Magenta II von Maginisha (Zwischen Azeroth und Kalimdor) ================================================================================ Kapitel 8: Wüstenblumen ----------------------- Dort, wo das Wasser die Erde berührte und das helle Blau des südlichen Meeres in lang auslaufenden Wellen an die weißen Gestade der Küste Kalimdors brandete, begann ein weiterer, viele Kilometer landeinwärts reichender Ozean. Ein Ozean aus Sand. Heißer, weißbrauner, alles umfließender, seit ewigen Zeiten da gewesener, allgegenwärtiger Sand. Sand, der unter den Füßen brannte. Sand, der zwischen den Zähnen knirschte. Sand, der in jede noch so kleine Öffnung der schützenden Kleidung vordrang und die Haut darunter wund scheuerte. Der Kopf wurde schwer und das Blut dicker, während man sich Stunde um Stunde unter der glühenden Sonne über der Wüste Tanaris’ dahinschleppte und hoffte endlich auf eine Quelle des einzigen Gutes zu stoßen, das an diesem lebensfeindlichen Ort wirklich von Wert war: auf Wasser. Und wie immer, wenn etwas kostbar war und versprach, hohen Profit abzuwerfen, war das Volk der Goblins nicht weit, um abzuschöpfen, was selbst diesem kargen Landstrich an Reichtum abzupressen war. So hatten sie getan, was kein anderes Volk für lohnenswert erachtet hatte. Sie hatten eine Stadt geschaffen. Eine Stadt voller Halsabschneider und Gauner, voller Tüftler und Bastler, voller zwielichtiger und streitlustiger Gesellen. Ein Stadt des Aufstiegs und des Verfalls, welche oft nicht mehr als ein Würfelspiel oder eine Messerklinge weit voneinander entfernt lagen. Eine Stadt der Goblins. „Oh da! Seht doch, seht doch, SEHT DOCH!“ Emanuelle war völlig aus dem Häuschen. Wie ein mechanisches Eichhörnchen mit einem kaputten Uhrwerk schnurrte sie von rechts nach links, vor und zurück und stieß dabei immer wieder hohe Entzückenslaute aus. Ihre gesamte Aufmerksamkeit galt dabei den Auslagen der ortsansässigen Händler, die vom aufziehbaren Miniatur-Mithril-Drachling bis zur vollautomatisierten, anderthalb Nachtelfen großen Bolzenabschussvorrichtung mit Dreifachvergößerungs-Zielfernrohr so ziemlich alles feilboten, was ein Ingenieursherz begehren konnte. Dummerweise waren die Preise ebenso astronomisch wie das Angebot, so dass die kleine Gnomin lediglich mit leuchtenden Augen vor den Waren stehen und sie unter den missgünstigen Blicken der grünhäutigen Ladenbesitzer bestaunen konnte, bis sie wieder etwas Neues entdeckte und quietschend von dannen huschte. „Ich bin mir sicher die Worte leise und unauffällig erwähnt zu haben.“, grollte Easygoing mit einem mordlüsternen Blick auf die aufgedrehte Gnomin, die gerade etwas in den Händen drehte, das aussah, als würde es gleich mit ohrenbetäubendem Lärm explodieren. „Vierzehn mal.“, bestätigte Deadlyone mit todernster Miene. „Ich habe mitgezählt.“ „Meine Füße bringen mich um.“, stöhnte Ceredrian. „Ich schlage vor, wir suchen uns zunächst einmal ein Gasthaus, in dem wir etwa vier Tage lang schlafen können.“ Easygoing schnaubte abfällig. „Das könnte dir so passen. Wir haben weder die Zeit noch das Geld um uns hier lange aufzuhalten. Das Einzige, was wir hier tun werden, ist, eine Weile auszuruhen, die nötigsten Vorräte so billig wie möglich zu erstehen und dann weiterzureisen. Ende der Diskussion.“ „Ich wusste gar nicht, dass wir eine solche führen, Cousin.“, konterte der Priester. „Und darf ich dich daran erinnern, dass wir ohne meine Verhandlungskünste immer noch vor den Stadttoren stehen würden. Nur weil ein gewisser Jemand seine Hände nicht bei sich behalten konnte.“ Seine leuchtenden Augen bohrten sich in die des unschuldig lächelnden Deadlyone, der wie zufällig ein Silberstück zwischen den langen Finger tanzen ließ. Auf ein Knurren seines großen Bruders hin ließ er die Münze jedoch schnell wieder in die Tasche gleiten. „Unauffällig gilt für alle hier.“, brummte der Druide. „Die Wachen haben unmissverständlich klar gemacht, was mit denjenigen geschieht, die in Gadgetzan Ärger machen.“ Mit einem Kopfnicken wies er auf die weißgetünchte Stadtmauer, auf deren Zinnen Eisenspitzen angebracht worden waren. Die meisten von ihnen waren leer, doch diejenigen, die es nicht waren, dienten als deutliche Warnung dafür, dass man in dieser Stadt nur allzu leicht den Kopf verlieren konnte und zwar bevorzugt durch ein ziemlich scharfes Schwert. Abbefaria schauderte, als er sah, dass die weiße Farbe an einigen Stellen noch frisch war. Vermutlich um die neuen Blutspuren zu überdecken, die von den aufgespießten Häuptern zu Boden getropft waren. Gadgetzan war ohne Zweifel ein gefährliches Pflaster. „Oh, Schnee!“, jubelte da eine helle Stimme zu Füßen der Nachtelfen und eine zweite quäkte erbost: „Stellt den Schneemeister 5000 sofort wieder hin. Seid Ihr denn von Sinnen? Jetzt muss ich ihn erst wieder einen ganzen Tag lang aufladen lassen. Allein das Wasser dafür kostet ein Vermögen!“ Ein kahlköpfiger Goblin in einer viel zu großen Leinenrobe schoss hinter seinem Ladentisch hervor und riss der begeisterten Emanuelle ein rundes, leuchtendes Ding aus der Hand, das noch einmal surrte, ein paar letzte, weiße Flocken spuckte und dann abrupt verblasste. Um die Gnomin herum glitzerte die Luft einen Moment lang vor Feuchtigkeit, dann war die eisige Pracht, die die Maschine des Goblin hervorgezaubert hatte, unter den erbarmungslosen Strahlen der sengenden Sonne verdunstet. „Das zahlt Ihr mir.“, fauchte der Goblin und drohte Emanuelle mit seiner knochigen, grünen Faust. „Ihr könnt doch hier nicht einfach alles ausprobieren. Wenn das jeder täte, wäre ich ruiniert.“ „Aber hat ein Kunde nicht das Recht, die Waren zu testen, bevor er sie erwirbt?“, fragte Ceredrian in sanftem Ton. „Immerhin müssen wir uns ja davon überzeugen, dass Eure Angebote auch halten, was sie versprechen, bevor wir sie kaufen.“ „Ach Ihr wollt die Maschine kaufen. “ Die Züge des Goblins entspannten sich. „Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?“ Easygoing wollte schon auffahren, aber Ceredrian bedeutete ihm mit einer entschiedenen Geste still zu sein. „Sicherlich sind wir daran interessiert. So wie wir doch auch schon letzte Woche diesen wunderbaren…“ Hilfesuchend sah der Priester in Emanuelles Richtung. Die Gnomin begriff sofort. „Den Geflügelisierer. Ein ganz tolles Gerät.“ Emanuelle nickte eifrig zur Bestätigung. „Verwandelt zuverlässig auch die gefährlichsten Gegner in ein harmloses Huhn.“ „Geflügelisierer…“ Der Goblin warf einen unsicheren Blick in Richtung seines Ladentisches. „Habe ich denn so etwas im Angebot?“ „Oh ja.“, versicherte ihm Ceredrian. „Und er war sehr teuer.“ „Wenn das so ist...“ Der Händler grinste breit und erweckte dabei den Eindruck eines zu klein geratenen, grünen Haifisches. „Seht Euch um, so lange Ihr wollt. Ich werde Euch erstmal Euren Schneemeister 5000 einpacken. Bin sofort wieder da.“ Sobald die fledermausohrige Gestalt im Ladeninneren verschwunden war, schob Ceredrian seine Freunde energisch in Richtung des größten Getümmels. „Machen wir, dass wir hier verschwinden.“, zischte er. „Ich weiß nicht, wie lange die Bezauberung bei ihm noch anhält. Gedankenkontrolle ist nicht so einfach, wie sie aussieht.“ Abbefaria sah ihn schräg von der Seite an. „Manchmal kannst du einem richtig Angst machen.“ Der Priester blickte seinen Freund für einen Augenblick verblüfft an und fing dann aus vollem Halse an zu lachen. „Du hast ja keine Ahnung.“, grinste er und zwinkerte Abbefaria zu, bevor er sich einem silberhaarigen Schatten gleich an Easygoings Fersen heftete. Der große Druide wühlte sich wie ein Keil durch die breite Masse an Händlern und Käufern, die sich fast augenblicklich wieder nahtlos hinter ihm schloss. Zwischen den niedrigen Häusern mit den glatten, weißen Fassaden herrschte ein derartiges Gedränge, dass Abbefaria mehr als einmal versucht war, die Leute um sich herum kurzerhand von sich zu stoßen, um endlich wieder Luft zum Atmen zu haben. Doch angesichts der bis an die Zähne bewaffneten Goblinwachen, die überall gleichzeitig in allen Gassen, hinter sämtlichen Hausecken und sogar auf den Dächern mit misstrauischen Augen nach möglichen Störenfrieden suchten, hielt er sich zurück. Je weniger sie auffielen, desto schneller würden sie Gadgetzan wieder verlassen können. Auf keinen Fall wollte er auch nur eine Sekunde länger als nötig in dieser total durchgedrehten Stadt zubringen. Sie wurden von der Menge weiter getragen bis zu einem zentralen Platz, an dem sich das Gedränge zwar nicht verlief, zumindest aber nicht mehr durch die Enge der Gassen verstärkt wurde. Dafür überragte nun ein großes Bauwerk aus Balken und eisernen Gittern das Gedränge. An den Spitzen der hölzernen Pfeiler wehten grellbunte Wimpel und es ertönten Fanfaren und lautes Geschrei aus der Mitte des Gebildes, das wie eine überdimensionierte Hummerfalle wirkte. Gestalten verschiedenster Rassen hatten sich an den Gittern hochgehangelt und stierten jubelnd und kreischend zwischen ihnen hindurch. Zumindest taten sie dies so lange, bis eine der Wachen sich zu ihnen durchgekämpft und sie unter lautem Gejohle der umliegenden Menge wieder auf den sandigen Boden gezerrt hatte. Plötzlich ging ein Aufraunen durch die Zuschauer, gefolgt von einem weiteren Fanfarenstoß. „WIR HABEN EINEN NEUEN GEWINNER!“, röhrte ohne Vorwarnung ein Kasten direkt über den Köpfen der Nachtelfen los. „FRANATOR HAT SICH FÜR DIE NÄCHSTE RUNDE QUALIFIZIERT! WENN ER JETZT NOCH DEN KAMPF GEGEN DEN RAPTOR GEWINNT…“ Ein Schrei gefolgt von den Übelkeit erregenden Geräuschen brechender Knochen und reißenden Fleisches drang aus dem Kasten, bevor er schlagartig verstummte. Gleichzeitig schwoll der Lärmpegel um den Käfig herum an. Man konnte das Brüllen eines Tieres und weitere, schmerzerfüllte Schreie hören. Der Kasten über den Nachtelfen knackte erneut, dann erklärte eine näselnde Stimme: „Eine wichtige Durchsage in eigener Sache: Die Arena-Leitung weist hiermit noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass der Verlust von Körperteilen keinesfalls zu einer ganzen oder teilweisen Rückerstattung des Eintrittspreises berechtigt. Jedweder Haftungsanspruch kann nur im Todesfall und nur durch den Geschädigten selbst erfolgen. Sprechzeiten des Service-Mediums sind jeden ersten Dienstag im Monat zwischen Mitternacht und halb eins. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“ „Eine Arena?“ Deadlyones sonst eher gelangweilte Züge verrieten mit einem Mal Interesse. „Meint Ihr, wir könnten uns das ansehen?“ „Du willst dich wirklich unter dieser barbarische Horde mischen?“, erwiderte Ceredrian zweifelnd. „Ich dachte, wir hätten keine Zeit für irgendwelche…“ „ALS NÄCHSTES SEHEN SIE EINE ECHTE RARITÄT! EIN REIN WEIBLICHES ARENA-TEAM! EBEN SO SCHÖN WIE TÖDLICH! NOCH KNAPPERE KOSTÜME! NOCH SCHÄRFERE WAFFEN! DAS MUSS MAN GESEHEN HABEN!“ Easygoing grinste breit. „Ich würde sagen, es ist entschieden. Cere, du sorgst dafür, dass wir uns nicht mit so etwas Lästigem wie Eintrittskarten herumärgern müssen.“ „Du willst meine gottgegebenen Fähigkeiten also schamlos für niedere Zwecke und irdische Fleischeslust ausnutzen.“ Der Priester bemühte sich ein entrüstetes Gesicht zu machen. „Exakt.“ „Oh, na meinetwegen.“ Sie schoben sich durch die Menge bis zu einem der Tore, vor denen sich ein lärmender, drängelnder Mob Schaulustiger angesammelt hatte. Ein jeder gestikulierte und lamentierte in der Hoffnung, als erster eines der kleinen, bunten Pergamentstücke zu erhaschen, die ein gestresst wirkenden Goblin mit einer roten Mütze auf dem Kopf im Austausch gegen diverse Münzen aushändigte. Der Goblin wusste jedoch sofort, dass er dem Nachtelfen mit dem weißen Pferdeschwanz sowie seinen Freunden in jedem Fall zuerst eine Karte geben musste, denn schließlich hatte ihm dieser neben dem Eintritts- auch ein großzügiges Trinkgeld gegeben. Er konnte sich zwar nicht erinnern, wo er es hingesteckt hatte, aber früher oder später würde das Geld schon wieder auftauchen. „Nach dem Eingang nach links, dritte Reihe von unten.“, schnarrte er noch, bevor er weiter daran arbeitete, den Gewinn für diesen Kampftag zu maximieren. Diesmal, so schwor er sich, würde er es endlich zum Mitarbeiter des Monats in der Kategorie „Kartenabreißer und Zentaurenmister“ schaffen. Hinter ihm wurden die Nachtelfen vom Schatten der gegen die Sonne aufgespannten Leinwände verschluckt und die Gluthitze der staubigen Straße wich der adrenalinhaltigen, schweißgetränkten Atmosphäre der Arena von Gadgetzan. Die Stunden bewegten sich rückwärts. Zumindest kam es Magenta so vor, während sie in ihrem Zimmer im ersten Stock des Gasthauses hockte und trübsinnig vor sich auf den Tisch starrte. Dabei versuchte sie krampfhaft nicht einzuschlafen, sondern sich auf die Formeln zu konzentrieren, die sie gerade auswendig lernte. Der Erfolg dieser Bemühungen war mäßig. Mit vornüber gefallenem Kopf saß sie dösend auf ihrem Stuhl. Um sie herum waren ihre inzwischen wieder ausgepackten Habseligkeiten verstreut, die das Zimmer in eine Mischung aus Wäschekammer und Studierzimmer verwandelten. Fliegen summten um die Reste mehrerer Mahlzeiten und hinterließen fettige Fußspuren auf den Seiten der aufgeschlagenen Bücher. „Aufwachen, du Schlafmütze!“, erinnerte sie eine nörgelnde Stimme an ihre Pflichten und schreckte sie damit hoch. Magenta hatte Pizkol beschworen, um ein wenig Gesellschaft zu haben. Ich hätte es besser wissen müssen, dachte sie bei sich und hielt sich wieder das Buch über Flüche unter die Nase. Es gab ungefähr zwölf Millionen davon, doch Magenta brachte es einfach nicht fertig, sich mehr als drei oder vier von ihnen zu merken. „Wer braucht denn auch so was.“, murrte sie. „Fluch der Sprachen: Zwingt Euer Ziel Dämonisch zu sprechen. So ein Käse. Dann erteilt der nachher meinen Dämonen noch Befehle und ich gucke doof aus der Wäsche. Oder hier. Fluch der Idiotie: Reduziert die Intelligenz Eures Ziels auf das Niveau eines Kleinkindes. Man könnte meinen, einige Leute hätten diesen Fluch bereits abbekommen.“ Wie um ihre Worte zu bestätigen erhob sich draußen ein lautes Gekreisch. Unzählige, weibliche Stimmen riefen durcheinander. Sie klatschten und pfiffen und seufzten abwechselnd, was für Magenta nichts anderes bedeutete, als das Bladewarrior wieder von einem seiner Streifzüge vom Strand zurückgekehrt war. Der Krieger hatte, nachdem er seinen Kater überwunden hatte, Gefallen daran gefunden, allem, was aus den Untiefen des Meeres an den Strand gekrochen kam, den Kopf abzuschlagen. So stapelten sich hinter dem Gasthaus inzwischen Berge von abgeschlagenen Murlocköpfen und Murlocflossen, daneben Stapel von Murlocspeeren, Murlocmessern, Murlocgötzen und Riesenmuscheln. Letztere verwendete der Koch des Gasthauses zwar, um daraus allerlei Leckereien zu kochen, doch Magenta drehte sich schon allein bei dem Gedanken an Muschelfleisch der Magen um. Sie blieb bei dem Grundsatz nur Dinge zu essen, die nicht weniger als zwei und nicht mehr als vier Beine hatten. Ein Poltern auf der Treppe kündigte an, was es schon die letzten vier Tage angekündigt hatte: Bladewarrior, der Magenta seinen neuesten Fang zeigen wollte. Und wieder würde Magenta ihn freundlich aber bestimmt durch die geschlossene Tür abweisen. Manchmal fragte sie sich wirklich, wie lange dieses Spiel wohl noch gehen sollte. Dort unten lauerten sämtliche Dorfschönheiten darauf, auch nur einen halbwegs leidenschaftlichen Blick des jungen Kriegers auf sich zu ziehen, und er hatte nichts Besseres zu tun, als vor Magentas verschlossener Tür zu stehen. Irgendwie erinnerte er sie dabei an den alten Hofhund, den sie zu hause gehabt hatten. Egal wie oft man ihn getreten hatte, er war trotzdem immer wieder zurückgekommen. Vermutlich weil er nicht wusste, wo er sonst hingehen sollte. Eigentlich hätte die Hexenmeisterin gerne wieder ein bekanntes Gesicht gesehen, das keine Hörner und keinen Ziegenbart hatte, doch sie fürchtete sich davor, was Fierneth anstellen würde, wenn sie in die Nähe des Kriegers kam. Das konnte und wollte Magenta nicht riskieren und so blieb sie, wo sie war, mit einer massiven Tür zwischen sich und Blade. „Magenta?“ Bladewarriors Stimme klang erwartungsvoll. „Mach auf und sieh dir mal an, was ich heute gefunden habe.“ „Ähm.“, machte Magenta und versuchte sich eine sinnvolle Ausrede auszudenken. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und die Tatsache, dass sie gerade nicht angemessen bekleidet war, klangen inzwischen selbst in ihren Ohren ziemlich abgedroschen. Andererseits galt das vielleicht nicht für denjenigen auf der anderen Seite der Tür. „Ich kann gerade nicht.“, sagte sie mit der Inbrunst der Überzeugung, „Ich habe wirklich ganz schreckliche Kopfschmerzen.“ „Dann solltest du vielleicht einmal an die frische Luft gehen.“, bemerkte Bladewarrior erstaunlich scharfsinnig. „Ich bin die ganze Zeit draußen und habe nicht ein bisschen Kopfschmerzen. Naja außer, wenn mich wieder so ein Murloc am Kopf erwischt.“ „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen also doch das Denkvermögen.“, murmelte Magenta und fügte lauter hinzu: „Später vielleicht. Leg es doch einfach zu deiner Sammlung, dann schaue ich es mir irgendwann mal an.“ „Du hast sie gesehen?“ Verdammt. „Ja, habe ich. Beeindruckend, wirklich. Vielleicht solltest du deinen Erfolg mit ein paar der Mädchen da unten feiern gehen.“ „Was für Mädchen?“ Oh dunkle Mächte, gebt mir Kraft! „Die, die unter meinem Fenster stehen. Ihr Gekicher macht mich ganz krank und meine Kopfschmerzen werden immer schlimmer. Sei doch so gut und geh mit ihnen was trinken, ja?“ „Ist gut.“ Bladewarriors schwere Stiefel ließen die hölzerne Treppe knarren, als er wieder zurück in den Schankraum ging. Stöhnend ließ sich Magenta wieder auf ihren Stuhl fallen und massierte ihre Schläfen. Dass sie dabei ihrer ehemaligen Lehrmeisterin äußerst ähnlich sah, fiel ihr gar nicht auf. „Ich hatte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde.“, meinte sie zu Pizkol. „Aber ich hoffe wirklich, dass Risingsun bald wiederkommt.“ „Das erzähl ich ihr. “, feixte der Wichtel und lachte meckernd, als Magenta mit einem Buch nach ihm warf. Sie griff noch nach einem zweiten Wurfgeschoss, doch dann überlegte sie es sich anders. Mit einem finsteren Blick in Richtung des Fensters, unter dem jetzt das Geturtel einer der Auserwählten zu hören war, steckte Magenta ihre Nase wieder tief in ihr Buch und versenkte sich in den Abgründen der schwarzen Magie. Der Geruch von Blut und Waffenöl lag in der Luft und mischte sich mit den herben Ausdünstungen der Zuschauer und dem schweren Aroma des in Strömen fließenden Alkohols zu einer elektrisierenden Mischung. Abbefarias Herz begann schneller zu schlagen, obwohl auf der sandbedeckten Fläche vor ihnen außer ein paar Goblins, die die Spuren des letzten Kampfes beseitigten, nichts zu sehen war. Von überall drangen Rufe an sein Ohr, Wetten wurden abgeschlossen, die Vorzüge und Nachteile verschiedener Kämpfer entweder im Geheimen oder in lauten Streitgesprächen verglichen und über allem quäkten immer wieder die kleinen Kästen neue, unwichtige Meldungen der Goblins, die einzig den Zweck zu haben schienen, die Zuschauer noch länger auf den großen Kampf warten zu lassen. Und wie durch Zufall wuselten kleine, grüne Gestalten durch die Ränge und verkauften zu unverschämten Preisen Getränke und etwas, das Ratte am Spieß hätte sein können, wenn es nicht so viele Beine gehabt hätte. Die Plätze, die die Nachtelfen und Emanuelle besetzten lagen in einer günstigen Position auf den hölzernen Bänken, die sich in schräg ansteigenden Kreisen um den eigentlich Kampfplatz zogen. Von ihrem Standort aus konnten sie die gesamte Arena überblicken, liefen jedoch nicht Gefahr selbst in das Kampfgeschehen verwickelt zu werden wie die Zuschauer in den unteren Reihen. Gleichzeitig wurde ihr Leben aber auch nicht durch die mehr als abenteuerliche Konstruktion bedroht, mit der die Goblins in den äußeren Ringen mehr Sitzreihen übereinander gestapelt hatten, als es die normalen Gesetze der Schwerkraft erlaubt hätten. Doch diese technischen Details gingen lediglich Emanuelle durch den Kopf, die insgeheim immer noch mit der Idee eines Geflügelisierers beschäftigt war. Nur weil es das Gerät noch nicht gab, hieß das ja nicht, dass sie es nicht trotzdem erfinden konnte. Sie würde nur irgendwo genügend Hühner für ihre Versuchszwecke beschaffen müssen. „Da, es geht los.“, verkündete Deadlyone und zeigte nach vorn. Der Schurke war nicht der Einzige, der das Geschehen in der Arena aufmerksam beobachtet hatte und so ging ein Jubelschrei durch die Menge, als die Gladiatoren endlich die Arena betraten. Zumindest ein Teil von ihnen. Mit der Betonung auf ein. Eine einzelne Trollfrau war auf den Sandplatz getreten und sah sich lässig in den Reihen der Zuschauer um. Der größte Teil ihrer bläulichen Haut war nicht verdeckt, wenn man einmal von einem giftgrünen Stoffleibchen absah, das mit Mühe ihre privatesten Stellen verhüllte. An den langen Armen und Beinen trug sie schmale Lederschnüre, die mit Perlen und Federn verziert waren, und breitere Lederbänder, die die Handgelenke und Knöchel schützten. Schimmernde Amulette um ihren Hals spiegelten die sengende Sonne, während ihr Gesicht hinter einer mit einem grimmigen Gesicht bemalten, hölzernen Maske verborgen blieb. Das Einzige, das man von ihrem Kopf wirklich erkennen konnte, war die violette Haarmähne, die wie ein brennender Busch hinten vom Schädel abstand. Die Trollin trat vor, verlagerte das Gewicht auf eine Seite und stemmte eine Hand in die Hüfte. „Ich bin mal gespannt, was das werden soll.“, brummte Easygoing. „Seht mal, dort kommen ihre Gegner.“ Gegenüber der Trollin nahmen nun drei Streiter Aufstellung. Der Erste schien, seiner grellen Robe nach zu urteilen, ein Magier zu sein. Der Mann grüßte überschwänglich in die Runde und sandte seinem Gegenüber eine unmissverständliche Geste. Er würde sie töten, bevor sie auch nur drei Schritte gemacht hatte. Der zweite war in schwere Rüstung gekleidet und trug ein riesiges Breitschwert, als wäre es ein Zahnstocher. Stahlharte Muskeln spielten unter der von unzähligen Narben übersäten Haut, als der menschliche Krieger neben dem Magier Aufstellung nahm. Als letztes betrat eine große, schlanke Gestalt die Arena, die die Nachtelfen besonders aufmerken ließ. Neben dem Vertreter ihres Volkes kroch ein riesiges, schwarz gepanzertes Tier über den Boden, über dessen Rücken sich ein kräftiger Schwanz mit einem gefährlichen Giftstachel in die Höhe reckte. Die mächtigen Scheren des Skorpions klappten ungeduldig auf und zu, während der Lärm der Menge ins Unermessliche zu steigern schien. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die unter den Zuschauern angestaute Aggression entladen würde. Das oder sie würden endlich einen Kampf zu sehen bekommen. Als wäre dies auch den Goblins klar geworden, verkündeten die kleinen Kästen in diesem Moment: „DAS ARENA-MATCH BEGINNT IN DREI-ZWEI-EINS… KÄMPFT!“ Sofort erklang ein urzeitliches Brüllen. Der Krieger packte sein Schwert mit beiden Händen und stürmte ohne zu zögern auf die wartende Trollin zu. Wenn er sie erreichte, würde er sie unweigerlich mit nur einem Schlag in zwei Hälften zerteilen. Er kam näher und näher und…hüpfte plötzlich auf ziemlich kurzen, grünen Beinen vorwärts. Verwirrt durch die plötzliche Änderung der Größenverhältnisse blieb er stehen und sah an sich herab. „Quak?“, machte der Frosch und glubschte aus hasserfüllten, goldgesprenkelten Augen zu der Trollin empor. „Das für wirst du bezahlen, Hexe!“, rief der Magier und begann einen Zauber zu wirken. Eisige Winde zogen durch die Arena, als sich ein gewaltiger Energieball zwischen den beschwörenden Händen des Magiers bildete. Er hob sie um die tödliche Macht auf die Trollin loszulassen, als ihn etwas am Kopf traf. Die gesammelte Energie verpuffte ungenutzt, während der Magier sich an die blutende Stirn fasste. Benommen taumelte er einen Schritt vorwärts und dann noch einen, bevor er stöhnend im Sand zusammenbrach. Wie aus dem Nichts erschien eine weitere Trollin neben ihm. Schwarzes Leder brachte ihre Kurven zur Geltung und ihre Haut war von unzähligen Tätowierungen überzogen. Sie zogen sich von ihren Schenkeln über ihren Rücken bis hinauf zu ihrem Hals und an den kahlgeschorenen Seiten ihres Kopfes entlang, den lediglich ein schmaler Streifen rostroter Borsten zierte. Das grobe Gesicht mit den nach vorn abstehenden Hauern verzog sich zu einem bösartigen Grinsen. „Man sagt, der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch seinen Magen.“, raunte sie dem Magier ins Ohr, bevor sie ihm ihren wellenförmig geschliffenen Dolch in den Oberkörper rammte. „Aber ich bevorzuge den direkten Weg durch die Rippen.“ Achtlos ließ sie den sterbenden Mann zu Boden fallen und fauchte den Nachtelfen an, als dieser einen Hagel Pfeile in ihre Richtung sandte. Mit einiger Mühe wich sie den meisten von ihnen aus, doch zwei der Geschosse durchbohrten ihre Schulter und ihren Oberschenkel. Augenblicklich ging die Trollin in die Knie, während ihr herabstürzendes Blut den Sandboden tränkte. Auf einen Wink des Jägers stürzte der Skorpion mit erhobenen Scheren auf sein Opfer zu. Die erste Trollin sah das und reagierte sofort. Sie eilte einige Schritte vor und begann einen Zauber zu wirken, um ihrer Kameradin beizustehen. Dabei ließ sie den verwandelten Krieger aus den Augen. Mit einem Puff verflog die Verhexung und an Stelle des harmlosen Frosches stand wieder der Krieger mit seinem Breitschwert. Der Mann fuhr zu der abgelenkten Trollin herum und hob kampfbereit seine Waffe. „Das wirst du bereuen, Schlampe!“, presste er zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor und ging zu einem direkten Angriff über. Er kam zwei Schritte weit, bevor sich mit einem Mal unzählige Wurzelstränge in rasender Geschwindigkeit an seinen Beinen emporschlängelten. Er fiel und sofort wurden auch seine Hände gefesselt, bis der Mann mehr wie ein Gestrüpp denn wie ein menschliches Wesen wirkte. Ein großer Schatten setzte über ihn hinweg, wurde kleiner und bekam vier Pfoten. Eine gefleckte Raubkatze sprintete in unglaublichem Tempo auf die verletzte Trollin zu, die auf allen Vieren auf die todbringende Ankunft des Skorpions erwartete. Kurz bevor sie sie erreichte, verwandelte sich die gelbe Katze erneut und eine große, behaarte Gestalt mit Hörnern nahm ihren Platz ein. „Schlaf!“, wisperte sie und die dreifingrigen Hände machten einige beschwörende Gesten in Richtung des angreifenden Skorpions. Die Bewegungen des Tiers wurden langsamer und langsamer, bis es schließlich mit einem rasselnden Geräusch stehen blieb und sich auch auf energisches Rufen seines Meisters hin nicht mehr vom Fleck rührte. Der Nachtelf fuhr wütend zu der Taurin herum, die zwischen den beiden agilen Trollfrauen wie ein schwerfälliges Monster wirkte. Ein Monster, mit einem hellbraunen Fell und sanften, braunen Augen, die sich erschrocken weiteten, als sie sahen, dass der Jäger einen tödlichen Schuss auf sie anlegte. Kein noch so beherzter Sprung und keine Verwandlung würde sie noch vor dem Geschoss retten können. Ein Schrei der verletzten Trollin gellte durch die Arena, als sie etwas Kleines, Rundes zwischen ihre Kameradin und den Jäger warf. Es explodierte und ein heller Blitz blendete alle in seiner Reichweite. Mit tränendem Blick versuchte der Jäger noch seinen bereits anvisierten Schuss abzugeben, aber ein Tritt ließ ihn haltlos zurück taumeln, bis er fiel und sein Ziel endgültig aus den Augen verlor. „Ich gebe auf.“, hustete er, als sich ein Schatten über sein Gesicht legte. „Danach hat niemand gefragt.“, geiferte die Trollin und wechselte ihren Dolch in die Hand des unverletzten Arms. „Mach dich darauf gefasst vor deine Vorfahren zu treten.“ Sie wollte schon zustoßen, als jemand ihr Handgelenk umfasste und festhielt. „Nicht. Er ist geschlagen.“ Die Taurin sah aus, als sei es ihr ernst mit ihrem Einwand. „Es liegt keine Ehre darin einen Gegner zu töten, der bereits am Boden liegt.“ „Du wirst das…“, begann die Trollin, als ihr Gesicht plötzlich erstarrte und ihr Arm kraftlos herabsank. Aus ihrem Rücken ragte der Stachel des Skorpions. „Rührseliges Gesäusel.“, spuckte der Nachtelf der fassungslosen Taurin entgegen. „Stirb!“ Der Jäger zog eine handtellergroße Axt aus seinem Gürtel und holte damit zum Schlag aus. Aus dieser geringen Entfernung konnte selbst eine so kleine Waffe zur tödlichen Gefahr werden. Die Taurin wusste das und handelte sofort. Mit einer blitzschnellen Bewegung, die gar nicht zu dem großen Wesen zu passen schien, hob sie den behuften Fuß und trat dem Nachtelf dorthin, wo es wehtat. Ein gemeinschaftliches Stöhnen ging durch die Zuschauerränge, als der Nachtelf mit einem erstickten Laut zur Seite kippte. Die Taurin beachtete den sich vor Schmerzen Windenden nicht länger und fesselte stattdessen den Skorpion mit denselben Ranken an den Boden, die schon den Krieger festgehalten hatten. Dann legte sie der verletzten Trollin die Hände auf die Brust und versuchte die Ausbreitung des Giftes in deren Körper zu stoppen, bevor es zu spät war. In dem Moment, wo die Aufmerksamkeit der Taurin sich dem Jäger und seinem Begleiter zuwandte, entließen sie den vor Wut schäumenden Krieger wieder in die zweifelhafte Freiheit der Arena. Misstrauisch machte er einen vorsichtigen Schritt und grinste dann, als nichts passierte. „Jetzt bist du dran.“, schwor er der Trollin mit der Maske, die ein kehliges Lachen hören ließ. „Viele Muskeln, wenig Hirn.“, spottete sie. „Das sind mir die liebsten. Also gut, Mensch, bringen wir es hinter uns. Erlebe eine neue Dimension von Schmerzen.“ Ein blaues Licht hüllte den Krieger ein, der das Gefühl hatte, als würde sich ein glühender Dolch in seinen Kopf bohren. Gleichzeitig lähmte eine eigenartige Schwäche seine Glieder, so als bewege er sich durch zähflüssigen Teer anstatt durch Luft. Doch auch das konnte ihn nicht mehr aufhalten. Die gewaltigen Muskeln arbeiteten und Schweiß tropfte von seiner Stirn, aber er kam der Trollin unaufhaltsam näher. Fluchend löste sie ihren Zauber und brachte sich mit einem beherzten Sprung in Sicherheit. Das Schwert des Kriegers lief ins Leere und scharrte mit einem kratzenden Laut über den hartgebacknenen Sandboden. „Du hast keine Chance.“, lachte der Krieger und setzte der Trollin nach. Er verbannte all die Schmerzen, die seinen Körper und seinen Geist anzugreifen versuchten, aus seiner Wahrnehmung und konzentrierte sich einzig auf sein fliehendes Ziel. Von blinder Kampfwut getrieben ignorierte er alle Gefahren und wurde er zu einem tödlichen Geschoss, das durch nichts aufzuhalten war. Schließlich trieb er die Trollin an einer Seite der Arena in die Enge. Keuchend stand er vor ihr, der Schweiß lief in seine Augen und sein Blick trübte sich bereits, als sich die Trollin lächelnd zu ihm umdrehte. „Jetzt stirbst du.“, versprach er und spuckte Blut auf den Boden. Sein Atem rasselte in seiner Brust. „Du fühlst dich nicht so gut, nicht wahr.“, säuselte die Trollin. „Ist dir heiß oder kalt? Ist es das Fieber oder schon die eisige Klaue des Todes, die nach deinem Herzen greift?“ Anstatt zu antworten hob der Krieger sein Schwert. Er schüttelte den Kopf und legte all seine verbliebene Kraft in einen letzten Angriff. Die Trollin hob beschwörend die Hände und plötzlich stand statt ihrer eine geisterhafte, dunkle Gestalt vor dem Krieger. Schatten umwehten sie wie ein flüchtiges Gewand, während sie die Hand hob und mit den ausgestreckten Fingern direkt auf den Krieger zeigte. „Hasch'kah!“, fauchte das Schattenwesen und der Dolch im Kopf des Menschen verwandelte sich in ein flammendes Schwert, das sämtliches Bewusstsein auslöschte. Kraftlos sackte die mächtige Gestalt in sich zusammen, während ihre Körperfunktionen versagten. Zurück blieb ein zuckendes, in einer Lache aus Blut und Urin liegendes Etwas, das an seiner eigenen Spucke erstickte, weil es vergessen hatte, wie man atmet. Wie gebannt verfolgte Abbefaria die Vorgänge in der Arena. Erst schien es fast, als hätte das weibliche Arena-Team gewonnen, doch dann wurden gleich zwei von ihnen außer Gefecht gesetzt. Der Furcht einflößende Krieger hingegen war immer noch auf den Beinen und auch wenn die Trollin mit der Maske ihm mit ihren Zaubern schon zuzusetzen schien, konnte es sich nur um eine Frage der Zeit handeln, bis er sie aufschlitzte. Tatsächlich gewann der Mensch an Boden und trieb die Trollin vor sich her durch die halbe Arena. Endlich stellte er sie und holte mit seinem Schwert zu einem gewaltigen Schlag aus. Abbefaria hielt unwillkürlich die Luft an, als jemand ihn vehement am Ärmel zupfte. Ärgerlich fuhr er zu dem Störenfried herum. „Ich glaube, wir haben ein Problem.“, piepste Emanuelle aufgeregt und deutet in Richtung des Mittelganges. Dort waren mehrere Goblins zusammen gelaufen und sahen sich suchend um. Sie trugen fast ausnahmslos die stachelbewehrte Kluft der Wachen von Gadgetzan bis auf ein Ausnahmen: ein glatzköpfiger Goblin in einer viel zu weiten Leinenrobe. Der Goblin schnatterte auf die Wachen ein und deuteten immer wieder in ihre Richtung. Abbefaria fluchte lautlos. „Freunde, wir sind entdeckt worden.“ Easygoings Kopf ruckte in die Höhe und erfasste die Situation sofort. „Verdammt! Machen wir, dass wir hier wegkommen.“ Die Nachtelfen wollten sich schon erheben, als sie auf der anderen Seite der Bankreihe einen weiteren Haufen Wachen erblickten. Sie befanden sich in Begleitung ein recht aufgebracht aussehenden Goblins mit einer roten Mütze. Als er die Nachtelfen entdeckte, begann auch er kreischend und zeternd in ihre Richtung zu gestikulieren. „Das sieht nicht gut aus.“, murmelte Ceredrian. „Ich würde sagen, wir geben lieber auf. Eventuell lassen Sie uns die Schulden einfach begleichen.“ „Kommt nicht in Frage.“, knurrte Easygoing. „Bevor ich mich von so einem Haufen grüner Ratten abführen lasse, sterbe ich lieber im Kampf.“ Mit diesen Worten verwandelte er sich in einen Bären und ging sofort zum Angriff über. Bei dem Versuch in der Enge der Zuschauermenge eine der Goblinwachen mit den Pranken zu erwischen, stieß er einen zweiköpfigen Oger an, dessen Köpfe gerade gleichzeitig mit Essen und Trinken beschäftigt waren. Der Oger kämpfte mit rudernden Armen um das Gleichgewicht und ließ dabei seinen Becher fallen, der seinen Inhalt über einen breitschultrigen Ork entlud. Dieser holte daraufhin blindlings aus und traf einen der Imbissverkäufer mit einem so gewaltigen Schlag, dass dieser über die halbe Tribüne flog und auf dem Schoß einer Zwergin landete. Die zögerte nicht lange und konterte den vermeintlichen Angriff mit einem gezielten Axtwurf und dann brach die Hölle los. Ein Geräusch weckte Magenta. Sie war irgendwann mit dem Kopf auf den Tisch gesunken und als sie ihn jetzt wieder hob, zierten eine tiefe Falte und das Wort ’htoroX’ ihre Stirn. „Was zum…“, grunzte sie und wankte zum Fenster. Das Hufgetrappel, das sie geweckt hatte, war inzwischen verstummt. Stattdessen hörte man leises Gemurmel, das Klirren einer Rüstung und schließlich eine Stimme, die sagte: „Ich schon gespannt, was Magenta sagen zu diese Fund.“ Magenta musste unwillkürlich lächeln. Sie konnte sich schon richtig vorstellen, wie Abumoaham mit leuchtenden Augen vor ihr stand, um ihr glänzende Juwelen und leuchtendes Geschmeide umzulegen, das er in irgendeiner vergammelten, alten Truhe gefunden hatte. Ihr Lächeln gefror jedoch, als sie die Stimme von Risingsun hörte, die sagte: „Magenta? Ich glaube nicht, dass sie damit etwas anfangen kann. Wir sollten lieber gleich zu Magistrat Maleb damit gehen. Er ist ein kluger Mann und weiß sicher besser als irgendsoeine…“ Wütend knallte Magenta den Fensterladen zu und stand dann schwer atmend im Zimmer. Wie konnte diese Paladina es nur wagen, ihren Schmuck einfach so abzuliefern. Was erwartete die denn? Einen Finderlohn? Den natürlich sie einstecken würde? Ha! Am liebsten hätte Magenta irgendetwas an die Wand geworfen. Wahllos griff sie nach einem der Bücher und holte aus. Ein seltsames Gefühl, fast wie ein Kribbeln unter der Haut beschlich sie. Aus den Augenwinkeln sah sie zu dem Buch in ihrer Hand hinauf und wurde sich bewusst, dass sie den Foliant der Kabale gegriffen hatte. Dieses teuflische Skript hatte während ihrer Studien ständig wie eine dicke, hässliche Kröte auf dem Tisch gesessen und sie spöttisch angegrinst. Angefüllt mit den abgründigsten Geheimnissen hatte es diese sorgfältig für sich behalten und Magenta damit zum Wahnsinn getrieben. Und selbst jetzt schien es sie auszulachen. „Miststück.“, fluchte Magenta und war sich selbst nicht sicher, ob sie Risingsun oder das Buch damit meinte. Sie ließ den Folianten wieder auf den Tisch fallen und raffte ihre Robe zusammen. Was immer Abumoaham auch mitgebracht hatte, es gehörte ihr und niemand würde es ihr wegnehmen. Wie eine Furie stürmte Magenta die Treppe hinunter und aus dem Gasthaus. Ohne nach rechts und links zu schauen überquerte sie den Dorfplatz und hielt direkt auf das Rathaus zu. Zwei Wachen an den Türen wollten gerade nach ihren Waffen greifen, doch da war die aufgebrachte Hexenmeisterin schon an ihnen vorbei in die Ratsstube gestürmt. Der Raum war groß. An den Wänden standen etliche Bücherregale, dazu ein schwerer, hölzerner Schreibtisch mit einem ebensolchen Stuhl. Daneben gab es mehrere kleinere Stühle, auf denen wahrscheinlich Besucher oder Ratsmitglieder saßen, wenn sie sich mit dem Magistrat berieten. Ein roter, wenngleich auch schon etwas abgetretener Teppich bedeckte den Boden und über einem Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte, hing ein Bärenkopf. Die Augen des ausgestopften Tieres funkelten tückisch und sein weit aufgerissenen Rachen erweckte den Anschein, als wolle er direkt von der Wand herunter auf diejenigen springen, die sich vor dem Kamin versammelt hatten. „…und das fanden wir bei ihnen.“, erklärte Risingsun gerade, als die Tür mit einem kräftigen Schlag gegen die Wand flog. „Finger weg, das gehört mir!“, rief Magenta quer durch den Raum. Die Anwesenden drehten sich erstaunt zu ihr um. Einer von ihnen, ein Mann in einer dunklen Robe, hielt eine aufgerollte Pergamentrolle in Händen. Jetzt ließ er sie sinken und sah Magenta missbilligend an „Darf ich erfahren, wer diese junge Dame ist.“, fragte er an Risingsun gerichtet. „Mein Name ist Magenta.“, erklärte Magenta. „Und ich bin…ich wollte…ich…“ Ihre Augen versuchten irritiert irgendetwas zu finden, das zu wollen sich lohnte und somit ihren Auftritt erklären konnte. Doch das Einzige, das von Interesse zu sein schien, war diese vergilbte Papierrolle. Magenta schwante Übles. „Magenta! Es schön dich zu sehen.“ Die Hexenmeisterin ließ sich von Abumoaham in eine Umarmung ziehen und erwiderte seinen Kuss flüchtig. „Du gehört? Wir gefunden geheimen Brief. Wir gerade wollten rufen Lehrmeister Dibbs für Übersetzung.“ „Ein Brief?“ Magenta versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Ja. Wir vermuten, es sich handeln um geheime Pläne von Syndikat.“, erklärte Abumoaham weiter und wies auf den Mann mit der Pergamentrolle. „Magistrat Maleb vermuten, sie ihn wollen lassen umbringen.“ Der Magistrat nickte ernst. „Es würde zu diesen Verbrechern passen, mich aus dem Weg räumen zu wollen, sowie sie es auch schon mit meinem Amtsvorgänger getan haben. Doch vielleicht steckt auch noch etwas anderes dahinter. Wir werden den Brief entschlüsseln müssen, um es herauszufinden.“ „Und daher wirst du hier wohl kaum eine große Hilfe sein.“, fügte Risingsun hinzu und lächelte hinreißend. „Du hast da übrigens was auf der Stirn.“ Irritiert durch diesen Einwand vergaß Magenta, was sie hatte sagen wollen. Möglichst unauffällig versuchte sie, was auch immer ihr Gesicht verunzierte, zu entfernen. Das Ergebnis war eine feuerrote Stirn und ein schmutziger Robenärmel. In diesem Moment betrat Lehrmeister Dibbs den Raum. Er war ein bedächtig wirkender Mann mit grauen Haaren und einem ebensolchen Schnurrbart. Er trug eine graue Robe mit wenigen, goldenen Verzierungen und einen Stab, an dessen Ende ein großer, farbloser Kristall befestigt war. Auf Magenta wirkte es, als wäre der Mann unter einer dicken Schicht Spinnenweben verborgen. Doch der Schein schien zu trügen. Als er Abumoaham und Risingsun sah, begannen seine Augen zu leuchten. „Ah, Ihr seid zurück. Habt Ihr die Bücher gefunden? Und war Der Arm von Gri’Lek dabei? Diese alte Troll-Legende könnte sich als unheimlich wertv…“ „Dibbs.“ Der Magistrat unterbrach den grauen Mann mit einem entschlossenen Gesicht. „Euer Wissensdurst in allen Ehren, mein alter Freund, doch wir haben gerade ein dringlicheres Problem als die Erforschung der Geschichte. Diese beiden Helden trafen bei ihrer Reise auf ein Lager des Syndikats. Geistesgegenwärtig ergriffen sie die Gelegenheit beim Schopf und brachten einige geheime Dokumente dieses Abschaums an sich. Nun wollen wir herausfinden, was in diesem Pergament geschrieben steht. Könnt Ihr es lesen?“ Lehrmeister Dibbs griff nach der Pergamentrolle und besah sie sich von allen Seiten. Er drehte und wendete sie, hielt sie gegen das Licht einer Kerze, kniff die Augen zusammen und schüttelte dann den Kopf. „Es tut mir leid, aber diese Verschlüsselung ist mir unbekannt. Sieht fast aus wie eine der ganz alten Runenschriften. Ich fürchte, dass meine Kenntnisse dieser Technik nicht ausreichen werden, um den Text zu entschlüsseln.“ Magenta, die nun ebenfalls einen Blick auf den Text werfen konnte, kamen die Zeichen auf dem Brief seltsam bekannt vor. Ihr war fast so, als hätte sie sie gerade erst in einem der Bücher gesehen, die sie in den letzten Tagen studiert hatte. Wenn sie in der Lage wäre, den Brief zu übersetzen, würde das Risingsun bestimmt einen gehörigen Dämpfer verpassen. Sie wollte schon den Mund aufmachen, als ihr Magistrat Maleb zuvorkam. „Was schlagt Ihr also vor, Meister Dibbs.“, fragte er ernst. „Ich habe einen Kollegen in Ironforge. Ich bin mir sicher, dieser Zwerg ist genau der Mann, an den ihr Euch wenden müsst. Ausgrabungsleiter Stormpike ist Experte für alte Runenschriften.“ „Stormpike?“, rief Risingsun aus. „Ist das nicht der Zwerg, der uns damals nach Loch Modan geschickt hat?“ „Ihr kennt ihn?“ Lehrmeister Dibbs wirkte erfreut. „Dann wäre es vielleicht eine gute Idee, wenn Ihr den Brief zu ihm bringen und ihn um eine Übersetzung bitten würdet.“ „Das vielleicht nicht so gute Idee…“, begann Abumoaham, der sich offensichtlich noch gut daran erinnerte, dass sie den Auftrag des Ausgrabungsleiters zwar ausgeführt, seinem Kollegen Ironband jedoch die Hilfe auf der Suche nach seinem verschwundenen Kollegen verweigert hatten. Magenta unterbrach ihn geistesgegenwärtig. „Natürlich bringen wir diesen Brief nach Ironforge.“, sagte sie und unterdrückte ein Grinsen. „Es wäre uns eine große Ehre. Ich bin mir sicher, Ausgrabungsleiter Stormpike ist genau der richtige Mann dafür.“ Mit einem stillen Triumphgeheul beobachtete Magenta, wie sich Risingsuns Gesicht zunächst ungläubig verzog und dann einen Hauch von Rot bekam. Immerhin war es die Paladina gewesen, die damals den Auftrag von Ironband zurückgewiesen hatte. Magenta war gespannt, wie sie das dem Ausgrabungsleiter erklären wollte, wenn er sie danach fragte. Und noch etwas war wichtig daran, dass sie sich mit Stormpike trafen: Der Zwerg befand sich in Ironforge und das war genau der Ort, an den Magenta so schnell wie möglich mit einem gewissen, halben Folianten gelangen wollte. „Dann es also beschlossen.“, beschied Abumoaham. „Wir morgen reisen nach Ironforge.“ „Wunderbar.“, sagte Lehrmeister Dibbs. „Dann kann ich heute Nacht noch Eure Funde aus dem Alteracgebirge sichten und katalogisieren. Vielleicht sind einige von Ihnen es wert, dass sie Euch auf Eurer Reise begleiten.“ Magenta hörte, wie Risingsun irgendetwas von „wandelnde Bibliothek“ vor sich hin murmelte und dann unter vorwurfsvollem Rüstungsklappern nach draußen stürmte. Es sah aus, als hätte die Feder diese Runde gegen das Schwert für sich entschieden. Befriedigt machte sich die Hexenmeisterin auf den Rückweg zum Gasthaus. „…weiterhin schwere Sachbeschädigung, Täuschung einer Amtsperson, gewalttätiges Verhalten, Widerstand gegen die Goblingewalt…“, verlas ein Goblin in einem schwarzen Anzug eine fast einen halben Meter lange Liste, die sämtliche Vergehen der Nachtelfen auflistete. Man hatte sie irgendwann aus dem Chaos der Tribüne herausgefischt und als die eigentlichen Urheber des Tumults erkannt. So kam eines zum anderen und jetzt befanden sie sich in der unglücklichen Lage, verhaftet, gefesselt - und in Emanuelles Fall auch geknebelt - der Gerechtigkeit des Chefs der Wachen von Gadgetzan ausgesetzt zu sein. Dieser Goblin sah trotz der geringen Größe seines Volkes und der aus verschiedenen Schrottteilen zusammengesetzten Rüstung nicht aus, als wäre es ratsam, ihn zu verärgern. Ungeduldig wippte er auf den Füßen vor und zurück, bis die Liste endlich ein Ende fand, und schnarrte dann: „Blutrünstige Piraten, dreiste Wasserdiebe, marodierende Riesenkäfer und Amok laufende Oger…und ihr WAGT ES MICH HIERHER ZU RUFEN WEGEN EINEM DAHERGELAUFENEN HAUFEN VON NACHTELFEN? Glaubt ihr denn, ich hätte nichts Besseres zu tun, ihr hohlköpfigen Sandratten? Nehmt ihnen ihre Wertsachen ab und werft sie dann heute Nacht vor die Tür. Irgendwas von da draußen wird schon ankommen und sie zerfleischen, das spart uns die Beseitigungskosten. Und jetzt an die Arbeit! Wir haben eine Stadt zu führen.“ „Aber Boss, sie haben keinerlei Wertsachen bei sich.“, wagte es eine der zitternden Wachen vorzubringen. Sie zog den Kopf ein, als sie ein stahlharter Blick traf. „Dann tötet sie eben gleich und verfüttert sie an die Raptoren und Reitwölfe. Fleisch ist immerhin auch teuer, nicht wahr?“ Sogleich zogen mehrere Wachen ihre Waffen, um den Befehl in die Tat umzusetzen. „Halt!“, bellte da plötzlich eine weibliche Stimme. Die Köpfe der Anwesenden ruckten herum. Die Sprecherin verlagerte ihr Gewicht auf eine Seite und stemmte eine Hand in die Hüfte. Es war die Gladiatorin mit der Maske. Sie trug jetzt eine tief ausgeschnittene Robe in Grün- und Gelbtönen, deren Muster das stilisierte Abbild einer Spinne zeigte. Ihre langen Arme waren mit etlichen, goldenen Reifen geschmückt, die bei jeder Bewegung leise klingend aneinander stießen. Ohne das Gekreisch und Geschrei der Arenazuschauer konnte man jetzt auch den eigenartigen Akzent hören, der ihrer Stimme etwas Exotisches verlieh und aus allem, was sie sagte, eine Art Singsang machte. „Ich habe ebenfalls Ansprüche an diesen Elfen anzumelden.“ „Ansprüche welcher Art?“ Es war unverkennbar, dass der Chef der Wachen von dem Einwand der Trollin so viel hielt wie vom Furz eines Sandflohs. „Wegen dieser Störenfriede wurde unser Arenakampf nicht anerkannt und die Siegprämie nicht ausbezahlt. Ich verlange daher eine Entschädigung.“ Die tätowierte Trollin trat wie ein Schatten hinter der ersten hervor. Ihre Wunden waren nur notdürftig verbunden, aber in ihren Augen blitzte bereits wieder die Kampfeslust. „Genau. Sie sollen bezahlen.“, fauchte sie und zog einen Dolch. „Shaol!“ Die erste Trollin hob warnend die Hand, woraufhin die zweite die Waffe senkte und wieder einen Schritt zurücktrat. Hinter dem Rücken der Maskenträgerin fasste sie die Nachtelfen ins Auge und zog ihre Klinge in einer unmissverständlichen Geste über ihren Hals. Dabei streifte die Schneide ihre Halskette, an der eine Reihe von spitzen Zähnen hing, die Abbefaria auf beunruhigende Weise bekannt vorkamen. „Verehrte Shadra“, begann der Goblin und machte ein gezwungen höfliches Gesicht. „Ihr und Eure Schwester mögt vielleicht einen Ruf als Gladiatorinnen haben, doch die Ansprüche der Goblins wurden vor Euren festgestellt und daher kann ich Eurer Bitte nicht nachkommen.“ „Spar dir dein Gesäusel, Bilgewhizzle. Das zieht bei mir nicht.“ Die Trollin deutete auf die Gefangenen. „Entweder ich bekomme meinen Anteil oder Gadgetzan hat uns heute das letzte Mal als Kämpfer gesehen.“ Die Trollin lehnte sich vor, so dass dem Goblin ein tiefer Blick in ihren Ausschnitt gewährt wurde. „Habe ich mich da klar ausgedrückt?“ Sicherheitschef Bilgewhizzle räusperte sich vernehmlich. „Sicher. Nur fürchte ich, dass bei ihnen nicht viel zu holen ist.“ „Das lass meine Sorge sein.“, entgegnete die Trollin und schnippte mit den Fingern. Sogleich zog die zweite Trollin erneut ihren Dolch. „Shaol, geh und schneide ihnen die Ohren ab. Sie sollten in Ogrimmar einen guten Preis erzielen.“ Plötzlich wusste Abbefaria, woher ihm die Zähne an der Halskette bekannt vorkamen. Es waren Eckzähne von Nachtelfen. Instinktiv begann er ebenso wie seine Freunde gegen die Fesseln zu kämpfen, während die Trollin mit einem grausamen Lächeln näher kam. Sie blieb vor Ceredrian stehen, setzte dem Nachtelfen den zweizehigen Fuß auf die Brust und fixierte ihn so am Boden. Ihre Zunge glitt aufreizend über das Metall ihrer Waffe. „Mit dir fange ich an.“, gurrte sie und griff nach seinen Ohren. „Nein bitte!“ In Ceredrians Stimme schwang ein Hauch von Panik mit, als er sich direkt an die Maskenträgerin wandte. „Ihr müsst uns glauben, wir wollten Euren Kampf nicht stören. Im Gegenteil haben wir uns doch den Zugang zur Arena nur erschlichen, um Euch kämpfen zu sehen, edelste aller Wüstenblumen.“ „Edel, eh?“, die Trollin mit der roten Haarquaste ließ ein kehliges Lachen hören. „Vielleicht sollte ich ihm den ganzen Kopf abnehmen, Shadra. Er würde sich bestimmt gut in deiner Sammlung machen.“ Die erste Trollin schob ihre Schwester zur Seite und beugte sich zu Ceredrian herab. Sie schob ihre Maske zurück und starrte ihn aus eng zusammenstehenden, gelben Augen an. Zwischen den gerunzelten, haarlosen Brauen saß eine breite Nase, die fast an die Spitze ihrer Stoßzähne stieß, die aus den Mundwinkeln nach oben ragten. „Weißt du, wie man Schrumpfköpfe macht?“, fragte sie mit einem maliziösen Grinsen. Sie fuhr Ceredrian mit den Fingern durch die Haare. Dann packte sie plötzlich zu und zog seinen Kopf in den Nacken, so dass er ihr seine Kehle darbot. Mit einem Finger fuhr sie über seinen entblößten Hals. „Natürlich weißt du es nicht. Aber ich weiß es. Wenn man die richtigen Zutaten benutzt, ist er nach der Behandlung sogar noch in der Lage zu sprechen. Was meinst du, würde dir das gefallen, Nachtelf? Wärst du gerne mein nächster Schrumpfkopf?“ „Wenn ich so für immer in der Nähe Eurer bezaubernden Gestalt bleiben könnte, so wäre mir dieses Schicksal mehr als willkommen.“ Die Trollin verbreiterte ihr Lächeln und kam noch näher, so dass ihr Atem jetzt Ceredrians Gesicht streifte. Ein herber, wenn auch nicht unangenehmer Geruch umwehte sie. Sie verstärkte den Griff in seinen Haaren und zerrte ihn so auf die Füße. Aufrecht stehend war sie ebenso groß wie er. „Jetzt hör mir genau zu, Elf. Ich werde dir deine frechen Augen ausstechen, deine Fingernägel mit Holzsplittern spicken und schließlich deine Familienjuwelen mit einem stumpfen Messer abschneiden und sie dir zu fressen geben. Wenn du dann noch im Stande bist, Süßholz zu raspeln…“ In ihrer freien Hand zog sie einen Dolch aus dem Gürtel, mit dem sie langsam über seine Wange fuhr, gerade fest genug um die Haut zu ritzen. Ceredrian verzog keine Miene, als sie das austretende Blut mit ihrer langen Zunge auffing. „…dann werde ich mir vielleicht überlegen, dich am Leben zu lassen.“ „Ein interessanter Vorschlag.“, erwiderte Ceredrian und lächelte hintergründig. „Aber ich denke, ich habe da einen besseren.“ Seine Fesseln fielen plötzlich von ihm ab, seine Hand schnellte vor, umfasste den Arm der Trollin und zog sie an sich. Schwarze Schatten begannen über seine Finger zu tanzen und leckten an der Haut der Trollin. Fauchend wollte sie sich von ihm losreißen, als sie der Wunde auf seinem Gesicht gewahr wurde. Der Schnitt, den sie ihm beigebracht hatte, verschwand vor ihren Augen, als hätte es ihn nie gegeben. Stattdessen begann ein dünnes, rotes Rinnsal aus der Nase der Trollin zu laufen. Mit der freien Hand griff sie danach und starrte auf ihre blutbefleckten Finger. Ihre Augen wurden schmal und ein Ausdruck von Gier glomm darin auf, als sie Ceredrian direkt ins Gesicht blickte. Sie zog die Oberlippe nach oben und entblößte dabei ihr eindrucksvolles Gebiss. „Du willst also spielen? Gut. Sollst du haben. Ich bin immer für ein Geplänkel zu haben, besonders wenn es mit scharfen Waffen ausgetragen wird.“ Shadra lachte und befreite sich mit einem Ruck aus Ceredrians Umarmung. Ohne den Nachtelfen aus den Augen zu lassen, wandte sie sich an den Anführer der Wachen. „Ich werde ihn mitnehmen, Bilgewhizzle. Solange ich dir nichts anderes mitteilen lasse, hälst du seine Kameraden gefangen. Sollte er sich als interessant erweisen, werde ich ihre Schulden begleichen. Wenn nicht…“ Sie grinste und winkte ihrer Schwester erneut. Die verstand sofort und trat hinter Ceredrian. Ein kräftiger Stoß gegen seine Beine ließ den Nachtelf auf die Knie sinken. Mit flinken Fingern legte die Trollin ihm ein Halsband mit einer Leine aus geflochtenem Leder um den Hals. „Du bist es besser wert.“, schnurrte sie ihm in seine langen Ohren und fuhr mit der Zunge an ihrem Rand entlang. „Shadra wird ihrer Spielzeuge meist schnell überdrüssig. Aber vielleicht kannst du sie ja überraschen.“ Lachend zog sie mit einem kräftigen Ruck an der Leine, der Ceredrian auf alle Viere zwang. „Shaol!“ Shadras Stimme war wie ein Peitschenknall, unter dem alle Anwesenden zusammenzuckten. Die Trollin kam zu ihrer Schwester und entwand ihrer Hand die Leine. „Er gehört mir. Hilf lieber Kolenya und sorge dafür, dass der Hufschmied sich an die Abmachung hält. Ich möchte heute keine weiteren Störungen. Verstanden?“ „Ja, Schwester.“, zischte die tätowierte Trollin mit gebleckten Zähnen. Sie warf Ceredrian und den übrigen Nachtelfen noch einen wilden Blick zu und war einen Augenblick später in den länger werdenden Schatten verschwunden. Shadra hingegen wandte sich wieder zu Ceredrian um und zog mit einer fast zärtlich anmutenden Geste an der ledernen Leine. „Und nun zu dir…lass uns uns ein wenig unterhalten. Da lang!“ Gehorsam setzte Ceredrian sich in die angewiesene Richtung in Bewegung. Er sagte leise etwas, woraufhin die Trollin anzüglich grinste und ihn mit einem Schlag auf den Hintern zu höherem Tempo antrieb. Mit ungläubigen Blicken verfolgten die anderen Nachtelfen das Geschehen. Keiner von ihnen sagte etwas, bis die beiden verschwunden waren und Deadlyone schließlich herausplatzte: „Hat sie wirklich gesagt, sie will sich unterhalten?“ „Ja hat sie.“, antwortete Easygoing und knurrte den Goblin an, der dem Druiden seinen Säbel in die Seite bohrte, damit er aufstand. „Dann hoffe ich nur, dass Ceredrian seine schnelle Zunge einzusetzen weiß, bevor dieses Weib sie ihm abbeißt.“, murrte der Schurke und ließ sich ebenso wie der Rest der Gruppe in etwas abführen, das andernorts vermutlich als Hundezwinger benutzt worden wäre. Es war nicht viel höher als ein stehender Goblin und so waren die Nachtelfen gezwungen, sich auf die Knie niederzulassen, um überhaupt durch die Tür zu kommen. Eine Tatsache, die von den umstehenden Wachen wortreich und hämisch kommentiert wurde. „Macht´s euch nicht zu gemütlich.“, grinste einer der Wärter. „Morgen ist wieder großer Kampftag, da werden wir dieses Etablissement für neue Gäste brauchen. Wünschen wohl zu ruhen, die Herrschaften.“ Damit ließ er die Käfigtür hinter ihnen ins Schloss fallen und drehte einen vielfach verzahnten Metallschlüssel mehrmals im Schloss. Er rüttelte noch einmal an der Tür und schlenderte dann pfeifend von dannen. Kaum war er um die Ecke gebogen, machte sich Deadlyone an dem Schloss zu schaffen. Der Schurke holte aus irgendwelchen geheimen Verstecken seiner Kleidung einige Drahtstücke hervor und versuchte damit, die Tür wieder zu öffnen. Einige Zeit später warf er fluchend die Überreste seines Werkzeugs in den Sand und ließ sich neben seinen Bruder fallen. „Verdammte Ratten.“, zischte er. „Allesamt Halsabschneider, aber von Schlössern verstehen sie etwas." „Dann werden wir wohl eine Weile hier bleiben.“, sagte Emanuelle, der man inzwischen den Knebel wieder abgenommen hatte. Die Gnomin gähnte zierlich und rollte sich dann in einer Ecke zusammen. Kurz darauf wurde ihr Atem gleichmäßiger und sie war eingeschlafen. „Beneidenswert.“, brummte Easygoing und schob sich selbst in eine einigermaßen bequeme Position. Zwischen Gittern hindurch konnten er und die übrigen Nachtelfen beobachten, wie die sternenreiche Nacht heraufzog, die rußenden Fackeln in den Gassen entzündet und wieder gelöscht wurden und die Bewohner von Gadgetzan sich schließlich zur Ruhe begaben. Währenddessen blieb ihnen nicht viel anderes übrig, als mit schmerzenden Knochen und knurrenden Mägen auf den nächsten Morgen zu warten und den Tag zu verfluchen, an dem sie auch nur einen Fuß in eine Goblinstadt gesetzt hatten. „Du mich vermisst?“, fragte Abumoaham. Der Magier hatte seine Robe abgelegt und stand nun in einem einfachen Hemd und wollenen Hosen hinter Magenta. „Ja sicher.“, antwortete Magenta leichthin. Sie war dabei ihre Habseligkeiten in ihren Rucksack zu stopfen und stellte fest, dass sich ihr Habe um etwa die dreifache Menge vervielfacht zu haben schien. „Ich brauche eine größere Tasche“, murrte sie und begann erneut, das Gepäck umzuschichten. „Ich dich auch vermisst.“, murmelte Abumoaham und legte Magenta die Hände auf die Schultern. Einen Moment lang war die Hexenmeisterin versucht sie abzuschütteln, doch dann drehte sie sich mit einem unterdrückten Seufzer um und zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Entschuldige.“, sagte sie und legte die Arme um den Magier. „Ich bin einfach nur beunruhigt wegen dieser Schriftrolle. Ich habe so ein Gefühl, dass da mehr dahinter steckt.“ „Wirklich?“, erwiderte Abumoaham und zog Magenta an sich. Er platzierte einen Kuss auf ihrem Haar. „Weißt du, manchmal ich müde zu erleben all diese Abenteuer. Ich gemerkt, ich nicht wollen sein ohne dich. Und Buch mit Trolllegende mir gezeigt, ich vermissen Stranglethorn. Wenn diese Abenteuer vorbei, du dann kommen mit mir dorthin?“ „Für immer?“, rutschte es Magenta heraus. Sie merkte, wie ihr Kopf heiß wurde und sie drückte Abumoaham schnell an sich, damit er ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Du bereit wärest, für immer mitzukommen?“, beantwortete der Magier ihre Frage mit einer Gegenfrage. „Ich…“ Magenta wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte noch so viele Pläne. Keine konkreten Pläne, nur eben das unbestimmte Gefühl, dass dort draußen noch jede Menge Interessantes auf sie wartete. Andererseits war ein ruhigeres Leben, in dem einem nicht ständig irgendwelche Riesen, Monster und Drachen bedrohten, bestimmt nicht zu verachten. Sie könnten sich eine kleine Hütte am Strand bauen, abends die endlosen Strände entlang wandern, sich von Früchten und Fischen und ab und zu einem Stück selbst gefangenem Wild ernähren. Keiner würde ihre magischen Studien bemerken und sie könnte unbemerkt zu einer der mächtigsten… „Wir könnten leben bei meine Stamm auf Insel Yoyomba.“ Magentas Traum von einem Leben am Strand bekam einen gehörigen Knacks, als sie sich vorstellte, mit Kleidern aus Palmblättern und einem Knochen im Haar zwischen Dutzenden von schnatternden Trollfrauen zu sitzen und Schlangen abzuhäuten. Dazu würden unzählige, plärrende Trollkinder um sie herumlaufen, während die Männer sich irgendwo mit irgendwelchem Mojo berauschten. Ihr war, als würden zwei Stimmen in ihrer Brust darüber streiten. Du übertreibst, redete sie sich selbst ein. So schlimm würde es nicht sein. Aber was ist, wenn doch? Aber ihr liebt euch doch, was können ein paar Trolle da schon ausmachen? Ja, da hast du wahrscheinlich Recht. Aber… Du kannst immer nur meckern, meckern, meckern. Tut mir leid. Jetzt sag ihm, dass du dich freust. „Das klingt wirklich wunderbar.“, sagte Magenta endlich und brachte ein halbwegs akzeptables Lächeln zustande. „Doch lass uns zuerst einmal sehen, wohin uns dieses Abenteuer noch verschlägt. Danach gehen wir dann nach Stranglethorn.“ Abumoaham strahlte über das ganze Gesicht. „Ich liebe dich.“, flüsterte er und strich Magenta eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. „Ich dich auch.“, antwortete Magenta. Denke ich. Abbefaria fuhr mit dem sicheren Gefühl beobachtet zu werden aus dem unruhigen Schlaf hoch, der ihn irgendwann wohl doch übermannt haben musste. Er zwang sich, keine hektischen Bewegungen zu machen, sondern drehte stattdessen langsam den Kopf zur Tür ihres Gefängnisses. Zu seiner Verwunderung stand sie offen und in ihrem Rahmen lehnte eine dem Druiden wohlbekannte Gestalt. „Cere?“ Abbefarias Stimme war ein nahezu lautloses Flüstern. Sein Hals war ausgetrocknet und fühlte sich rau an. „Ja sicher.“, antwortete sein Gegenüber und gähnte. „Wer wohl sonst würde hier einfach so hereinspaziert kommen im Besitz von dem hier?“ Der Priester hielt einen metallischen Gegenstand hoch und klimperte demonstrativ damit, bevor er ihn Abbefaria zuwarf. Der Druide fing den Schlüssel auf und erkannte ihn als denjenigen wieder, der ihnen gestern die Freiheit geraubt hatte. „Woher hast du den?“, wollte er wissen. „War´n Geschenk.“, nuschelte der Priester und gähnte wieder. „Los, weck die anderen und dann nichts wie weg hier.“ Abbefaria betrachtete den anderen Nachtelfen genauer und mit jeder Einzelheit, die ihm seine nachtaktiven Augen offenbarten, wurde sein Grinsen breiter. Die Haare des Priesters waren zerzaust und hingen lose in unordentlichen Strähnen über seine Schultern herab. Seine Robe war an einigen Stellen zerrissen und wurde nur nachlässig von einem Gürtel um seine Hüften zusammen gehalten. Dort, wo die Haut des Priesters sichtbar war, zeigten sich Kratzer, Schnitte und etwas, das Abbefaria als Bisswunden identifizierte. Seine Schuhe fehlten; stattdessen trug ein einen großen Beutel bei sich, in dem es verdächtig nach dem Schaben von Metall auf Metall klang. „Harte Nacht gehabt?“, hörte Abbefaria sich fragen, ohne es verhindern zu können. Ceredrian verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. „Könnte man so sagen.“ „Sag bloß, diese Wildkatze hat dich geschafft.“, brummte die Gestalt neben Abbefaria und Easygoing streckte sich genüsslich auf dem Rücken aus. „Sieht dir gar nicht ähnlich, Cousin. Du solltest an deiner Kondition arbeiten. Dass du dich mal von einer Frau so fertig machen lässt…“ Der Priester schoss einen unergründlichen Blick auf den großen Druiden ab. „Wer spricht denn von einer Frau.“, erwiderte er mit gekräuselten Lippen, drehte sich um und stapfte von dannen, ohne sich noch einmal umzusehen. Easygoing zog eine Augenbraue nach oben. „Also gut, er hat mich beeindruckt. Ein bisschen. Aber wenn du ihm das sagst, bist du die längste Zeit mein Freund gewesen.“ „Seit wann sind wir Freunde?“, stichelte Abbefaria zurück und konnte die Erleichterung darüber, dass dieser Alptraum offensichtlich tatsächlich ein Ende hatte, nicht verbergen. Er und die anderen beeilten sich, dem Priester zu folgen, wobei Easygoing Emanuelle, die weiterhin tief und fest schlief, kurzerhand auf den Arm nahm. Als sie bei Ceredrian ankamen, hätte er die Gnomin jedoch fast fallen lassen. Der Priester war dabei den Sack auszuleeren, den er mitgebracht hatte. Vor seinen Füßen stapelten sich verschiedenartige Messer, zwei Bögen, eine wuchtige Armbrust sowie ein gutes Sortiment an Wurfsternen und eine stachelgespickte Keule. „Was ist das?“, verlieh Deadlyone der allgemeinen Verwirrung der Nachtelfen Ausdruck. „Das sind Waffen, das sieht man doch.“, antwortete Ceredrian. „Hier fang.“ Geschickt fing Deadlyone den Dolch auf, den Ceredrian ihm zuwarf. „Pass doch auf.“, fauchte er. „Ich sehe selbst, dass das Waffen sind. Aber woher?“ „Sie waren ein Geschenk.“, erwiderte der Priester ohne aufzusehen. „Von Shaol. Der Schlüssel war von Shadra. Wir sind frei, müssen Gadgetzan aber vor Sonnenaufgang verlassen.“ „Und das?“, beharrte der Schurke auf einer Antwort und wies mit ausgestrecktem Arm auf etwas, das hinter Ceredrian stand. Das Etwas hob den breiten, gehörnten Kopf und grunzte zur Begrüßung. Vier Beine wie Baumstämme saßen an einem wuchtigen Leib, auf dessen Rücken ein Sattel geschnallt war. Es wirkte wie ein lebendig gewordenes Erdbeben und klang auch so, als es einen Schritt nach vorne macht, um mit gespitzten Lippen einen einsamen Grashalm abzurupfen. „Das ist ein Kodo.“, erklärte Ceredrian. „Sag bloß, das war auch ein Geschenk.“, sagte Easygoing verblüfft und betrachtete das Tier eingehend. „Ich habe von ihnen gehört. Sie leben in großen Herden auf den Grasebenen in Mulgore. Der Heimat der Tauren.“ In der darauf entstehenden Stille hätte man ein Sandkorn fallen hören. Fragende Blicke richteten sich auf den Priester, der diese nur mit einem wissenden Lächeln beantwortete. Deadlyone klappte ein paar Mal den Mund auf und zu, doch mehr als ein japsender, erstickt klingender Laut war nicht von dem Schurken zu hören. Easygoing hatte inzwischen beide Augenbrauen bis unter den Haaransatz hochgezogen und Abbefaria betrachtete höchst interessiert den Sand zu seinen Füßen. Vermutlich hätte dieser Zustand noch eine Weile angedauert, wenn nicht plötzlich ein hohes Gähnen die Lautlosigkeit unterbrochen hätte. Emanuelle setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den blauen Augen. Sie streckte sich ausgiebig und besah sich dann müde blinzelnd die Szene, die sich ihr bot. Ihr Blick blieb an dem riesigen Tier hängen, das wiederkäuend hinter ihren Freunden stand. „Oh, ein Kodo.“, murmelte sie und rutschte von Easygoings Arm. Die Gnomin trippelte an den zu Salzsäulen erstarrten Nachtelfen vorbei zu dem gigantischen Tier, dem sie gerade bis zur Kniescheibe reichte, und betrachtete es ausgiebig. „Ich hab mir immer schon mal gewünscht auf einem zu reiten.“, erklärte sie und sah strahlend zu Ceredrian auf. „Man hat mir erzählt, es wäre, als würde sich die Erde unter einem bewegen. Wie schnell ist so eins wohl?“ „ Ich weiß nicht genau.“, antwortete Ceredrian ehrlich. „Aber Hustender Fisch sagte, es wäre ein Rennkodo.“ „Hustender Fisch?“, heulte Deadlyone auf und warf händeringend die Arme in die Luft. „Ich kriege die Bilder schon nicht mehr aus meinem Kopf und jetzt auch noch der Name. Erschießt mich bitte und weckt mich erst wieder, wenn wir in Feralas sind.“ Allgemeines Gelächter war die Antwort auf diesen Ausbruch. Die Nachtelfen beluden das Kodo, setzten Emanuelle auf seinen Rücken und machten sich dann von den Wachen unbehelligt auf den Weg aus der Stadt in Richtung der Bergkette, die die tanarische Wüste von der Schimmernden Ebene trennte. „Alle sein fertig?“ Abumoaham blickt erwartungsvoll in die Runde, die sich vor dem Gasthaus eingefunden hatte. Neben im stand Magenta, die es irgendwann doch noch geschafft hatte, ihre Habseligkeiten in ihren jetzt zum Bersten gefüllten Rucksack zupacken. Ganz zu unterst schlummerte der Foliant der Kabale. Sie hatte erwogen, Abumoaham von dem Buch zu erzählen, es sich dann aber doch anders überlegt. Er würde es vermutlich sowieso nicht verstehen. Neben ihr ächzte Bladewarrior ebenfalls unter einer Ladung Gepäck. Der Krieger war wild entschlossen, mit den Dingen, die er den Murlocs abgenommen hatte, eine Menge Geld zu verdienen. Dass niemand für den kunstlosen Schund auch nur ein Kupferstück bezahlen würde, wollte er dabei ebenso wenig wahrhaben wie die Tatsache, dass er mit dem Dreizack auf seinem Rücken absolut lächerlich aussah. Sein Streit mit Risingsun darüber hatte etwa so ausgesehen: „Warum trägst du einen Dreizack?“ „Es ist eine gute Waffe.“ „Ja, eine Stangen waffe. Krieger sollten so etwas nicht tragen.“ „Warum nicht?“ „Weil…“ An diesem Punkt des Gesprächs hatte die Paladina zwar erwogen, mit dem Krieger weiter über Kraftübertragung, Hebelwirkung und Parieren sowie die Möglichkeit, ein Schild zu tragen, zu diskutieren, hatte es dann aber doch bei einem schlichten Augenrollen belassen, weswegen Bladewarrior jetzt ein bisschen aussah wie ein Murloc ehrenhalber. Nur ohne Schuppen und Rückenstacheln. Risingsun schließlich trug außer ihrer Rüstung und ihren Waffen nichts und weigerte sich auch strikt, mit irgendjemandem außer Abumoaham zu reden. Dem Magier jedoch schenkte sie jetzt ein hinreißendes Lächeln und flötete: „Also meinetwegen können wir los.“ „Dann ich jetzt beschwören Portal nach Ironforge.“ Mit großen Gesten und absonderlich klingenden Formeln begann Abumoaham zwischen den Portalrunen, die er am Boden platziert hatte, hin und her zu laufen. Er machte dabei den Eindruck, einen höchst komplizierten Zauber zu wirken, der sein ganzes Können erforderte. Magenta lachte leise in sich hinein, wusste sie doch, dass die Portalmagie ihre Fähigkeiten zwar überstieg, das große Gehabe zur Beschwörung jedoch nicht nötig war. Das diente vermutlich nur dazu, die Bewohner von Southshore zu beeindrucken, die sich um den Dorfplatz herum versammelt hatten, um den Fremden bei der Abreise zuzusehen. Bei nicht wenigen von ihnen handelte es sich um junge Damen, von denen sich wiederum ein guter Teil mit Taschentüchern in allen Farben die Tränen abwischte, während sie hofften, dass Bladewarrior sich doch noch im letzten Moment dazu entscheiden würde, in der Küstenstadt zu verweilen. Als das schimmernde Portal sich schließlich öffnete und den Anwesenden einen Blick auf die große Schmiede und die glühenden Hochöfen der Hauptstadt der Zwerge gewährte, war es jedoch der junge Krieger, der als Erster seine Sachen schulterte und durch die magische Öffnung trat. Risingsun salutierte noch einmal in Richtung des Magistrats, der diese Geste mit einem wohlwollenden Nicken quittierte, und trat dann ebenfalls die Reise nach Ironforge an. Magenta und Abumoaham gingen schließlich gemeinsam durch das Portal. Für einen Moment war Magenta völlig orientierungslos. Farben und Formen wirbelten um sie herum und ein Druck lastete auf ihren Ohren, der sich erst nach mehrmaligem Schlucken wieder löste. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich die grüne, sanfte Hügellandschaft des Vorgebirges von Hillsbrad in die Halle der Mysterien von Ironforge verwandelt. Magenta war gegen ihren Willen beeindruckt von der Schönheit und der Eleganz des Gebäudes. Die Wände waren aus ebenmäßigen Steinen errichtet, der Fußboden wies geheimnisvoll verschlungene Ornamente auf und die Säulen der Halle waren mit blauem Marmor verkleidet, der mit goldenen Verzierungen durchzogen war. An den Wänden führte eine breite Wendeltreppe in die höheren Gefilde, zu denen Nicht-Magier keinen Zutritt hatten. Staunend blieb die Hexenmeisterin stehen und betrachtete die verschwenderische Pracht, während die anderen bereits zielstrebig die Halle verließen. Ein Magier in einer üppig verzierten Robe eilte auf die Hexenmeisterin zu. „Macht den Weg frei!“, rief er und wedelte mit den Armen. „Ihr könnt doch nicht einfach auf der Portalplattform stehen bleiben. Wisst Ihr, was wir hier für einen Verkehr haben? Magier aus allen Landesteilen teleportieren sich auf diesen einen Punkt und Ihr steht hier rum und haltet Maulaffen feil. Los los! Macht, dass Ihr da wegkommt!“ Magenta war versucht, aus reinem Trotz stehen zu bleiben, doch sie wusste, dass der Mann Recht hatte. Abumoaham hatte ihr erklärt, dass per Magiergesetz das Teleportieren nur zu ganz bestimmten Orten in den Hauptstädten gestattet war. Vor dem Erlass dieses Gesetzes hatte es offensichtlich zu viele Zwischenfälle gegeben, in denen Magier an Stellen aufgetaucht waren, an die sie nicht gehörten. Fremde Schlafzimmer und Schatzkammern zum Beispiel oder massive Wände. Das Gesetzt diente somit sowohl der Sicherheit der Magier wie auch der übrigen Bevölkerung. Trotzdem konnte Magenta nicht umhin, sich an dem arroganten Ton des fremden Magiers zu stören. Es war ja schließlich nicht so, als wenn sie nicht auch in Begleitung eines Magiers hier erschienen wäre. Mit einem wütenden Schnauben warf Magenta ihren Rucksack auf den Rücken und wollte die Portalzone schon verlassen, als etwas ihre Aufmerksamkeit erregte. Es war so etwas wie ein blauer Lichtfunken, der etwa einen halben Meter vor ihr in der Luft schwirrte. Er glühte und funkelte und ließ kleinere Funken zur Erde schweben. Neugierig trat die Hexenmeisterin näher. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als sie die Magie hinter dem Funken spürte. Was immer das auch war, es bot Zugang zu einer unheimlichen Kraftquelle. „Was macht Ihr denn da? Weg sagte ich.“ Die Stimme des fremden Magiers überschlug sich förmlich. Ärgerlich wendete sich Magenta zu ihm um, um ihm eine geharnischte Antwort zu verpassen, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Es war eine Art Summen, dass sich zu einem tosenden Brausen steigerte, in dem irgendwo ein Schrei zu hören war. Ein Schrei, der schneller näher kam. „Was zum…“, entfuhr es Magenta, als sie sich herumdrehte und den Funken betrachtete. Nur, dass der Funken jetzt kein Funken sondern ein ausgewachsenes, magische Leuchtfeuer war, aus dessen Mitte ein Schatten auf sie zuflog. Magenta riss gerade noch rechtzeitig die Arme nach oben, da prallte bereits etwas gegen sie, das Tonnen zu wiegen schien. Sie wurde von der Wucht des Aufpralls nach hinten geschleudert, ihr Kopf schlug gegen die marmornen Steinplatten, so dass sie nur noch Sterne sah und etwas unglaublich Schweres lastete plötzlich auf ihrer Brust. Magenta, die sofort an eine Rückkehr des Teufelsjägers dachte, versuchte voller Panik, das Ding von sich runter zu schieben, als eine Stimme über ihr sagte: „Aye, wenn das mal keine Überraschung ist.“ Magenta blinzelte ungläubig. „Schakal?“ Das bärtige Gesicht des Zwergs zog sich grinsend in die Breite. „In voller Lebensgröße. War ein ziemlich holpriger Flug, dafür war die Landung weich. Wusste gar nicht, dass du jetzt unter die Magier gegangen bist.“ „Bin ich auch nicht.“, grunzte Magenta und schob den Zwerg entschlossen von sich runter. „Aber wo kommst du her? Ich dachte, du suchst im Ödland nach verschollenen Zwergen.“ „Aye, und ich dachte, ihr sucht im Alteracgebirge nach verschollenen Büchern. So kann man sich irren. Aber ich bin dafür, wir bereden das bei etwas zu essen und einem ordentlichen Bier. Meine Kehle ist von dieser abscheulichen Art zu reisen schon ganz trocken.“ „Halt, keine Bewegung!“ Der hektische Magier, den Magenta nun schon zum wiederholten Male irgendwo in die tiefsten Kellegewölbe von Ironforge wünschte, richtete einen drohenden Zeigefinger auf Schakal. „Dies ist ein nicht angemeldeter Teleport. Meine Aufgabe ist es, alle Ankommenden zu katalogisieren. Und Ihr seid nicht auf meiner Liste.“ „Dann wird Euch das hier interessieren.“, antwortete Schakal gelassen und zog eine gewichtig aussehende Pergamentrolle aus seinem Revers. Sie trug ein Siegel, das Magenta schon irgendwo einmal gesehen hatte. Es war ein Auge, unter dem drei Dolche zu Boden zeigten. „D-d-das ist…“, stotterte der Magier, der das Siegel ebenfalls gesehen hatte. „Ein Brief vom Bürgermeister von Ambermill, Meistermagus zweiter Kategorie und Mitglied der Kirin Tor. Mit den besten Grüßen. Und er lässt ausrichten, dass sie dort oben ein wenig Hilfe gebrauchen könnten. Vielleicht solltet Ihr das Schreiben daher jemandem bringen, der wichtig genug ist, um irgendwas zu entscheiden.“ „So-sofort.“, stammelte der Magier mit bleichem Gesicht und machte auf dem Absatz kehrt. Kurz vor der Tür verschwand er mit einem Plopp und von der anderen Seite der Tür war ein lautes Scheppern zu hören. Kopfschüttelnd sah Schakal ihm nach. „Magier.“, brummte er. „Was bin ich froh, dass ich endlich wieder zu hause bin.“ „Wem sagst du das.“, seufzte Magenta und gemeinsam machten sich daran, den Rest der Gruppe und ein gutes Wirtshaus zu finden. Immerhin gab es eine ganze Menge spannender Geschichten zu erzählen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)