Seelenschatten von Maginisha (wenn das Dunkel sich erhebt) ================================================================================ Kapitel 3: Schatten ohne Gesicht -------------------------------- Crawling (Linkin Park) Crawling in my skin These wounds, they will not heal Fear is how I fall Confusing what is real There's something inside me that pulls beneath the surface Consuming, confusing This lack of self control I fear is never ending Controlling Schatten ohne Gesicht Harry hätte am liebsten nach der Hand geschlagen, aber er tat es nicht. Er starrte zu Boden und ignorierte, dass Rons Mutter immer noch vor ihm stand und beruhigend auf ihn einredete. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und versuchte seine Tränen zu verstecken. Dann atmete er ein paar Mal aus und ein und rappelte sich schließlich hoch, ohne jedoch nach Mrs Weasleys Hand zu greifen. „Aber Harry, Junge, du bist ja ganz weiß im Gesicht. Was ist denn nur…“ Sie verstummte und trat neben ihn. „Was zum… Oh nein. Arthur. ARTHUR! Komm sofort hierher, aber lass die Kinder da.“ Harry fühlte, dass sie ihn umdrehte und ihm in Gesicht sah. „Bist du verletzt? Was ist denn nur passiert. So antworte doch. Oh du armer Junge.“ Sie plapperte weiter vor sich hin und Harry war viel zu geschockt von den letzten Minuten um an ernsthafte Gegenwehr zu denken. Undeutlich nahm er wahr, dass sich nun auch Rons Vater näherte, an ihnen vorbei ging und sich dann offensichtlich zu der toten Frau herab beugte. Er wand sich aus der Umarmung und stellte sich neben Rons Vater. Der sah zu ihm hoch und fragte mit belegter Stimme: „Was ist hier passiert, Harry?“ Er schluckte und begann mit erstaunlich ruhiger Stimme zu sprechen. „Ich bin hier so durch die Gegend gelaufen und dann war da diese Frau. Sie hat irgendwas erzählt aber das war eigentlich nur zusammenhagloses Zeug. Als sie um die Ecke ging, bin ich ihr nach und da war sie schon tot.“ Was dann noch geschehen war, ließ er aus. Was hätte er auch erzählen sollen? Dass die Frau sehr wohl mit ihm gesprochen hatte und das nicht nur wirres Zeug? Dass er einem Schatten nachgejagt hatte, weil er geglaubt hatte, Sirius sei noch am Leben? Dass er die gesamte Welt hätte in Stücke schlagen können, weil es nicht so war? Aber war das überhaupt die Wahrheit? Er hatte doch seine Freunde, die dort standen und sich Sorgen um ihn machten, die für ihn da waren. Musste er nicht glücklich darüber sein? Gab es nicht viele, denen es viel schlechter ging, als ihm selber? War er nicht selbstsüchtig, dass er einfach so davonrannte, obwohl er wusste, dass sie sich wieder Sorgen um ihn machen würden? Als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, verblasste der Schmerz um die Erinnerung an Sirius und sein Gewissen regte sich mehr und mehr. Er war wirklich ein Idiot, sich hier herumzutreiben. Wenn er nicht so dämlich in die Nacht gestürzt wäre, dann müssten die Leute, die alles für ihn tun würden, jetzt nicht hier stehen und sich mit der Leiche einer Fremden befassen. Wenn er nicht so wäre, wäre das alles nicht passiert. Jetzt hieß es, sich zusammenzureißen, wenn er es nicht noch schlimmer machen wollte. Einige ältere Zauberer drängten sich nun an der kleinen Gruppe vorbei und traten ebenfalls neben den am Boden liegenden Körper. Einer von ihnen, Harry hatte grob das Gefühl ihn schon mal gesehen zu haben, sprach leise mit Mr. Weasley und sah dabei mehrmals zu Harry herüber. Rons Vater schüttelte immer wider den Kopf und wurde von Mal zu Mal lauter mit seiner Antwort. Anscheinend wurde Harry von dem Mann verdächtigt, mit dem Tod der Frau etwas zu tun zu haben. Schließlich stand Mr. Weasley auf und sagte: „Ich denke, das klärt am besten eine Untersuchungskommission. Ich werde mich darum kümmern. Bis dahin rührt hier keiner was an.“ Er ging auf Harry zu und murmelte: „Sag am besten gar nichts. Die sind ganz wild darauf dich mal wieder auf die Titelseite zu kriegen. Aber ich werde Dumbledore informieren. Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das schon wieder hin.“ Dann lächelte er wenig überzeugend und verschwand in der kleinen Menge, die sich schon an der Ecke gebildet hatte. Harry sah wieder hinüber zu der Frau und erstarrte. Hinter dem Mann, der immer noch die Leiche untersuchte, stand ein Schatten und sah ihn an. Er fühlte wie sich seine Nackenhaare sträubten. Die Realität schien einfach einen Schritt zur Seite zu machen um ihn schon wieder dem Schrecken dieser namenslosen Kreatur auszuliefern. Doch diesmal zögerte der Fremde, sah ihn nur an, mit einer Art wissenschaftlichem Interesse, mit dem man vielleicht einen Käfer betrachten würde, der sich auf der Nadel windet, auf die man ihn so eben aufgespießt hatte. Am liebsten hätte Harry geschrieen: „Dann komm doch und hol mich endlich!“, aber es kam kein Laut über seine Lippen. Alles wäre ihm lieber gewesen, als diese schreckliche Ungewissheit, das Warten, das bewegungslose Ausharren, während der Unbekannte einen musterte wie ein Stück Vieh auf der Schlachtbank. Aber sein Tod schien nicht das Interesse dieses Wesens zu sein, denn es löste seine Umklammerung und gab Harry wieder frei. Ron stand mit einem Mal neben ihm; seine sprichwörtliche Neugier schien größer zu sein als die Furcht vor seiner Mutter. „Harry, was ist denn nur los?“, wollte er wissen. „Was ist denn passiert und…“ Bevor Harry es verhindern konnte, war Rons Blick auf die leblose Frau gefallen und der Rest seines Satzes endete in einem heiseren Quietschen. Als auch noch Hermine auf sie zukam, löste sich Harry endlich aus seiner Starre. Nicht auch noch Hermine. Das würde er nun wirklich verhindern, obwohl das Mädchen es wahrscheinlich noch besser wegstecken würde als sein rothaariger Freund, der immer noch um Luft rang. Er nahm Ron beim Arm und zog Hermine im Vorbeigehen mit sich. „Da gibt es nichts zu sehen außer einer weiteren Leiche auf dem Weg des schrecklichen Harry Potter.“, versuchte er die Situation mit Galgenhumor zu entspannen. Es war erschreckend, wie einfach das doch war, wenn man einfach nicht darüber nachdachte, was man tat. Hermine sah ihn aus traurigen Augen an. „Oh, Harry, das tut mir so leid. Wenn wir doch nur da gewesen wären.“ Er versuchte ruhig zu bleiben und sie nicht anzuschreien, dass sie dann auch nichts hätten unternehmen können, weil eben nichts zu unternehmen gewesen war. Aber er schwieg und ließ ihre Umarmung über sich ergehen. Sie meinte es ja nur gut. Wie immer. Wie auch vorhin mit dem Geschenk. Eigentlich war es sowieso alles ihre Schuld… Er rief sich zur Ordnung. Das hatten seine Freunde nicht verdient. Sie waren nicht schuld daran. Niemand hatte ihm gesagt, er solle blindlings davonlaufen, in die Nebenstraßen der Winkelgasse gehen und sich mit einer Frau treffen, die dann tot zusammenbrach. Harry merkte, wie sich seine Gedanken schon wieder anfingen im Kreis zu drehen und versuchte krampfhaft dagegen an zu arbeiten, was sein schlechtes Gewissen seinen Freunden gegenüber nur noch größer machte, woraufhin sich die Spirale nur noch schneller drehte. Die Ankunft mehrerer Ministeriums-Zauberer, die mit einem leisen Knall vor ihren Füßen apparierten, rettete ihn vor weiteren Schuldgefühlen. Er wurde beiseite genommen, einer der Männer fing an, seine Aussage auszunehmen und irgendwie erinnerte das Ganze ziemlich an einen billigen Fernseh-Krimi, denen Harry bei seinen wenigen Fernseh-Abenden mit den Dursleys schon nichts hatte abgewinnen können. Dass er jetzt mittendrin steckte, machte die Sache nicht besser, bis er sich bewusste wurde, dass er anscheinend einer der Hauptverdächtigen für diesen Todesfall war. Auch seine Freunde wurden befragt und irgendwann wurde die Leiche der Frau dann abtransportiert. Mr. Weasley stieß wieder zu ihnen und fragte den anderen Zaubere knapp: „War es das jetzt, Markus. Die drei sind müde und gehören schon längst ins Bett. Ich werde sie erstmal mit zu mir nehmen. Das wird das Ministerium ja wohl gestatten.“ „Sicher, Arthur. Aber du kannst die Regeln. Sorg dafür dass sie eingehalten werden, wenn du keine Schwierigkeiten willst.“ Damit drehte sich der Mann um, jedoch nicht ohne noch einmal einen abschätzigen Blick auf Harry zu werfen. Offensichtlich war er nicht unbedingt davon überzeugt, dass Harry die Wahrheit sagte, was in gewisser Weise ja sogar stimmte. Er hatte zumindestens Teile davon weggelassen, die ihn mit Sicherheit auf direktem Weg ins St.Mungos befördert hätten. Irgendwie musste mit einem Mal an einen Satz denken, den Ron gesagt hatte, als sie herausfanden, dass er Parsel sprach: „Es ist keine sehr verbreitete Gabe. Harry, das ist schlecht. “ Was würde sein Freund wohl von ihm halten, wenn er ihm erzählte, dass er böse Schatten sah, die Leute umbrachten? Nein, diesmal würde er warten und versuchen es selbst herauszubekommen. Es würde zwar schwierig werden, ohne Hermines Hilfe durch die Bücherei zu finden, aber es musste sein. Er musste sein Freunde schützen, auch wenn sich gewisse Leute darüber wahrscheinlich schlapp lachen würden. Ihm fielen da ungefähr drei bis vier ein und einer davon war Voldemort. Ob er hinter dieser Sache steckte? Immerhin befand sich Harry wieder in der Zauberwelt und es wäre dem Herrn der Todesser sicherlich daran gelegen, sofort von Harrys Auftauchen zu erfahren. Aber nach allem, was er vorhin am Tisch gehört hatte, hielten sich die Todesser im Moment noch relativ bedeckt. Zumindestens hatten sie noch keine offenen Angriffe auf Zauberer verübt. Sicher gab es immer wieder Gerüchte, dass Voldemort in Verhandlung mit den Riesen stand, was Hagrid ja auch bestätigt hatte oder dass er sich an die Werwölfe, Vampire und ähnliches Gelichter gewandt hatte, aber das hier? Inzwischen war er sich selbst nicht mehr sicher, ob das Ganze nicht doch eine Ausgeburt seiner überreizten Nevren war. Bis auf die Leiche gab es überhaupt keine Spuren. Es war, als hätte sich das Loch in der Realität lückenlos wieder geschlossen. Er schauderte bei der Vorstellung, dass es doch irgendwo da draußen wartete und in beobachtete. Als sie im Fuchsbau ankamen, schickte Mrs Weasley alle „Kinder“ sofort ins Bett, was in diesem Fall sogar George und Fred beinhaltete, die zwar eigentlich schon dabei waren, ich eine Wohnung in der Winkelgasse einzurichten, jedoch noch lange nicht damit fertig waren und daher immer noch in ihrem alten Zimmer hausten. Das hinderte sie allerdings nicht daran, sofort nach Mrs Weasley Kontrollgang in Rons Zimmer zu apparieren. Neugierig sahen die beiden Harry an und fragten fast gleichzeitig: „Und, was ist denn nun passiert.“ Doch Ron sprang auf, bevor Harry antworten konnte. Mit geballten Fäusten baute er sich vor seinen Brüdern auf. „Das hier ist mein Zimmer, also verzieht euch gefälligst!“, grollte er. „Macht eure blöden Witze woanders!“ Erstaunt sahen die Zwillinge sich an. So hatten sie ihren kleinen Bruder, der die beiden inzwischen um Haupteslänge überragte, noch nie erlebt. „Mir scheint, wir sind hier nicht erwünscht.“, sagte George schließlich leicht spöttisch. „In der Tat.“, fügt Fred hinzu. Harry war hin und her gerissen. Einerseits wollte er die beiden nicht verärgern, andererseits aber Ron auch nicht in den Rücken fallen. Er entschied sich, diplomatisch zu sein und warf beschwichtigend ein: „Kommt, Leute, es ist spät. Ich erzähl´s euch morgen.“ Damit gaben sich Fred und George zufrieden. Sie wünschten Harry eine gute Nacht und disapparierten, ohne Ron noch eines weiteren Blickes zu würdigen. „Danke!“, sagte Harry nur, als sie weg waren, und hoffte, dass Ron verstand, was er meinte. Der grinste ein bisschen schief und versuchte lässig zu sagen. „Ach das ist doch nichts. Ich meine, ich habe sie ja auch gesehen und so und…“ Doch dann war es mit seiner Ruhe vorbei. „Oh, Harry, die Frau war mausetot. Wie hältst du das nur aus? So ein Anblick. Oh Mann, ich wäre fast aus den Latschen gekippt.“ Harry musste ein wenig schmunzeln. Das war wieder Ron wie er ihn kannte. Etwas anderes wäre ihm jetzt auch nicht Recht gewesen. Wenn die Realität schon aus den Fugen geriet, brauchte er vertraute Dinge um sich und dazu gehörte eben auch ein etwas panischer Ron, genauso, wie eine vernünftige Hermine oder ein ewig ruhiger Dumbledore, der sicherlich spätestens bei seiner Ankunft in Hogwarts mit ihm über diese Sache sprechen Zumindest hoffte Harry das trotz des wenig erfreulichen Gesprächs, das sie am Ende des letzten Schuljahres gehabt hatten. Wie sich am nächsten Morgen herausstellte, musste er aber gar nicht so lange warten, denn der Schulleiter hatte sich tatsächlich persönlich in den Fuchsbau bemüht und ließ sich jetzt von Mrs Weasley mit einem fürstlichen Frühstück bewirten. Dumbledores angespannter Gesichtsausdruck entging Harry nicht und so platzte er sofort mit seiner Frage heraus, ohne sich weiter Gedanken zu machen, ob das jetzt nun unhöflich war oder nicht. „Professor Dumbledore, wissen Sie schon etwas Neues?“ Rons Mutter dachte hingegen gar nicht daran, so ein Verhalten durchgehen zu lassen. „Ihr setzt euch jetzt erstmal und dann gibt´s was zu essen. Dabei kann man immer noch reden.“ Mit diesen Worten komplimentierte sie Harry und Ron auf die noch freien Plätze. Der Rest der Familie nebst Hermine saß nämlich schon am Tisch und Harry fragte sich leicht verärgert, warum man sie eigentlich nicht geweckt hatte. Aber Professor Dumbledore musste nicht lange gebeten werden. „Lass nur, Molly“, beruhigte der weißhaarige Zauberer Mrs Weasley. „Ich kann sowieso nicht lange bleiben, da ist es gut, wenn wir gleich darüber reden, damit ich und Arthur zum Ministerium aufbrechen können.“ Ganz kurz fragte sich Harry, was wohl passiert wäre, wenn er jetzt noch nicht aufgewacht wäre. Wahrscheinlich hätte man ihm aus lauter Umsicht überhaupt nicht Bescheid gegeben. Mühsam unterdrückte er seinen Ärger darüber und hörte aufmerksam zu, was der Schulleiter zu berichten hatte. „Wir haben inzwischen die Identität der Toten geklärt. Es handelt sich um Mafalda Mullingtow, die zwei Tage zuvor aus der geschlossenen Abteilung des St.Mungo-Hospitals entwichen ist. Die Frau war krank und hatte Herzprobleme, was schließlich auch ihren Tod verursacht hat. Sie ist eines natürlichen Todes gestorben und Harry hat sich unglücklicherweise nur zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten. Natürlich wollte das Ministerium zuerst wieder eine Untersuchung einleiten, aber ich habe sie davon überzeugt, dass das in diesem Fall nicht nötig sei.“ Er wandte sich nun direkt an Harry. „Du kannst dich also schon mal auf einen ganz normalen Schulanfang freuen, ohne vorher schon wieder tausend Fragen beantworten zu müssen.“ Dabei zwinkerte er Harry verschwörerisch zu, so dass dem gar nichts anderes übrig blieb, als mechanisch mit dem Kopf zu nicken. Was sollte das denn jetzt heißen eines natürlichen Todes gestorben? Er hatte doch genau gesehen, dass da noch etwas gewesen war und der Gesichtsausdruck der Frau war auch nicht gerade natürlich gewesen. Er wusste, dass er sich wirklich freuen sollte, aber irgendwie hatte das ganze einen unangenehmen Beigeschmack. Der Toast, auf dem er automatisch angefangen hatte herumzukauen, schien sich in puren Staub verwandelt zu haben, der ihm am Gaumen festklebte mit der Absicht, sich dort nie mehr wegzubewegen. Hastig trank er einen Schluck, wobei seine Hand aber so zitterte, dass er fast den Inhalt über seinen Schlafanzug geschüttet hätte. Professor Dumbledore musterte ihn über den Rand seiner Brille hinweg. „Ist etwas, dass du uns verschwiegen hast, Harry? Hast du gestern noch irgendetwas Ungewöhnliches beobachtet?“ Harry schüttelte den Kopf und murmelte leise. „Nein, Professor. Alles in Ordnung. Ich habe nur nicht besonders gut geschlafen.“ „Ist ja auch kein Wunder.“, mischte sich nun wieder Rons Mutter ein. „Erst muss er den ganzen Sommer bei diesen schrecklichen Leuten verbringen, die ihn behandeln, als wäre er überhaupt nicht da und dann schon gleich wieder eine Leiche, die ihm vor die Füße fällt. Da muss man ja depressiv werden.“ „Ich bin nicht depressiv.“, knurrte Harry nur noch mühsam beherrscht. „Ich bin auch nicht verrückt, ich sehe keine Gespenster und wenn endlich mal alle aufhören würden, sich so schreckliche Sorgen um mich zu machen, KÖNNTE ICH VIELLEICHT AUCH ENDLICH MAL EWTAS VERGESSEN!“ Entsetzt starrten ihn alle an. Rons Mutter hielt sich die Hand vor den Mund, Professor Dumbledore musterte ihn immer noch, wenn auch besorgt und dem Rest stand mehr oder weniger der Mund offen. „E-es tut mir leid. Wirklich! Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Bitte, Mrs. Weasley. Ich hab es nicht so gemeint. Bitte ich…“ Harry stockte und erwartete, dass irgendwer etwas sagen würde. Hermine fing sich als Erste wieder. „Das wissen wir doch, Harry. Keiner von uns macht dir einen Vorwurf. Nur können wir nicht verstehen, was mit dir los ist, wenn du nicht mit uns darüber redest.“ Harry wusste nicht, was er noch tun sollte. Immer noch starrten ihn alle an. Da trat Mrs. Weasley auf ihn zu, strich ihm sanft über die strubbeligen Haare und lächelte. „Ist schon gut, Harry.“, sagte sie. „Ich hätte das nicht sagen sollen. Manchmal redet eine alte Frau wie ich einfach los, ohne darüber nachzudenken, was das bei euch jungen Hüpfern auslöst. Verzeihst du mir?“ Er nickte stumm und verbarg, was er wirklich dachte. Dass sie überhaupt keine Schuld hatte, sondern er es war, der wieder einmal falsch reagiert hatte. Er hätte es doch besser wissen müssen, nach allem, was er schon mit seinen Freunden durchgemacht hatte. Sie standen auf seiner Seite und die Bösen, das waren die anderen. Niemand hier wollte ihm schaden und er musste sich das endlich mal merken, wenn er nicht auch noch die letzten Menschen verlieren wollte, die zu ihm hielten. Dann fiel ihm noch etwas ein, das er Professor Dumbledore, der sich schon erhoben hatte, unbedingt noch fragen musste. „Professor, warum war die Frau eigentlich im Krankenhaus?“ Die Antwort kam eine Winzigkeit zu zögernd, als dass Harry nicht stutzig geworden wäre. „Sie hatte ein schlimmes Erlebnis, von dem sie sich nicht mehr erholt hat. Der Tod ihres Mannes hat sie sehr mitgenommen und sie litt danach an Wahnvorstellungen. Offensichtlich ist das ihrem Herz nicht gut bekommen.“ Harry nahm an, dass ihn diese Erklärung beruhigen sollte, aber das Gegenteil war der Fall. Die Frau vielleicht einen verwirrten, aber sonst eigentlich recht gesunden Eindruck auf ihn gemacht, doch nach seinem Ausbruch gerade eben, wagte er nicht, noch einmal einen Streit zu provozieren. Er würde eben selber herausfinden müssen, was es mit dieser Frau auf sich hatte und zwar bevor er wieder nach Hogwarts musste. Deshalb nahm er sich zusammen und fragte stattdessen in möglichst neutralem Ton: “Haben sie eigentlich schon unsere Einkaufslisten mitgebracht, Professor?“ Professor Dumbledore schien erleichtert, endlich das Thema wechseln zu können. “In der Tat habe ich sie bereits in Mollys Verwahrung gegeben.“, antwortete er. „Oh ja“, beeilte sich Mrs. Weasley zu versichern. „Ich hatte eigentlich vor, die Sachen nachher noch zu besorgen.“ „Ich weiß nicht.“, sagte Harry und versuchte dabei möglichst enttäuscht zu klingen. „Ich hatte schon auf das Einkaufen gefreut. Und eigentlich gibt es doch gar keinen Grund, warum wir nicht alle zusammen gehen sollten.“ Da offensichtlich keinem mehr ein vernünftiges Argument einfallen wollte, warum sie es nicht tun sollten, stand er auch, verabschiedete sich von Professor Dumbledore und sagte mit einem Lächeln: „Dann mal los, bevor uns die anderen alles wegkaufen.“ Ron steckte sich noch schnell den Rest seines Toastes in den Mund und folgte Harry dann, der sich erfolgreich bemühte, sich nichts von seinen Zweifeln anmerken zu lassen. Zumindestens bis Hermine ins Zimmer kam. „Harry Potter“, schnaubte sie. “Was ist los mit dir? Du verschweigst uns doch was und versuch mir nicht zu erzählen, dass das nicht so ist.“ Dabei stemmte sie beide Hände in die Hüften und sah einer zornigen Mrs Weasley gar nicht mal so unähnlich. „Das wüsstest du wohl gerne.“, grinste er zunächst, aber als er Hermines Gesichtsausdruck sah, gab er seine Tarnung auf. „Ich glaube, Professor Dumbledore hat uns nicht die ganze Wahrheit gesagt.“, erklärte er. „Die Frau war vielleicht verrückt und hatte eigenartige Kleidung an, aber nicht herzkrank. Naja, ich bin natürlich kein Arzt, aber so was sieht man doch, oder?“ „Nicht unbedingt.“, meinte Hermine nachdenklich. „Damit, dass uns Professor Dumbledore etwas verschwiegen hat, stimme ich dir zwar zu, aber hat er dafür nicht bis jetzt immer einen guten Grund gehabt?“ Harry dachte an das Gespräch, was er mit dem Schulleiter geführt hatte. Sollte er seinen Freunden sagen, dass Dumbledore ihm gegenüber einen Fehler eingestanden hatte? Dann jedoch zuckte er nur mit den Schultern und sagte störrisch: „Aber merkwürdig ist es schon, dass die Frau einfach so durch die Winkelgasse spaziert und dann auf einmal umfällt.“ „Da hast du wohl Recht, aber was könnte der Auslöser für ihren Tod gewesen sein. Hast du irgendetwas gesehen, Harry?“, fragte Ron nun. Harry wollte schon antworten, da hatte er mit einem Mal wieder das Gefühl beobachtet zu werden. Als er sich im Zimmer umschaute, blieb sein Blick in einer Zimmerecke stehen. Dort war ein Schatten irgendwie nicht so, wie er sein sollte. Er war zu groß und zu dunkel, als dass er einfach so durch den Lichteinfall entstanden sein konnte. Unsichtbare Augen starrten ihn an und er fühlte einen Eisklumpen in seinem Magen entstehen. „HARRY!“, rief ihn eine Stimme zurück in die Wirklichkeit. Hermine und Ron sahen ihn entgeistert an. „Was ist denn los.“ „Ähm….“, das Erstbeste was ihm einfiel, war ein alter Hut, aber er tat bestimmt seine Wirkung. „Voldemort. Ich habe einen Gedanken von ihm aufgefangen. Es war irgendwas Fieses, aber ich habe nicht genau gesehen was. Er schien sich ziemlich zu ärgern, also für uns kein Grund zur Beunruhigung.“ Wie zur Bestätigung ließ er seine Hand zu seiner Stirn wandern und registrierte nebenbei, dass er diese Schmerzen schon lange nicht mehr gespürt hatte. Vielleicht war das ja auch eine Art gutes Zeichen, versuchte er sich ohne Erfolg einzureden. Wurde er jetzt tatsächlich verrückt. Doch der Schatten war immer noch da und beobachtete ihn. Irgendwie nicht ganz da, aber auch zu deutlich, um ihn komplett zu ignorieren. Er sprang auf. „Lasst uns lieber zusehen, dass wir wieder nach unten kommen, sonst lässt Ron Mutter noch eine Suchmeldung rausgehen.“ Damit kramte er schnell einige Sachen aus seinem Koffer und flüchtete vor den Blicken seiner Freunde ins Bad. Dort angekommen wusch er sich schnell und fing an, seine Zähne zu putzen. Dabei fiel sein Blick unwillkürlich in den Spiegel. Da war er wieder, wenn auch diesmal etwas deutlicher. In der großen Badewanne stand ganz eindeutig eine Person und sah ihn an. Als Harry herumfuhr, war sie jedoch verschwunden und auch ein erneuter Blick in den Spiegel, brachte sie nicht wieder zum Vorschein. Zitternd spülte er seinen Mund aus und wagte in einem Anflug von aufkommender Panik noch einmal einen Blick in den Spiegel, doch da war nichts. Fast schon panisch, drehte er am Schlüssel, brach ihn beinahe ab und flüchtete dann so schnell wie möglich aus dem kleinen Raum. Das war doch nicht möglich. Wie hatte der Schatten ihn gefunden? Oder bildetet er sich das wirklich alles nur ein? Er zwang sich ruhig zu werden, bevor er das Zimmer betrat. „Wir können los.“, verkündete er fast fröhlich und hoffte, das, was immer es auch war, ihn erstmal mit seiner Anwesenheit verschonen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)