicht war sie im Bad... In dem Moment, als er sich abwenden wollte, fiel ihm der weiße Zettel auf, der merklich auf dem Tisch im Wohnzimmer lag. Musternd huschte seine Aufmerksamkeit darüber, ehe er langsam darauf zu ging und den Fetzen in die Hand nahm. Seine Augen schweiften über die geschriebenen Worte und stockend hielt er inne, um sich die Silben abermals, durchzulesen. Das war jetzt nicht ihr ernst... Sein Blick verdunkelte sich und automatisch verkrampfte sich seine Haltung. „Das kann nicht wahr sein...“, meinte er leise und dunkel zu sich. ~Bin schnell daheim. Keine bange, Jack wird mit meiner Mutter mit sein.~ Stand dort prangend. Er hatte ihr doch gesagt, dass sie sich darauf nicht verlassen sollte... Aber nein, warum sollte man auf das hören, was er sagte. Schnaufend und sich zur Ruhe zwingend schmiss er das Papier zurück auf den Tisch. Verdammt noch mal Rika... Verwundert stoppte sie mitten in der Bewegung und zog ihr Handy aus der Tasche, das laut anfing zu klingeln. Ihr Blick schweifte einen Moment lang über das Display, ehe sie leise seufzen musste. Von wegen zurück, bis er aufwachte... „Ja?“, nahm sie den Anruf entgegen und fuhr fort damit die Wohnungstür abzusperren. „Rika bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?!“, hallte es ihr wütend und doch besorgt entgegen. Seufzend öffnete die junge Frau die Tür und ließ sie leise zurück ins Schloss fallen. „Reg dich nicht so auf, der Akku von meinem Handy ist fast leer. Ich hol nur das Ladegerät“, meinte sie und schritt durch den dunklen Gang. Was hatte sie gesagt, niemand war hier... Ryo regte sich umsonst auf. Rika hörte, wie er schwer die Luft ausatmete, bevor er um einiges ruhiger weiter sprach. „Rika ich dachte wir hätten uns darauf geeinigt, dass du ohne mich nicht mehr raus gehst. Ich mach mir doch nur Sorgen, vor allem nach dem, was letztes Mal passiert ist.“ Ihre Finger tasteten nach dem Lichtschalter. “Ich bin bereits im Haus und es ist keiner hier Ryo. Sobald ich mein Ladegerät habe, komm ich wieder. Was soll auch großartig passieren außer das mich ein Auto überfährt“, witzelte sie. Die junge Frau verstand ihn aber er übertrieb. Jack war nicht hier und sie bezweifelte, dass ihre Mutter und er in den nächsten Minuten zurückkommen würden. „Rika...“ Anhand seines resignierten Tonfall musste sie schmunzeln. „Hör zu.“ Die junge Frau drehte sich um „Ich hol das dumme Kabel dann...“ und erstarrte, als ihr das Handy aus der Hand genommen wurde. „Vielleicht solltest du dich das nächste Mal besser umsehen Ruki.“ Das Handy gab einen leisen Laut von sich zugleich der Mann auflegte und das Gerät auf die Kommode legte. Eisig lief es ihr über den Rücken und ihr Körper reagierte von alleine, als er langsam zurückwich. Den Kopf hob sie an, schluckend schweiften ihre Augen über Jack und es war ihre Stimme, die ihr versagt blieb, zugleich sich die Panik quälend langsam an ihr hinauf zog. „Auch der schlaueste Hase kommt irgendwann zurück in den Bau gehüpft oder wie lautet das Sprichwort?“ Jack musterte das Telefon einen Moment lang, drehte es sachte im Kreis. Ruhig und belustigt war seine Stimmlage. „Geht es dem Balg gut? Er sah nicht angenehm aus, hat ganz schön geblutet.“ Ein amüsantes Grinsen legte sich nieder. „Ich wollte ihm eigentlich die Nase brechen aber ich habe nicht damit gerechnet das er doch ganz gute Reflexe hat. Weißt du, er hat seinen Kopf gerade noch wegdrehen können.“ Das Klingeln ihres Handys unterbrach ihn, seine Aufmerksamkeit legte sich darauf und leise fing er an zu lachen. „Ah dein Stecher.“ Jack sah zu ihr und fing an zu schmunzeln. „Was ist den Ruki? Du bist so blass...“ Das Handy kam geräuschvoll auf dem Boden auf und verstummte gänzlich, wie sein Fuß harsch auf dem Display aufkam. Ein Zittern erfasste ihre starre Gestalt und ließ die junge Frau noch weiter zurück schreiten. Die Gedanken drehten sich wirr um sie, doch keinen Einzigen bekam ihr Geist zu fassen. „Es hat sich vieles getan, als du weg warst Ruki. Deine Mutter glaubt, dass ich der Grund für dein langes Wegbleiben bin. Sie ist nicht gerade gut auf mich zu sprechen, wenn du weißt, was ich meine.“ Beiläufig schob er die Einzelteile des Geräts beiseite und tat gemütlich einige Schritte auf die Frau zu. „Blitzmerker...“, rutschte es ihr dünn heraus und beobachtete jede seiner Gesten. Sie war so dumm, sie hätte auf Ryo hören sollen... „Mach mich nicht wütend, kleine. Deine Mutter hat mich in letzter Zeit genug nerven gekostet und ich bin wirklich gewillt, dir die Schuld dran zu geben.“ Er schnaufte laut aus und sprach leise weiter „Du hast es im Übrigen geschafft. Ich habe wirklich alles versucht aber nichts scheint bei dir einen Fortschritt zu erzielen. Ruki du hast mich sogar so weit getrieben, dass ich meinen Vater angerufen und ihn nach Rat gefragt habe. Weißt du, was er mir sagte?“ Das Folgende passierte unerwartet und blitzschnell, als er nach vorne griff, sie mit Wucht an die Wand schleuderte. Ihr entrann ein verschluckter Schrei, was in einem keuchenden Laut überging, wie ihr Kopf unbarmherzig gegen die harte Mauer schlug. „Er sagte, dass ich dich gefügig machen solle und ich habe mir auch etwas überlegt, was nicht nur für dich einen Nutzen haben wird. Gerade jetzt, wo doch deine Mutter mir die kalte Schulter zeigt, finde ich die Idee immer attraktiver.“ Ihr Herz setzte einen Sekundenbruchteil aus, als sie seine Worte verstand, die Bedeutung der Silben sich in ihren Knochen einnistete. „Lass mich los!“ Panisch stemmte Rika sich gegen seinen Griff und ihr Bein war es das ihn schmerzend traf. Im selben Moment noch schrie sie auf, wie er sie brutal zu Boden stieß. „Ich soll dich loslassen? Ach Ruki du bist selbst schuld aber keine Sorge wir bekommen es mit dieser Methode sicher hin.“ Roh umfasste er ihre Haar, zwang sie so mit nach oben. Ein erstickter Laut entfloh ihrer Kehle, zugleich er sie mit sich zog. „Hör auf!“ Geräuschvoll erklang ihre Stimme und mit aller Kraft versuchte sie sich aus seinen Händen zu befreien, doch schien es für ihn so leicht zu sein, sie einfach weiter mit zuzerren. Bei ihren Silben jedoch hielt er inne und in rage schleuderte er sie abermals gegen die raue Wand zu ihrer linken, los lassen tat er aber nicht. „Du machst mich so nur wütend, Ruki“, grollte er leise und gefährlich. Schmerz trübte ihre Sinne wenige Augenblicke, bevor sie eine Tür vernahm, die kräftig an die Mauer donnerte. Ein heißeres, raues Schluchzen entwich ihr und das Bett, auf das er sie nun schmiss, schnürte ihr die Luft zum Atmen ab. Fest drückte Jack ihren Rücken in die weiche Matratze, presste sich gegen ihren Körper und versperrte jeglichen Ausweg. Instinktiv schlug sie um sich und versuchte ihn von sich zu stoßen, was allerdings schnell ein Ende fand, wie er ihre Hände zusammenhaltend über ihren Kopf festhielt. „Wehren nützt dir nicht kleine“, meinte er unbeeindruckt und verfestigte seinen Griff um ihre Gelenke. „Fass mich nicht an!“, schrie sie ihm panisch entgegen und zugleich die letzte Silbe ihren Mund verlassen hatte, traf seine flache Hand ihr Gesicht, schleuderte es nach rechts. Harsch drehte er ihr Haupt wieder zu ihm und alles in ihr verkrampfte sich, als sich seine Lippen auf die ihren senkten. Ihr Innerstes tobte und die Tränen, die mit jeder Sekunde mehr zu werden schienen, liefen ihr ungehindert hinunter. Ein verzweifelter Laut drang aus ihr, ehe sie die Augen schloss. Seine freie Hand strich an ihrer Seite entlang, hinunter, schoben das Hemd langsam nach oben und es war die Übelkeit, die lodernd in ihr aufstieg. Jack löste den barschen Kuss und sie fühlte, wie er ihren Hals entlang glitt. Ihr Weinen würde lauter, genau, wie ihr Körper bebte. Wehren tat sie sich noch immer, doch auch jetzt schien es ihn in keinster Weise zu stören, ungerührt berührten seine Finger ihren Bauch, ließen sie lauter werden. Ihre Augen hefteten sich auf das Gemälde, das in harmonischen Farben erstrahlte und es war ihr Geist, der versuchte, das Geschehen auszublenden. Fast schon resigniert musterte sie die Rottöne. Das Zimmer ihrer Mutter... Seine Stimme, leise und rau klang sie in ihren Ohren wider. „Danach wirst du mir gehorchen, glaube mir.“ Rika riss ihre Augen auf und sie wusste nicht, wie sie es schaffte, doch im nächsten Augenblick traf ihr Bein seinen Magen. Hart und mit einem dunklen, schmerzhaften Schrei prallte er auf den Boden auf. Ihr Körper handelte von selbst, zugleich sie sich zur Seite drehte und die unterste Nachtischschublade aufriss. Der Colt Rumikos glänzte in einem tiefen schwarz und ihre Finger schlossen sich selbstständig um den Griff der Waffe. Zur selben Zeit wie Jack auf die Beine kam, zielte der Lauf bereits auf ihn, bereit abzudrücken. Ihr Herz schlug gegen ihre Brust und keuchend wich sie an das Gitter des Bettes zurück, zog ihre Beine nähe an ihre Gestalt. Ein Grinsen legte sich auf seine Züge nieder und amüsiert betrachtete er erst die Schusswaffe, ehe seine Augen weiter zu der bebenden Frau glitten. „Das hat mir Rumiko wohl verschwiegen.“ Er strich sich durch die Haare und trat einen schritt näher. „Was den und du willst mich jetzt erschießen Ruki? Du kannst überhaupt nicht abdrücken, viel zu viel Angst hast du, dass du mich wirklich töten könntest“ Noch ein Schritt, woraufhin das Klicken der Entsicherung laut widerhallte. Sein Schmunzeln verblasste einen Sekundenbruchteil. „Komm mir nicht zu nah“, gab sie dünn von sich und presste sich näher an das kühle Gitter. „Na los kleine, drück ab aber du solltest auf meinen Brustkorb zielen. Die Wahrscheinlichkeit das du mich dann umbringst ist bei Weitem höher“, lachte er geräuschvoll auf und sprang nach vorne, um ihr die Waffe aus der Hand zu schlagen. Donnernd und laut hallte der Schuss wider, ließ sein Herz einen Augenblick lang aussetzen, um schneller den je weiter zu schlagen. Scheiße... Kuroi der weiter vorne rannte, sprang zurück und stoppte verschreckt in seiner Bewegung. Ryo achtete nicht auf das Tier, lief gehetzt an ihm vorbei in den makellos wirkenden Garten, ehe er durch die offene Terrassentür in das Haus hastete. Die Sorge und Angst um die junge Frau erfassten ihn noch stärker, schnürte ihm brennend die Luft ab. Nur am Rande registrierte er das schmerzende Seitenstechen, das seinen Körper ungleichmäßig atmen ließ und ihn zur Ruhe zwingen wollte. Die Panik hatte sich in ihm nieder gesenkt, als Rika verstummt war und er kurz darauf die Stimme Jacks vernahm. Im nächsten Moment noch war der junge Mann bereits aus der Tür seiner Wohnung gerannt hatte Kuroi der ihm hinterher jagte ignoriert. Er hatte es ihr gesagt, hatte gesagt, dass sie sich nicht darauf verlassen sollte. Verdammt... Der Rüde fegte an ihm vorbei und seine Augen schweiften über das zerstörte Gerät, das zerlegt auf dem Fußboden lag. „Rika?!“, rief er schwer atmend aus und folgte dem Hund langsam, als er keine Antwort bekam. Eine grauenhafte Unruhe zog sich an ihm hinauf und veranlasste ihn schneller den Korridor entlang zu gehen, um in der nächsten Sekunde zu erstarren, als er das Schlafzimmer Rumikos betrat, in das Kuroi ihn führte. Entsetzen schlang sich siedend heiß um seine Gestalt, wie seine Augen die leblos wirkende Gestalt erfassten. Blut ran bedächtig langsam den Boden entlang, befleckte den sauberen Boden und wirkte sowohl grotesk wie auch hässlich. Er riss seinen Blick von Jack los, sah zu Rika und sein Innerstes zog sich schmerzlich zusammen. Einen Atemzug lang, dachte Ryo, er müsse ersticken. Den schwarzen Colt noch immer zitternd erhoben saß sie zusammen gesunken auf dem zerwühlten Bett. Kein Laut drang über ihre Lippen und doch bebte ihr Körper unsäglich stark. Kalt und eisig wand sich der Schauer seinen Rücken hinab. Schluckend löste er sich aus seiner Starre, schritt langsam, fast zögernd auf die junge Frau zu. „Rika, nimm... die Waffe runter“, gab er rau von sich und hoffte, dass ihm seine Stimme nicht versagt blieb. Sie reagierte nicht, wirkte fern und teilnahmslos. Ihre Augen fixierten einen Punkt an der Wand ihr gegenüber und die Tränen waren es, die ihr unerträglich langsam über die Wange liefen. „Rika“, sprach er sie erneut an und dieses Mal vernahm sie ihn, denn blinzelnd wandte sich ihr Haupt zu ihm, als er neben sie trat. Seine Hand legte sich behutsam auf die ihren, entnahm innen den Colt. „Ich...“ Die junge Frau brach ab und das erste Mal, seit er sie gefunden hatte, entwich ihren Lippen ein schluchzender Laut. Seine Arme legten sich sachte um ihre zitternde Gestalt und es war, als wen der letzte Faden riss, den bitterlich weinend krallten sich ihre Finger in sein Hemd. Epilog: Die Welt, sie würde sich auf ewig drehen. ------------------------------------------------- Epilog Die Welt, sie würde sich auf ewig drehen. Die Sonnenstrahlen schienen verstreut durch die Vorhänge, warfen ihre wollige wärme in den ruhigen Raum hinein. Seine Augen schweiften über ihre zierliche von der dünnen Decke umhüllte Gestalt. Die letzten Monate waren schwer gewesen, vor allem für sie. Wobei es nicht einmal ihr eigener Fall gewesen war, natürlich hatte sie in Notwehr gehandelt. Das Gericht damals entschied schnell, die Indizien waren klar und lückenlos gewesen. Es war vielmehr der Prozess Jacks gewesen, der sie mitnahm. Nur knapp hatte der Mann überlebt und das bloß, weil er schnell genug handelte und den Notarzt rief. Es zog sich über Tage und Wochen hin und am Ende konnte er nur erleichtert aus Atmen, als die Verurteilung niedergeschrieben wurde. 20 Jahre ohne Bewährung und keine Chance auf frühzeitige Entlassung... Behutsam strich Ryo ihr einige verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht und fuhr sanft über ihre ebene Wange. Momente und Augenblicke gab es, wo er dachte, dass sie es nicht mehr schaffte, doch hatte sie ihn jedes Mal aufs Neue überrascht. Unbeugsam und resolut war sie den Gegebenheiten entgegen getreten. Nicht zuletzt das Gespräch mit ihrer Mutter. Er war nicht dabei gewesen, jedoch hatte sie ihm im nach hinein vieles erzählt. Rumiko hatte geweint und geschrien. Ihre Worte die sie Rika entgegen donnerte waren klar und bestürzten seine Freundin mehr, als ihn selbst. Niemals würde sie die liebe zu einem Mann höher stellen, wie ihre eigene Tochter. Egal wie naiv und leichtgläubig sie auch war, wäre Rika nur ein einziges Mal zu ihr gekommen, so hätte sie gehandelt. Gehandelt, wie es eine Mutter tat, die ihr eigenes Kind über alles liebte. Ryo hielt inne, als sie sich sacht bewegte und die Lider flackernd öffnete. Vorsichtig beugte er sich hinunter, versiegelte seine Lippen mit den ihren. Es dauerte nur Sekunden, bis sie erwiderte und die Augen wieder schloss. Es war eine schlimme Zeit gewesen, allerdings konnte es nur besser werden und das würde es, da war er sich sicher. „Morgen“, murmelte sie leise und verschlafen, als er sich von ihr löste. Seine Arme schlangen sich um ihren Körper, zogen sie liebevoll näher an den seinen. „Morgen.“ Ryo vergrub sein Haupt in ihren Haaren und atmete entspannt aus. „Wie lange bist du schon wach?“, hörte er sie gedämpft sprechen und spürte, wie ihre Finger hauchend über seinen Arm fuhren. „Seit einer Stunde in etwa.“ „Und du hast nichts Besseres zu tun, als mir beim Schlafen zuzusehen?“ Er musste schmunzeln, wie er ihren belustigten Tonfall vernahm. „Es ist eine nette Beschäftigung.“ „Das sagst du immer“, meinte sie und lehnte ihren Kopf achtsam an den seinen. Die Ruhe tat gut, es war erholsam einfach nur neben ihm zu liegen. Kein Stress, kein Kampf. Es würde aber nicht so bleiben, das war ihr bewusst. Bald schon würde ihr Studium begingen und der Alltag würde aufs Neue einkehren. Letztendlich hatte sie sich für Paläontologie entschieden, genau wie ihr Vater. Ihre Mutter hatte es nur kopfschüttelnd hin genommen ungeachtet dessen, das sie es bedauerte, war ihr ein lächeln über die Lippen gehuscht. Ihre Mundwinkel zuckten nach oben, als sie die Gänsehaut auf seiner Haut spürte zugleich ihre Finger seinen Arm weiter hinauf glitten. Ihr Geist hatte längst jeden Zweifel an ihm aufgegeben. Ryo hatte sich ihr Vertrauen in jeglicher Beziehung ohne das es ihm selbst klar war gewonnen, alleine dadurch, dass er in den letzten Monaten, wie kein anderer für sie da war. Masao hatte sie nie gesagt, dass sie ihn liebte. Diese Worte waren einfach zu gewichtig, zu ernst. Ryo allerdings hatte diese Silben gehört, einmal nur und sie war sich nicht sicher ob es noch oft vorkommen würde aber das sie es tat zeigte sie ihm. Nichtsdestotrotz hatte sie die stumme Frage, ob sie bei ihm einziehen wollte, abgelehnt. Es lag nicht an ihm und eigentlich war sie mehr bei ihm, als zu Hause aber sie brauchte, und wollte ihren Freiraum. Es war nicht so, das er ihn ihr nicht ließ, im Gegenteil, in keiner bisher aufgetretenen Situation, hatte sie je das Gefühl verspürt, eingeengt zu werden. Doch wollte sie die Möglichkeit haben für sich zu sein, niemanden um sich zu haben und auf keinen Rücksicht nehmen zu müssen. Leises scharren erklang und noch im nächsten Moment senkte sich die Matratze rapide nach unten. „Kuroi...“, schnaufte sie aus und öffnete die Augen um sich das Tier anzusehen, das rücksichtslos versuchte zwischen sie zu kriechen. „Deine Schuld“, murrte Ryo in ihre Haare hinein und entlockten ihr nur ein, genervten Laut. „Dein Hund!“, antwortete sie ihm nur und trotz das Kuroi störend seinen Körper zwischen sie zwängte, strich sie ihm über sein Fell. „Was hab ich mir da nur in die Wohnung geholt.“ „Du hättest nur Nein sagen brauchen, als dein Vater dir anbot ihn hier zu lassen.“ Amüsiert beobachtete sie, wie der Hund Ryo immer mehr wegschupste. „Darf ich dich daran erinnern das er das nur getan hat weil Kuroi besser auf dich, als auf jeden anderen gehört hat.“ „Ein Hindernis aber kein Grund“, meinte sie nüchtern und wusste, das Ryo übertrieb. Sein Vater war es gewesen, der zwei Tage nach dem er den Hund abgeholt hatte wieder vor der Tür stand und meinte, ob er ihn nicht behalten wolle. Kuroi war es durch die fast vier Wochen seines Hierseins gewohnt gewesen, den ganzen Tag über beschäftigt zu werden. Was sein Vater ihm jedoch aus Zeitmangel nicht ermöglichen konnte und so war es dann dazu gekommen, dass er auf einmal anfing, Möbelstücke zu zerlegen. „Wenn man den Sachschaden zusammenrechnet, der nicht gerade niedrig ist, würde ich es durchaus Grund nennen.“ Sie seufzte lediglich, als Antwort und schloss ihre Augen aufs neue. Angenehme Geräuschlosigkeit senkte sich behaglich über beide nieder, hüllte ein und strich wohlwollend über sie. „Wie viel Uhr haben wir eigentlich?“, fragte Rika in die entstandene Stille hinein, als ihr plötzlich etwas einfiel. Sie musste heute noch etwas aus der Welt schaffen und wollte ungern zu spät zu diesem dummen Café kommen. „Warum? Vorher war es kurz vor elf.“ Leise die Luft ausstoßend wandte sie ihren Kopf zur Seite und sah auf die kleine Uhr, die auf dem Nachttisch stand. „Shit! Wann war vorher?!“ Schneller, als Ryo reagieren konnte, hatte sich die junge Frau aus seinem Griff befreit und war aus dem Bett gesprungen. „Du weißt doch das ich mich mit Jen treffen muss...“, fauchte Rika, noch bevor er etwas sagen konnte. Die Augenbrauen hebend, beobachtete er sie dabei, wie sie hastig ihre Sachen, die verstreut auf dem Boden lagen zusammen suchte. „Du hast mir aber nicht gesagt wann...“, gab er nur zurück, ehe er hinzusetzte; „Was ist daran so schlimm, wen du etwas später kommst?“ „Weil ich einen Wetteinsatz einlösen muss.“ Leise fing er an zu lachen. „Sag bloß, ich darf erleben, dass du eine Wette eingegangen bist und diese verloren hast.“ „Lach nicht so dumm!“ „Um was ging es?“ Rika hielt inne und strich sich seufzend durch die Haare. „Das willst du gar nicht wissen.“ „Doch“, grinste er und erhob sich streckend, ehe er zu ihr trat. Seine Arme legten sich um ihre Mitte und murrend ließ sie es sich gefallen, das er sie aufhielt. „Sag schon. Welche Wette hat die große Digimon Queen verloren...“ „Die, die sich darum dreht, wie lange ich dich hinhalte, bevor ich mit dir schlafe...“ Ryo der angefangen hatte ihren Hals entlang zu küssen, stoppte abrupt und riss den Kopf nach oben. „Was?! Das hast du nicht wirklich getan!?“ „Doch“, antwortete sie nüchtern und löste sich aus seiner Umarmung, bevor sie an ihm vorbei zur Tür schritt. „Ich hab sie noch am selben Tag verloren, falls dich das auch noch interessiert.“ Sein lachen, das laut widerhallte, begleitete sie bis ins Bad und schnaufend schmiss sie die Tür hinter sich zu. Das sachte Schmunzeln, das sich auf ihren Zügen niederlegte, zeugte von so vielen Dingen. Befreitheit, war nur eines davon. Des Schicksals Stimme ist die Freiheit, der Worte und der Gesten. Ungebunden, ist der Wille und das Glück der Seele. Die Welt sie würde sich auf ewig drehen und mit ihr lebte sich das Leben. End Anmerkung: Klang des Regens ist zu Ende *-* Endlich. Irgendwie is es traurig lol Aber gut jede Geschichte muss irgendwann enden. Ich hoffe sie hat euch gefallen, auch wenn der Schluss vielleicht plötzlich kam. Ich hatte aber nie vor die Story weiter wie bis hier zu schreiben. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ihr mir ein Kommentar hinterlasst und sagt, wie ihr das Ende fandet. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und vielleicht trifft man sich in einer anderen Geschichte wieder. lg Astre Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)