Magenta II von Maginisha (Zwischen Azeroth und Kalimdor) ================================================================================ Kapitel 5: Auf den Hund gekommen -------------------------------- Stürmische Winde trieben Wolkenfetzen über den blassblauen Himmel des Arathihochlandes. Sie pfiffen zwischen den moosbesetzten Monolithen des Steinkreises hindurch und ließen Abumoahams grellbunte Kleider wie knatternde Fahnen hinter ihm her wehen, während er unruhig zwischen den Steinen auf und ab lief. Mit eng zusammengezogenen Augenbrauen blickte der Magier immer wieder zu der Stelle, an der Risingsun über Magenta gebeugt saß und den Körper der Hexenmeisterin unablässig in sanftes, goldenes Licht tauchte. Magenta zeigte keinerlei Reaktion auf diese Behandlung und lag lediglich ruhig mit geschlossenen Augen da. Abumoaham nahm an, dass das ein gutes Zeichen war, auch wenn Risingsun behauptet hatte, dass ihre Heilung noch längst nicht abgeschlossen war. Er verstand nicht allzu viel von der Heilkunst und so musste er dem, was die Paladina gesagt hatte, wohl oder übel Glauben schenken, auch wenn es ihn brennend interessiert hätte, was die junge Frau dort eigentlich trieb. „Verdammt, wieso funktioniert das nicht.“, murmelte Risingsun und sprach erneut den Zauber, den sie schon seit geraumer Zeit gegen die Hexemeisterin schickte. Normalerweise hätte sie erwartet, dass sich ihr Gegenüber vor Schmerzen wand und Gift und Galle spuckte. Dass so überhaupt nichts passierte, war höchst enttäuschend. Die Heilung des verletzten Handgelenks und das Entfernen des Wundgiftes waren hier gegen ein Kinderspiel gewesen. Wenn sie doch nur gewusste hätte, warum diese Zauber nicht funktionierte und ihre Kräfte im Nichts verpufften. Fast hätte man annehmen können, dass die Hexenmeisterin kein geeignetes Ziel für diese Art Magie war. Doch da das nicht sein konnte, beschloss Risingsun, es noch einmal zu versuchen und begann erneut einen Exorzismus der vierten Stufe zu wirken. Ich bin ja gespannt, wann sie endlich aufgibt , murmelte Pizkol und blickte halb belustigt, halb desinteressiert nach ´draußen`, wo die Paladina sich redlich bemühte, ihn und seine Kollegen zu vertreiben. Nicht, dass der Wichtel etwas zu befürchten hatte. Immerhin befand er sich zurzeit nicht in der stofflichen Welt und die Versuche der Paladina glichen einem offen gelassenen Fenster in einer kühlen Nacht: Es war nicht gefährlich, aber es zog und war auf die Dauer doch ein wenig lästig. Außerdem begann der Wichtel sich zu langweilen. Irgendwelche konkreten Vorschläge? , richtete er daher eine Frage an seine Mitdämonen. Wie er erwartet hatte, erhielt er nur stumpf brütendes, dunkelblaues Schweigen und eine spöttisch nach oben gezogene Augenbraue zur Antwort. Jhazdok und Fierneth sahen sich offensichtlich nicht genötigt, ihm zu helfen. Oh, na also schön, murrte der Wichtel. Wenn man nicht alles selber macht. Er stellte sich breitbeinig hin, legte die Hände an den Mund und holte tief Luft. Bladewarrior saß etwas abseits auf einem Stein und malte Kreise und Figuren mit einem Stock in den Sand. Vor seinen Füßen brannte ein großes Feuer und daneben lag ein Holzstapel aufgetürmt, der wahrscheinlich für noch ungefähr zehn weitere Lagerfeuer oder eine kleinen Scheiterhaufen gereicht hätte. Wann immer das Feuer auch nur ein wenig zusammensank, langte der Krieger automatisch nach einem neuen Holzscheit und übergab es den Flammen. Inzwischen hätte man Stahl in der Glut schmieden können. Der Krieger starrte auf das, was er gemalt hatte. Der Drache, an dem er sich versucht hatte, war viel zu klein, das Schwert des Helden hatte die Länge einer Lanze und die wunderschöne Prinzessin wirkte wie ein fetter Zwerg mit sechs Fingern. Trotzdem gefiel ihm sein Werk außerordentlich. Oder besser gesagt, ihm gefiel, was es darstellte. „Wenn es doch nur endlich so weit wäre.“, murmelte er und warf den Stock in Feuer. Mit dem Fuß verwischte er die Zeichnungen und sah zu der leuchtenden Kristallsäule in der Mitte des Steinkreises hinüber. Die Prinzessin musste nun wirklich schon eine ganze Weile auf ihre Rettung warten. Vielleicht war es eine gute Idee, sie ein wenig aufzuheitern. Langsam ging er auf den Kristall zu und rang mit den Worten, die in seinem Mund zu einem garstigen, mit Widerhaken versehenen Knäuel zu werden schienen. Jeder Satz, den er halblaut anfing, erschien ihm töricht und unpassend, um die Prinzessin anzusprechen. Als er schließlich an dem Kristall anlangte, hatte er einen trockenen Mund, ein Kratzen im Hals und der Schweiß rann ihm den Rücken herab. Er schien auf einmal auch viel zu viele Hände zu besitzen und seine Zunge klebte an seinem Gaumen. Tapfer räusperte er sich und sagte dann: „Auch hier?“ Bladewarrior verzog das Gesicht. Selbst ihm ging auf, dass das diese Aussage einem Stein gegenüber nicht besonders einfallsreich war. Er versuchte es noch einmal. „Sch-schönes Wetter heute. Es regnet gar nicht mehr.“ Das violette Leuchten um die Säule glühte auf. „Regen oder Sonnenschein. Windstille oder Sturm. Tag oder Nacht. All das berührt mich nicht in meinem irdenen Gefängnis und ist mir daher einerlei. Hier unten ist alles dunkel, kalt und trostlos zu jeder Stunde, die die Zeit mir bringt.“ „Oh, das tut mir leid.“, antwortete Bladewarrior. Er zog die Rute der Ordnung aus seinem Gürtel und drehte den Stab mit dem leuchtenden Kristall in seinen Händen. „Ich würde Euch ja gerne helfen, aber ich muss auf die anderen warten. Wenn es Magenta wieder besser geht, werden wir Euch befreien.“ „Warum warten?“, fragte der Stein. „Immerhin wart Ihr es, der die Elementare ganz allein bezwang. Ihr wart es auch, der meine Ketten als Erster löste. Und Ihr wart es, der die Rute der Ordnung fand und den grimmigen Bergriesen besiegte. Ich denke, es gebührt allein Euch, mich zu befreien. Zögert daher nicht, mein großer und starker Krieger, und errettet mich endlich aus diesem Gefängnis!“ „Aber ich kann doch nicht...“, erwiderte Bladewarrior und sah zu den anderen hinüber. Risingsun war immer noch vertieft in ihre Heilzauber, Magenta weiterhin bewusstlos und Abumoaham wachte über sie beide. Ein mächtiger Magier, zu dessen Füßen zwei arme, beschützenswerte Jungfrauen kauerten. Er wirkte so selbstsicher. So mutig. So heldenhaft. Bladewarrior hingegen hatte eine schartige - wenngleich auch gut ausbalancierte, durchschlagskräftige und handwerklich einwandfrei verarbeitete - Axt, eine rostige Rüstung und den Schlüssel zum Gefängnis einer Prinzessin, den er nicht zu nutzen wagte. Die Stirn des Kriegers legte sich in mehrere Falten, während sich da hinter Ein Gedanke formte. Eigentlich war es weniger ein wirklicher Gedanke, als vielmehr ein Bild. Das Bild eines strahlenden Helden, dem die Frauen Kusshänden und Blumen zuwarfen, um danach ohnmächtig in seine Arme zu sinken. Ein Held, der mit Reichtum und Ehre überhäuft wurde. Ein Held, der einer Prinzessin würdig war. Ein Held, wie er sein sollte. Ein Held, der Bladewarrior in diesem Moment beschloss zu sein. Mit leuchtenden Augen sah er zu dem Stein empor. „Ihr habt recht, meine Prinzessin, ich werde Euch befreien.“, versprach er und hob entschlossen die Rute der Ordnung. „Haltet nur noch ein wenig länger aus, dann werden wir endlich vereint sein.“ Magenta erwachte mit einem entsetzten Keuchen, das ansatzlos in einen wütenden Aufschrei überging. „PIZKOL, du verdammter…ICH BRINGE DICH UM!“ Mit dem kleinen Finger bohrte sich die Hexenmeisterin in ihrem Ohr herum, das immer noch vom Gekreisch des Wichtels fiepte und klingelte. Erst dann bemerkte sie, dass sie erstens nicht schicklich gekleidet war, zweitens keine Kopfschmerzen mehr hatte und drittens einer ziemlich verdutzten Risingsun gegenüber saß. Sie beschloss, Punkt eins und zwei möglichst unbeachtet zu lassen, da sie den Verdacht hatte, zumindest für eines davon Risingsun einen Dank zu schulden. Und dankbar fühlte sich Magenta gerade nicht im Geringsten. „Was gibt´s denn da zu gucken.“, fauchte sie die Paladina an und zog möglichst beiläufig ihre Robe zusammen. „Du bist wach.“, stellte die Paladina fest. „Unbezweifelbar.“, gab die Hexenmeisterin zurück. „Stört dich daran etwas?“ „Nicht im Geringsten.“, antwortete Risingsun, warf die blonde Mähne in den Nacken und sah an Magenta vorbei, als gäbe es nichts Interessanteres als die Steine, die hinter der Hexenmeisterin im Gras lagen. Sie hat versucht, einen Exorzismus an dir durchzuführen, gab eine schadenfrohe Stimme in Magentas Kopf bekannt. Hätte das so geklappt, wie sie gehofft hatte, wärst du die längste Zeit eine Hexenmeisterin gewesen. Hat es aber nicht. Magenta musterte die blonde Paladina, die sich inzwischen aufgerappelt hatte und die Hexenmeisterin ebenso unverhohlen anstarrte. Der Blick zwischen den beiden Frauen sprach Bände. Für einen Moment lang konnte man glauben, dass der Wind über dem Hochland abflachte, als würde die Welt den Atem anhalten um mitzuerleben, was als Nächstes geschah. (In Wirklichkeit hatten sich nur einige der höheren Luftschichten verschoben und das Phänomen kündigte lediglich den nächsten Wetterumschwung an, aber das soll jetzt hier keine Rolle spielen.) Dann endlich kam Bewegung in Magentas Gesicht und ihr Mund verzog sich zu einem leicht schadenfrohen Grinsen. In einer unmissverständlichen Geste hielt sie Risingsun die Hand hin. Die Paladina betrachtete ihre ausgestreckte Gliedmaße argwöhnisch, dann gab sie sich einen Ruck, streckte ebenfalls ihren Arm aus und half der Hexenmeisterin hoch. Mit Schwung zog sie sie auf die Füße und nahe an sich heran. „Wenn du das jemandem verrätst…“, zischte sie fast unhörbar. „Fällt mir gar nicht ein.“, antwortete Magenta in derselben Lautstärke. Bevor jedoch eine der Frauen noch etwas sagen konnte, brach ein Sturm in einer bunten Robe über die beiden hinein. „Du leben!“, jauchzte Abumoaham und drückte der überrumpelten Hexenmeisterin einen Kuss auf den Mund. „Ich schon befürchtet das Schlimmste, aber Risingsun dich gerettet. Ich so froh, du wieder zurück. Ich mir solche Sorgen gemacht. Du nie wieder dürfen machen solche Dummheit.“ Mit einem Schluchzen drückte der Magier seine Liebste an sich, die immer noch nicht so recht wusste, wie ihr geschah. Sie spürte, dass Tränen über Abumoahams Wangen liefen und sie erwiderte seine Umarmung. Einige kostbare Augenblicke standen die beiden eng umschlungen da, bis plötzlich ein urtümliches Gebrüll die trügerische Stille durchbrach. Alarmiert riss Magenta die Augen wieder auf und sah gerade noch, wie Bladewarrior auf die leuchtende Kristallsäule zustürmte. In seiner Hand hielt er die Rute der Ordnung so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Er erreichte den Stein, schwang die Rute wie man ein Breitschwert schwingen würde, und hieb mit dem regenbogenfarbenden Diamanten auf die Säule ein. Leider verhielt sich die Rute der Ordnung nicht im Mindesten wie man es von einer anständigen Waffe erwartete. Stattdessen zog sie es vor, den normalen Naturgesetzten zu gehorchen, die ganz klar vorschrieben, was zu passieren hatte, wenn ein dünnes Stück Holz auf magisch verstärkten Granit traf. Mit einem splitternden Geräusch brach die Rute mitten hindurch, der Diamant flog im hohen Bogen davon und Bladewarrior wurde durch seinen eigenen Schwung noch ein paar Schritte weiter getragen, bis er schließlich in einen der Erdrisse stürzte. Erschrocken machte Magenta sich von dem Magier los und stürzte zur Unglücksstelle. Sie kam gleichzeitig mit Risingsun dort an und gemeinsam wagten die beiden einen Blick in die Tiefe. Etwa anderthalb Meter unter ihnen steckte Bladewarrior in der Erdspalte fest und winkte zu ihnen hinauf. „Mir ist nichts passiert.“, rief er. „Ich bin stecken geblieben.“ „Dieser Kerl hat doch mehr Glück als Verstand.“, stöhnte Risingsun. „Holen wir ihn da raus und sehen dann, was noch zu retten ist.“ Kurz darauf standen die vier Abenteurer nebst Wichtel vor der leuchtenden Kristallsäule und versuchten der Prinzessin möglichst schonend beizubringen, dass sie den Schlüssel zu ihrer Freiheit zerstört und noch dazu einen Teil davon verloren hatten, denn der leuchtende Diamant war offenbar ebenfalls in einer Erdspalte verschwunden und nicht mehr auffindbar. Die Reaktion der Prinzessin war erderschütternd. „WIE KÖNNT IHR ES WAGEN!“, schrie sie und sämtliche Freundlichkeit war aus ihrer Stimme gewichen. „Ihr hattet die Rute und habt WAS? Sie VERLOREN? ZESTÖRT? Wartet nur, bis ich hier herauskomme. Ich werde Euch zerquetschen und den Sand mit Eurem Blut tränken. Einen nach dem anderen werde ich vom Angesicht der Erde wischen, bis nichts mehr von Euch übrig ist als gemahlener Knochenstaub. Ich…“ „Es tut mir leid.“, rief Bladewarrior gegen das Gezeter der wütenden Prinzessin an. „Wir werden Euch eine neue Rute besorgen.“ „Unwürdiger Wurm.“, tobte der Kristall. „Die Rute war einzigartig. Ohne sie wird nichts und niemand den Schlüsselstein zerstören können und ich werde hier bis in alle Ewigkeit festsitzen UND DAS IST ALLES EURE SCHULD!“ „Vielleicht wir finden anderen Weg zu zerstören Stein.“, überlegte Abumoaham und ließ seine Hand über die Oberfläche der Felssäule gleiten. „Ich gelesen, Steine kaputtgehen, wenn ausgesetzt großes Hitze und Kälte. Vielleicht wir können zerbrechen Schlüsselstein auf diese Weise.“ „Oder vielleicht lassen wir diese Prinzessin einfach da, wo sie ist.“, bemerkte Risingsun spitz. „Ich glaube nicht, dass ich diese Dame nun noch heraufbeschwören möchte, nachdem sie uns so nette Dinge versprochen hat.“ Der Magier stutzte einen Augenblick, dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. „Risingsun, du genial.“, lachte er und die Paladina strich geschmeichelt die blonden Haare aus dem Gesicht. „Wenn wir nicht öffnen können Tür, wir einfach beschwören Prinzessin zu uns hinauf. Magenta, du doch sicher kennen Zauber für so etwas.“ Die Hexenmeisterin wurde ein wenig blass um die Nase, als sämtliche Anwesenden inklusive der Kristallsäule sie mit einem Mal anstarrten. Sie hätte am liebsten gesagt, dass sie Risingsun zustimmte, was die merkwürdige Prinzessin anging, aber das wäre nun doch etwas viel des Guten gewesen. Außerdem war dies die Gelegenheit zu beweisen, zu was sie fähig war. Oder zumindest so zu tun. „Ja, äh, sicher.“, antwortet sie und versuchte ihre Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. „Ich brauche zunächst Kerzen, einen freien Platz auf dem Boden, farbige Kreide, ein paar von Abumoahams Portalrunen, eine Schale mit Wasser, drei Silbermünzen und zwei Freiwillige.“, zählte sie wahllos Dinge auf, die sich irgendwie wichtig anhörten. Sofort flogen die Hände der beiden Männer in die Luft, während Risingsun ihre Arme verschränkte. Ihr Gesicht war ein Muster an Missbilligung. „Bei so einem Hokupokus mach ich nicht mit. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.“ Mit diesen Worten drehte sich die Paladina um und stapfte bis hinauf zum Hügelkamm, wo sie sich betont würdevoll auf einem Stein niederließ und dem Rest der Gruppe den Rücken zudrehte. Von hier aus würde sie weder sehen noch hören, was die anderen trieben und konnte ungestört abwarten, bis sie wieder zur Vernunft gekommen waren, was, ihrer Überzeugung nach, nicht sehr lange dauern konnte. Zunächst jedoch waren ihre Begleiter noch vollends damit beschäftigt, das Ritual der Beschwörung vorzubereiten. Geschäftig liefen Abumoaham und Bladewarrior hin und her um alles so vorzubereiten, wie Magenta es anordnete. Es wurden Kreise in den Staub gemalt, Runen geschrieben, Wasser herbeigezaubert und unter einigem Protest auch der eine oder andere Tropfen Blut geopfert. Die Hexenmeisterin gefiel sich äußert gut in ihrer Rolle als Kommandant, bis eine Stimme zu ihren Füßen sie zusammenfahren ließ. „Gehe ich Recht in der Annahme, dass du keinen blassen Schimmer hast, was du da tust?“, fragte der Wichtel grinsend. „Natürlich habe ich das.“, gab Magenta ungehalten zurück. „Ich habe von so etwas schon einmal gelesen. Und selbst wenn es nicht klappt, dass schiebe ich die Schuld einfach darauf, dass die Prinzessin noch von dem Stein festgehalten wird und gut.“ „Wir öffnen also einfach mal ein Portal in den wirbelnden Nether und gucken, was daraus hervor kriecht?“, fragte der Wichtel scheinheilig und sein Grinsen wurde breiter. „Oh guuut. Ich bin gespannt, was es ist.“ Magenta hingegen war sich in diesem Augenblick nicht mehr sicher, ob ihr Einfall tatsächlich eine gute Idee gewesen war. Aber da sie jetzt nicht mehr zurückkonnte, blieb ihr nur noch die Flucht nach vorn. Mit ziemlich gemischten Gefühlen ging die Hexemeisterin ans Werk. Eine Staubwolke raste durch das Ödland, passierte die Grenze zu Loch Modan und hielt mit unverminderter Geschwindigkeit auf Thelsamar zu. Wenn man genau hinsah, konnte man in der Staubwolke die Gestalt eines Zwerges erkennen, die sich dicht an den Rücken eines zu Tode erschöpften Widders presste. Doch die Mission dieses Zwergs kannte keinen Aufschub und so trieb und hetzt er das Tier, bis er endlich die Grenze des sonst recht friedlichen Bergdorfes erreichte. Dort endlich bremste Schakal sein Reittier, sprang von Rücken des Widders und lief ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit direkt auf einen der Gebirgsjäger zu, die hier ihren Wachdienst versahen. „Greifenmeister?“, bellte er den anderen Zwerg an. „Holla.“, brummte der und stützte sich auf seine Schrotflinte um den Ankömmling besser ins Auge fassen zu können. „Ihr seid niemand, der lange fackelt, hab ich Recht.“ „Ich brauche sofort einen Greifen.“, verlanget Schakal. „Es geht um Leben und Tod.“ „Soso.“, brummte der Gebirgsjäger. „Na wenn das so ist, solltet Ihr zu Thorgrum Borrelson gehen. Er hat seinen Greifenhort am nördlichen Ende der Stadt. Aber bringt ein wenig Zeit mit. Heute ist Markttag in Ironforge, da ist es meist ziemlich voll.“ Schakal hielt sich nicht damit auf, dem Gebirgsjäger zu danken, noch dessen Frage zu beantworten, was er jetzt mit dem völlig erschöpften Widder machen solle. Er hatte lediglich ein Ziel vor Augen und das hatte einen Löwenkörper, einen Adlerkopf und vor allem aber Flügel, um ihn so schnell wie möglich ins Arathihochland zu bringen. In seiner Tasche hatte er wohl verwahrt die Rolle von Myzrael sowie einen ganzen Sack voll guter Ratschläge und Ermahnungen der vielleicht doch nicht ganz so irren Theldurins. Beim Greifenmeister angekommen stellte sich allerdings heraus, dass der Gebirgsjäger mit seiner Warnung leider doch nicht so ganz falsch gelegen hatte. Mit anderen Worten: Es war die Hölle los. „Ich brauch noch zwei Greifen für die Erzlieferungen, dann einen für die Waffen, einen für das Gemüse und noch zwei für diese sehr seltene Statue.“, betete eine Zwergin mit resolutem Gesicht und zwei langen, schwarzen Zöpfen gerade herunter. Um sie herum standen Kisten, Kästen und Körbe mit den unterschiedlichsten Handelsgütern, die sie offensichtlich alle zu transportieren gedachte. Schakal beschloss, sie einfach zu ignorieren, und schob sich an ihr vorbei zum Greifenmeister. „Ich brauche einen Flug ins Arathihochland und zwar schnell.“ Er hatte seine Rechnung allerdings ohne die Zwergin gemacht, die ihre Kiste abstellte und die Hände in die rundlichen Hüften stemmte. Die Brust unter ihrer weißen Bluse bebte vor Empörung. „Hey, stellt Euch gefälligst hinten an.“, schimpfte sie. „Was glaubt ihr denn, wer Ihr seid?“ „Jemand der Wichtigeres zu transportieren hat, als fauliges Obst.“, brummte Schakal unfreundlich. „Also geht mir aus dem Weg.“ Sekunden später prallte etwas Hartes gegen Schakals Hinterkopf, das ihn kurzzeitig Sterne sehen ließ. Als er hinunterschaute, fiel sein Blick auf einen reifen Apfel, der eine verdächtig nach einem Zwergenschädel aussehende Beule aufwies. Der Schurke drehte sich um und sah sich einer wütenden, mit weiteren Äpfeln bewaffneten Zwergin gegenüber. „Faulig, was?“, schnaubte sie. „Kostet doch noch einen. Obst soll ja so gesund sein.“ Mit knapper Not entging Schakal dem nächsten Wurfgeschoss und hob abwehrend die Arme. „Aber meine Teure…“, versuchte er die Zwergin zu beschwichtigen, doch da hatte er den falschen Ton angeschlagen. „Teuer?“, kreischte sie. „Meine Waren sind nicht teuer, sie sind die besten und günstigsten auf dem ganzen Markt. Hier seht nur, Ihr bekommt sogar eine Gratisprobe. Hier. Und hier. Und den hier auch noch. Es soll niemand sagen, Tindra Kieselbeiß wäre kleinlich.“ Fluchend wich Schakal der Flut an Obst und Gemüse aus, die ihm um die Ohren pfiff und ging hinter der zum Versand verpackten Statue in Deckung. Die Greife begannen bereits unruhig zu werden und klapperten nervös mit den Schnäbeln. Es wurde höchste Zeit, dass er hier wegkam. Doch wie sollte man etwas stoppen, des einer Schneelawine gleichkam. Zwergenfrauen waren im Allgemeinen nicht leicht zu reizen, doch wenn sie sich einmal in Bewegung gesetzt hatten waren sie ebenso stur und tödlich wie diese weiße Gefahr. Das Einzige, was ihn jetzt noch retten konnte war…Gold. „Ich kaufe alles.“, rief er in höchster Not, während ein Kohlkopf neben ihm an der Statue zerschellte. „Wie viel kostete es.“ Die Flut der Feldfrüchte setzte einen Moment lang aus. „Was meint ihr mit alles?“, fragte die Schützin lauernd und wog einen Kürbis in ihrer Hand, der fast doppelt so groß war wie ihr Kopf. „Alles wie alles?“ „Aye alles.“, antwortete Schakal und wagte es aus seiner Deckung hervorzukommen. „Wenn ich es kaufe, kann ich schließlich entscheiden, was damit passiert. Also was kostet es.“ Das Gesicht der Zwergin blickte noch einen Augenblick ungläubig, dann erhellte sich ihre Miene. Geschäftstüchtig holte sie einen kleinen Rechenschieber aus ihrer Schürzentasche heraus, schob die steinernen Kugeln darauf hin und her und nannte dann eine Summe, die Schakal leicht schwindeln ließ. „Aber was tut man nicht alles für einen guten Zweck.“, murmelte er und trennte sich von einem guten Teil seiner Barschaft. „Wenn Ihr nun endlich aus dem Weg gehen würdet, damit ich zu meinem Greifen komme.“, knurrte er. „Ihr wollt Euren Besitz nicht mitnehmen?“, staunte die Zwergin. „Immerhin gehört das alles jetzt Euch.“ Schakal rollte verzweifelt mit den Augen „Ich sagte doch, ich habe Wichtigeres zu tun, als mich hier mit Gemüse herumzuschlagen. Meinetwegen verschenkt das Zeug an irgendwelche Waisenkinder, aber geht mir endlich aus dem WEG!“ Damit ließ er die verdutzte Zwergin stehen, bezahlte mit einer weiteren, erheblichen Summe den Greifenmeister, damit dieser ihm sein schnellstes Tier zur Verfügung stellte, und schwang sich kurz darauf in die Lüfte. Sinnierend sah ihm die Zwergin nach und betrachtete dann die Kisten, die sich um sie herum auf dem Boden standen. „Was für ein feiner Kerl und so großzügig.“, seufzte sie. „Den würde ich zu gerne mal in nem Kilt sehen.“ Doch während die Zwergin ihrem unbekannten Wohltäter nachstarrte, hatte dieser ganz andere Sorgen. Er fürchtete, nicht rechtzeitig anzukommen, um zu verhindern, dass jemand - um es genauer zu sagen Bladewarrior - Prinzessin Myzrael befreite. Unablässig bohrte er dem Greifen die Hacken in die Flanken in der Hoffnung, er würde dadurch schneller fliegen. Protestierend erhöhte das gewaltige Tier zwar seine Flügelschlagzahl, doch als sie endlich den gewaltigen Staudamm an der Grenze zum Sumpfland überflogen, hatte es offensichtlich den Schnabel gestrichen voll von der groben Behandlung. Ohne sich um das Geschrei seines Passagiers zu kümmern, ging es in den Sturzflug nach unten über. „Halt! Stopp! Was machst du denn?“, schrie Schakal und versuchte den rasanten Sinkflug irgendwie zu stoppen. Er klammerte sich mit allen Vieren auf dem Rücken des Greifen fest, doch dessen Fell war durch die hohe Luftfeuchtigkeit rutschig geworden und Schakals schlüpfrige Lederkleidung tat ihr Übriges. Immer weiter glitt der Schurke in Richtung des gelben Schnabels nach vorn, bis er schlussendlich den Halt verlor und geradewegs in die Tiefe stürzte. Er spürte noch, wie der Greif versuchte ihn aufzufangen, doch die riesigen Klauen griffen ins Leere und Schakal stürzte weiter hinab ins Bodelose. - Magenta atmete noch einmal tief durch und besah sich, was sie in aller Eile aus den herbeigeschafften Gegenständen zusammen geschustert hatte. Der Beschwörungskreis, den sie mit Hilfe der zerbrochenen Rute der Ordnung in den Sand geritzt hatte, war ihr soweit gut gelungen, die Runen sahen fast so aus, als würden sie etwas bedeuten, die Kerzen brannten gleichmäßig auf der Mittelkreislinie des Pentagramms, die aus dem Staub bestand, zu dem Magenta Abumoahams Portalrunen feierlich vermahlen hatte. Die Silbermünzen lagen am Grund der Wasserschale, welche sich wiederum im Zentrum des Beschwörungskreises befand. Und was die bunte Kreide anging…Magenta fand, sie hätte schlechtere Ideen haben können, als die entblößten Oberkörper ihrer beiden Freiwilligen damit zu bemalen. „Wir können jetzt beginnen.“, erklärte sie und versuchte ihre Stimme dabei möglichst düster und geheimnisvoll wirken zu lassen. Dabei bedeutete sie den beiden Männern je einen Platz zwischen den Spitzen des Pentagramms einzunehmen. Sie selbst stellte sich in die nach unten weisende Spitze. „Nehmt jetzt meine Hände.“, kommandierte Magenta weiter. Ihre rechte Hand glitt daraufhin in Abumoahams feste Linke, während Bladewarriors Rechte ein wenig zu feucht war und sich ein wenig zu eng um ihre andere Hand schloss. Sie unterdrückte einen Schmerzenslaut und bohrte ihre Fingernägel in seinen Handrücken. Sofort minderte der Krieger den Druck und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Tut mir leid.“, nuschelte er. „Ich hab so was noch nie gemacht.“ Magenta hätte um ein Haar Ich auch nicht geantwortet, konnte sich jedoch gerade noch auf die Zunge beißen. Der Erfolg dieser Täuschung hing davon ab, dass sie nicht den kleinsten Moment unsicher wirkte. Als der Kreis sich schließlich schloss, begann Magenta mit dem Rezitieren der Formel. Dunkle Silben und düstere Wörter flossen schwarzem Gift gleichend aus ihrem Mund. Wie ein Schwarm angrifflustiger Insekten umschwirrten sie die Beschwörenden, summten in ihren Ohren und zerrten an den Mauern der Realität. Zumindest war dies der Eindruck, den Magenta zu erwecken versuchte. In Wahrheit betete sie alles Mögliche herunter, mischte Brocken von Dämonisch und sinnlosen Silbenaneinandereihungen darunter und linste dabei immer wieder zu den anderen hinüber, ob ihre Vorstellung auch gut ankam. Wie es aussah hatte sie Bladewarrior ohne Weiteres überzeugt, denn der Krieger sah unter seiner Bemalung ein wenig blass aus, krallte seine Hand in die des Magier und kniff die Augen fest zu. Abumoaham hingegen wirkte entspannt, atmete tief ein und aus und schien sich von Magentas Singsang in ein Art Trance begleiten zu lassen. So weit, so gut, dachte die Hexenmeisterin bei sich. Jetzt muss ich nur noch einen sinnvollen Abschluss finden und wir können unsere Zelte hier abbrechen. In diesem Moment begann Magenta ein Kribbeln in den Fingerspitzen zu fühlen. Zunächst dachte sie, sich das Ganze nur einzubilden, doch dann begann das Kribbeln sich über die gesamte Hand auszubreiten. Zwischen den halb geöffneten Augenlidern konnte sie ein violettschwarzes Wabbern sehe, dass ihre Hände einhüllte. Grünliche Blitze zuckten daraus hervor und brachten den Kreis aus Portalrunenstaub zum Glühen. Das Wasser in der Schale hatte zu dampfen begonnen und Magenta hörte die Silbermünzen darin herumspringen. Wie unter Zwang sprach sie weiter und beobachtet nun mit weit aufgerissenen Augen, was weiter geschah. Die Dunkelheit, die zunächst ihre Hände eingehüllt hatte, breitete sich weiter aus. Sie ergoss sich unaufhaltsam zur Erde, kroch über den Boden und bewegte sich dabei auf das Innere des Beschwörungskreises zu. In stetiger Veränderung begriffen formte die dunkle Wolke grausige Figuren, die Hände gierig ausgestreckt, die Münder zu stummen Schreien geöffnet. Sie vergingen und bildeten gleich darauf neue, noch schrecklichere Fratzen. Tentakel aus grauem Rauch peitschten aus der schwarzen Masse hervor und glitten wieder zurück in die wabernde Rauchwolke, die sich in der Mitte des Kreises sammelte und dort träge um sich selbst rotierte. Die kreisende Bewegung wurde langsam schneller und schneller, bis Magenta ein leichtes Schwindelgefühl in sich aufsteigen fühlte. Gerade, als sie vor dem hypnotisierenden Wirbel die Augen verschließen wollte, verpuffte der Rauch plötzlich und gab den Blick frei auf einen senkrecht stehenden Spiegel aus perfekter, nachtschwarzer, seelensaugender Finsternis. Eine seltsame Anziehung ging von dem Tor aus und fast glaubte Magenta, das Ding atmen zu hören. Es brachte eine Seite in Magenta zum Klingen, von der sie noch nicht einmal geahnt hatte, dass es sie überhaupt gab. Die Hexenmeisterin meinte ein Flüstern zu hören und spürte einen fauligen Wind, der von der anderen Seite aus über ihr Gesicht strich. Allerdings war das auch das Einzige, was daraus hervorkam. Das Tor war schwarz und bedrohlich und rückte und rührte sich ansonsten keinen Meter. Es erinnerte Magenta daran, wie sie sich als Kind immer vor dem dunklen Kellergang im Turm ihrer Herrin gefürchtet hatte, weil ihr Milly einmal erzählt hatte, es würde ein Ghul dort unten hausen. Mit angehaltenem Atem war sie dann meist die Treppe hinunter gerannt, hatte sich ein paar Kartoffeln geschnappt und dann wie eine Irre wieder die Treppe hinauf gerast. Es schien, als würde sie, wenn sie etwas von der anderen Seite haben wollte, es wohl oder übel selbst holen müssen. Magenta holte tief Luft und starrte auf das schwarze Tor. Sie war nur eine Armlänge davon entfernt und sie hätte nur ihre Hand ausstrecken müssen um hineinzureichen. Doch noch zögerte sie. Wer wusste schon, was sie auf der anderen Seite erwartete. Womöglich etwas, das Klauen und Zähne hatte und nur darauf wartete, diese in einen weichen, köstlichen Menschenarm zu schlagen. Einen Menschenarm, der in diesem Moment eine ziemliche Gänsehaut bekam. Ach was, schimpfte sie mit sich selbst. Das hier ist nicht der richtige Augenblick um kalte Füße zu kriegen. Was immer dahinter ist, es kann nicht so schlimm sein wie die lebenslange Schmach, in diesem Moment gekniffen zu haben. So löste die Hexenmeisterin ihre rechte Hand aus Abumoahams sanfter Umklammerung und griff mitten hinein in die feindselige Schwärze. - Zischend raste die Luft an Schakal vorbei nach oben, während er sich in die entgegengesetzte Richtung bewegte. Er machte sich keine Illusionen darüber, wie dieser Fall ausgehen würde. Von ihm würde nicht viel mehr als ein blutiger Fleck auf dem Boden des Sumpflandes ausgehen. Im Stillen verfluchte er sich für seinen Leichtsinn, doch dann kam er zu der Überzeugung, dass das jetzt auch Nichts mehr nützte. Schakal war nicht besonders gläubig - wenn man mal von seinem Glauben an die Macht einer ausreichenden Menge Gold absah - aber er befand, dass es besser war, in die andere Welt überzutreten, wenn er mit sich im Reinen war. Immerhin hatte ihn eine gute Absicht in diese Lage gebracht und er hoffte, dass irgendeine höhere Macht so nett sein würde, ihm diese Tatsache anzurechnen. Ein paar Meter weiter in Richtung Boden, befand er, dass sich diese höhere Macht ihn mal kreuzweise konnte. Ich bin hier auf einer Rettungsmission, verdammt, und ich verlange jetzt sofort gerettet zu werden. In diesem Moment öffnete sich unter dem Zwerg ein Riss in der Realität. Wie ein schwarzes, zahnloses Maul klaffte es kurz vor dem Erdboden auf und wartete darauf, ihn zu verschlingen. Schakal sah es und war zunächst erstaunt, dann erfreut und schließlich besorgt. Und verblüfft darüber, wie viele Gefühle man in so kurzer Zeit haben konnte. Vielleicht war das eine dieser Nahe-Tod-Erfahrungen, von denen er schon gehört hatte. Er vermisste allerdings das helle Licht, von dem alle sprachen und diese in weiße Lappen gehüllte Gestalt, die einem den Weg zurück ins Leben oder eben weiter in die nächste Welt weisen sollte. Das alles deutete daraufhin, dass er noch nicht tot war und dass, wenn er sich diesen Riss nicht nur einbildete, eine reelle Chance bestand, diesen Sturz zu überleben. Es sei denn, irgendein Scherzbold hat gleich auf der anderen Seite eine Wand hingestellt. Na der kann dann aber was erleben, dachte Schakal noch, bevor er in die vollkommene Schwärze eintauchte. Es gab ein paar violette Funken am Rand des Risses, dann schloss sich die Lücke in der Realität mit einem schmatzenden Geräusch wieder und ließ nichts zurück außer ein paar sehr verwirrten Fröschen und einem Stück makellosen Sumpfbodens. Schakals Fall setzte sich auf den andere Seite des Tos mit ungehinderter Geschwindigkeit fort. Er raste an allem vorbei und die flüchtigen Blicke, die er darauf werfen konnte, brachten ihn zu dem Schluss, dass er gar nicht wissen wollte, was ihn dort aus unzähligen Augen anstarrte. Widerliche Dinge peitschten in sein Gesicht, Gliedmaßen strichen über seinen Körper und Klauen griffen nach seinen Kleidern. Mit aller Macht beschleunigte er seinen Fall noch, obwohl er sich inzwischen nicht mehr sicher war, ob er wirklich noch fiel, waagerecht durch die Lüfte sauste oder gar wieder in die Höhe schoss. Sein Geist weigerte sich schlichtweg zu begreifen, in was für einer Höllendimension er hier gelandet war. Er wusste nur, dass er tatsächlich ein Ziel vor sich hatte und das bestand aus einem langsam immer größer werdenden, leuchtend violetten Riss in der ihn umgebenden Schwärze. Dort musste er hin, denn dort war der Weg hinaus in die Wirklichkeit. Mit allem Willen, der ihm zur Verfügung stand, lenkte er seine Flugbahn auf dieses Tor zu. Magenta spürte ein seltsames Prickeln, als ihr Arm bis über den Ellenbogen in der lauernden Dunkelheit versank. Vorsichtig tastete sie nach rechts und nach links, doch ihre Hand griff ins Leere. So nahm sie allen Mut zusammen und ließ ihren Arm noch weiter einsinken. Sie wagte es nicht, auch den Kopf hindurch zustecken aus Angst, das Tor könne sich vorzeitig schließen und sie dabei in zwei Hälften teilen. Auf den Zehenspitzen balancierend wedelte sie daher mit ihrem Arm und versuchte irgendetwas von der andere Seite zu erhaschen. Da endlich glaubte sie, ein Geräusch zu hören. Ein Zischen und Pfeifen wie von einem starken Luftzug, das unablässig lauter wurde. Ganz so, als würde sich etwas mit großer Geschwindigkeit auf sie zu bewegen. Da bekam ihre Hand etwas zu fassen, dass sich wie ein Seil anfühlte, nur dass seine Oberfläche glatt und vor allem warm war. Es zuckte, als sich ihre Finger darum schlossen und ohne zu zögern zog die Hexenmeisterin daran. Magenta keuchte, als sie das Gewicht dessen fühlte, was am anderen Ende des Seils hing. Sie nahm ihre zweite Hand zur Hilfe und zog, doch auch jetzt ließ sich das Ding nicht bewegen. Sie stemmte sich mit den Füßen in den Sand und zog und zerrte, bis das Ding auf der anderen Seite plötzlich mit einem Ruck freikam. Etwas Großes flog durch das Portal, landete auf Magenta und warf sie um. Haltlos kugelte die Hexenmeisterin rückwärts, das Ding auf sich, und das Portal schloss sich mit einem schlürfenden Geräusch. Benommen rappelte sich Schakal auf. Sein Kopf dröhnte noch von dem mächtigen Schlag, den er gerade abbekommen hatte. Es fühlte sich an, als habe ihn ein Pferd getreten. Er erinnerte sich noch, dass sein Tor ihm geradezu zugewunken hatte. Kurz bevor er es erreichte, hatte sich jedoch ein mit Stacheln und Tentakeln besetzter Körper zwischen ihn und den Ausgang geschoben. Er erinnerte sich an einen unmenschlichen Schrei. Den Tritt, den er erhalten hatte, und Geschmack von Blut in seinem Mund. Grüne und violette Blitze, die ihm die Sicht nahmen. Das Gefühl, als seine Hände über einen rauen Steinboden schabten, bis sie in etwas Glitschigem landeten. Inzwischen war das Kaleidoskop seiner Empfindungen abgeflacht und hatte dem letzten, noch verbleibenden Sinnesorgan das Feld überlassen. Die Signale, die dieses aufnahm, waren so überwältigend, dass sämtliche anderen, unangenehmen Wahrnehmungen zurücktraten und eine Nummer in der Warteschlange zogen, um später noch einmal vorzusprechen. Schakal war sich nicht sicher, ob das eine Verbesserung darstellte, denn das, was seine Nase quälte, war von ganz ausgewählter Scheußlichkeit. Eine exquisite Mischung aus verfaulendem Fleisch, verrottenden Innereien, durch Wasser aufgedunsenen Rattenleichen und vergorenem Blut. Dieser ekelerregende Pesthauch mischte sich mit einem Aroma, das Schakal sofort mit Abwasserkanälen in Verbindung brachte. Vorsichtig öffnete der Schurke die Augen um zu sehen, woher dieser infernalische Gestank kam und erblickte etwas, das er nicht erwartet hatte. Vor Schakal stand ein Untoter in einer verblichenen Robe. Seine herausstehenden Knochen blitzen im Schein einer grünlich leuchtenden Fackel und seine von einem unheimlichen Glühen erfüllten Augen fixierten Schakal. Dem fleischlosen Gesicht fehlte es an jeglicher Mimik, doch das Aufflackern der gelben Lichter in seinem Totenschädel und die ausgestreckte Knochenfaust mit den verwesenden Muskelresten unterstützten sehr gut den Eindruck, dass der Untote ziemlich wütend war, als er ausrief: „Hey, Mann, wo ist mein Pferd?“ Schakal überlegte nicht lange. Er sprang auf die Füße und zog noch in der Bewegung seinen Dolch. Mit einem kräftigen Schwung rammte er dem Untoten die Waffe zwischen die fleischlosen Rippen. Der Untote sah an sich herab und bedachte den Dolch in seiner Brust mit einem kritischen Blick. „Früher hättest du dort ein Herz gefunden, Zwerg. Aber jetzt fürchte ich, dass die Gunst der Stunde auf meiner Seite ist. Mal sehen, wie dir das hier gefällt.“ Mit einem permanenten Grinsen auf den nicht vorhandenen Lippen begann der Untoten einen Zauber zu weben. Schakal wusste, dass er die dunkel klingende Formel schon einmal gehört hatte, doch erst als der Schattenblitz haarscharf neben seinem Ohr die Wand perforierte, erkannte er sie auch wirklich wieder. Anscheinend hatte er es hier mit einem Hexenmeister zu tun und wenn er ihn nicht schnell tötete, würde dies höchstwahrscheinlich das Ende seiner Reise sein. Der in der Brust des Untoten steckenden Dolch wies allerdings mit zielgenauer Sicherheit auf Schakals vordringliches Problem hin: Wie tötete man einen Untoten? Der Schurke duckte sich unter einer Feuerlohe hinweg, die die Luft um ihn herum zum Glühen brachte und ging hinter einem alten, löchrigen Fass in Deckung. Er musste vor allen Dingen verhindern, dass der Hexer weiter zauberte.Normalerweise ließ sich das mit einem Hieb in die Nieren oder einem gut gezielten Tritt in die Weichteile erledigen. Das klappte allerdings nur, wenn sein Gegner noch über selbige verfügte und irgendwie bezweifelte Schakal, dass sich unter der Robe noch viel brauchbares Fleisch befand. Erdrosseln oder gar Vergiften fiel ebenso aus wie ein Hieb auf den Solarplexus. Keiner dieser Tricks würde bei einem solchen Klappergestell Wirkung zeigen. Das einzig Verletzbare, das Schakal finden konnte, waren die Augen des Untoten. Man konnte sie ihm zwar nicht mehr ausstechen, weil die Gallertflüssigkeit längst ausgetrocknet war, aber täuschen konnte man sie wahrscheinlich immer noch. Der nächste Schattenblitz raste heran und Schakal griff nach einem der Beutel an seinem Gürtel. Er warf etwas des Inhalts auf den Fußboden, wo er sich selbst entzündete und seine Umgebung in grellweißes Licht tauchte. Die schwarze Flamme des Schattenzaubers mischte sich mit der Stichflamme des Blitzstrahlpulvers zu einer gleißenden Explosion. Geblendet wendete der Hexenmeister sich ab und als er die Hand wieder von den Augen nahm, blickte er lediglich auf ein Stück angekohlten Steinboden. Das Leuchten in den Augenhöhlen des Untoten wurde schmal. Misstrauisch ruckte der Schädel mit dem spärlichen, an der vertrockneten Kopfhaut klebenden Haarresten von rechts nach links. Irgendetwas stimmte hier nicht, denn eigentlich hätte dort auf dem Fußboden eine rauchende Zwergenleiche liegen müssen. Dass sie es nicht tat bewies entweder, dass er sich wieder einmal selbst übertroffen hatte, oder dass ihm diese unwürdige Kakerlake entkommen war. In beiden Fällen war es sicher klug, die Wachen zu alarmieren. Man sah nicht gern lebendiges Fleisch in Lady Sylvanas Reich, es sei denn, es war für den Verzehr oder andere interessante Zwecke bestimmt. Allein die Tatsache, dass er das Auftauchen des quiekenden Schweinchens hätte erklären müssen, ließ den Hexer zögern. Er hatte schlichtweg keine Ahnung, wo der Zwerg hergekommen war. Schakal taxierte den Untoten, der gut einen Meter vor ihm stand und in das leere Nichts starrte, dass der Schurke bei seiner Täuschung hinterlassen hatte. Der sicherste Weg, den Hexenmeister aus dem Weg zu schaffen, wäre sicherlich, seinen gesamten Körper zu zerschmettern oder in die Luft zu sprengen. Beides waren jedoch Dinge, die sich Schakals Möglichkeiten entzogen und außerdem zu viel Aufmerksamkeit erregt hätten. Das Letzte, was Schakal jetzt brauchen konnte, waren die fetten, aufgedunsenen Monstrositäten, die den Großteil von Undercitys Wachen bildeten. Denn dass es sich bei seinem ungebetenen Aufenthaltsort um die Hauptstadt der Untoten handelte, hatte Schakals längst erkannt. Das Dekor aus Totenschädeln und schimmeligen Wänden ließ hierbei wenig Zweifel aufkommen. Der Schurke maß den Raum, in dem er sich befand, mit den Augen ab. Die düstere Kammer war nicht besonders groß und wurde nur an drei Seiten von Mauern begrenzt. Die letzte Wand befand sich irgendwo im Halbdunkel auf der anderen Seite einer zäh dahin fließenden, stinkenden Flusses aus grünem Schleim, der sich wie eine träge Made durch seine steinerne Wanne wand. Immer wieder zerplatzen große Blasen and der Oberfläche und setzten Wolken noch übler riechenden Gases in die ohnehin schon verpestete Luft ab. Was immer dort hineinfiel, musste sofort zersetzt werden oder aber verschwand auf Nimmerwiedersehen. Im Grunde genommen genau das, was der Schurke jetzt benötigte. Zunächst jedoch musste er sicherstellen, dass der Hexer nicht einfach wieder aus der Suppe auftauchte und Alarm schlug. Mit einem beherzten Sprung warf Schakal sich auf sein Opfer. Er überrumpelte den Hexenmeister, warf ihn zu Boden und stieß mit seinem verbleibenden Dolch zu. Anstatt wie bei einem lebendigen Wesen auf die lebenswichtigen Organe zu zielen, setzte er die Klinge diesmal direkt im Nacken des Hexers an. Der geschliffene Stahl zerschnitt die wächserne Haut des Untoten wie Butter und glitt hindurch bis zur Wirbelsäule. Mit einer geschickten Drehung bohrte Schakal die Waffe zwischen die obersten Halswirbel und benutzte den Griff als Hebel. Es knirschte und knackte und gleich darauf erlahmten die Bewegungen des Körpers unter ihm, als der Schädel des Hexers wie ein geernteter Kohlkopf davonkugelte. Das Leuchten der Augenhöhlen erlosch und Schakal atmete hörbar auf. Anscheinend war doch etwas Wahres daran, dass man Untoten am besten den Schädel vom Rumpf trennte um sie zu endgültig loszuwerden. Angeekelt beförderte Schakal den Schädel mit einem Fußtritt über den Rand der Schleimflusses und warf den Rest des Hexers gleich hinterher, nachdem er sich seinen Dolch aus dessen Rippen gezogen hatte. Gurgelnd und blubbernd versank der Kadaver in den Fluten. „Soweit zum leichten Teil.“, murmelte der Zwerg und musterte die steinerne Decke des Gewölbes. „Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie man aus diesem stinkenden Rattenloch wieder ans Tageslicht kommt. Nach allem, was ich gehört habe, soll das hier unten das reinste Labyrinth sein.“ Er ahnte nicht, wie Recht er damit hatte. „Magenta! Vorsicht!“ Abumoahams Stimme drang wie durch watteweichen Nebel zu Magenta vor. Ein seltsames Taubheitsgefühl hatte sich über ihre Gedanken gelegt. Es fühlte sich an, als wäre sie gedankenblind. Bei ihrem Sturz war sie flach auf dem Rücken gelandet und ein Stechen in ihrer Brust begleitete jeden Atemzug. Sie spürte das Gewicht des Dings von der anderen Seite auf sich und hob schwerfällig den Kopf, um gleich darauf die Augen aufzureißen und in wildes Strampeln zu verfallen. Auf ihr hockte ein Teufelsjäger und das Stechen in ihrer Brust rührte nicht von dem Sturz her, sondern von einem der peitschenähnlichen Tentakel, die aus seinem Rücken hervor wuchsen und sich an ihr festgesaugt hatten. Wellenförmige Bewegungen liefen über die lederne Oberfläche und Magenta fühlte sich unwillkürlich an ihre Begegnung mit den Trollen auf der Insel Yoyomba erinnert. Dort hatte man ihnen große, mit Flüssigkeit gefüllte Früchte gereicht, in denen ein hohler Grashalm gesteckt hatte, mit dem man den köstlichen Inhalt hatte schlürfen können. Angezapft und ausgesaugt, schoss es Magenta durch den Kopf. Ich muss verhindern, dass er meine Magie leertrinkt. Die Hexenmeisterin erinnerte sich nämlich nur zu gut, was passiert war, als der Inhalt der Früchte zur Neige gegangen war. Die Trolle hatten sie mit großen Messern gespalten um an das saftige Fruchtfleisch zu kommen und Magenta ahnte, dass es ihr ebenso gehen würde, wenn ihre Magie erst einmal verbraucht war. Zudem gewann der Teufelsjäger mit jedem Quäntchen Magie an Größe und war inzwischen schon fast so groß wie ein halbwüchsiges Kalb. Wenn er so weiter wuchs, würde er Magenta unter sich zerquetschen. Mit aller Kraft versuchte sie das Untier von sich zu schieben. Der Teufelsjäger knurrte und stellte rasselnd die schwarz-weißen Stacheln auf seinem Rücken auf. Eine zweizehige Klaue bohrte sich in einen von Magentas Unterarmen und nagelte sie auf dem Fußboden fest. Das breite, mit unzähligen Zähnen besetzte Maul schob sich auf ihr Gesicht zu und sie roch den faulig stinkenden Atem der Bestie. Grüner Geier tropfte von den nadelspitzen Zahnreihen auf ihren Wange. Ein Biss dieser gewaltigen Kiefer und man würde die Hexenmeisterin in Zukunft zu Recht als ´kopflos` bezeichnen. Ein eisiger Wind fauchte über Magenta und den Teufelsjäger hinweg. An den Stacheln des Dämons bildete sich Raureif und sein Geifer gefror zu grotesken, grünen Eiszapfen. Witternd hob der Teufelsjäger seine Schnauze in Richtung der Quelle des magischen Eissturms. „Du sie loslassen oder ich dich töten.“ Ein bläuliches Glühen umgab Abumoahams Hände und eisige Nebelschwaden umwaberten seine Gestalt. Mit grimmigem Gesicht setzt er zu einem neuen Zauber an. „Halt! Nicht! Keine Magie!“, rief Magenta panisch. „Davon wird er nur noch stärker.“ Ihre Warnung kam jedoch zu spät. Abumoaham hatte die Formel bereits beendet und der Frostblitz flog unaufhaltsam seinem Ziel entgegen. Der Teufelsjäger bemerkte die Gefahr. Er ließ von Magenta ab, sprang dem heranfliegenden, blauen Lichtstrahl entgegen…und schluckte ihn einfach hinunter. Gleich darauf wuchs er noch ein Stückchen und sein dicker, muskulöser Schwanz peitschte in freudiger Erregung hin und her. Er hatte ein neues, viel versprechendes Opfer gefunden. Knurrend begann er auf den Magier zuzuschleichen. So schnell sie konnte kam Magenta auf die Füße. Sie taumelte, in ihrem Kopf drehte sich alles und sie fühlte sich wie ausgelutscht. Ihre Magie war bis auf einen kümmerlichen Rest verbraucht worden und würde sich erst wieder erholen müssen. An einen Bannzauber war somit nicht zu denken. Sie musste den Teufelsjäger also mit herkömmlichen Mitteln aufhalten. Fragend sah sie Pizkol an. „Irgendwelche Vorschläge?“ Der Wichtel zuckte unschuldig grinsend die schmalen Schultern. „Also wenn du keine magischen Hundekuchen dabei hast. Ich habe bestimmt keine. Aber vielleicht solltest du erstmal abwarten, ob der angehende Held da drüben seine Sache nicht gut genug macht. Vielleicht hat er ja Glück und der Wauwau vergisst, dass er auch Krallen und Zähne hat.“ Magenta wirbelte herum und sah, wie Bladewarrior sich zwischen den Teufelsjäger und Abumoaham warf. Der Krieger hob entschlossen seine Axt und ging auf die Bestie los. Der Teufelsjäger duckte sich und katapultierte sich dann mit den kräftigen Hinterbeinen genau auf den Krieger zu. Seine Fänge schnappten nach Bladewarriors Kehle und die Stacheln auf seinem Rücken bohrten sich in die ungeschützte Haut des menschlichen Oberkörpers. Einige von ihnen brachen ab und grellgrüne Flüssigkeit tropfte aus den gesplitterten Schäften. Bladewarrior wurde von dem Schwung des Absprungs zurückgeworfen und kämpfte um sein Gleichgewicht. In seiner Brust steckten einige der Stacheln. Der Krieger wischte sie mit einer beiläufigen Bewegung beiseite und griff erneut an. Wieder hieb er mit seiner Axt nach dem Teufelsjäger und diesmal traf er. Die Waffe schlug eine tiefe Wunde in das Vorderbein des Dämons. Eine Fontäne grünen Blutes schoss daraus hervor und traf den Krieger im Gesicht. „Wenn er das noch ein paar Mal macht, wird’s eng.“, kommentierte Pizkol. „Was meinst du damit?“, fragte Magenta. Sie beobachtete jede Wendung des Kampfes mit angehaltenem Atem und hatte die Finger ineinander verkrallt. „Naja, das Blut von Teufelsjägern ist nicht ganz ungefährlich.“, erklärte der Wichtel und verfolgte, wie Bladewarrior, nachdem er sich von der grünen Suppe befreit hatte, seinen dritten Angriff startete. „Man sagt, es enthält irgendwelche Substanzen, die seine Gegner schwach und wehrlos machen. Und schwach und wehrlos ist nicht gerade der Zustand, in dem man sich befinden sollte, wenn man vor einem nimmersatten Vielfraß wie dem dort steht. So was kann schnell tödlich enden.“ „Dann müssen wir ihm helfen.“, rief Magenta und überlegte dann einen Moment lang. „Wobei…na ja…ich meine, man müsste den Teufelsjäger ja nicht gleich umbringen. Vielleicht kann ich den irgendwie zähmen.“ „Nachdem er so viel Magie verschlungen hat? Oh ja, nur zu. Aber erlaube, dass ich mir das Ganze dann aus sicherer Entfernung ansehe. Wichtel wie mich frisst so ein Vieh doch als leichte Zwischenmahlzeit.“ Obwohl die Lage so ernst war, konnte Magenta sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Du hast doch wohl nicht etwa Angst vor ihm?“ „Ich und Angst? Pah!“, empörte sich Pizkol. „Ich kann diese hirnlosen Fressmaschinen nur einfach nicht ausstehen. Die sind so…primitiv und machen nicht einmal vor Ihresgleichen halt. Die reinsten Kannibalen. Wusstest du übrigens, dass sie sich teilen, wenn sie genug Magie gespeichert haben? Dann hast du zwei zum Preis von einem.“ „WAS?“ Magentas Augen hefteten sich wieder an die Höllenkreatur, die sie herbeigerufen hatte. Ihr Kopf schien auf einmal wie leergefegt und der entstandene Hohlraum füllte sich unaufhörlich mit einer unangenehmen Erkenntnis. Stumm ließ sie sich zu Boden sinken, den leeren Blick auf den Platz gerichtet, wo Bladewarrior immer noch mit dem Dämon rang. Wie es schien, war ihr ein gewaltiger Fehler unterlaufen, als sie das Tor in die andere Dimension erschaffen hatte. Sie hatte helfen wollen und stattdessen eine schreckliche Bestie in diese Welt geholt. Eine Bestie, die im Begriff war, nicht nur die Hand abzubeißen, die sie fütterte, sondern auch noch danach trachtete den ganzen Rest zu fressen. Vielleicht hatte Risingsun doch recht mit ihrer Einschätzung von Hexenmeistern. „Risingsun!“ Magenta sprang auf und klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn. „Wie konnte ich das nur vergessen. Sie weiß bestimmt, was man gegen diesen Dämon machen muss.“ „Sicher. Rufen wir die Kavallerie.“, meckerte Pizkol, trottete aber gehorsam hinter der vorauseilenden Hexenmeisterin her. Magenta hetzte den Hügel hinauf. Völlig außer Atem erreichte sie endlich die Anhöhe, auf der auch die Straße entlang führte, die sich durch das Arathihochland zog. Von der blonden Paladina war jedoch weit und breit nichts zu sehen. „Risingsun!“, rief Magenta und lief noch einige Schritte bis zu einem großen Stein. Wenn sie an Stelle der Paladina gewesen wäre, wäre das ihr bevorzugter Ruheplatz gewesen. Aber der Fels war verlassen und von Risingsun nicht einmal eine blonde Haarsträhne zu entdecken. Hätte Magenta etwas vom Spuren lesen verstanden, hätte sie vermutlich die Fußabdrücke rund um den Stein entdeckt, die von mehr als einem Wesen stammten. Sie hatten etwa die Größe von menschlichen Füßen, wirkten allerdings ungleich schmaler. Da die Hexenmeisterin allerdings nicht über solche Fähigkeiten verfügte, blieb die Spuren unentdeckt und Risingsun somit spurlos verschwunden. „Oh typisch!“, fluchte Magenta. „Da braucht man dieses Weib mal, damit sie ihr Heiliges Licht ausnahmsweise in die richtige Richtung schwingt, und dann macht sie sich einfach aus dem Staub. Und was machen wir jetzt?“ Der Wichtel zuckte erneut die Schultern. „Woher soll ich das wissen. Ich bin doch hier nur der Pausenclown.“ „Ja bist du.“, fauchte die Hexenmeisterin ungeduldig. „Aber du bist auch mein Diener. Also mach dich mal nützlich und erzähl mir etwas über Teufelsjäger. Kann man ihnen denn gar nicht beikommen?“ Der Wichtel überlegte. „Wenn ein Zauber stark genug ist, so dass der Teufelsjäger ihn nicht absorbieren kann, oder wenn er zu überraschend kommt, könnte man vielleicht Erfolg haben. Oder aber, man nimmt eine sehr lange Lanze und ersticht das Biest, ohne es zu berühren. Oder man schmeißt einen Felsbrocken von oben auf ihn herab. Oder…hey!“ Magenta hörte jedoch schon gar nicht mehr zu. So schnell ihre Füße sie trugen stürmte sie wieder den Hang hinab. Dabei strauchelte sie und wäre mehrere Male beinahe gestürzt, aber wie durch ein Wunder kam sie unverletzt unten an. Erwartungsgemäß stand es nicht eben gut im Kampf der beiden Männer gegen den Teufelsjäger. Abumoaham hatte augenscheinlich doch noch einmal in den Kampf eingegriffen, denn es kam Magenta so vor, als wäre die Bestie noch einmal gewachsen. Bladewarrior blutete aus mehreren Wunden, doch auf dem Boden des Kampfplatzes klebte auch eine ganze Menge grünen Dämonenblutes. Das änderte allerdings nichts daran, dass sich das Untier noch mit der gleichen Agilität wie am Anfang des Kampfes bewegte, während die Bewegungen seines menschlichen Gegenspielers zusehends erlahmten. Lange würde es nicht mehr dauern, bis der Dämon gewonnen hatte. „Magenta, gut du kommen.“ Abumoaham hatte ebenfalls eine Stirnwunde und in seinem Arm steckten einige abgebrochene Spitzen der Dämonenstachel. „Dieses Biest spielen falsch. Bladewarrior ihr abgeschlagen Teile von Bein und Schwanz, aber es einfach hat nachwachsen lassen fehlendes Körperteil. Und meine Magie alles machen nur noch schlimmer. Was wir tun jetzt?“ „Wir füttern das Vieh.“, grinste Magenta. „Es füttern? Du sein nicht ganz bei Trost?“ Abumoaham blickte ernsthaft besorgt drein. „Ich gedacht, Risingsun geheilt dein Fieber. Wo sein sie eigentlich?“ „Dieses Rätsel lösen wir später. Jetzt ist erstmal Dämonen jagen angesagt.“ Magenta kümmerte sich nicht mehr um die Proteste des Magiers und stürmte weiter auf die Mitte des Steinkreises zu. In ihrem Kopf hatte sich eine Idee geformt, die entweder ein voller Erfolg oder ihre größte - und zu gleich letzte - Niederlage wurde. Viel Zeit den Plan auszufeilen hatte sie nicht, daher musste sie alles auf eine Karte setzten. An der leuchtenden Kristallsäule angekommen, drehte sie sich herum und begann zu rufen und mit den Armen zu rudern. „He, du da. Du hässliches Vieh. Ja, dich meine ich, mit den Tentakeln. Hast du Hunger? Ich hab feines Happa-Happa für dich. Na los, komm schon her und hol´s dir.“ Der Teufelsjäger zeigte sich nicht im Mindesten beeindruckt von der magieleeren Hexenmeisterin. Er war viel zu vertieft darin, dem Menschen vor sich zu bekämpfen, und hatte kein Ohr für ihre verzweifelten Schreie. „Verdammt, er hört nicht. Ich muss ihn irgendwie anlocken.“, überlegte Magenta und ihr Blick fiel auf den Wichtel. „Oh nein, vergiss es.“, sagte Pizkol und hob abwehrend die Hände. „Ich werde bestimmt nicht den Köder für diesen Magiefresser spielen.“ „Greif ihn an.“ „Nein.“ „Ich sagte angreifen.“ „Ich will nicht.“ „Wird´s bald?“ „Das stand aber nicht in meinem Vertrag. Ich werde mich bei der Gewerkschaft beschweren.“ Gift und Galle spuckend hüpfte der Wichtel ein paar Schritte nach vorn. Der Feuerball in seinen Händen zitterte merklich. Er nahm Maß, schleuderte die kleine Feuerkugel, und nahm dann kreischend und krakelend Reißaus. Der Feuerball traf den Teufelsjäger am Schwanz. Er war zu klein um wirklich eine Verletzung hervorzurufen, doch das brauchte er auch gar nicht. Der Dämon spürte den magischen Angriff und ließ sofort von seinem derzeitigen Gegner ab. Er hatte ein viel lohnenderes Ziel entdeckt. Geifernd und sabbernd setzte er sich in Bewegung „Es hat geklappt.“, freute Magenta sich. „Klar hat es geklappt.“, meckerte der Wichtel. „Warum sich auch mit Eintopf zufrieden geben, wenn man doch gleich zum Dessert übergehen kann. Ich hoffe nur, du weißt, was du tust.“ „Sicher.“ Magenta zitterte ein wenig vor Anspannung. Alles hing jetzt vom richtigen Zeitpunkt ab. „Warte ab, bis er seine Tentakel nach dir auswirft, dann springst du beiseite.“ Der Teufelsjäger pirschte sich langsam an die Hexenmeisterin und den Wichtel zu ihren Füßen heran. Seine Tentakel zuckten unruhig hin und her. Er hob seine Nase und schnüffelte damit in ihre Richtung. Sehen konnte er seine Opfer nicht, denn die kleinen Augen an beiden Seiten des gedrungenen Kopfes waren nahezu blind, aber er witterte die Magie, die dem Wichtel innewohnte. Pfote um Pfote kam er näher. „Ich will nicht! ich mag nicht!“, heulte Pizkol. Magenta fürchtete, dass der feige Geselle sich zu früh aus dem Staub machen konnte und griff daher kurzerhand zu. Wie eine junge Katze hielt die ihren Diener am Schlafittchen und wedelte damit vor der Nase des Teufelsjägers herum. „Na komm schon, hol ihn dir! Lecker Wichtel.“ „ICH HASSE DICH!“ Als hätte der Teufelsjäger auf dieses Zeichen gewartet, drückte er die kräftigen Hinterbeine durch und sprang die Hexenmeisterin an. Die magiesaugenden Tentakel flogen in ihre Richtung. Erst im Letzten Moment wich Magenta ihnen aus, der vierbeinige Dämon flog an ihr vorbei und krachte gegen den Schlüsselstein. Seine Tentakel berührten den Stein und blieben daran kleben wie eine Fliege am Leim. Die leuchtende Energie um die Kristallsäule flammte auf, als der Teufelsjäger begann sie aufzusaugen. Gierig nuckelte er an den mächtigen, magischen Strömen, die in ihn flossen wie Wasser, das nach der Schneeschmelze ein Bachbett füllte. Und genau das war es, auf das Magenta gehofft hatte. Die gewaltigen Energien des Schlüsselsteins füllten den Dämon, blähten ihn auf. Er jaulte und winselte, doch er konnte seine Tentakel nicht von der Oberfläche des Steins ziehen. Blauviolettes Licht strahlte aus jeder Ritze seines von magieleitenden Fasern durchzogenen Körpers, während er immer weiter anschwoll. Runen flammten auf der Kristallsäule auf und ihr Leuchten war derart grell, dass Magenta geblendet die Augen schloss. Es gab einen gewaltigen Knall, gefolgt von einem Rumpeln. Staub füllte mit einem Mal die Luft. Magenta hustete und keuchte, während sie sich aus der Gefahrenzone in Sicherheit brachte. Als sie ihre Augen wieder öffnete, war der Teufelsjäger verschwunden und von der Kristallsäule war nicht mehr als ein geborstener Stumpf übrig. Grüber Schleim bedeckte den Boden rund um die zerstörte Säule und vermischte sich mit dem feinen Kristallstaub, der sich wie magischer Feenglimmer über die Ebene senkte. „FREI! Ich bin frei!“ Die Freude in der Stimme der Prinzessin war unüberhörbar. Ebenso unüberhörbar war das Stampfen, das sich ihnen mit großer Geschwindigkeit näherte. Es klang, als würde etwas oder jemand von der Größe eines kleinen Hauses sehr schnell rennen. „Ein Bergriese!“ Voller Entsetzen sah Magenta, dass Abumoaham Recht hatte. Ein Gigant, der sogar noch größer war, als er sich anhörte, steuerte direkt auf sie zu. Seine Haut bestand aus rötlichem Felsen und er war über und über mit Flechten, Farnen und Moosen bewachsen. Die Pflanzen bildeten einen dichten, grünen Teppich und erweckten den Anschein, der Bergriese sein mit einer lebendigen Rüstung versehen. Jeder seiner Schritte stanzte eine Vertiefung in den Boden, die einem erwachsenen Mann bis zur Brust reichte. Noch dazu brüllte er derart laut, dass nicht zu erwarten war, dass er ihnen zu ihrem großen Erfolg gratulieren wollte. „Prinzessin Myzrael.“, rief Magenta. „Ihr müsst uns helfen. Einer Eurer Peiniger greift uns an.“ „Tut mir leid, Mensch, aber ich kann Euch nicht helfen. Würde ich ihm jetzt gegenüber traten, würde ich hoffnungslos unterliegen. Ich muss meine Kräfte erst im Verborgenen wieder sammeln, bevor ich mich auf einen Kampf einlassen kann. Kommt wieder, wenn es soweit ist, dann werden wir gemeinsam siegreich sein. Bis dahin muss ich Euch Eurem Schicksal überlassen. Viel Glück!“ „Halt! Wartet!“ Magenta glaubte, sich verhört zu haben. „Ihr könnt doch nicht einfach…“ Aber die Präsenz der Prinzessin war nicht mehr zu spüren. Die zerstörte Kristallsäule war nun nicht mehr als ein Haufen toten Gesteins und ebenso hilfreich wie die zerbrochene Rute der Ordnung. Die drei Menschen (und der Wichtel) waren auf sich allein gestellt. Mit brennenden Augen sah de Hexenmeisterin dem herannahenden Tod entgegen. Sie machte sich keine Hoffnung, dass sie dieses Abenteuer lebend überstehen würden. Bladewarrior war zu schwer verletzt, um noch einen Kampf mit einem solch großen Gegner zu überstehen, und Abumoahams Magie war ebenso wie ihre eigene am Ende. Das Einzige, was sie jetzt noch retten konnte war… „Die Kavallerie?“ Magenta rieb sich die Augen, doch es stimmte, was ihr ihre überreizten Sinne meldeten. Eine Reiterschar hielt direkt auf den Riesen zu. Mit erhobenen Lanzen und gezückten Schwertern ritten sie dem Bergriesen entgegen und verwickelten ihn in ein Gefecht mit tödlichem Ausgang. Zumindest für den Bergriesen. Unter der Übermacht der Feinde verhallten seine polternden Schreie bald und es blieb nicht mehr übrig als ein mit Vegetationsresten bedeckter Haufen Schutt. Jubel brandete mit dem Wind zu Magenta herüber. Die Reiterschar sammelte und formierte sich wieder, bevor sie mit wehenden Fahnen auf die drei angeschlagenen Abenteurer zuritt. Die Reiter trugen rote Wappenröcke, auf denen ein weißer Vogel zu sehen war, und an ihrer Spitze ritt eine blonde Frau auf einem prächtigen, weißen Schimmel. Als sie näher kamen gab die Frau ihrem Pferd die Sporen und setzte sich von den anderen ab. Am Steinkreis angekommen zügelte sie ihr Ross und ließ es auf die Hinterhand steigen. Man sah ihr an, dass sie sich über ihre gelungene Überraschung diebisch freute. „Na das nenne ich mal einen Zufall.“, grinste Risingsun und tätschelte dem schnaubenden Schimmel den Hals. „Ich glaube, wir sind genau zur richtigen Zeit erschienen.“ „Das du können laut sagen.“, pflichtete Abumoaham ihr bei und nickte in Richtung der Reiter. „Wer das sein denn?“ „Verteidiger der Zuflucht und Überreste der einst großen Armee von Stormgarde.“, erklärte Risingsun. „Aber das ist eine etwas längere Geschichte, die wir vielleicht an einem etwas gastlicheren Ort bereden sollten. Je eher wir aufbrechen, desto besser. Die Zuflucht ist zwar nicht weit von hier, aber wenn wir noch vor Anbruch der Dunkelheit dort sein wollen, sollten wir uns ein wenig beeilen.“ Erschöpft ließ sich Magenta vor Abumoaham in den Sattel gleiten. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Glieder Tonnen wogen und an ihren Augenlidern Bleigewichte hingen. Gerade noch so wach, dass sie nicht vom Pferd fiel, erreichte sie die Zuflucht, die in einem geschützten Tal etwas abseits des Weges lag. Starke Arme hoben sie vom Pferd, trugen sie in ein Zelt und wickelten sie in eine wollene Decke. Noch bevor sie ein gemurmeltes Danke über die Lippen brachte, war sie bereits eingeschlafen. Auf einem anderen Kontinent senkte sich zu dieser Stunde ebenfalls die Sonne langsam dem Horizont entgegen. Bis zur Dämmerung waren allerdings noch einige Stunden hin und so versank Ratchet immer noch in der brütenden Hitze, die üblicherweise am Nachmittag über dem Brachland lag. Die heiße Luft war durchzogen von dem Gezirp der Grillen, den verschiedenen Aromen, die ein Goblinhafen so mit sich brachte, und dem strengen Geruch von Rauch. Vor seinem Turm lagerte Strahad Farsan im Schatten eines Baums und lauschte dem Bericht eines seiner Akolyten. Der Ork hielt einen Eimer und einen Mob in den Händen und schien von irgendetwas nicht besonders begeistert zu sein. „Meister Farsan, ich beschwöre Euch.“, sagte er gerade. „Ich hoffe doch nicht.“, lächelte der weißhaarige Hexenmeister und schob sich eine kandierte Frucht in den Mund. „Von Beschwörungen jeglicher Art würde ich heute lieber absehen. Die Sterne scheinen ungünstig zu stehen, wenn man bedenkt was dem armen Kerl passiert ist, der vorhin einen Teufelsjäger beschwören wollte. Ich habe schon viel Merkwürdiges gesehen, aber ein Teufelsross, das aus dem Nichts erscheint und aus bei seiner Landung einen Gnom in meinem Fußboden stampft, ist mir auch noch nicht untergekommen. Sind die Blutflecken inzwischen entfernt worden?“ „Ja Meister Farsan.“, knurrte der Ork. „Nur dieses Pferd. Es ist bösartig. Es hat den Stall in Brand gesteckt.“ Strahad Farsan brach in lautes Gelächter aus. „Na was hast du denn erwartet, Dummkopf? Es ist ein Teufelsross. Natürlich ist es bösartig. Außerdem hat es brennende Hufe und wenn ich herausfinde, wer von euch vergessen hat, das Stroh aus dem Verschlag zu entfernen, in dem ihr das Tier untergebracht hab, ziehe ich ihm die Kosten für den Wiederaufbau vom Lohn ab.“ „Von welchem Lohn?“, brummte der Ork, jedoch vorsichtshalber so leise, dass sein Meister ihn nicht hören konnte. Manchmal konnte es ziemlich anstrengend sein, ein Auserwählter zu sein. Besonders an Tagen wie diesem. „War das alles, Meister?“ „Ja, du kannst gehen.“ Strahad Farsan winkte huldvoll mit der Hand. „Oder halt. Richte doch Meisterin Voidrender aus, dass ich sie zu sprechen wünsche. Wir müssen noch entscheiden, was mit dem Pferd passieren soll. Was hältst du davon, ein Turnier unter Euch zu veranstalten und dem Gewinner das Ross zu schenken?“ Der Ork zog eine Grimasse. „Mit Verlaub, Meister, aber das verfluchte Vieh will garantiert keiner von uns haben. Außerdem sind die Flecken vom letzten Turnier immer noch nicht ganz von den Wänden gewaschen. Einige haben noch die Form von…Körperteilen.“ „Dann kümmere dich darum, wo du schon einmal beim Putzen bist. Los los!“ „Sehr wohl, Meister.“, sagte der Akolyt, verbeugte sich steif und machte sich dann mit lautem Klappern und Gestampf davon. Er hoffte, dass man so sein Zähneknirschen nicht hören konnte. Strahad Farsan belud seine Wasserpfeife mit einigen glühenden Holzstückchen, gab etwas seines Lieblingstabaks darauf und zog an dem ziselierten Mundstuck. Nachdenklich beobachtete er den Rauch, der sich in der heißen Luft kräuselte. Normalerweise pflegte er mit diesem Vergnügen bis zum Abend zu warten, doch heute war ein merkwürdiger Tag. Er blies eine weitere Rauchwolke in de Luft und lehnte sich zurück, um auf Menaras Ankunft zu warten. Sie würden Einiges zu besprechen haben. Eine große, orangelbe Echse wanderte witternd durch das dichte Gras des Arathihochlands. Der lange Schwanz wippte beim Laufen hin und her und diente der Einhaltung des Gleichgewichts, das ausschließlich auf den Hinterbeinen lagerte. Die Vorderbeine des Tiers wirkten dagegen verkümmert und schienen sich lediglich zum Festhalten bereits toter Beute zu eignen. Die wahren Stärken langen in den Hinterbeinen mit den handlangen Krallen und der flachen Schnauze, die mit messerscharfen Reißzähnen gespickt war. Zusammen mit seinen scharfen Augen und seinem gut ausgeprägten Geruchsinn machten sie den Raptor schließlich zu einem gefährlichen Jäger, dem nur selten eine Beute entkam. Die Schritte des Raptors wurden schneller und der Schwanz peitschte jetzt aufgeregt von Seite zu Seite. Er hatte Blut gewittert. Blut bedeutete Fleisch, Fleisch bedeutete Futter und Futter war immer willkommen. Die schnellen Läufer hatten einen regen Stoffwechsel, der ständig neuen Brennstoff verlangte. Was seine Nase ihm versprach, roch nach einer sehr, sehr reichlichen Menge Futter. Mit einem letzten großen Satz ließ der Raptor die langen Gräser hinter sich und betrat einen zerklüfteten Küstenstreifen. Normalerweise jagten er und seine Artgenossen nicht so weit draußen - sie bevorzugten die eben Grasflächen des Inlandes, wo ihnen ihre schnellen Beine zum Vorteil gereichten - aber manchmal verirrte sich doch einer von ihnen hierher. Allerdings schien der Raptor nicht der Erste zu sein, der das Futter gerochen hatte. Im blutigen Gras stand ein Tier, dass der Raptor noch nie gesehen hatte. Es roch fremd und furchtbar und wider die Natur. Hätte der Raptor ein Fell gehabt, hätte es sich jetzt wahrscheinlich gesträubt, doch so blieb ihm nur ein feindseliges Zischen. Das allerdings machte den Eindringling auf ihn aufmerksam. Langsam drehte der Teufelsjäger den Kopf. Im Maul hatte er ein Stück seiner letzten Beute. Schmatzend hoben und senkten sich die gewaltigen Kiefer und zermalten jedes Mal mehrere Zentimeter Fleisch, Sehnen und Knochen. Rotes und grünes Blut liefen in langen Fäden aus seinem Maul und hatte eine klebrige Lache zu seinen Füßen gebildet. Mit einem letzten, gewaltigen Biss verschwand der Schenkel mit den orangfarbenden Schuppen in seinem Maul. Es musste immerhin Platz schaffen für den nächsten Leckerbissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)