Magenta II von Maginisha (Zwischen Azeroth und Kalimdor) ================================================================================ Kapitel 2: Göttliche Gaben -------------------------- Vor den Toren von Ironforge herrschte ein reges Treiben. Händler und solche, die es werden wollten, verstopften mit ihren Karren den steilen Pfad, der den Berg hinauf führte und in einem Platz auf einem Felsplateau mündete. Söldner erprobten gegenseitig ihre Fähigkeiten und versuchten, die potentiellen Kunden mit immer tollkühneren Kampftechniken zu beeindrucken, bis sie schließlich blutend vom Platz getragen wurden um die Arena für neue Kampfhähne zu räumen. Ihnen zur Seite standen mit listigen Augen und offenen Geldbeuteln Scharlatane und Hokuspokusreiber, die von den Wachen aus der Stadt verbannt worden waren und nun versuchten, außerhalb der Stadtmauern noch das eine oder andere Schäflein wenn schon nicht ins Warme, so doch zumindest ins Trockene zu bringen. Denn eines wussten die vielen, wartenden Händler genau: Wenngleich Stormwind auch den hübschere Marktplatz hatte, das wahre Gold machte man in Ironforge. Magenta hatte einige Mühe, sich unverletzt zu den ihren wartenden Freunden durchzukämpfen. Immer wieder geriet sie an den Rand eines Duells oder jemand versuchte, ihr Mittel gegen Warzen und Furunkel zu verkaufen. Etwas, dass die junge Hexenmeisterin als persönlichen Affront ansah, sich jedoch unter den wachsamen Blicken nicht traute, etwas Passendes oder gar einen Zauber zu erwidern. Etwas außer Atem und leicht zerrupft stand sie schließlich neben Abumoaham. „Entschuldige die Verspätung.“, schnaufte sie und ihr Atem verwandelte sich in der kalten Luft in bauschige, weiße Wolken. „Ich wurde…äh…aufgehalten.“ „Mir scheint, du dich gut amüsiert.“, lächelte Abumoaham und zeigte sich nicht im geringsten Maße ungehalten. „Komm, du dich setzen. Wir sehen Kampf.“ Der Magier klopfte neben sich auf einen Holzstumpf, den hilfreiche Hände neben einem Lagerfeuer platziert hatten, und gehorsam ließ Magenta sich darauf sinken. Sie bekam eine Tasse eines heißen Getränks gereicht und wendete ihre Aufmerksamkeit dem zu, dass Abumoaham bereits wieder wie gebannt beobachtete. Auf einem vom Schnee befreiten Platz standen sich zwei Magenta wohl bekannte Gestalten gegenüber. Sie hielten beide ein Schwert in der Hand und musterten die Bewegungen des anderen misstrauisch, doch keiner wagte es, den ersten Angriff zu führen. Bis Risingsun schließlich ihr Schwert senkte und die Hand in die Hüfte stemmte. „Willst du nun endlich anfangen oder was?“, rief die Paladina und warf die blonden Haare in den Nacken. „Sonst stehen wir noch hier, wenn es dunkel wird.“ Entschuldigend hob Bladewarrior die Schultern. „Tut mir leid. Ich hab einfach noch nie gegen eine Frau…“ „Ach papperlapapp.“, wischte Risingsun seine Bedenken beiseite. „Fang endlich an. Du wirst es auch ohne deine Zurückhaltung schwer genug haben.“ Bladewarrior nickte und hob seine Waffe wieder. Er atmete ein paar Mal tief ein und stürmte dann mit einem heiseren Schrei auf die Paladina zu. Blitzschnell duckte sich Risingsun unter dem Schlag weg, wirbelte herum und trat dem Krieger in den verlängerten Rücken. Bladewarrior strauchelte, stolperte ein paar Schritte vorwärts und konnte nur mit Mühe das Gleichgewicht halten. „Ausgewichen.“, grinste Risingsun. „Möchtest du es noch einmal versuchen?“ Knurrend packte Bladewarrior sein Schwert mit beiden Händen und machte einen Ausfall. Wieder kratzte sein Schwert nur über die hartgefrorene Erde, während die Paladina um ihn herum tänzelte und ihm mit der flachen Seite des Schwertes einen Hieb gegen die Seite versetzte. „Du musst an deiner Deckung arbeiten.“, tadelte sie. „Wenn ich gewollt hätte, hättest du jetzt ein Loch in deiner Niere.“ Bladewarrior grunzte etwas Unverständliches und holte erneut mit dem Schwert aus, jedoch ohne die Paladina zu treffen. Immer wieder wich sie den Schlägen leichtfüßig aus und landete ihrerseits einige leichte Treffer. Es sah aus, als würde sie einen Tanzbären an seinem Nasenring durch den Ring führen. Ärgerlich schlürfte Magenta ihr Getränk. Sie konnte nicht glauben, dass Bladewarrior sich so leicht von dem blonden Miststück verprügeln ließ. Sie stieß Abumoaham in die Seite. „Ich glaube, er strengt sich gar nicht an.“ „Das ich auch glauben.“, erwiderte der Magier und strich sich sinnierend über den grauen Bart „Aber das vielleicht auch besser. Ich fürchten, wenn er treffen, er können verletzen Risingsun ernsthaft. Und ich denken, er das auch fürchten.“ Unterdessen hatte Risingsun aufgehört, den Schlägen des Kriegers auszuweichen. Stattdessen parierte sie diese leicht mit der eigenen Klinge und mokierte sich über die geringe Kraft, die in den Schlägen steckte. Bladewarrior hingegen sparte sich die Worte und kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Allerdings war es unübersehbar, wie es in dem Krieger kochte. Die Stirn unter den rabenschwarzen Haaren lag in zornigen Falten und die Schwünge seines Schwertes wurden zielgerichteter. Ein paar Mal gelang es Risingsun nur haarscharf den Streich zu parieren oder dem großen Zweihänder auszuweichen. Klirrend prallten die Klingen immer wieder aufeinander. Schnee wirbelte auf und verdampfte auf der erhitzten Haut der Kämpfer. Während Risingsuns Attacken leichter waren, führte sie jedoch die Trefferliste klar an. Bladewarrior blutete bereits aus mehreren leichten Schnitten an Armen und Beinen, was dem Krieger augenscheinlich wenig auszumachen schien. Er drosch weiterhin aus Risingsuns Schwert ein und ab und an merkte man bereits, dass die Paladina Schwierigkeiten hatte, ihre Waffe hochzuhalten. Bis sie schließlich einen entscheidenden Fehler machte. Bladewarrior griff mit einem kräftigen, über den Kopf geführten Streich an. Anstatt jedoch diese starke Vernachlässigung seiner Deckung auszunutzen, versuchte Risingsun den Schlag abzufangen. Mit einem metallischen Laut prallten sich die Waffen aufeinander. Bladewarrior vollführte eine schnelle Drehung des Schwertes und Risingsuns Waffe landete klappernd auf dem Boden. Die blauen Augen der Paladina weiteten sich. „Der Kampf, ist vorbei.“, keuchte Bladewarrior, dem inzwischen der Schweiß über die Stirn lief. „Ich habe gewonnen.“ „Nicht so schnell.“, fauchte Risingsun. Aus dem Nichts heraus beschwor sie eine Kugel aus weißem Licht, die sie dem Krieger direkt ins Gesicht schleuderte. Geblendet hob der den Arm und war wie einen Moment wie paralysiert. Das nutzte Risingsun aus, um ihre Waffe wieder aufzuheben. Sie griff sofort an und noch bevor Bladewarrior wusste, wie ihm geschah, saß er auf dem Hosenboden, die Klinge der Paladina direkt auf seine Kehle gerichtet. „Der Kampf ist erst vorbei, wenn der Gegner keine Möglichkeit hat, sich zu wehren.“, sagte Risingsun bestimmt und trat mit dem Fuß auf Bladewarriors Klinge. „Das trifft sich gut.“, schnaubte er und zog an seinem Schwert. Die überrumpelte Paladina strauchelte, fing den drohenden Fall jedoch ab und schlug noch in derselben Bewegung zu. Bladewarrior, der gerade noch Zeit hatte um auf die Füße zu kommen, machte sich bereit, den Schlag zu parieren. Die beiden riesigen Schwerter bewegten sich rasend schnell aufeinander zu, zwei Lichtstrahlen, die sich mit einem protestierenden Kreischen ineinander festkrallten. Dann gab es ein Geräusch, das Magenta nur vom Schmieden kannte. Ein dumpfes Knirschen wurde gefolgt von dem armseligen Klirren, mit dem die Überreste von Bladewarriors gebrochener Klinge auf den gefrorenen Boden fielen. Triumphierend hob Risingsun das geborstene Stück Metall auf. „Ich würde sagen, das war´s für dich und dein Schwert. Zweite Wahl ist und bleibt eben zweite Wahl.“ Fast, als könne er es nicht glauben, nahm der Krieger die Bruchstücke des Schwertes entgegen. Prüfend fuhr er mit dem Finger über die Bruchstelle. Er blickte an der Klinge entlang, maß ihr Gewicht und schüttelte dann betrübt den Kopf. „Mir scheint, ich habe mir tatsächlich minderwertige Ware verkaufen lassen.“, murmelte er. „Wenn mein Vater das wüsste.“ Risingsun trat zu ihm und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Du solltest froh sein, dass du nur das Schwert und nicht das Leben verloren hast. Hättest du dich in einem echten Kampf auf diese schartige Klinge verlassen, hätte das schlimm ausgehen können.“ Einen Augenblick lang zögerte Bladewarrior noch, dann erwiderte er Risingsuns Lächeln. „Du hast Recht. Ich danke dir.“ Der Krieger warf das zerbrochene Schwert auf einen Haufen mit Altmetall, vor dem ein Gnom Wache hielt. Sie wechselten zunächst ein paar Worte, dann ein paar Münzen und schließlich kehrte Bladewarrior unbewaffnet zurück. Etwas verlegen grüßte er Magenta. „Ich finde, es war unfair zu zaubern.“, entrüstete sich die Hexenmeisterin. „Immerhin kann er das nicht.“ Risingsun maß sie mit einem abschätzigen Blick. „Einem Paladin stehen die Mächte des Lichts zur Seite und es ist ihm erlaubt, diese Gabe zu nutzen, wenn er oder jemand anders in Bedrängnis gerät. Blade hätte damit rechnen müssen, dass ich das Licht auch als Waffe gebrauchen kann. Nicht ist wichtiger, als seinen Feind zu kennen.“ Magenta zog argwöhnisch eine Augenbraue nach oben. „Seinen Feind? Aber es war doch nur ein Übungskampf.“ „Man sollte keinen Kampf auf die leichte Schulter nehmen.“, wies Risingsun sie zu Recht. „Wir Paladine werden dazu angeleitet, stets wachsam zu sein, denn das Böse lauert immer und überall.“ Ihr Blick streifte Pizkol, der ihr prompt die Zunge rausstreckte. Magenta verkniff sich einen Kommentar und sah Abumoaham erwartungsvoll an. „Sollte das jetzt eigentlich die wunderbare Überraschung sein, die ihr mir zeigen wolltet?“ „Nein.“, sagte der Magier mit einem fröhlichen Glitzern in den Augen. „Aber ich dir versprechen, du werden begeistert sein. Du mitkommen.“ Er führte Magenta an den Rand des Plateaus, wo einige fahrende Schmiede ihre Waren feilboten und die Pferde der Ankommenden mit neuen Eisen versorgten. Sehnsüchtig glitt Bladewarriors Blick über die Rohlinge, aus denen später einmal Äxte und Schwerter geschmiedet werden sollten. Auf einen Wink Abumoahams hin riss er sich jedoch von dem Anblick los und verschwand zwischen den Menschen und Pferden, nur um kurz darauf mit zwei der prächtigen Tiere am Zügel wieder hervorzutreten. „Das sein Überraschung.“, erklärte Abumoaham und freute sich über Magentas erstauntes Gesicht. „Du dir dürfen eines aussuchen.“ Mit kugelrunden Augen betrachtete Magenta die beiden Pferde. Einer von ihnen war ein kräftiger, dunkelgrauer Wallach mit weißem Fesselbehang, das zweite eine braun und weiß gescheckte Stute. Magenta hatte sie sofort ins Herz geschlossen. Aber als die Hexenmeisterin näher treten wollte, wich das Tier vor ihr zurück und legte die Ohren an. Unruhig schnaubend tänzelte es hin und her. „Ho, meine Schöne.“, sagte Bladewarrior und legte dem Pferd die Hand auf den bebenden Hals. Fast augenblicklich beruhigte sich die Stute wieder und stellte die Ohren nach vorn. Sofort, als Magenta einen Schritt auf sie zutat, schnaubte sie jedoch erneut und wich einen Schritt zurück. „Ein kluges Tier.“, bemerkte Risingsun. „Ich denke mal, sie wittert die Dämonen.“ Die letzten Worte hatte sie nur geflüstert, doch Magenta konnte sich dem Gefühl nicht erwehren, dass sich einige Leute nach ihr umsahen. Und was, wenn Risingsun recht hatte? Was, wenn das Tier Angst vor ihr hatte? Neidvoll sah sie, wie Bladewarrior die Stute beruhigend zwischen den Ohren kraulte. Als er ihr ein Stück Brot aus seiner Tasche zusteckte, was die Stute vorsichtig mit ihren weichen Lippen aufnahm, fasste Magenta einen Entschluss. „Wir sollten Blade die Stute geben. Sie scheint ihn zu mögen.“, sagte sie und versuchte dabei so gleichgültig wie möglich zu klingen. „Es gibt da nämlich ein Problem. Ich kann nicht reiten.“ Vier Augenpaare richteten sich ungläubig auf Magenta. „Was soll das heißen, du kannst nicht reiten?“, fragte Pizkol. Er sah aus, als habe Risingsun ihm ihren Kriegshammer auf den Fuß fallen lassen. „Aber jeder kann reiten.“ „Nun ich kann es nicht.“, schnappte Magenta beleidigt. „Meine Lehrmeisterin Drusilla pflegt keine Pferde zu halten.“ „Vermutlich ritt sie lieber auf einem Besen geritten.“, stichelte Risingsun. Magenta hätte sie am liebsten unangespitzt in den Boden gerammt. „Nein, aber sie konnte sich leisten, in einer Kutsche zu reisen.“, fauchte sie zurück und setzte mit einem hämischen Grinsen hinzu: „Aber wie es scheint, bin ich ja nicht die Einzige, die zu Fuß gehen muss. Ich sehe nämlich nur zwei Pferde.“ Nun war es an Risingsun, die Hexenmeisterin mit einem spöttischen Lächeln zu bedenken. „Ein Paladin muss nicht zu Fuß gehen.“, erklärte sie schnippisch. „Er bekommt ein Streitross von seinem Orden gestellt. Ein perfekt ausgebildetes, starkes, zuverlässiges Kampfross, das ebenso gefährlich ist, wie der, den es trägt.“ „Das will ich sehen.“, spottete Magenta. Risingsun lächelte grimmig. „Es ist mir ein Vergnügen.“ Die Paladina steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen langen Pfiff aus. Ein kräftiges Wiehern antwortete ihr und kurz darauf trabte ein prächtiges Ross an ihre Seite. Es war ein Apfelschimmel, mit einem kostbaren, bestickten Zaumzeug und einer blauen Satteldecke mit den Ordenszeichen der Silbernen Hand. Kopf, Hals und Brust des riesigen Tieres waren mit Stahlplatten geschützt, die mit Silber belegt und dann kunstvoll graviert worden waren. Der Schimmel schüttelte den Kopf, so dass ihm die Zügel über die Ohren rutschten und nur wenig Zentimeter neben Risingsuns wartenden Händen pendelten. Mit stolzem Blick griff die Paladina danach und wandte sich an Magenta. „Nun, habe ich zu viel versprochen?“ „Pferd sehr prächtig.“, lobte an ihrer Stelle Abumoaham. „Man sehen, es dich tragen wird überall hin.“ Geschmeichelte strahlte Risingsun und warf Abumoaham eine Kusshand zu, bevor sie sich auf den Rücken des riesigen Schimmels schwang. Sie wirkte, als habe man ein Kind auf das Pferd seines Vaters gesetzt. „Sollen wir aufbrechen?“ „Wir zuerst noch müssen machen einige Besorgungen.“, stellte der Magier fest. „Ich einverstanden, dass Blade bekommen Pferd. Magenta können reiten mit mir.“ Bladewarrior, der vor Glück gar nicht wusste, wie ihm geschah, bedankte sich mehrmals überschwänglich, während Risingsun aussah, als hätte sie auf etwas sehr Saures gebissen. Ärgerlich wendete sie ihr Pferd und trieb es rücksichtslos durch die Menge, die zusehen musste, wie sie sich rechtzeitig vor den breiten Hufen des Schimmels in Sicherheit brachte. Magenta hingegen war immer noch skeptisch. „Meinst du, das Tier kann uns beide tragen?“, fragte sie unsicher. „Und wo wollen wir überhaupt hin.“ „Nun zunächst wir einfangen Risingsun und dann wir beraten, wohin gehen.“, lächelte Abumoaham, doch dann wurde sein Gesichtsaudruck ernst „Auch wir eigentlich verabredet mit Emanuelle. Ich mich fragen, wo sie bleiben.“ Zweifelnd sah sich Magenta auf dem belebten Platz. Es hätte sie nicht gewundert, wenn ein Gnom hier schlichtweg über den Rand hinweg in eine Gletscherspalte gerutscht wäre. Aufgefallen wäre es sicherlich niemandem. Dann jedoch erinnerte Magenta sich an das durchaus auffällige Wesen der Gnomenmagierin und ihr kamen berechtigte Zweifel, ob irgendjemand die Gnomin irgendwo hin mitnehmen oder sie abdrängen konnte, ohne ein paar ernsthafte Verbrennungen und Kopfweh zu riskieren. Emanuelle hatte ein recht feuriges Wesen und einen noch lautere Stimme. Es war somit unwahrscheinlich, dass sie hier gewesen war. Wo also mochte die Gnomin stecken? Ceredrians Finger glitten sanft über den Körper der Nachtelfe, die vor ihm auf dem Boden lag. Er berührte leicht ihren Hals, strich über ihre Brust und ließ seine Hand schließlich nahe ihrer Armbeuge verweilen. Einige weibliche Wesen hätte diese zarte Berührung in wohlige Schauer ausbrechen lassen, doch die Nachtelfe lag weiterhin ruhig mit geschlossenen Augen da. Ihr Gesicht war friedlich, ihre Haltung entspannt und ihre Kleidung sauber und faltenfrei. Nichts deutete darauf hin, dass sich unter dem blassblauen Gewand eine tödliche Bauchwunde befand, die inzwischen ebenso wie die Abschürfungen auf ihren Armen, die Kratzer in ihrem Gesicht und die Schnitte an ihren Beinen und gereinigt und verbunden worden war. Leider einige Stunden zu spät. Die Nachtelfe, Kaela Shadowspear, war tot. „Diese Verletzungen wurden ihr mit einer scharfen Waffe zugefügt.“, berichtet Ceredrian den Umstehenden. „Allerdings scheint ihr Gegner auch mit den Fäusten auf sie eingeschlagen zu haben. Diese Blutergüsse sehen aus, als wären sie mit bloßen Händen verursacht worden.“ „Wer tut so etwas?“, fragte Abbefaria, der seinen Blick nicht von der Toten abwenden konnte. „Nun, das zu erraten war nicht besonders schwer.“, erklärte Raene Wolfrunner. Die Nachtelfe wirkte ernster als bei ihrem letzten Besuch. Tiefe Sorgenfalten zerfurchten ihre Stirn und ließen sie älter wirken. Die Schildwache deutete auf einen zweiten, weitaus kleineren Körper, der neben Kaela Shadowspear auf dem Boden aufgebahrt worden war. Es handelte sich um einen Gnom. Auch sein Körper wies auf den ersten Blick keinerlei Verletzungen auf. Als Raene jedoch den Umhang zurückschlug, in den die Nachtelfen ihn mangels Bekleidung in passender Größe gewickelt hatten, sah man, dass ein Pfeil in seiner Seite steckte. Ein zweiter, der sich direkt ins Herz gebohrt hatte, war abgeschnitten worden, da die Spitze mit dem Widerhaken nicht zu entfernen gewesen war. Wortlos reichte Raene das abgetrennte Ende des Pfeils an die drei Freunde weiter. Orangefarbende und grüne Federn steckten am Schaft des Pfeils, der bemerkenswert stabil war. Anders als Nachtelfen, die für die Fertigung ihrer Pfeile meist die silbrigen Federn von Eulen verwendeten und die Pfeile schnitzten, bis sie fast zerbrechlich wirkten, würde ein Schütze eine gewaltige Kraft und einen noch größeren Bogen brauchen, um einem so massiven Geschoss die richtige Durchschlagskraft zu verleihen. „Woher stammen diese Waffen?“, fragte Ceredrian und wog das Gewicht des halben Pfeils prüfend in der Hand. „Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ „Aber ich.“, sagte Easygoing finster. „Die Federn stammen von Windschlangen. Es sind Pfeile, die von der Horde benutzt werden.“ Einen Moment lang sahen sich die Freunde an und ein stummes Nicken Raenes bestätigte Easygoings Worte. Da drang ein Schluchzen in ihren Kreis und als sie sich umdrehten stand dort eine weitere Schildwache. Sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und ihre Schultern bebten unter lautlosem Weinen. Raene Wolfrunner trat zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Thenysil.“, sagte sie leise. „Du hast dir keine Vorwürfe zu machen.“ „Ich hätte mit ihr gehen sollen.“, erwiderte die Wache mit zitternde Stimme. „Ich hätte darauf bestehen sollen.“ Raene schüttelte den Kopf. „Es war meine Entscheidung, Kaela ins Steinkrallengebirge zu entsenden. Dein Beharren hätte dir nur einen Strafe oder, wenn du meine Befehle missachtet hättest, einen ebenso sinnlosen Tod eingebracht. Eine Hand mehr oder weniger…“ „Hätte vielleicht die Entscheidung gebracht!“, schrie die Schildwache außer sich. „Kaela war meine Freundin. Mehr noch. Wir waren wie zwei Schwestern. Wie könnt Ihr nur so grausam sein?“ Mit diesen Worten drehte sich die Schildwache um und stürmte in Richtung des Waldes davon. Seufzend sah Raene ihr nach. „Ihre Wut ist verständlich, ihre Trauer noch größer.“, sagte sie leise. „Auch ich wünschte, ich könnte das Geschehene ungeschehen machen.“ „Welchen Auftrag hatten die beiden?“, fragte Easygoing, um von der unangenehmen Situation abzulenken. In Gegenwart von Fremden offen Wut oder andere tiefe Gefühle zu zeigen war bei Nachtelfen höchst ungewöhnlich und alle schienen dankbar, sich einem anderen, konkreten Problem zuwenden zu können. „Ich hatte Kaela beauftragt, den Gerüchten nachzugehen, die aus dem Steinkrallengebirge zu uns vorgedrungen waren.“, erläuterte Raene Wolfrunner, während sie die drei Freunde in ihr Haus geleitete, wo einige Erfrischungen auf sie warteten. „Es heißt, große Maschinen rodeten dort den gesamten Baumbestand im Auftrag der Venture Company, einer Bande von geldgierigen Goblins und anderen Gezücht. Das ist auch der Grund, warum Kaela zusammen mit dem Gnomenmagier Gaxim Rustfizzle ausgesendet wurde. Gnome verstehen mehr von Maschinen und Mechanik, als wir es tun. Doch wie es aussieht, hätte ich lieber gleich eine ganze Armee zur Scherwindklippe schicken sollen.“ „Mit Verlaub, aber die Verletzungen sehen nicht aus, als hätte ein Goblin sie verursacht.“, mischte sich Ceredrian ein. „Und eine Maschine, die Pfeile schießt? Ich glaube nicht, dass es so etwas gibt.“ Raene Wolfrunner nickte zustimmend. „Es gibt mehr als eine Umgereimtheit in diesem Fall. Das ist der Grund, warum ich nach Euch schickte. Ich kann keine weiteren Schildwachen entbehren. Die Lage in Ashenvale ist angespannt wie nie zuvor. Erst vor wenigen Tagen wurden Dutzende von Kämpfern am Rajenbaum niedergemäht. Es ist allein Hüter Ordanus und den Dryaden zu verdanken, dass dort nicht Schlimmeres geschah. Und auch dort fehlt von den Tätern jede Spur. Ich brauche jemanden, den ich ins Steinkrallengebirge entsenden kann, um dort nach dem Rechten zu sehen.“ Ihr Blick wurde weicher und sie deutete auf die beiden leblosen Körper. „Und ich brauche jemanden, der diesen beiden die letzte Ehre erweisen kann. Deswegen schickte ich nach Euch, Ceredrian. Ich möchte, dass ihr eine Begräbnis-Zeremonie für sie ausrichtet.“ Der weißhaarige Nachtelf verbeugte sich. „Ich werde tun, was nötig ist, Meastra Wolfrunner. Verlasst Euch auf mich.“ Easygoing straffte sich. „Auf mich könnt ihr ebenfalls zählen. Wir werden herausfinden, was sich dort abgespielt hat.“ Abbefaria hätte gerne noch etwas hinzugefügt, doch es war bereits alles gesagt und beschlossen. So beschränkte er sich darauf zu nicken und sich ebenfalls vor der Schildwache zu verbeugen. Das Begräbnis, das Ceredrian für die beiden Toten auf dem Friedhof etwas abseits von Astranaar ausrichtete, war einfach und fand bei Sonnenaufgang statt, dem Zeitpunkt an dem sich die Kühle der Nacht mit dem Licht des Tages verband um neues Leben hervorzubringen. Es war eine ganze Anzahl von Schildwachen anwesend, die ihre verstorbene Schwester ein letztes Mal ehren wollten. Eine von ihnen trat nach der Zeremonie zu Ceredrian und er erkannte Thenysil, diejenige, die Meastra Wolfrunner so wütend beschimpft hatte. Voller Achtung senkte sie den Kopf. „Ich möchte Euch danken, Priester.“, sagte sie leise. „Ihr habt so wunderbare Worte für Kaela und natürlich auch ihren tapferen Begleiter gefunden. Ich wünschte, sie hätte Euch hören können.“ Ceredrian beugte sich vor und hob behutsam ihr Kinn. „Dankt nicht mir.“, sagt er sanft. „Ich bin nur ein Fremder, der durch Zufall ihren Weg gekreuzt und ihr den Weg in die jenseitige Welt bereitet hat. Ihr jedoch seid diejenige, die Kaela immer in ihrem Herzen tragen wird. Durch Eure Liebe und Eure Erinnerung wird sie stets lebendig bleiben.“ Trotz der Tränen in ihren Augen lächelte Thenysil dankbar. Völlig die ungeschriebenen Regeln der Nachtelfengesellschaft missachtend trat sie zu Ceredrian, drückte ihn kurz an sich und hauchte ihm einen Kuss auf seine Wange. Dann drehte sie sich um und ging mit schnellen Schritten in Richtung der Stadt zurück. Versonnen sah der Priester ihr nach. „Es ist nicht zu fassen.“, knurrte Easygoing. „Nicht einmal an einem Grab kannst du deine Wirkung auf weibliche Wesen unter Kontrolle halten.“ Ceredrian runzelte die Stirn. „Da ist etwas völlig anderes, Cousin. Es ging hier um Trauer und Mitgefühl. Aber ich kann wohl nicht erwarten, dass du das verstehst.“ „Ebenso wenig wie ich erwarten kann, dass du etwas von unserem Gepäck trägst.“, erwiderte Easygoing. „Also los, brechen wir auf.“ Die drei Nachtelfen folgten einem Weg abseits der Hauptstraße, den Raene Wolfrunner ihnen gewiesen hatte, bis sie zum Steinkrallenpfad gelangten, einem Tunnel, der sie auf die andere Seite der Berge brachte. Schon von weitem hörten sie das bedrohliche Röhren und Scheppern der Maschinen und als sie den Rand einer Klippe erreichten, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung, das selbst ihre schlimmsten Befürchtungen noch bei weitem übertraf. Gelähmt vor Entsetzen ließen die Nachtelfen ihren Blick über das riesige, verwüstete Areal schweifen, das sich zu ihren Füßen ausbreitete. Kein Tier regte sich dort mehr, kein Baum stand noch an seinem angestammten Platz. Der Geruch von Rauch, Öl und totem Holz hing in der Luft und machte das Atmen schwer. Die Natur hatte den Kampf gegen die mechanische Übermacht verloren und litt nun stumm unter ihren Peinigern, die sie mit scharfen Äxten und Beilen in verkaufsfertige Stücke hackten und fortschafften. „Das ganze Tal…“, würgte Abbefaria schließlich hervor. „Es ist…tot.“ Er fühlte sich, als habe man ihm selbst das Herz bei lebendigem Leibe herausgeschnitten und er wusste, dass die anderen nicht anders empfanden. Keines der Völker Azeroth war so sehr mit der Welt und ihrem Geschick verbunden, wie die Nachtelfen. Jeder von ihnen, allen voran die Druiden, schöpften ihre Kraft aus den Energien der sie umgebenden Natur. Der Vandalismus, den die Goblins betrieben hatten, kam daher einem Brudermord gleich und konnte unmöglich geduldet werden. „Wir müssen da runter.“, brauste Easygoing auf. „Ich will…ich muss etwas von diesem grünen Abschaum ins Jenseits schicken. Sie haben es verdient. Die Rache ist auf unserer Seite. Bandu Thoribas, Goblins!“ Doch noch bevor der große Druide zum Sprung ansetzten konnte, hielt in Ceredrian zurück. „Komm zu dir.“, sagte er eindringlich. „Was soll das nützen? Du wirst dich nur in Unglück stürzen, wenn du dort hinunter gehst und Amok läufst. Zumal die Venture-Leute dadurch wahrscheinlich nur gewarnt und auf uns Nachtelfen aufmerksam gemacht würden.“ „Willst du etwa hier rumstehen und weiterhin schöne Reden halten?“, fauchte Easygoing wütend. „Ich für meinen Teil ziehe es vor zu handeln.“ „Aber er hat Recht.“, mischte sich Abbefaria ein. „Ich selbst würde nichts lieber tun, als sie den Zorn der Natur spüren zu lassen. Doch es sind viele. Zu viele, um sie mit einem Schlag zu besiegen. Und doch gebe ich auch dir Recht, denn tun müssen wir etwas. Wir können dieses Gesindel nicht unbehelligt davon kommen lassen.“ Easygoing wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als plötzlich ein Geräusch hinter ihnen erklang. Blitzschnell fuhren die Nachtelfen herum, doch das Einzige, das sich bewegte, war ein kleiner Stein, der ihnen vor die Füße kullerte. Misstrauisch musterte der große Druide den Kiesel. „Ich glaube, wir werden verfolgt.“, knurrte er leise. „Dieser Stein hat sich nicht von allein gelöst.“ „Mit Sicherheit nicht.“, stimmte Abbefaria ihm zu. Er hatte schon die ganze Zeit so ein merkwürdiges Gefühl gehabt, es aber auf die fremde Umgebung geschoben. Jetzt jedoch war er sich sicher, dass sie beobachtet wurden. Langsam begann er sich in die Richtung zu bewegen, aus der der Stein gekommen war. Easygoing war ihm dabei dicht auf den Fersen und gemeinsam suchten sie Zentimeter für Zentimeter den Weg ab, der sie hinauf auf die Klippe gebracht hatte. Ein paar Mal meinte Abbefaria schon, er hätte etwas gespürt, etwas gehört, ein Atmen vielleicht oder einen unvorsichtigen Schritt auf dem lockeren Boden, doch immer, wenn er wieder hinsah, blickte er nur in Leere. Auch als er schließlich auf die Idee kam, sich in eine Raubkatze zu verwandeln und mit seinen so verstärkten Sinnen nach ihrem Verfolger zu spähen, spürte er rein gar nichts. Es war, als wäre ihr Gegner unsichtbar. Als er diesen Verdacht äußerte, brummte Easygoing spöttisch: „Unsichtbar? Das glaube ich nicht. Ich glaube eher, dass ich schon eine ziemlich Ahnung habe, mit wem wir es hier zu tun haben.“ Der große Druide streckte die Arme weit aus und fing an, auf einen großen Felsbrocken zuzugehen, der vor ihm aufragte. Dabei wankte er absichtlich von rechts nach links und gerade als Abbefaria ihn fragen wollte, ob er etwas getrunken hatte, rief Easygoing triumphierend:„Hab ich dich, Bürschchen!“ Mit diesen Worten packte er geradewegs in die leere Luft und hielt daraufhin den keuchenden Deadlyone an der Kehle, der verzweifelt versuchte, dem stahlharten Griff zu entkommen. Knurrend holte Easygoing ihn ganz nah zu sich heran, ohne jedoch den Griff um seinen Hals zu lockern. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Du. Bleibst. Zu. Hause.“, grollte er wütend. Gestikulierend versuchte Deadlyone sich zu rechtfertigen, doch die Pranken des Druiden ließen keinen Weg für eine Antwort, geschweige denn für Atemluft. Immer hektische zappelte der kleinre Nachtelf im Griff seines Bruders. Er schlug um sich, trat und kratzte, doch Easygoing hielt ihn so lange fest, bis Ceredrian ihm schließlich zu Hilfe kam. „Du bringst ihn ja um!“, rief er und stützte den hustenden Schurken, der gekrümmt vor ihm stand und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft rang. „Genau das war meine Absicht.“, gab Easygoing böse zurück. „Etwas Besseres hat er auf jeden Fall nicht verdient.“ „Lass mich los!“, fauchte Deadlyone indes Ceredrian an, der versucht hatte, die dunkler werdenden Flecken an seinem Hals zu begutachten. „Mir fehlt nichts. Es braucht schon mehr als das um mich über die Klinge springen zu lassen.“ „Wie wäre es mit einer Klippe?“, giftete Easygoing. „Ich bin gespannt, wie du aussiehst, wenn du unten ankommst.“ „Imme noch besser als du jetzt.“, konterte Deadlyone. „Beruhigt euch!“, versuchte Abbefaria sich Gehör in dem Streit zu verschaffen. „Wir haben im Moment wichtigere Probleme. Da unten brandschatzt ein ganzes Heer von profitgierigen Goblins den Wald und ihr geht euch gegenseitig an die Kehle. Im wahrsten Sinne des Wortes.“ „Halt die Klappe!“, fuhren Easygoing und Deadlyone ihn gleichzeitig an. Abbefaria rang sich zu einem schiefen Lächeln durch, als er sah, dass sein Plan funktioniert hatte. Der Prellbock zwischen den beiden Brüdern zu sein war alles andere als eine dankbare Aufgabe. „Vielleicht sollten wir Deadly eine Gelegenheit geben, sich zu erklären.“, schlug Ceredrian vor. „Wenn dir die Antwort nicht gefällt, kannst du ihn danach ja immer noch strangulieren.“ „Was ich hier will?“, fragte Deadlyone und rollte mit den Augen. „Na euch helfen.“ „Uns helfen?“, lachte Easygoing auf. „Ich glaube nicht, dass du…“ „Und was ist hiermit?“, unterbrach der Schurke seinen Bruder und hielt ihm mit siegessicherem Lächeln ein Päckchen unter die Nase. „Das da hatte der tote Gnom bei sich. Ich bin mir sicher, es hilft uns diese Goblins zu verjagen.“ Völlig entgeistert sah Ceredrian seinen jüngeren Cousin an. „Du hast einen Toten beklaut?“ „Er wird es sicher nicht mehr brauchen.“, verteidigte sich Deadlyone. „Und außerdem beenden wir doch damit nur, was er angefangen hat, Seht ihr, es ist alles da.“ Er begann seine Taschen zu leeren und neben dem merkwürdigen Paket noch einige Schriftrollen, Briefe, zusammengefaltete Karten und einige Schnipsel eng beschriebenen Papiers auf dem Boden auszubreiten. Voller Erwartung strahlte er die anderen an. „Und, was sagt ihr?“ „Was sagen wir wozu?“, knurrte Easygoing unfreundlich. „Dass du uns nachschleichst? Dass du keinen Respekt vor den Toten zeigst? Oder dazu, dass du anscheinend durchgedreht bist und jetzt Goblins mit Papier bekämpfen möchtest?“ „Nun, etwas mehr als Papier wird das schon sein.“, meinte Ceredrian nachdenklich. Er hob einige der Dinge, die Deadlyone auf dem Boden ausgebreitet hatte, hoch, betrachtete sie eingehend und legte sie dann vorsichtig wieder zurück. „Leider verstehe ich von diesen Dingen überhaupt nichts. Ihr etwa?“ Die anderen Nachtelfen schüttelten stumm die Köpfe. Niemand von ihnen konnte sich aus dem Puzzle, das da vor ihnen lag, einen Reim machen. Zumal sich keiner von ihnen dem Gefühl erwähren konnte, dass wenn man dieses Puzzle verkehrt zusammensetzte, etwas Schreckliches geschehen konnte. Immerhin waren diese Dinge von einem Magier erschaffen worden und Magie war etwas, dem man am besten mit Misstrauen begegnete, wen man keine böse Überraschung erleben wollte. „Na…ich dachte...also.“, druckste Deadlyone herum. „Ich meine, irgendetwas wird er doch damit gewollt haben. Wir müssen nur herausfinden was und dann…“ er beendete den Satz nicht sondern schlug viel sagend mit der Faust in die flache Hand. „Und wie gedenkst du das herauszufinden, du Schwachkopf?“, bellte Easygoing wütend. „Der Gnom ist tot, schon vergessen. Und es wird ja wohl nicht gerade ein neuer vom Himmel fallen, nur weil wir ihn brauchen.“ „Da wäre ich mir jetzt allerdings nicht so sicher.“, antwortete Abbefaria und deutete nach oben. „Wir haben alles.“, stellte Risingsun fest. „Ich meine, wenn wir noch etwas in die Packtaschen der Pferde laden, werden sie entweder platzen oder die Tiere werden zusammenbrechen.“ „Dann wir sollten aufhören einzukaufen.“, stimmte Abumoaham ihr zu. „Magenta? Du kommen?“ „Ja sofort.“, antwortete die Hexenmeisterin abwesend. Seit Stunden durchsuchte sie nun schon die im Auktionshaus angebotenen Waren. Sie hatte nicht vergessen, dass sie eine Robe von Arcana brauchte und hier und jetzt war die beste Gelegenheit sie zu erstehen. Doch es schien niemand auch nur von so einem Kleidungsstück gehört zu haben. Nebenbei hatte sie eine ganze Menge anderer Dinge entdeckt, die ihr Herz ebenfalls höher schlagen ließen und ja, sie gab es zu, sie hatte sich ablenken lassen. Aber immerhin hatte sie so viel Selbstbeherrschung besessen, sich nicht zu einem überstürzten Kauf hinreißen lassen. Wobei ihr das aufgrund ihrer beschränkten Barschaft auch schwer gefallen wäre. Und das Gold auszugeben, dass Abumoaham ihr großzügig überlassen hatte, wäre ihr nicht richtig vorgekommen. Doch jetzt half alles Sträuben nichts mehr, sie musste diesen Ort der Kauffreude und des Konsums verlassen. Widerstrebend ging sie auf den Ausgang zu. „Ich weiß nicht.“, sagte eine dunkle Stimme. „Ich mein, ´s is ´n Strickmuster. Ich bin Jäger, ich kann damit nix anfangen.“ „Ich würde Euch raten, Euch erst einmal umzuhören.“, antwortete eine andere Stimme. „So was hab ich hier noch nie gesehen. Ich würde aber mal schätzen, mehr als ein Gold werdet Ihr dafür wohl nicht kriegen.“ Suchend sah sich Magenta um und entdeckte zwei Zwerge. Der mit dem schwarzen geflochtenen Bart, arbeitete, soweit Magenta wusste, hier im Auktionshaus. Der andere mit einer ungezähmten, roten Haarmähne stützte sich auf ein langes Gewehr und hielt ein reichlich zerknittertes Stück Pergament in der Hand. Neben ihm saß ein Schwarzbär auf seinen Hinterpfoten und schnüffelte neugierig an seiner Tasche. „Aus Berni!“, schalt der Zwerg und gab dem Bär einen Klaps mit der flachen Hand auf die Schnauze. „Ich hab gesagt, es gibt nachher was zu fressen. Also was bietet Ihr mir nun, Buckler? Ich meine ´Roben von Arcana` das klingt doch nach was.“ Der Auktionator wiegte den Kopf hin und her. „Ich könnt´s in Kommission nehmen. Aber wenn wir es nicht verkaufen können, werden Gebühren fällig.“ „Gebühren? Das wird ja immer besser.“, polterte der Jäger los und sein Bär brummte zustimmend. „Dann wird ich das Ganze eben mit auf´s Häuschen nehmen. Dann haben wir beide keinen Ärger mehr davon.“ Er nickte dem Auktionator noch einmal zu, schulterte seine Waffe und pfiff dem Bären zu, der ihm auf pelzigen Pfoten hinterher tapste. Schnell eilte Magenta ihm nach und gesellte sich wie zufällig zu ihm. Dabei rasten ihre Gedanken. Sie musste dieses Muster haben und wenn es sie alles kostete, was sie hatte. „Ein schönes Tier.“, bemerkte sie beiläufig und deutet auf den Bären, der, wie sie jetzt bemerkte, leicht schielte. „Ist bestimmt ein treuer Kampfgefährte.“ Ein wenig geschmeichelt blieb der Zwerg stehen und tätschelte dem Tier den Kopf. „Das auch. Waren grad in Duskwood unterwegs. Hat mir meinen Hals vor dem einen oder anderen Zombie gerettet, das sag ich Euch. Nur frisst er mir leider auch die Haare vom Kopf. Ich hab´s mit dem Fleisch von da probiert, aber das untote Zeug schmeckt ihm einfach nicht. Honigkuchen sind ihm lieber.“ „Ihr solltet nicht an der falschen Stelle sparen.“, sagte Magenta und versuchte dabei ein ehrliches Gesicht zu machen. „Ich meine, ich bin Schneiderin. Ich weiß, was es heißt, am Hungertuch zu nagen. Und manchmal hat man noch nicht einmal das.“ „Ihr seid Schneiderin?“, fragte der Zwerg interessiert nach und blickte auf das Pergament in seiner Hand. „Hättet ihr vielleicht Interesse an diesem Muster? Ich habe es gerade gefunden und kann damit nichts anfangen.“ Die Hexenmeisterin musste sich beherrschen, um nicht voller Freude zu jubeln. Alles hing davon ab, dass ihr Gegenüber nicht merkte, wie sehr sie das Rezept wollte. „Oh, lasst ich einmal sehen.“ Magentas Augen huschten über das komplizierte Muster. Wenn man davon absah, dass die Zutaten sie wahrscheinlich in den Ruin treiben würden, war es durchaus möglich, dass sie diese Robe tatsächlich selbst schneidern konnte. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie meinte, der Jäger müsse es hören und ihre Handflächen begannen zu schwitzen, als sie sich dazu durchrang, das Muster wieder zurückzugeben. „Ist ganz hübsch.“, sagte sie und versuchte uninteressiert zu wirken. „Vielleicht etwas für wochentags. Denn wie ihr seht, besitze ich bereits eine prächtige Robe.“ Der Zwerg musterte Magenta, die den Bauch einzog und die Schultern straffte. Inständig hoffte sie, dass ihre Robe prachtvoll wirkte und der Zwerg den Riss am Ärmel nicht bemerkte. Doch sie schien sich umsonst Sorgen zu machen. „Ist mir alles eins.“, brummte er. „Ich dachte nur, ich könnte vielleicht ein bisschen was damit verdienen.“ In diesem Moment wusste Magenta, dass sie gewonnen hatte. „Ich will mal nicht so sein.“, antwortete sie lächelnd und zückte ihren Geldbeutel. „Ich biete euch 50 Silber dafür. Weil Ihr so freundlich seid und ich einen armen Bären nicht hungern sehen mag.“ „Abgemacht.“, schlug der Zwerg in den Handel ein und Muster und Silberstücke wechselten ihren Besitzer. Eilig verabschiedete Magenta sich von dem Jäger, denn sie hatte Abumoaham nicht bescheid gesagt, wohin sie gegangen war. So schnell es eben ging, hetzte sie durch die Menge, als ihr eine breite Gestalt den Weg vertrat. „Nun sieh mal einer an, wer da unschuldige Zwerge ausnimmt.“, schnarrte sie und deutete mit ausgestrecktem Finger auf Magenta. „Hab ich dir denn gar nichts beigebracht.“ Magenta, die vor Schreck wie angewurzelt stehen geblieben war, brach in erleichtertes Lachen aus. „Schakal!“, rief sie freudig und hätte den Zwerg am liebsten umarmt. Als ihr jedoch einfiel, dass es schwierig werden könnte, jemandem um den Hals zu fallen, der einem nur bis knapp unter die Brust ging, ließ sie es lieber bleiben. Stattdessen beschränkte sie sich darauf, ihm zuzuwinken. „Ich dachte schon, du würdest uns diesmal nicht begleiten.“ „Also eigentlich bin nicht ich derjenige von uns, der sich nachts klammheimlich aus dem Staub macht.“, meinte der Zwerg augenzwinkernd. „Um was has du meinen Mitzwerg eigentlich betrogen?“ „Ich habe ihn überhaupt nicht betrogen.“, entrüstete sich Magenta. „Ich habe ihm lediglich abgekauft, was er nicht brauchen konnte.“ „Wie mir scheint, habe ich dir wohl doch mehr beigebrach, als ich dachte.“, schmunzelte Schakal und strich sich über den braunen Bart. „Aber wir sollten uns jetzt wirklich beeilen, sonst reiten die anderen noch ohne uns los.“ Sie fanden die drei übrigen Mitglieder abreisebereit in der Nähe der großen Tore. Nun, vielleicht nicht ganz abreisebereit, denn es hatte sich ein ganz entscheidendes Problem eingestellt: Sie mussten sich entscheiden, wohin es gehen sollte. „Also mir ist es egal, wohin die Reise geht.“, sagte Schakal und paffte an seiner Pfeife. „Ich müsste nur kurz etwas mit Ausgrabungsleiter Ironband besprechen.“ „Und ich sage, wir reisen ins Brachland ins Tal der Klingenhauer.“, warf Risingsun in die Runde. „Diese einst so friedlichen Stacheleber sind verderbt von der Macht eines bösartigen Lichs und müssen geläutert werden.“ „Kalimdor mir recht sein.“, brummte Abumoaham. „Aber ich müssen suchen große Magierin namens Tabetha in Marschen von Duskwallow. Sie mir zeigen gute neue Zauber. Emanuelle wollen auch dorthin.“ „Wo ist Emanuelle eigentlich?“, warf Magenta ein, wurde jedoch von Risingsun unterbrochen. „Na dann ist doch alles geregelt.“, sagte die Paladina zufrieden. „Wir reisen nach Kalimdor.“ Magenta, die sich über die Unterbrechung ärgerte, deutete auf Bladewarrior. „Hat ihn eigentlich mal jemand gefragt, was er will.“ Etwas verlegen ob der geballten Aufmerksamkeit trat der Krieger von einem Fuß auf den anderen. „Ich hab da dieses Buch gefunden.“, murmelte er. „Ich würde es gern nach Southshore zurückbringen. Das ist irgendwie in der Nähe der Ruinen von Alterac, hat man mir gesagt.“ „Da seht ihr.“, schnappte Magenta und dachte im Stillen, dass Bladewarriors Reiseziel gar nicht günstiger hätte liegen können. „Und Schakal hat doch diese Zwergensache zu klären. Auch im Alterac-Gebirge Wir sollten also dorthin reisen.“ „Ironbands Ausgrabungsstätte liegt in Loch Modan.“, klärte Schakal die Hexenmeisterin wahrheitsgemäß auf und fügte aufgrund ihres mörderischen Gesichtsausdrucks schnell hinzu: „Aber das liegt auf dem Weg ins Alterac-Gebirge. Ist nur ein kleiner Umweg.“ „Darf ich mal fragen, warum du eigentlich so unbedingt ins Alterac-Gebirge willst?“, fragte Risingsun lauernd. „Ich glaube nämlich nicht, dass du das aus reiner Nächstenliebe vorschlägst.“ Beinahe wäre Magenta rot geworden, doch sie riss sich zusammen und konterte frech: „Ich war gerade erst im Brachland und würde nur ungern gleich wieder dorthin reisen. Die ständige Luftveränderung ist nicht gut für mich.“ „Vielleicht sollten wir uns dann trennen.“, fauchte Risingsun wenig überzeugt. „Ich reise mit Abu nach Kalimdor und ihr macht hier in den Östlichen Königreichen, was immer euch auch beliebt.“ „Das nicht gehen.“, antwortete Abumoaham, bevor Magenta die Gelegenheit fand auf diesen ungeheuerlichen Vorschlag zu reagieren. „Magenta nicht haben eigenes Pferd. Außerdem ich nicht will reisen ohne sie.“ Die Hexenmeisterin strahlte den Magier an, der sie an seine liebevoll an seine Seite zog und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange hauchte. Als Magenta sah, dass Risingsun sie beide beobachtete, legte sie die Arme um Abumoahams Hals und zog ihn in einem leidenschaftlichen Kuss an sich. Für einen Moment schien es nur sie beide zu geben, dann jedoch räusperte sich Schakal vernehmlich. „Ich denke, wir sollten uns vielleicht trotzdem noch einmal trennen, bevor wir gemeinsam abreisen um zuerst ins Alterac-Gebirge und dann nach Kalimdor zu reisen.“, erklärte der Zwerg. „Denn es bleibt immer noch die Frage, wo Emanuelle abgeblieben ist. Hat jemand eine Idee?“ Abumoaham strich sich nachdenklich über den Bart. „Ich gesprochen mit ihr wegen Tabetha, als wir waren gemeinsam bei Jennea Cannon. Sie uns gesendet in die Marschen. Emanuelle gesagt, sie Idee wie wir können reisen sehr schnell und ich sie soll besuchen in Tüftlerstadt hier in Ironforge. Aber als ich da gewesen, sie niemand hatte gesehen seit zwei Tage. Ich mir nicht kann erklären das.“ „Vielleicht hat sie jemand entführt.“, mutmaßte Risingsun. „Dann ist es natürlich unsere Pflicht sie zuallererst zu retten.“ „Sehe ich auch so.“, fiel Bladewarrior ein und sah Beifall heischend in Risingsuns Richtung, doch die Paladina ignorierte ihn gekonnt. Magenta hingegen hielt das immer noch für unwahrscheinlich und auch Schakal schien so seine Zweifel an dieser Theorie zu haben. Er wiegte nachdenklich den Kopf hin und her und sagte dann: „Also für mich hört sich das nach irgendeinem schief gegangenen Experiment an. Ich meine, Gnome neigen normalerweise dazu, ihre Erfindungen sorgfältig zu planen, aber ihr wisst ja, wie Emanuelle ist.“ Die Anwesenden nickten und jeder dachte, was Schakal nicht ausgesprochen hatte. Wenn die kleine Magierin bei einer ihrer Erfindungen einen Fehler gemacht hatte konnte es durchaus sein, dass sie sie niemals wieder sahen. Trotzdem machten sie sich alle noch einmal auf, um nach der Gnomin zu suchen. Als ihre Suche nicht von Erfolg gekrönt war, beschlossen sie, noch eine Nacht zu warten und ansonsten zu fünft aufzubrechen. In der Nacht lag Magenta wach und starrte an die Decke. Neben sich hörte sie Abumoahams gleichmäßige Atemzüge und ab und zu ein Knacken von den Resten des heruntergebrannten Feuers, das ihr Zimmer im Gasthaus erwärmte. Ansonsten hatten es die Zwerge irgendwie geschafft, die Geräusche der riesigen Stadt durch massive Türen und noch massivere Fensterläden aus dem Raum zu verbannen, so dass die Hexenmeisterin allein mit sich und ihren Gedanken war. Ich frage mich wirklich, wo Emanuelle hin ist, dachte sie. Ob sie sich tatsächlich… In die Luft gesprengt hat? , fragte Pizkol und lacht meckernd. Schon möglich. Oder sie hat versehentlich ein Tor in den wirbelnden Nether geöffnet und wurde von einem marodierenden Teufelsjäger verspeist. PIZKOL! , fluchte Magenta. Hör auf so etwas Schreckliches zu sagen. Außerdem können Magier gar keine Dämonen beschwören. Ach nein? , fragte der Wichtel in ketzerischem Tonfall zurück. Was meinst du denn, wie die Hexenmeister einmal angefangen haben. Meinst du vielleicht, irgendein Bauer hat sich eines Morgens gedacht: Heute bau ich mal keine Kartoffeln an, heute beschwör ich mal Dämonen.“ Nein, antwortete Magenta ärgerlich. So einfach war das sicher nicht. Der Wichtel kicherte.Hexenmeister waren einst so etwas wie Magier, doch sie suchten und fanden neue Wege, um ihren Hunger nach Macht zu befriedigen. So kamen sie schließlich zu uns. Im Grunde genommen sind also wir, die Dämonen diejenigen, die die… Pizkol verstummte plötzlich und ein Gefühl, als würde ihr Honig aus den Ohren fließen wurde bei Magenta übermächtig, als sich Fierneth in den Vordergrund schob. Ich glaube, es wird Zeit zu schlafen, gurrte die Sukkubus. Obwohl es eine Schande ist, mit so einem Mann an Eurer Seite die Nacht mit Schlafen zu verbringen. Wütend scheuchte Magenta Wichtel und Sukkubus aus ihren Gedanken und kniff die Augen fest zu. Schlafen konnte sie jedoch nicht, und so stand sie leise auf, zündete sich eine Kerze an und machte es ich in der Nähe des Feuers bequem. Wenn sie schon nicht schlafen konnte, konnte sie die Zeit genauso gut nutzen um an ihrer neuen Robe von Arcana zu arbeiten. Immerhin würde es länger als nur ein paar Minuten dauern, bis sie die Robe fertig gestellt hatte. Seufzend nahm Magenta eine Nadel zur Hand und wünschte sich, es gäbe für so etwas auch einen passenden Dämon. Wie versteinert blickten Abbefaria, Ceredrian und Easygoing in den rostroten Himmel über dem verwüsteten Tal. Von dort näherte sich ihnen etwas, das aussah, als hätte man einen Gnom mit ein paar Schnüren an ein großes, weißes Tuch gebunden. Einen Gnom, der winkte. „Huhu! Vorsicht da unten! Ich weiß nicht, wie lange der Fallschirm noch hält. Achtung, ich komme!“, rief er oder besser gesagt sie von oben und versuchte verzweifelt, nicht ausgerechnet auf den Nachtelfen zu landen. Mit einem Plumps setzt die Gnomin schließlich auf der Erde auf und wurde sogleich unter den Massen an Stoff begraben, die sich wie ein Wasserfall über das kleine Wesen ergossen. Undeutlich murrend und dumpfe Laute von sich gebend, zuckte die Stofflandschaft ein paar Mal und gab schließlich einen ziemlich verstrubbelte, kleine Frau mit zwei schwarzen Zöpfen frei, die sich die klobige Fliegerbrille von den Augen nahm und die Nachtelfen mit freudig funkelnden, blauen Augen anstrahlte. „Hallo! Hallo!“, rief sie. „Was für eine Landung. Ich hatte schon befürchtet, ich würde ganz bis nach Ashenvale schweben.“ „Was?“, begann Abbefaria eine Frage und schüttelte immer noch fassungslos den Kopf. „Aber wie? Und woher?“ „Also das war so.“, erklärte die Gnomin und begann mit routinierten Bewegungen die Stoffbahnen zusammenzustecken. „Ich wollte eigentlich in die Marschen von Duskwallow, daher habe ich einen supersicheren Transporter gebaut, aber ich habe ihn wohl falsch programmiert, was dann zur Folge hatte, dass ich am falschen Ort gelandet bin und das nicht nur horizontal sondern auch vertikal gesehen, so dass ich dann auf einmal über dem westlichen Brachland schwebte, was aber nicht so schlimm war, weil ich nämlich auch noch meinen Fallschirm-Umhang dabei hatte, der mich sicher über die Köpfe der ganzen Hordenwachen getragen hat, die mich dann allerdings verfolgten, weswegen ich einen Aufwind nutzte, um noch weiter in diese Richtung zu fliegen und dann schließlich hier zu landen.“ „Holt Ihr eigentlich zwischen durch auch einmal Luft?“, knurrte Easygoing. „Da wird einem vom zuhören ja schon ganz schwindelig.“ „Oh, das sagt man mir öfter.“, zwitscherte die Gnomin mit glockenhellem Lachen. „Aber sagt mal, kennen wir uns nicht? Wart ihr nicht mal in Stormwind?“ „Jetzt wo ihr es sagt, kommt Ihr mir tatsächlich bekannt vor.“, sagt Ceredrian nachdenklich. „Ihr gehört zu dem Magier, der uns nach Darnassus zurück brachte.“ „Oh ja, oh ja!“, rief die Gnomin und klatschte freudig in die Hände. „Und ihr seid diejenigen, die meine gute Freundin Magenta so schrecklich zugerichtet habt. Die Arme war an dem Abend noch ganz verstört.“ Abbefaria spürte, wie sein Gesicht anfing zu brennen. Er wurde nur recht ungern daran erinnert, wie er sich in Panik an dem erstbesten festgeklammert hatte, das ihm bei seinem Sturz vom Baum unter die Krallen gekommen war. Etwas, auf das er nicht unbedingt stolz war. Die Gnomin hingegen schien nicht nachtragend zu sein. „Ich freue mich, Euch wieder zu sehen. Wer hätte gedacht, dass ich bei dieser Bruchlandung gleich auf alte Bekannte treffe. Wobei ihr mir Euren Freund dort hinten noch nicht vorgestellt habt.“ Wieselflink wuselte sie auf Deadlyone zu und streckte dem verdutzten Schurken ihre Hand entgegen. „Guten Tag, mein Name ist Emanuelle Fizzlebigg-Shakletrunks. Und Ihr seid?“ „D-Deadlyone.“, stotterte der Schurke aus einem Reflex heraus und sah sich anklagend nach den andere Nachtelfen um. „Was wird hier eigentlich gespielt?“ Noch bevor einer seiner Freunde jedoch antworten konnte, hatte Emanuelle bereits das am Boden ausgebreitete Sammelsurium ihres getöteten Artgenossen entdeckt. Mit einem Laut des Entzückens stürzte sich die Gnomin auf die vielen Teile, wühlte darin herum und bestaunte ihren Fund. „Nitromirglyceronium! Wer hätte gedacht, dass ich einmal so etwas in Händen halten würde.“, jubelte sie. „Da muss jemand eine ganze Menge Gold dafür hingeblättert haben. Und eine magische Nachrichtenrolle. Oh, dieser Zauber ist kompliziert. Ich frage mich, woher die Kristalle in der Tinte sind. Normaler Quarz ist das nicht. Auch kein Citrin oder Bergkristall. Prasiloith vielleicht…aber nein. Die Enantiomorphie ist ganz untypisch. Aber eine einfache Oszillation einer primären Schwingung könnte einen recht interessanten Effekt erbringen. Man müsste das Ganze nur mit etwas Sprengstoff koppeln und: BUMM!“ Erschrocken fuhren die Nachtelfen bei diesem Ausruf zusammen und sahen einander an. „Versteht ihr auch nur ein Wort, von dem was sie da sagt?“, wisperte Ceredrian Die Antwort war ein einhelliges Kopfschütteln und ratloses Gesichter. „Gut, ich dachte schon, ich hätte etwas Wichtiges verpasst.“, murmelte der Priester beruhigt. Dann trat er zu Emanuelle und tippte ihr sacht auf die Schulter. „Entschuldigt, wenn ich Euch unterbreche. Aber sagt, versteht Ihr etwas von diesen Dingen?“ Die Gnomin sah mit leuchtenden Augen und geröteten Wangen auf. „Verstehen? Ich lebe davon. Oh das ist so genial. Sagt mir, woher habt ihr das alles? Ich dachte immer, Nachtelfen wäre gänzlich hinterwäldlerisch.“ Ein Knurren erklang, dann schob Easygoings seinen Cousin höchst unsanft zur Seite und funkelte die Gnomin wütend an. „Wir Nachtelfen haben bereits einen Kultur gehabt, als die Gnome noch damit beschäftigt waren, mit Fell und Nagezähnen unter der Erde herumzukriechen. Also seid vorsichtig, wen Ihr hier beleidigt.“ Emanuelle sah ihn freundlich an. „Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu beleidigen. Ich habe nur festgestellt, dass die meisten Nachtelfen von moderner Technik nicht die geringste Ahnung haben. Es liegt einfach nicht in ihrer Natur.“ „Und in der Natur der Gnome scheint es nicht zu liegen, besonders lange zu überleben.“, gab hasserfüllt Easygoing zurück und spuckte verächtlich auf den Boden. Diesen Hinweis hatte Emanuelle verstanden. Ganz langsam legte sie die Pläne aus der Hand, die sie gerade noch studiert hatte, stand auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern und baute sich vor dem großen Nachtelfen auf. „Ihr wollt es also auf ein Duell ankommen lassen.“, piepste sie und ihre blauen Augen schienen Funken zu sprühen. „Naja fein. Also los, Nachtelf, zeig mal was du kannst.“ „Ich duelliere mich doch nicht mit einem tollwütigen Eichhörnchen.“, lachte Easygoing spöttisch. „Angst zu verlieren?“, fauchte Emanuelle. „Dann macht Bekanntschaft mit Wolly.“ Mit diesen Worten kramte sie etwas Kleines, Rundes aus ihrer Tasche. Man hörte ein Knirschen, ein Rattern und schließlich wackelte ein Schaf an Emanuelle Seite. Zumindest sah es auf den ersten Blick aus wie ein Schaf. Wenn man ein Auge zudrückte und sich etwa eine halbe Meile davon entfernt befand. So jedoch wirkte es wie ein Alptraum aus Zahnrädern, Federn und jeder Menge Wollstoff. „Jetzt werdet ihr sehen, warum Technik besser ist als Natur.“, grinste die Magierin. „Los, Wolly, Attacke!“ Blechern blökend setzte sich das Schaf in Bewegung. Seine Gelenke knarrten verdächtig und man erwartete jeden Moment, dass es auseinanderbrach. Doch es setzte seinen Weg unbeirrt fort und blieb dann ruckelnd und zuckend vor Easygoing stehen. Es hob den Kopf, blökte noch einmal misstönend…und explodierte. Steine flogen durch die Luft und der Druck der Explosion fegte die Nachtelfen von den Füßen. Feiner Sandtaub legte sich wie ein Schleier über alles und nahm ihnen die Sicht und den Atem. Hustend und keuchend rappelten sie sich wieder auf um Zeuge eines höchst ungewöhnlichen Anblicks zu werden. Easygoing lag flach auf dem Rücken und auf seiner Brust stand die kleine Gnomin. Über ihrer rechten Hand schwebte ein Feuerball so groß wie Easygoings Kopf und in der linken hielt sie einen Dolch, der geradewegs auf seine Kehle deutete. „Ich könnte Euch jetzt einfach ins Reich Eurer Vorfahren befördern, Nachtelf.“, lächelte Emanuelle. Die Luft um sie herum schien vor Energie zu vibrieren und an den Spitzen ihrer Zöpfe tanzten funkensprühende Entladungen. „Ganz zu schweigen davon, dass ich Euer Gesicht hätte wegschmelzen könnte oder Euch in ein kleines Schweinchen verwandeln. Merkt Euch das besser für das nächste Mal, wenn Ihr erwägt, mir auf die Nerven zu fallen. Und wie war doch gleich noch mal Euer Name.“ „Easygoing.“, antwortete der große Druide gequält. „Gefällt mir.“, zwitscherte Emanuelle und hüpfte von Easygoings Brust. „Dann wäre das also geklärt. Und jetzt könnte mir vielleicht mal jemand erklären, was Ihr mit dem ganzen Sprengstoff eigentlich vorhabt, wenn ihr offensichtlich keine Ahnung habt, wie man damit umgeht.“ Die Gnomin bückte sich, um eines der Teile, die vor ihr verstreut langen, aufzuheben, als Bewegung in den am Boden liegenden Druiden kam. Blitzschnell katapultierte er sich hinter die Magierin, packte sie am Nacken und hielt sie wenige Zentimeter vor sein Gesicht. „So etwas hat noch nie jemand ungestraft mit mir gemacht.“, grollte er und entblößte seine spitzen Eckzähne so weit, als wolle er der Gnomin den Kopf abbeißen. Emanuelle lächelte freundlich. „Nun, vielleicht hat es nur noch nie jemand versucht.“ Verblüfft klappte Easygoing den Mund wieder zu und musterte die unbeeindruckte Gnomin. Ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel war die einzige Regung, die auf seinem ansonsten bewegungslosen Gesicht zu sehen war. „Also schön, kleine Frau.“, sagte er schließlich nach einer halben Ewigkeit und setzte Emanuelle vorsichtig auf den Boden zurück. „Einigen wir uns auf ein ´Unentschieden`.“ „Aber wir haben doch gar nicht gekämpft.“, wunderte sich Emanuelle. „Und das werden wir auch nicht.“, nickt Easygoing. „Wir haben Wichtigeres zu tun, als unsere Kampfkraft dadurch zu schmälern, dass ich euch in der Luft zerfetzte.“ „Oder ich euch zu einem Häuflein Asche verbrenne.“, ergänzte Emanuelle heiter und streckte dem Druiden die Hand hin. „Freunde?“ Der große Nachtelf überlegte einen Augenblick und die anderen hielten unbewusst den Atem an. Jeder von ihnen war froh, dass er nicht in den Kampf hatte eingreifen müssen. Womöglich hätten sie dadurch die Goblins auf sich aufmerksam gemacht. Doch was, wenn Easygoing jetzt die Freundschaft der Gnomin ausschlug? Würde sie ihnen dann trotzdem helfen? Da endlich bewegte sich der große Druide wieder. Er beugte sich herab und die zierliche Hand der Gnomin verschwand in seiner Pranke. „Freunde.“, bestätigte er. „Und nun sagt uns endlich, was wir tun müssen, damit dieser grüne Abschaum von hier verschwindet.“ Der Plan, den Emanuelle ihnen unterbreitete, war kompliziert und gewagt. Er erforderte Mut und Wortgewandtheit, daneben noch eine große Portion Unverfrorenheit und Geschicklichkeit und dummerweise mehr Wollstoff, als sie bei sich trugen. Somit strichen sie die Idee zusammen, bis schließlich etwas dabei herauskam, dass keinem besonders behagt, jedoch die einzige Möglichkeit darstellte, die sie hatten: Einer von ihnen würde den Sprengstoff bis in das Herz des Holzfällerlagers bringen müssen. „Stellt sich nur die Frage, wer diese Aufgabe übernehmen wird.“, sagte Ceredrian und blickte ernst in die Runde. „Denn ohne feige wirken zu wollen, glaube ich nicht, dass ich dafür sehr geeignet wäre.“ „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.“, brummte Easygoing. „Am besten wäre es wohl, wenn ich gehen würde, aber da sich jemand um die Ablenkung kümmern und den Rückzug sichern muss, entfällt diese Lösung. Bleiben eigentlich nur noch zwei Kandidaten übrig.“ Abbefaria gab sich einen Ruck und stand auf. „Also schön, ich gehe.“ „Was für ein ausgemachter Blödsinn.“, warf Deadlyone abfällig ein. „Wenn sich jemand in das Lager einschleichen sollte, dann bin ich das.“ „Warum ausgerechnet du.“, erwiderte Abbefaria ein wenig gekränkt. „Das ist doch ziemlich offensichtlich.“, gab der Schurke zurück. Er streckte sich ausgiebig, um den Moment der Aufmerksamkeit noch ein wenig auszukosten, und zählte dann an seinen langen Fingern auf. „Erstens entdeckt man mich nicht so leicht. Es mag ja sein, dass ihr Druiden versucht, mir in Sachen Anschleichen Konkurrenz zu machen, aber ihr werdet niemals so gut werden wie ich. Zweitens kann ich mich mit meinen Tricks und Kniffen viel besser aus der Affäre ziehen, wenn man mich doch entdecken sollte. Und zu guter Letzt…“ Deadlyone hielt beide Hände hoch und wackelte viel sagend mit allen Fingern. „…bin ich der Einzige, der beim Schleichen auch noch seine Hände benutzen kann.“ Dieser Logik mussten sich die anderen wohl oder übel beugen und so überreichte Emanuelle dem Schurken wenig später zwei heikle Pakete. „Wenn ich den Zauber aktiviere, habt ihr eine stunde Zeit, um die Sprengladungen an Ort und Stelle zu bringen und euch weit genug in Sicherheit zu bringen, damit Ihr Euch nicht gleich mit in die Luft jagt.“ „Kein Problem.“, winkte der Schurke ab und rieb sich Sekunden später den Hinterkopf, an der Stelle, wo Easygoing ihn mit der flachen Hand getroffen hatte. „Hör gefälligst zu, was die Gnomin sagt.“, herrschte der Druide seinen Bruder an. „In Einzelteilen bist du nämlich noch weniger nütze als sonst.“ „Die Bomben müssen hier und hier platziert werden.“, erklärte Emanuelle weiter und wies auf die entsprechenden Stellen auf einem flink in den Sand gezeichneten Lageplans des Goblinlagers. „Laut den Plänen befinden sich dort die Schwachstellen, die das gesamte Sägewerk lahm legen können. Es ist ungemein wichtig, dass ihr die Sprengsätze gut versteckt. Sollten sie vorher entdeckt werden, kann jeder, der nur ein wenig von Ingenieurskunst versteht, sie wieder demontieren. Also seid vorsichtig damit.“ „Werde ich sein.“, antwortete Deadlyone ernst und nahm die beiden in aller Eile zusammengebastelten Bomben an sich. „Wann geht es los?“ „Wann immer Ihr wünscht.“, antwortete die Gnomin. „Ich brauche nur die Worte Azregorn, Haldir, Nockhavis auszusprechen und so zu machen und dann…oh weh.“ Alarmiert sahen die Nachtelfen auf die Papierrollen, die die Außenhülle der Bomben bildeten. Die kleinen, akribisch gezeichneten Runen auf ihrer Oberfläche hatten begonnen wie Würmer über das Papier zu kriechen. Es war unverkennbar, dass ihr Zauber aktiviert worden war. Das Rennen gegen die Zeit hatte begonnen. „Was stehst du hier noch so rum.“, blaffte Easygoing Deadlyone an. „Mach dass du weg kommst, bevor du uns noch alle ins Unglück stürzt.“ Das ließ sich der Schurke nicht zweimal sagen. Er grüßte noch ein letztes Mal mit zwei Fingern an seiner Stirn, nahm Anlauf und sprang über den Rand der Klippe. Als die restlichen Nachtelfen und Emanuelle zum Rand stürzten und schon fast erwarteten, einen zerschmetterten Körper am Boden zu finden, sahen sie jedoch nur das braune Sandgestein, auf dem sich nicht einmal mehr Fußsuren abzeichneten. Deadlyone war verschwunden. „Mistkerl.“, brummte Easygoing. „Völlig unnötig, hier so eine Vorstellung zu geben.“ Ich weiß auch gar nicht, von wem er das hat.“, grinste Ceredrian und fügte dann ernster hinzu. „Aber wir sollten uns beeilen, damit wir bereitstehen für den Fall, dass etwas schief geht.“ „Warum so pessimistisch?“, fragte Abbefaria und wie gut gelaunt in das Tal hinunter. „Deadly wird die Sprengsätze platzieren, wieder hierher zurück schleichen und die Goblins werden ihr blaues Wunder erleben. Was sollte also schief gehen?“ Er hatte nicht bemerkt, dass die Gesichter der anderen drei seiner Geste nicht gefolgt waren sondern vielmehr auf einen Punkt hinter seinem Rücken fixiert waren. Als der Druide sich umdrehte, blickte er geradewegs auf einen Haufen grüner Gestalten, die weitaus größer waren als die Goblins, von denen er gerade noch gesprochen hatte, und auch wesentlich besser bewaffnet. „Ich glaube, ich habe gerade etwas gefunden, das schief gehen kann.“, knurrte Easygoing und machte sich bereit zum Kampf gegen die Orks. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)