EX von Kuran ================================================================================ Kapitel 9: Erogide - 2.0 ------------------------ Lycratek war der Name des Sterns, auf dem ich nun verweilen durfte. Noch nie zuvor hatte ich davon gehört gehabt, was mich aber auch nicht wunderte, so klein und unscheinbar, wie Lycratek nun gewesen war. Das Volk auf diesem Stern erwies sich als äußerst freundlich und gastfreundlich. Nach anfänglichem Misstrauen mir gegenüber waren nun jegliche Zweifel aus dem Weg geräumt, das ich ihnen hätte Schaden zufügen wollen - was schon sehr naiv war. Ich hätte ein Getarnter sein können, der sich einschleußen mochte, um sie hinterrücks zu hintergehen oder gar auszurotten oder ein Eroberer, der ihren Stern hätte verkaufen wollen - warum also vertrauten sie mir so schnell und ließen mich sogar für eine Weile unten ihnen weilen? Zu allererst brachten sie mir sämtliche große und kleine Tücher, aus den verschiedensten Stoffen, die sie mir um den Körper wickelten. Die Sandstürme auf Lycratek waren aggressiv und ohne Gnade, umso mehr musste man an seinem Körper tragen, damit man keinen Schaden nahm. Ebenso wies man mich darauf hin, zu welchen Zeiten ich keinesfalls aus der Hütte gehen sollte. Die Hütten der Bewohner waren klein, sperrlich, sehr improvisorisch gebaut, aber sie schienen ihnen vollkommen zu genügen und den Nutzen zu erfüllen, den sie auch haben sollten. Im Gegensatz zu all dem, was ich vorher an Bauten gesehen hatte, waren diese Behausungen die wohl simpelsten und beinahe auch primitivsten - die Lycrateker wollten nicht protzen und zogen den reinen Nutzen aus ihren Werken - was sollten sie auch, bei solchen schwierigen Verhältnissen, mir prunkvollen Häusern und Türmen, die vom Sandsturm in Windeseile zerstört worden wären? Auf den ersten Blick wirkten sie tatsächlich primitiv, allerdings gehörten sie zu den intelligentesten Rassen fernab von anderen Zivilisationen. Der Trubel um mich war wirklich enorm. Die Kleinsten kamen ständig zu mir und baten mich darum ihnen von meiner Heimat zu erzählen, was ich erlebt habe, wen und was ich bisher schon gesehen habe und einfach nur ein paar kleine Geschichten, die ihre überaus große Fantasie gierig verschlang. So, wie sie sich verhielten, schien es wohl wirklich selten gewesen zu sein, dass Fremde auf ihrem Stern Halt machten. Sie lebten hier sehr versteckt, abgeschnitten, in aller Ruhe. Alles, was sie von der weiten Galaxy kannten, kannten sie aus ihren Büchern und Schriften, die sie allesamt beinahe selbst geschrieben hatten, Geschichten und Erzählungen, die ihnen verschiedene Sternschnuppen berichteten. Wenig später lernte ich dann Kytakes kennen. Sie war nicht unbedingt groß, aber schon ausgewachsen, verkörperte die Schwelle der Jugendlichkeit bis hin zum Erwachsensein, auch wenn ihr Körper dem eines Kindes ähnelte. Anfangs setzte sie sich nur stumm zu mir, lachte und kicherte nicht mit, wenn die anderen es taten, und starrte immer nur auf einen von ihr fixierten Punkt vor sich, der ins Nichts überging. Ihre Körperspannung war ganz anders, und auch die einfachsten Bewegungen, wie sie sich über die Augen rieb und sich die Kleidung zurecht zupfte, war äußerst eigen. Einige der Kinder flüsterten mir zu, dass sie seltsam sei, sie sei immer schon so gewesen, und das es keinen Spaß machte mit ihr zu spielen, weil sie nicht gerne spielte. Sie wäre schon immer so ernst gewesen, munktelten sie. Als die Kinder zurück in die Hütten eilten, weil ihre Eltern nach ihnen riefen, lief Kytakes nicht mit. Sie blieb noch immer still neben mir sitzen und starrte vor sich hin. Es gab Essen, doch sie schien nicht hungrig zu sein. Ich versuchte nun also den ersten holprigen Versuch mit ihr zu sprechen: "Hast du denn gar keinen Hunger?" Sie schüttelt den Kopf und brummt. Ein Seufzen entwich meinen Lippen. "Nun gut... Aber versprich mir, dass du wenigstens später ein paar Bissen zu dir nimmst. Es ist nicht gut für den Körper, wenn man nicht regelmäßig isst." "Warum soll ich essen, wenn es keinen Sinn macht?" Ihre Stimme klang ganz anders, als ich sie erwartet hätte. "Keinen Sinn? Inwiefern macht es keinen Sinn?" Sie hob das Kinn und linste seitlich zu mir, wandte den Blick dann wieder ab und zog die Knie nah an ihren Oberkörper heran, legte beide Arme um sich und blickte dann in den Himmel hinauf. "Wir werden eh bald sterben. Also muss ich nun auch nichts mehr für meinen Körper tun." Im ersten Augenblick dachte ich, ich hätte mich verhört, oder dass sie scherzte. "Sterben? Wovon sprichst du? Soweit ich das einschätzen kann, gibt es für euch keinerlei Bedrohung. Sind das irgendwelche Märchen, die man euch erzählt hat?" "Ich glaube nicht an Märchen.", flüsterte sie in einem scharfen Ton, "Sie haben es mir selbst gesagt. Dass sie kommen werden, um uns zu töten. Es wird nicht mehr lange dauern, so fühl ich es." "Wer wird kommen, um euch zu töten?" Erst konnte und wollte ich sie nicht ernst nehmen, dachte, sie trieb ein blödes Spielchen mit mir, merkte dann aber schnell, dass sie es ernst meinte und alleine die Tatsache, das eine Schweigsame sich mir, einem Fremden, anvertraute, sprach wohl Bände. "Ich kenne ihren Namen nicht. Sie sind Maskierte mit großen Maschinen und Kreaturen, von denen ich nicht einmal hätte träumen können." Maskierte? Mit großen Maschinen und Kreaturen? Diese Beschreibung war zwar nur sehr vage und ungenau, aber ich konnte mir leider ausmalen, von wem sie sprach... "Bist du die Einzige, die sie gesehen hat?" Sie nickte. Nun verstand ich auch, warum sie sich so seltsam verhielt und warum die anderen Abstand zu ihr hielten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie schon immer so gewesen war, nur, dass dieses Vorkommnis sie geprägt hatte und sie dazu veranlasste, sich umso mehr von Ihresgleichen zu distanzieren. "Haben sie dir gesagt, wann sie kommen wollen?" "Dann, wenn der vierte Mond in Flammen aufgehen wird, sagten sie. Das ist nicht mehr lange hin... Das ganze Dorf bereitet bereits das Fest vor... Die Entzündung des vierten Mondes ist eine heilige Zeremonie für uns und steht für das Leben und die Existenz Lycrateks..." Umso schlimmer, dass man dann genau diesen für dir Lykrateker wichtigen Zeitpunkt auswählte, um sie auszurotten... Leider wusste ich haargenau, um wen es sich dabei handelte, und es lief ein eiskalter Schauer über meinen Rücken. Meine Hände begannen unweigerlich zu zittern und ich biss mir ständig auf die Lippen, was ein deutliches Zeichen für meine Angst war, die sich wieder durch meinen Körper schlich... Erst merkte ich gar nicht, wie ihre goldenen Augen mich um Hilfe anflehten, bis sie ihre Hand auf meinen Arm legte und mich dazu veranlasste sie anzusehen. "Fremder, hilf uns... Ich will nicht, das meine Rasse ausstirbt." Wie ein Blitz schießen ihre Worte durch meinen Kopf und ich zuckte augenblicklich zusammen. Ein Deja Vu, ein Deja Vu! Genau die selben Worte hatte ich vor zig Jahren von mir gegeben, genau dann, als Aternas zerstört werden sollte und ich wusste, dass man kommen würde, um meine Rasse zu töten! Die Angst in mir sprach sich gegen die Bitte aus, aber ich konnte und wollte ihr die Hilfe nicht verwähren. Ich wollte nicht noch einmal mitansehen, wie ein anderer Stern und eine weitere Rasse ausgelöscht werden sollten! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)