Seelenschatten von Maginisha (wenn das Dunkel sich erhebt) ================================================================================ Kapitel 22: Epilog ------------------ Die Feder schwebt für einen Moment über dem Papier, um dann entschlossen die ersten zwei Worte zu schreiben: „Lieber Ron,…“ Dann stockt Hermine wieder und überlegt. Durch die halb geöffnete Tür ihres Zimmers kann sie hören, wie ihre Mutter in der Küche die letzten Leckereien für das Festessen zubereitet. Eigentlich sollte Hermine jetzt dort draußen sein, doch sie kann sich einfach nicht überwinden aufzustehen. Wie kann sie sich auf Weihnachten vorbereiten, als wäre nichts geschehen, wenn doch so viele Erinnerungen in ihrem Kopf herum schwirren und für Chaos sorgen? Sanfte Gitarrenklänge überlagern mit einem Mal die Geräusche aus der Küche. Ihre Mutter hat das Radio lauter gedreht, weil eines ihrer Lieblingslieder gespielt wird: „Hotel California“ von den Eagles. On a dark desert highway Cool wind in my hair Warm smell of colitas Rising up through the air Draußen fallen die ersten Schneeflocken und es wird bereits dunkel. In den Fenstern werden Kerzen angezündet und der Duft von Weihnachtsplätzchen liegt in der Luft. Er verbreitet eine behagliche Freundlichkeit, die Hermine unwillkürlich frösteln lässt. Wie von selbst gleitet ihre Feder nun über das Pergament und formt ihre Gedanken zu geschriebenen Worten. „Weihnachten ist nun fast heran gekommen, aber ich kann mich nicht recht darauf freuen. Es erscheint mir irgendwie nicht richtig. Ich frage mich immer wieder, was ich hätte tun können, um das mit Harry zu verhindern. Ich fühle mich so schuldig. Ständig überlege ich, was ich hätte besser oder anders machen können.“ Up ahead in the distance I saw a shimmering light My head grew heavy, and my sight grew dim I had to stop for the night “Nach dem Tod von Sirius muss Harry sich ähnlich gefühlt haben. Vielleicht hatte er auch das Gefühl, dafür verantwortlich zu sein. Immerhin war er maßgeblich daran beteiligt, dass Sirius in das Ministerium kam. Aber letztendlich war er doch nicht wirklich Schuld. Ich frage mich nur, ob er das auch so gesehen hat. Es war sicherlich hart, mit niemandem darüber reden zu können.“ There she stood in the doorway I heard the mission bell And I was thinking to myself This could be Heaven or this could be Hell “Die Aussicht darauf, Sirius doch noch zurückzuholen, muss ihm wie eine zweite Chance vorgekommen sein. Eine Chance darauf, endlich eine Familie zu haben und ein Zuhause, in dem Leute wohnen, die ihn wirklich lieben. Eine Chance, die er bei seinen Eltern nie gehabt hat.“ Then she lit up a candle And she showed me the way There were voices down the corridor I thought I heard them say „Trotzdem verstehe ich es nicht so ganz. Wenn er wirklich nachgedacht hätte, hätte er doch merken müssen, dass etwas an der Geschichte faul war. Aber manchmal sieht man wahrscheinlich nur, was man sehen will. Harry war da ganz gewiss keine Ausnahme. Wir waren, was ihn betraf, ja nicht viel besser. Wir haben das geglaubt, was er uns sagte, weil es einfacher war, als nach der Wahrheit zu suchen.“ Welcome to the Hotel California Such a lovely place (such a lovely place) Plenty of room at the Hotel California Any time of year, you can find it here „Manchmal kann ich ihn wirklich verstehen. Alles hinter sich zu lassen und an einen Ort zu gehen, wo einem alles besser vorkommt…wem ginge es nicht so. Aber es gibt Sachen, die sind eben einfach zu schön, um wahr zu sein. Ich wünschte, Harry hätte sich daran erinnert. Aber vielleicht hätten wir ihm auch zeigen müssen, dass er Sirius gar nicht braucht.“ Her mind is Tiffany twisted She's got the Mercedes Benzs She's got a lot of pretty, pretty boys That she calls friends „„Wie es ist, wenn keiner da ist, merke ich im Moment am eigenen Leibe. Ich habe mich letzte Woche mit Ginny gestritten. Sie hat, nachdem sie mit Dean Schluss gemacht hat, schon wieder einen neuen Freund. Oder besser gesagt, einen von ihnen. Sie denkt wirklich nur noch an Jungs und das passt eigentlich so gar nicht zu ihr. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber manchmal wünschte ich, Fred und George wären noch hier.“ How they dance in the courtyard Sweet summer sweat Some dance to remember Some dance to forget “Sowieso ist es recht still im Gryffindor-Turm geworden. Es ist zwar nicht so, dass nicht mehr gelacht oder gescherzt würde; trotzdem fehlt irgendwie etwas. Es ist, als wäre dem ganzen irgendwie die Seele genommen worden. Natürlich könnte das auch damit zusammenhängen, dass Ginny Monika beim Frühstück ein Glas Kürbissaft über den Kopf geschüttet hat, nachdem diese anfing, über Harry zu reden. Du weißt ja selbst, das Monika Harry nie besonders gut leiden konnte.“ So I called up the Captain Please bring me my wine He said We haven't had that spirit here since 1969 “Ich selbst weiß auch nicht so recht, wie ich mich verhalten soll. Wenn Fragen kommen, versuche ich diese zu beantworten, ohne zu viel von dem Geheimnis preis zu geben. Es ist sehr anstrengend, auf diesem schmalen Pfad zwischen erlaubt und wahr entlang zu wandeln. Meistens ziehe ich mich zurück, um zu lernen, denn die Abschluss-Prüfungen schreiben sich schließlich nicht von alleine.“ And still those voices are calling from far away Wake you up in the middle of the night Just to hear them say “Aber manchmal wache ich nachts auf, weil ich geträumt habe, Harry wäre wieder da. Es ist wirklich verrückt, aber ein paar Mal war ich schon kurz davor, zu euren Schlafsaal hinüber zu gehen, nur um zu sehen, ob sein Bett auch wirklich leer ist.“ Welcome to the Hotel California Such a lovely Place (such a lovely face) They livin' it up at the Hotel California What a nice surprise, bring your alibis “Doch dann ermahne ich mich selber, wie dumm diese Gedanken doch sind. Er wird nicht wiederkommen und wir werden damit leben müssen. Das Tor ist für immer verschlossen worden und das, was vielleicht noch von Harrys Persönlichkeit übrig wäre, würde nicht im Geringsten etwas mit demjenigen zu tun haben, der uns in jener Nacht verlassen hat. Da ist es einfacher sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er nicht wieder kommt.“ Mirrors on the ceiling Pink champagne on ice And she said We are all just prisoners here Of our own device “Doch obwohl ich das weiß, erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich traurig und wütend zugleich werde. Ich würde ihn gerne fragen, wie er auf die Idee gekommen ist, einem solchen Hirngespinst hinterher zu laufen. Schließlich ist es ja nicht so, dass man mit seinen Eltern niemals Streit hat und es nicht schon manchmal nervt, wenn sie einem Vorschriften machen, die man für dumm oder unwichtig hält. Aber wahrscheinlich konnte Harry das überhaupt nicht sehen, weil er es nie kennen gelernt hat. Für ihn war immer alles toll, solange es nur mit einer richtigen Familie zu tun hat.“ And in the master's chambers They gathered for the feast They stab it with their steely knives But they just can't kill the beast “Sein Glaube an diese Idee einer heilen Familie muss nahezu übermächtig gewesen sein. Nach dem, was Professor Dumbledore erzählt hat, wird dieses Wesen nicht unbedingt zimperlich mit Harry umgegangen sein, auch wenn es etwas von ihm wollte. Ich wüsste nur gerne, ob er versucht hat, da raus zu kommen. Und ob er überhaupt jemals eine Chance dazu gehabt hätte.“ Last thing I remember I was running for the door I had to find the passage back to the place I was before “Ich sehe ihn noch vor mir, wie er dort vor diesem Torbogen stand. Die Hoffnungslosigkeit in seinen Augen… Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt? Wie unglaublich schrecklich es sein muss zu erkennen, dass du nur einem Phantom hinterher gejagt hast. Einem Traumbild, das sich niemals erfüllen wird und das sich mit einem Schlag als dein schlimmster Alptraum erweist. Diese Erkenntnis wünsche ich wirklich niemandem.“ Relax said the nightman We are programed to recieve You can check out any time you like But you can never leave “Ich wünschte nur, Harry hätte es auf einen Versuch ankommen lassen, um das Untier in seinem Inneren doch noch zu bändigen. Aber wahrscheinlich erschien ihm die Situation so aussichtslos, dass er keinen anderen Weg mehr sah, als den nach vorne, denn der Weg zurück war durch seine eigene Entscheidung unweigerlich verwährt. Ich weiß nicht, ob ich ihn als tapfer oder als feige ansehen soll. Ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nur, dass er mir sehr fehlt.“ Durch die Tür dringt immer noch die Musik aus der Küche herein, während Hermine eine Mappe hervorholt. Das Gitarrensolo untermalt die Bewegungen, mit denen sie über die Briefe streicht die sich im Inneren befinden. Sie alle beginnen mit „Lieber Ron“, doch ihre Ankunft ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Hermine legt den neuen Brief dazu, schließt die Mappe und verstaut sie sorgfältig wieder in der Schublade. Sie wird sich beeilen müssen, denn in wenigen Minuten wird Mr. Weasley vor ihrer Tür stehen. Sie werden gemeinsam ins St.Mungos fahren, wo Ron immer noch blass und bewusstlos in einem der Betten im vierten Stock liegt. Die Ärzte arbeiten mit Hochdruck an einer Aufhebung des Banns, unter dem er steht. Wenn er aufwacht, wird Hermine ihm vielleicht alle die Briefe geben, die sie in der Zeit schon geschrieben hat. Schreiben ist einfach als über das zu reden, was in ihrem Inneren vorgeht. Es erhält die Erinnerung wach, an den Jungen, der einmal ihr bester Freund war. Den Jungen, den viele nur von den Fotos aus der Zeitung kannten. Den Jungen, der dieses Mal nicht überlebte. Den Jungen mit der Narbe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)