So einfach von GotoAyumu (Yamato Ishida x Taichi Yagami / Hiroaki Ishida x Yamato Ishida) ================================================================================ Kapitel 35: ------------ „Taichi“, spreche ich meinen Freund bestimmt an. „Ja“, entgegnet er abwesend. „Sieh mich an.“ Ich stehe vor meinem Bett und schaue auf ihn hinab. Er gehorcht. „Sag etwas.“ „Was soll ich sagen?“ Tais Stimme ist monoton und kalt. Ich setze mich auf seine Oberschenkel und schlage ihm derb mit der Faust ins Gesicht. „Fällt dir jetzt etwas ein?“, schreie ich ihn an. Er schweigt und betrachtet mich nur unberührt. Ich schlage erneut zu. Diesmal so fest, dass seine Nase zu bluten beginnt. „Reagiere meinetwegen mit Verachtung, aber reagiere auf mich, verdammt!“, bringe ich ihm weinend entgegen. Mit meiner Stirn berühre ich seinen Brustkorb. Tai bleibt ohne Gefühlsregung. Allmählich wandelt sich meine Verzweiflung in Wut. „Soll ich deinem Verhalten entnehmen, dass du uns aufgibst?“, frage ich aufgebracht. Bevor mein Freund antworten kann, schlage ich zu. Immer und immer wieder. Ich handle wie fremdgesteuert. Erst als ich die Verletzungen in Tais Gesicht bewusst wahrnehme, höre ich auf. Sein Blick ist leer, seine Augen sind ins Nichts gerichtet. Diese Ausdruckslosigkeit hatte er auch jedes Mal, wenn ich in den letzten Tagen mit ihm schlief. Ich ertrage es nicht, ihn so zu sehen. Generell erwartete ich seinerseits wesentlich mehr Gegenwehr und verbale Beschimpfungen. Stattdessen fügte er sich erstaunlich schnell meinen Anweisungen. Dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass meine Drohung bezüglich des Alkohols ihn so extrem eingeschüchtert hat. Behutsam streiche ich über eine Platzwunde an seinem linken Auge. Taichi zuckt leicht zusammen. „Es tut weh, oder?“ Die Frage ist rhetorisch, trotzdem antwortet er: „Etwas.“ „Du weißt, dass ich dich nicht gehenlassen kann. Du weißt es, nicht wahr?“ Zurückhaltend küsse ich seine Lippen. „Salzig.“ „Was?“ Irritiert blicke ich meinen Freund an. „Deine Lippen. Du weinst viel in letzter Zeit. Warum? Müsstest du nicht glücklich sein? Ich gehöre dir und außer dir habe ich nichts mehr.“ „Aber nicht so! Nicht so!“, werfe ich ihm verzweifelt an den Kopf. „Du bist nicht bei mir. Ich kann dich nicht mehr spüren.“ „Merkst du nicht, dass du mit deinem Verhalten am meisten dich selbst zugrunderichtest? Ist das dein Ziel? Benutzt du mich wieder einmal nur für deinen Selbsthass?“ „Nein!“ Tränen laufen weiterhin unablässig über meine Haut. „Dann beweise es, indem du mich losbindest.“ „Nein.“ Ich sollte ihn freigeben, wenn ich ihm nicht noch mehr Schaden zufügen möchte, aber meine Verlustangst und die schmerzhaft intensiven Gefühle, vielleicht auch Besessenheit, zwingen mich mit diesem Wahnsinn nicht aufzuhören. „Taichi?“ „Hm.“ „Hasst du mich für das, was ich dir antue?“ „Nein. Aber es ist krank, Yamato“, bemerkt mein Freund ruhig. Ich schweige, bleibe mit meinem Kopf auf seinem Brustkorb liegen und schließe die Augen. „Warum wehrst du dich nicht?“ „Willst du denn, dass ich mich wehre?“ „Antwortest du mit einer Gegenfrage, weil du mir den Grund nicht nennen willst?“ „Es kommen verschiedene Faktoren zusammen. Ich kann dich momentan überhaupt nicht einschätzen. Du bist so labil. Deine Stimmung wechselt nahezu minütlich. In dem einen Augenblick bist du, so wie jetzt, fast schon handzahm und im nächsten Augenblick bist du aufgebracht, gleichgültig oder völlig aufgelöst. Du wirkst psychotisch, wie in einem Wahn gefangen.“ Ich hebe meinen Kopf ein wenig und schaue Tai an. „Empfindest du das so?“ „Es beängstigt mich immer wieder, wie verzerrt dein Selbstbild ist.“ „Ich finde nicht, dass mein Selbstbild verzerrt ist.“ „Eben.“ Ich sage nichts und schmiege mich enger an Taichi. „Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt freiließe?“, möchte ich wissen, obwohl ich Angst vor der Antwort habe. „Warum fragst du? Hast du etwa vor, mich freizulassen?“ „Nein“, gebe ich ehrlich zu. „Dann muss ich mir darüber auch keine Gedanken machen.“ „Bitte, ich brauche eine Antwort.“ „Wozu? Wenn du mich ohnehin nicht freilässt.“ Ich schweige erneut. „Also gut. Wahrscheinlich würde ich Fußball spielen oder zumindest irgendetwas tun, wobei man sich bewegen kann.“ Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen, welches mein Freund allerdings nicht sehen kann, weil ich mit dem Gesicht von ihm abgewandt liege. Mit einer solchen Aussage hatte ich zwar nicht gerechnet, aber sie ist typisch für ihn. „Und im Bezug auf unsere Beziehung?“ Mein Lächeln weicht einer von Angst dominierten Anspannung. „Nichts. Was sollte ich auch tun?“, fragt Taichi mit Verwunderung in der Stimme. „Würdest du mich in den Arm nehmen?“ „Yamato…“ Selten hörte ich Tai meinen Namen mit so viel Traurigkeit sagen. „Ich bin froh, dass du momentan nicht so leblos wirkst“, wechsle ich das Thema. „Warum bist du so lieb zu mir? Ich verstehe dich einfach nicht.“ „Ich verstehe dich noch viel weniger.“ „Wieso? Ich liebe dich. So einfach ist das.“ „So einfach“, wiederholt mein Freund gedankenverloren. Ich rutsche ein wenig an ihm hoch und hauche einen Kuss auf seine Lippen. „So einfach“, flüstere ich. „Wir bekommen das wieder hin, oder?“, frage ich mit kindlicher Unschuld. Für einen kurzen Augenblick verspüre ich den Drang, Tai alles zu erzählen. Von meinem Freier und seinem Kontrollverlust, meinen Gefühlen, als er den Sex mit mir auf für mich traumatische Weise erzwang, was ich mir jedoch selbst nicht eingestehen möchte. Von den Übergriffen meines Freiers an seinem Sohn, meinen Schuldgefühlen dahingehend sowie meinem Versuch, den Kleinen zu schützen, indem ich seinem Vater meinen Körper uneingeschränkt zur Verfügung stelle. Von diesen Typen, die ich in Shibuya kennenlernte, der Art und Brutalität ihrer sexuellen Handlungen an mir. Von meinem aufrichtigen Versuch, clean zu bleiben, welcher endete, als ich von jenen Fremden unfreiwillig unter Drogen gesetzt wurde. Und vor allem von meinem Heroinkonsum. Mir kommt ein Lied in den Sinn, welches ich vor einiger Zeit geschrieben habe. Ich versuche mir den kompletten Text und die Melodie ins Gedächtnis zu rufen. Einem Impuls folgend beginne ich leise zu singen, dicht an meinen Freund gekuschelt. Du hörst mir zu Doch ich glaube du verstehst kein Wort Denn in Gedanken bist du ganz weit fort Es ist so schwer dich zu verstehen wenn du nicht bei mir bist Du schaust mich an Doch ich weiß du siehst nicht worum es geht Ich möchte dir alles sagen was mich bewegt Du drehst dich weg und sagst mir nur du willst alleine sein Wie können wir gewinnen Wenn du nicht an mich glaubst Und niemals bei mir bist Wenn ich deine Hilfe brauche Ich werde dich vermissen Doch du musst jetzt gehen Es wird besser sein Wenn wir uns nicht wiedersehen Du rufst mich an Und sagst du willst mir alles gestehen Es fällt dir schwer mir in die Augen zu sehen Du hast mir viel zu oft gesagt dass alles anders wird Du lachst mich an Doch ich sehe dass mit dir was nicht stimmt Ich kann nicht warten denn die Zeit verrinnt Ich weiß genau es wird nie mehr so wie es früher war Wie können wir gewinnen Wenn du nicht an mich glaubst Und niemals bei mir bist Wenn ich deine Hilfe brauche Ich werde dich vermissen Doch du musst jetzt gehen Es wird besser sein Wenn wir uns nicht wiedersehen Du versprichst mir die Welt Sagst mir alles wird gut Uns kann gar nichts passieren Ich soll verstehen Unser Stern wird nie untergehen Uns kann nichts geschehen Wie können wir gewinnen Wenn du nicht an mich glaubst Und niemals bei mir bist Wenn ich deine Hilfe brauche Ich werde dich vermissen Doch du musst jetzt gehen Es wird besser sein Wenn wir uns nicht wiedersehen Es herrscht Stille im Raum. Ich setze mich auf und betrachte Taichis Gesicht. Mit seinen schönen braunen Augen erwidert er abwartend meinen Blick. „Wir bekommen das nicht wieder hin, oder?“, frage ich leise und lächle bitter. „Vielleicht leitete ich mit diesem Wahnsinn einfach nur den Anfang vom Ende ein. Einen anderen Weg scheint es für uns nicht mehr zu geben.“ Das Rauschen von Meereswellen dringt an mein Ohr. Ich liege mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, meine Arme dicht an meinem Körper. In meinen Händen spüre ich Sand, kalten Sand. Dabei scheint die Luft um mich herum weder kalt noch warm zu sein. Eigentlich spüre ich überhaupt nichts auf meiner Haut. Ich öffne meine Augen und blicke in einen farblosen Himmel, woraufhin ich mich aufsetze und feststelle, dass auch die Umgebung nur aus Schwarz und Weiß besteht. Das Meer, welches sich vor mir ausbreitet, wirkt bedrohlich und anziehend zugleich. Es kommt mir so vor, als müsste ich mich nur von dem Wasser umhüllen lassen und alles würde gut werden. Ich höre Stimmen, doch ich weiß weder, zu wem sie gehören, noch verstehe ich, was sie sagen. Langsam erhebe ich mich und schaue mich noch einmal um. Ich bin allein. Vorsichtig bewege ich mich über den Sand in Richtung Meer. Meine Füße berühren das Wasser, doch genau wie die Luft spüre ich es nicht. Unbemerkt werde ich weiter hineingezogen. Erst als ich mich umdrehe, fällt mir auf, wie weit entfernt der Strand inzwischen ist. Ich frage mich, ob ich in diesem Meer auch ertrinken kann. Doch je weiter ich gehe, desto größer wird die Leere in mir, desto gleichgültiger werde ich und desto mehr verliere ich mich in mir selbst. Die Stimmen werden leiser, bis beängstigende Stille herrscht. Mittlerweile werde ich vollständig von Wasser umhüllt. Schwerelos. Und doch fühlt es sich so an, als würde ich niedergedrückt werden. Ich sinke tiefer, es wird dunkler und dann umgibt mich nur noch Schwärze. Blind taste ich mich voran, ohne dabei etwas zu berühren. „Yamato“, höre ich eine einzelne, mir bekannte Stimme meinen Namen sagen. „Yamato, du darfst dich nicht noch weiter verirren. Du bist schon viel zu tief gesunken.“ Ich drehe mich um. „Gabumon?“, frage ich verwundert. „Ja. Es ist lange her, Yamato. Ich freue mich, dich wiederzusehen, aber hier dürftest du nicht sein.“ Das lediglich aus Daten bestehende Wesen greift nach meiner Hand und zieht mich bestimmt hinter sich her. „Warte, Gabumon.“ Mich von ihm lösend bleibe ich stehen und hocke mich zu meinem kleinen Freund hinab. Leicht streife ich mit meinen Fingern sein weiches Fell. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich ihn eigentlich vermisst habe. Wie konnte ich seine Existenz über die Jahre nur vergessen? Dabei liegt unsere letzte Begegnung noch gar nicht so lange zurück, oder? „Gehört das hier auch zur digitalen Welt?“ „Ja und nein. Aber jetzt komm. Ich erkläre es dir später.“ „Warum bist du so panisch? Zudem habe ich nicht das Bedürfnis, an einen anderen Ort zu gehen.“ „Siehst du? Genau aus diesem Grund müssen wir hier so schnell wie möglich weg. Wenn du hier bleibst, verliere ich dich. Das möchte ich nicht, denn du bist mein Freund, du egoistischer Sturkopf.“ Gabumon klingt verärgert, aber seine Stimme zittert. Weint er? Irgendwie habe ich das Gefühl, mich schon einmal in einer ähnlichen Situation befunden zu haben. Vor langer Zeit? „Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun. Aber es fühlt sich richtig an, hier zu sein, verstehst du?“ „Ist das wirklich so? Yamato, das würde bedeuten, du entscheidest dich gegen alles, was du bisher hattest. Mich eingeschlossen. Deine Entscheidung muss ich zwar akzeptieren, aber sieh dich um. Ist es das wert?“ „Ich sehe nichts. Es ist dunkel.“ „Und das bleibt wahrscheinlich so.“ Nachdenklich lasse ich meinen kleinen Freund los und erhebe mich. „Nein, Yamato! Bitte verschwinde nicht!“, ruft Gabumon ängstlich in meine Richtung. „Ich verschwinde nicht“, entgegne ich sanft. „Allerdings verstehe ich allmählich. Dieser Weg ist wie eine Einbahnstraße, die in einer Sackgasse mündet, oder? Ich kann mich jederzeit entscheiden, diesen Weg einzuschlagen, allerdings ist es eine endgültige Entscheidung. Ein Zurück gibt es nicht, hab ich recht?“ Ich spüre, wie sich Gabumon an meinem Hosenbein festkrallt. „In den meisten Fällen nicht“, flüstert er traurig. Liebevoll umarme ich ihn, wobei sein weiches Fell meine Haut angenehm kitzelt. „In Ordnung, ich begleite dich. Vorerst.“ Tief durchatmend schließe ich meine Augen. Als ich sie wieder öffne, steht Taichi einige Meter von mir entfernt an einer Klippe und schaut durch sein Fernrohr. Kühler Wind lässt meinen Körper leicht zittern. „Hat der Herr sich entschieden, doch bei der Gruppe zu bleiben und meinen Vorschlag zu akzeptieren? Oder hältst du noch an deinem Alleingang fest? Warum bist du dann zurückgekommen?“ Tai blickt mich ernst an. „Und warum müssen sich immer alle nach dir richten?“, gebe ich bissig zurück und frage mich gleichzeitig, weshalb ich so reagiere. „Wo sind die anderen überhaupt?“ Mein Freund zeigt zu dem kleinen Wald, der sich unweit von uns befindet. „Sie schlafen.“ „Und du?“ „Ich wollte ein wenig die Gegend auskundschaften, um einen sinnvollen Weg für uns zu finden. Außerdem…“ Tai wendet sich ab und schaut wieder durch sein Fernrohr. Langsam laufe ich auf ihn zu, bleibe neben ihm stehen und nehme ihm den Gegenstand aus der Hand. „Außerdem?“ „Ich konnte nicht schlafen, weil ich mir Sorgen um dich machte.“ Mein Freund senkt seinen Blick und sieht zu Boden. „Weißt du, ich bin froh, dass du zurückgekommen bist. Ich habe dich vermisst.“ Den letzten Satz spricht er so leise, dass ich ihn kaum verstehe. Verlegen und schweigend betrachte ich die Umgebung. Erst jetzt fallen mir die vielen Farben auf. Der Himmel und das Meer sind tiefblau, die Bäume erscheinen in einem satten Grün. „Deine Entscheidung war richtig, Yamato.“ Taichi lächelt und küsst mich flüchtig auf die Wange. „Du kannst ohnehin nicht vor mir fliehen, selbst wenn du mich fesselst und gefangen hältst.“ „Was?“ Verwirrt betrachte ich meinen Gegenüber. An seinen Handgelenken fallen mir violett verfärbte Male auf. „Tai…“, beginne ich, unterbreche mich jedoch, als dieser behutsam über die Länge meines Unterarmes streicht. Ich spüre nichts, dennoch klafft eine tiefe, nicht blutende Wunde an der Stelle, die mein Freund gerade berührte. „Du kannst nicht sterben, mein Liebling. Nicht, wenn ich es nicht möchte.“ „Deshalb bin ich nicht ertrunken, deshalb verblute ich nicht“, murmle ich mehr zu mir selbst. „Hätte ich mich anders entschieden…“ „… hättest du dich mir entzogen“, beendet Tai meinen Satz. Mein Körper wird von einer Erschütterung erfasst und ich öffne die Augen. Es ist hell. Ich ziehe die Decke enger um meinen Körper. „Bist du wach, Yamato?“, fragt mein Freund vorsichtig. „Ja“, antworte ich müde, aber mit schnell klopfendem Herz. „Dein Schlaf war ziemlich unruhig und du zitterst heftig. Hattest du einen Albtraum?“ „Nein.“ Kurz schweige ich. „Taichi? Vor acht Jahren im Sommercamp… ist damals etwas Seltsames vorgefallen? Erinnerst du dich?“ „Hm… ungewöhnlich war auf jeden Fall, dass es im August schneite. Hast du das tatsächlich vergessen?“ „Ja, es scheint so. Für mich ist diese Zeit nur sehr verschwommen… als ob… schon gut. Es ist alles in Ordnung.“ „Was ist los? Du wirkst durcheinander. Und warum sprichst du gerade jetzt auf das Sommercamp an?“ Schutz und Nähe suchend rutsche ich dicht an meinen Freund heran, lege meinen Kopf auf seine nackten Oberkörper und schließe erschöpft die Augen. „Yamato, du glühst. Du hast Fieber“, meint Taichi besorgt. „Mir ist nur kalt“, nuschle ich schwerfällig. „Binde mich los, damit ich mich um dich kümmern kann.“ „Nein“, sage ich ruhig, aber bestimmt. „Du verdammter Sturkopf!“, schreit Tai mich nun an. „Ich werde nicht weglaufen. Aber ich habe Angst um dich, begreife das bitte!“ „Du musst keine Angst haben. Mir geht es gut.“ „Miss deine Temperatur und zeige mir das Ergebnis. Erst dann glaube ich dir und lasse dich in Ruhe.“ Ohne ein Wort zu entgegnen, erhebe ich mich schwerfällig. Ein leichtes Schwindelgefühl bringt mich für einen Augenblick ins Wanken. Unerträglich hämmert der Schmerz in meinem Kopf. Aus dem Bad hole ich das Thermometer, setze mich auf die Kante meines Bettes und messe meine Körpertemperatur. Mein Freund beobachtet mich misstrauisch. Als das Signal ertönt, werfe ich einen Blick auf das Display. „Zeig es mir“, verlangt Taichi streng. Missmutig halte ich ihm das Ergebnis entgegen. „39,3°C“, liest er ab. „Yamato…“ „Nein.“ „Sieh in den Spiegel, dein Körper zittert unkontrolliert und du kannst dich offenbar kaum auf den Beinen halten. Zudem scheinst du zu vergessen, dass ich, solange ich mich nicht frei bewegen kann, auf dich angewiesen bin. Bitte sei vernünftig, hörst du?“ Völlig reglos sitze ich da. Mein Denken ist zäh, meine Konzentration auf dem Tiefpunkt. Das Gefühl, welches der Traum hinterließ, ist noch immer präsent, aber ich bin nicht in der Lage, es zu deuten. „Yama…“ Das Läuten der Türklingel holt mich aus meinen Gedanken. Ich schaue meinen Freund kurz an, dann gehe ich aus dem Zimmer, froh der Situation entfliehen zu können. Ohne darüber nachzudenken, wer der Besucher sein könnte, öffne ich. „Yamato, du siehst schrecklich aus. Ist etwas passiert?“ Ich schüttle kaum merklich meinen Kopf. Mein Freier betritt die Wohnung, schließt die Tür hinter sich und nimmt mich behutsam in den Arm. Dann mustert er mich durchdringend und sorgenvoll zugleich. Er legt seine Lippen auf meine Stirn und gleitet mit seiner Hand über die mit einem feuchten Film überzogene Haut meines Oberkörpers. „Fieber, kalter Schweiß, Schüttelfrost… ich bringe dich erst einmal ins Bett.“ Geschwächt lehne ich mich bei ihm an. „Nein. Gehen Sie bitte. Es ist…“ Ich unterbreche mich selbst. Wenn ich ihn abweise, kann ich seinen Sohn nicht schützen. Fahrig öffne ich meine Hose. „Nehmen Sie sich, wonach ihnen verlangt. Nur nicht in meinem Zimmer, einverstanden?“, frage ich nahezu unterwürfig. Mein Freier nimmt mein Gesicht fest zwischen seine Hände. „Sieh mich an, mein Süßer. Ich werde dich in diesem Zustand nicht ficken. Du bist krank und derartige Anstrengungen sind das Letzte, was du brauchst.“ Unerwartet hebt er mich hoch und trägt mich über den Flur zu meinem Zimmer. „Nein, bitte. Taichi ist da.“ Überrascht hält mein Freier inne. „Ist er auch krank oder warum ließ er dich die Tür öffnen? „Lassen Sie mich runter.“ „Nein. Keine Sorge, ich werde nicht länger bleiben als nötig. Mir ist bewusst, dass dein Freund mich hasst, aber…“ Nun setzt er mich doch ab, hält mich aber weiterhin fest und öffnet meine Zimmertür. Ich senke resigniert meinen Blick, als er mich sanft hineinschiebt. „Habe ich euch gerade gestört?“, fragt mein Freier erstaunt, als er Taichi mit gefesselten Händen auf meinem Bett liegen sieht. Dieser schweigt. Es scheint, als warte er auf eine Reaktion meinerseits. „Nein“, flüstere ich schließlich, wobei ich das Gefühl habe, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. „Er darf mich nicht verlassen“, spreche ich abwesend weiter. „Du hältst Taichi hier fest?“ Ich nicke verhalten. „Das ist Freiheitsberaubung, Yamato! Wie lange…“ „Heute ist der fünfzehnte Tag“, antwortet Tai ohne Betonung in der Stimme. Hinter mir stehend gibt mein Freier mir Halt, indem er meinen Oberarm nicht loslässt, nun verstärkt er den Druck. „Binde ihn los“, fordert er mich im Befehlston auf. „Nein.“ „Yamato. Glaubst du wirklich, dass es eurer Beziehung zuträglich ist, wenn du deinen Freund über zwei Wochen Gefangenschaft antust?“ Liebevoll streichelt er über meinen Arm. „Taichi, ich hoffe, du verstehst, dass ich dich nicht befreien werde. Meiner Meinung nach ergibt es nur Sinn, wenn Yamato es selbst und von sich aus tut. Es sei denn…“ „Nein, schon gut“, unterbricht Tai ihn, als wüsste er, wie der Satz enden sollte. Ich spüre, dass es für mich keinen Ausweg mehr gibt. Es ist vorbei. Wie fremdgesteuert gehe ich auf meinen Freund zu und löse seine Fesseln. Zum letzten Mal. Verkrampft streicht sich Taichi über seine Handgelenke, steht auf und streckt sich. Anschließend schlägt er mir ohne Zurückhaltung mit der Faust ins Gesicht. Aufgrund meiner schwachen körperlichen Verfassung stürze ich hart zu Boden und bleibe widerstandlos liegen. Meine Wange schmerzt stark, zufrieden schmecke ich Blut in meinem Mund. Stöhnend krümme ich mich zusammen, als Tai mich mit einem gezielten Tritt in den Bauch endgültig außer Gefecht setzt. Verschwommen sehe ich meinen Freier, der an der Tür lehnend das Geschehen unparteiisch beobachtet. Seine Mimik drückt jedoch Anteilnahme und Traurigkeit aus. „Das musste sein, Yamato. Das weißt du.“ Vorsichtig nimmt Taichi mich in seine Arme. „Du bist so ein dämlicher Idiot! Was geht nur immer in deinem hübschen Köpfchen vor?“ Mit Tränen in den Augen schließe ich diese erleichtert. Es ist wirklich vorbei. Sein Duft umhüllt mich sanft. Wie sehr habe ich es vermisst in seinen Armen zu liegen. Ich spüre eine kalte Hand auf meiner Stirn. Mein Körper scheint zu verglühen, weshalb ich diese zärtliche Berührung als angenehm empfinde. Zudem lindert die Kälte den pulsierenden Schmerz in meinem Kopf ein wenig. Ich fühle mich schwach und bekomme mein Zittern nicht unter Kontrolle. „Taichi“, flüstere ich kaum hörbar. „Nein“, entgegnet die besorgt klingende Stimme meines Freiers. Meine Augen brennen unangenehm und es fällt mir schwer, sie zu öffnen. Fiebrig blicke ich zu ihm. „Wo ist Tai?“, frage ich müde, doch meine Panik ist deutlich herauszuhören. „Bei seinen Eltern.“ „Nein…“, ist das einzige, von Verzweiflung gezeichnete Wort, welches über meine Lippen kommt. Tränen bahnen sich ihren Weg über mein Gesicht, ich versuche mich aufzusetzen, werde jedoch von meinem Freier sachte zurück auf das Laken gedrückt. „Bleib ganz ruhig, mein Kleiner. Er kommt zurück, sobald er seine Eltern überzeugen konnte, dass alles in Ordnung ist. Zudem wollte er ein paar frische Sachen holen.“ Mein Hals ist trocken und ich kann kaum schlucken. „Steht meine Flasche neben dem Bett?“ Fürsorglich reicht mir mein Freier den gewünschten Gegenstand, aus welchem ich gierig in großen Schlucken von dem Wasser trinke. „Wie geht es dir?“, will mein Freier wissen, während er mit seinen Fingern über meine von kaltem Fieberschweiß bedeckte Haut streicht. Dann hält er mir das Thermometer entgegen. Ohne Widerrede nehme ich es und messe meine Temperatur. „Ich fühle mich erschöpft und kraftlos, mir ist schwindelig. Sämtliche Gliedmaßen und mein Kopf schmerzen. Die Kälte und der Schüttelfrost hören einfach nicht auf.“ „Du bist krank. Vielleicht wäre es besser, einen Arzt zu konsultieren.“ „Nein, bitte. Es muss so gehen.“ „Warum, Yamato?“ „Ich befürchte, dass Entzugserscheinungen bei meiner momentanen Verfassung eine Rolle spielen. Durch die Gefangenschaft von Tai habe ich kaum Drogen konsumiert. Wenn Sie mir Heroin…“ „Nein“, unterbricht mich mein Freier mit ernstem Gesichtsausdruck. „Ich spritze dir jetzt bestimmt kein Heroin, selbst wenn du mit deiner Vermutung Recht haben solltest. Außerdem wäre dein Freund zurück, bevor du von deinem Trip runter bist. Willst du ihm auf diese Weise zeigen, dass du ein Fixer bist?“ „Das nicht, aber er kommt ohnehin nicht zurück. Nie hätte er mich mit Ihnen allein gelassen, wenn er noch etwas für mich empfinden würde.“ Erneut brennen Tränen in meinen Augen. Zu meiner Verwunderung lächelt mein Freier. „Du irrst dich, mein Süßer. Taichi wollte nicht, dass ich mit dir allein bleibe, allerdings war die Alternative, dich gänzlich allein zu lassen, für ihn erst recht keine Option. Glaube mir, er liebt dich sehr, denn er ging nicht, ohne mir alle möglichen Drohungen an den Kopf zu werfen.“ Jetzt legt sich auch ein leichtes Lächeln auf meine Lippen. „Dein Freund ist wirklich sehr süß, vor allem, wenn er seine Besitzansprüche an dir geltend macht.“ Der Signalton des Thermometers weist uns auf die abgeschlossene Messung hin. Ich schaue auf das Display. „Das Fieber sinkt nicht. 39,4°C“, seufze ich und schließe meine Augen. „Ich bringe dich jetzt zum Arzt.“ „Nein, bitte…“, hauche ich und werfe meinem Freier einen flehenden Blick zu. „Sei vernünftig, Yamato. Dein Körper ist ohnehin schon sehr geschwächt.“ Mit spürbar starker Zuneigung streicht er mir durch das feuchte Haar und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Die Tür zu meinem Zimmer wird geöffnet und Taichi betrachtet die sich ihm bietende Szene mit finsterer Miene. Er stellt die Tasche in seiner Hand auf dem Boden ab und richtet sich feindselig an meinen Freier: „Nehmen Sie Ihre dreckigen Finger von meinem Freund. Meine Warnungen waren anscheinend nicht eindeutig genug. Sie gehen jetzt besser, sonst kann ich für nichts garantieren.“ In Tais Augen erkenne ich eine gefährliche Eifersucht, die ihn, wie so oft, unberechenbar werden lässt. Mit einem forschen Lächeln steht mein Freier auf, macht ein paar Schritte auf meinen Freund zu und zieht ihn eng an sich, wobei er mit seinem Arm dessen Taille umfängt. „Keine Angst, mein Süßer“, raunt er Taichi lüstern und gerade so laut in sein Ohr, dass ich ihn noch verstehe. „Ich nehme dir Yamato nicht weg. Das würde ich ohnehin nicht schaffen.“ Voller Abscheu stößt mein Freund seinen Gegenüber von sich. „Sagte ich nicht schon einmal, Sie sollen mich nicht anfassen?“, weist er ihn wütend und mit drohendem Unterton zurecht. Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. Erstaunlicherweise verspüre ich, trotz des anzüglichen Verhaltens meines Freiers, keine Eifersucht. Wahrscheinlich, weil ich weiß, dass er Tai gern aufzieht und Spaß daran hat, ihn ein wenig zu provozieren. Zudem vertraue ich ihm. Nie würde er mir so sehr wehtun und sich ernsthaft an meinen Freund heranmachen. „Und ich sagte dir schon einmal, dass ich mich nicht an dir vergehen werde. Obwohl du wirklich einen verdammt süßen Arsch hast.“ Langsam gleitet mein Freier mit seiner Hand nach unten. „Sie sind nichts weiter als ein perverser Kinderficker. Verpissen Sie sich! Und wagen Sie es nicht noch einmal, meinen Freund zu vögeln, sonst werde ich Sie tatsächlich kastrieren“, zischt Tai hasserfüllt. „Hör auf“, mische ich mich nun ein. „Taichi, ich…“ „Du hältst dich da raus!“, fordert der mich gereizt auf, ohne seine Augen von meinem Freier abzuwenden. „Schon gut, Yamato. Ich muss ohnehin los.“ Zärtlich streicht mir mein Freier über meine vom Fieber gerötete, erhitzte Wange. „Ruh dich aus, damit du bald wieder gesund wirst, mein kleiner Liebling.“ Mein Blick fällt auf Tai, dessen Hände zu Fäusten geballt sind. Doch bevor die Situation eskaliert, verlässt mein Freier den Raum und kurz darauf die Wohnung. Ich versuche mich aufzusetzen. Nur mit Mühe gelingt es mir. Mein Körper fühlt sich sehr schwach und demzufolge schwer an. „Ich verbiete dir, mit diesem Mann weiter zu verkehren, Yamato“, sagt Taichi unerwartet ruhig. Eigentlich will ich protestieren, aber ich fühle mich momentan völlig überfordert. Erschöpft sinke ich zurück auf die Matratze und schließe meine Augen. „Vor einiger Zeit meintest du, du wolltest mich gern einmal so richtig rannehmen, wenn ich verschwitzt und im Fieberwahn bin.“ Meine Stimme ist leiser und unbeständiger als erwartet. Ich spüre Tais Lippen auf meinen und seine kühlen Hände, die über meine mit kaltem Schweiß benetzte Haut gleiten. Jede Berührung von ihm fühlt sich irreal an, fremd und vertraut zugleich. Mein Kopf ist vollkommen leer. Lediglich das Schwindelgefühl ist greifbar. Der Signalton des Thermometers ertönt, welchen ich jedoch nur am Rande meines Bewusstseins wahrnehme. Er klingt für mich irreal und weit entfernt, ebenso wie die Stimme meines Freundes. Vielleicht fantasiere ich. „Das Fieber ist auf 39,6°C gestiegen. In deiner momentanen Verfassung Sex zu haben, war keine gute Idee. Dein Körper scheint die Anstrengung nicht zu verkraften.“ Leicht gleiten kalte Fingerspitzen über meinen Brustkorb. „Sollte das Fiebermittel in der nächsten halben Stunde nicht anschlagen und deine Körpertemperatur sinken, bringe ich dich zum Arzt. Auch wenn ich weiß, dass ich damit gegen deinen Willen agiere. Yamato…“ Ich spüre Taichis Hand, die sanft durch meine feuchten Haare streicht. Es fällt mir schwer, meine Augen offen zu halten, mein Blick geht durch meinen Freund hindurch. Verhalten küsst er meine Lippen. „… du bist so leblos, kaum ansprechbar. Deine Atmung ist schwerfällig und du scheinst beinahe zu verglühen. Ich ertrage es nicht, dich so abwesend zu sehen.“ Tais Stimme vibriert, Tränen tropfen auf meine Haut und obwohl ich sie deutlich fühlen kann, zweifle ich nach wie vor an meiner Wahrnehmung. Mit einem Mal steigt Übelkeit in mir auf und mein Körper verkrampft schmerzhaft. Stöhnend krümme ich mich zusammen, erbreche mich auf das Laken. „Yamato…“ Geistesgegenwärtig löst er den Zopfgummi, den ich aufgrund meiner langen Haare immer um mein Handgelenk trage, und bindet diese notdürftig im Nacken zusammen. Dann verlässt er mein Zimmer. Mit einer Schüssel Wasser und einem Lappen kehrt er zurück. Trotz meiner Benommenheit und des starken Schwindelgefühls beobachte ich meinen Freund, falle jedoch schnell in einen unruhigen, von wirren Träumen geplagten Schlaf. Dumpf und unverständlich dringt eine Stimme an mein Ohr. Ich öffne meine Augen und erblicke eine steril weiß gestrichene Zimmerdecke. Als ich vorsichtig meinen Kopf drehe, wobei mir ein feuchter, lauwarmer Lappen von der Stirn rutscht, stelle ich erleichtert fest, dass Taichi mich nicht ins Krankenhaus brachte und ich somit nach wie vor in meinem eigenen Bett liege. „Wann?“ „Wirklich?“ Ich schaue in die Richtung, aus der ich Tais Stimme vernehme. Die Tür steht einen Spalt offen. Mein Freund befindet sich im Flur und scheint zu telefonieren. „Ich bin froh, dass du so zeitnah herkommen wirst.“ „Yamato schläft momentan. Er hat ziemlich hohes Fieber und musste sich mehrfach übergeben.“ „Nein, ich wollte einen Arzt konsultieren, weil seine Körpertemperatur trotz Medikamente kaum sinkt, aber…“ „Ja, genau.“ „Nein.“ „Hiroaki…“ Durch die Art, wie er den Namen meines Vaters ausspricht, wirkt Taichi haltlos, nahezu kindlich. Ich frage mich, ob er weint, denn seine Stimme zittert leicht. „Ich habe Angst um Yamato.“ „Nicht nur deshalb. Er konsumiert wahrscheinlich schon seit längerer Zeit Heroin.“ Zwar vernehme ich die Worte meines Freundes, begreife deren Bedeutung im Moment jedoch nicht. „Er war nicht bei Bewusstsein, aber völlig durchgeschwitzt. Ich wollte ihm ein frisches Hemd anziehen, als ich ihn entkleidete, sah ich Vernarbungen in seiner Armbeuge.“ „Naja, soweit ich weiß, kann man auch andere Drogen injizieren, allerdings…“ „Ja.“ „Nein, ich habe ihn bisher nicht darauf angesprochen. Er ist seitdem noch nicht wach gewesen.“ „In Ordnung.“ Eine kurze Pause entsteht. „Wirst du ihn wieder in eine psychiatrische Klinik einweisen?“ „Verstehe.“ Aus Taichis Reaktion kann ich nicht erschließen, was mein Vater auf dessen Frage antwortete. „Die Vermutung hatte ich auch schon. Wenn er tatsächlich auf Entzug ist, würde das die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erklären. Seine Symptomatik könnte auch passen.“ „Hiroaki… bitte. Es ist nicht deine Schuld.“ „Sich Vorwürfe zu machen, ändert nichts an der Situation. Auch ich frage mich, wie lange er sich schon mit diesem Zeug kaputt macht und wie ich so blind sein konnte, davon nichts zu bemerken.“ „Ich weiß es nicht, aber ich würde es diesem perversen Kinderficker durchaus zutrauen. Er kann seine dreckigen Finger ohnehin nicht von Yamato lassen, wäre es da verwunderlich, wenn er ihn mit Drogen von sich abhängig macht?“ Traurig schließe ich meine Augen. Ich wünschte, Taichi hätte eine andere Meinung von meinem Freier, zumal er ihn nicht einmal richtig kennt. „Allein schaffe ich das nicht. Ich brauche dich, Hiroaki“, höre ich meinen Freund voller Sehnsucht sagen. „Ja.“ „Ich weiß.“ „Du auf dich auch. Bis dann.“ Tai legt auf. Kurz herrscht bedrückende Stille in der Wohnung, dann setzt mein Freund sich in Bewegung. Ich halte meine Augen geschlossen, als er mein Zimmer betritt und sich auf der Bettkante niederlässt. Fürsorglich nimmt er den Lappen von meiner Stirn, wäscht ihn in der Schüssel aus und tupft mir anschließend damit den Schweiß von der Haut. Ich realisiere noch immer nicht ganz, welche Folgen das eben vernommene Telefonat für mich haben wird, auch verstehe ich nicht, warum ich vorgebe, weiterhin zu schlafen. Nur mein Herz schlägt schmerzhaft stark gegen meinen Brustkorb und versucht meinem aus Angst verdrängenden Verstand die wahrscheinlich unausweichlichen Veränderungen begreiflich zu machen. „Mir geht es schon etwas besser“, lüge ich meinen Freund an, wobei ich versuche die Schmerzen durch den Entzug vor ihm zu verbergen. Ich brauche Heroin, an etwas anderes kann ich kaum noch denken. Allerdings kommt mir immer wieder das Telefongespräch zwischen Taichi und meinem Vater in den Sinn. Fand es tatsächlich statt oder unterlag ich im Fieberwahn einer Halluzination? „Du bist sehr blass.“ Sanft berührt Tai meine Wange und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Und dein Fieber ist nur unwesentlich gesunken. Das Mittel schlägt nicht an. Yamato…“ „Nein. Bitte, ein Arzt ist wirklich nicht nötig!“ „Ich verstehe dich nicht. Warum hast du solch eine panische Angst vor einer ärztlichen Untersuchung?“ „Keine Ahnung, vielleicht liegt es einfach an meiner allgemeinen Abneigung gegen Ärzte. Die können einem ohnehin nicht helfen. Zumindest musste ich die Erfahrung mehrfach machen.“ „Aber im Augenblick geht es nicht um deine Psyche. Dein Körper wehrt sich gegen irgendetwas, scheint es allein jedoch nicht zu schaffen. Du…“ „Taichi, hör auf dir unnötige Sorgen zu machen. Ich kenne meinen Körper, immerhin muss ich ihn tagtäglich ertragen. Es ist nichts Ernstes, also…“ „Fast 40°C Fieber nennst du nichts Ernstes? Du lagst bisher die meiste Zeit im Delirium. Momente wie jetzt, in denen du bei klarem Verstand bist, sodass ich mit dir reden kann, sind selten. Findest du das nicht besorgniserregend?“ „Tai…“, setze ich an, werde aber von meinem Freund unterbrochen. „Bist du auf Entzug?“, fragt er ruhig, mit ernster Miene. „Willst du dich aus diesem Grund nicht untersuchen lassen? Weil du weißt, dass die Symptome Entzugserscheinungen sind?“ Nervös weiche ich Tais prüfenden Blick aus. War das Telefonat doch keine Einbildung? Hat er die Vernarbungen gesehen, die auf meinen Heroinkonsum hinweisen? „Wie kommst du darauf?“, frage ich vorsichtig, ohne meinen Freund anzusehen. „Du hast Schmerzen, nicht wahr? Hinzu kommen unkontrollierbares Zittern, Krämpfe… dein Körper verkrampft immer wieder. Auch wenn du versuchst es zu verbergen, ich kenne dich, Yamato.“ „Ich… ja, vielleicht“, lenke ich schuldbewusst ein. Offensichtliches zu leugnen, wäre mehr als dämlich. Sinnvoller erscheint es mir, Schadensbegrenzung zu betreiben und eine andere Erklärung für die Vernarbungen zu finden, um vom Heroin abzulenken. Allerdings muss ich mich mit meinen Äußerungen vorsehen, da ich mir noch immer nicht sicher bin, wie viel Taichi und mein Vater tatsächlich wissen. „Wenn du meinen Zustand kennst, müsste dir klar sein, dass es mit der Zeit besser wird und ein Arzt nicht notwendig ist. Der Entzug von GHB bedarf keiner medizinischen Betreuung.“ Mein Freund sagt nichts, betrachtet mich lediglich mit Skepsis. „Sieh mich nicht so an. Vertrau mir wenigstens einmal“, bringe ich ihm vorwurfsvoll entgegen und setze mich dabei leicht auf. Tai langt nach dem Thermometer, welches auf meinem Nachtschrank liegt, und hält es mir entgegen. „Miss“, fordert er mich einsilbig und relativ tonlos auf. Schweigend nehme ich es ihm aus der Hand und leiste ohne Widerworte Folge. Während ich auf das Ergebnis warte, schließe ich meine Augen und konzentriere mich auf das beständige Pulsieren in meinem Kopf. Der Rhythmus ist unangenehm, durchzogen von starken, stechenden Schmerzen. Durch den Entzug treffen diese Symptome auch auf den Rest des Körpers zu. Ich spüre überdeutlich das Blut durch meine Adern fließen, es tut weh. Am Leben zu sein tut so verdammt weh. Dennoch muss ich mich zusammenreißen und darf mir nichts anmerken lassen, um nicht noch mehr Grund zur Besorgnis zu geben. Der Signalton des Thermometers holt mich aus meinen Gedanken. Ich werfe einen Blick auf das Display. „38,9°C“, informiere ich meinen Freund, der meine Aussage jedoch überprüft, indem er selbst auf das Display schaut. „Du vertraust mir wirklich nicht“, stelle ich enttäuscht fest. „Bei all deinen Lügen, die du Hiroaki und mir erzählt hast, beziehungsweise handelt es sich eher um Halbwahrheiten, wundert es dich, dass dir kein Vertrauen entgegengebracht wird?“ Taichi sieht mich ungläubig an. „Bist du so naiv?“ Mit trauriger Miene streicht er ein paar Strähnen hinter mein Ohr. Seine braunen Augen fixieren mich, nehmen mich gefangen. „Manchmal würde ich gern in deine Welt eintauchen, vielleicht könnte ich dich dann besser verstehen.“ Ich spüre Tais warmen Atem auf meiner Haut, seine Lippen zaghaft auf meinen. Behutsam drücke ich seinen Körper etwas von mir und drehe meinen Kopf zur Seite. „Nicht“, flüstere ich, erfüllt von Selbsthass. Ich möchte meinen Freund nicht abweisen, ich sehne mich sogar nach ihm, aber im Moment kann ich nicht anders handeln. Einmal mehr agiere ich ohne ersichtlichen Grund. Einfach nur gegen mich. „Was ist los?“, fragt Tai verwirrt. „Erträgst du gerade keine Berührungen, keine Zuneigung?“ „Es tut mir leid“, hauche ich unsicher. Schwindel überkommt mich und Schüttelfrost ergreift Besitz von meinem Körper. „Dein Befinden verschlechtert sich wieder, hab ich recht?“ „Es fühlt sich so an“, gebe ich ehrlich zu, während ich in eine liegende Position rutsche. „Vielleicht ist es nur ein kurzer Schub, den ich gleich überstanden habe.“ Müde schließe ich meine Augen. Der feuchte Lappen, der von Taichi fürsorglich auf meine Stirn gelegt wird, ist angenehm kühl. Abgesehen von den körperlichen Entzugserscheinungen bin ich innerlich extrem unruhig, da mein Verlangen nach Heroin allmählich unerträglich wird. Irgendwie muss ich an einen Schuss kommen. Aushalten ist für mich keine Option mehr. Zwar stehe ich normalerweise auf Schmerzen, brauche sie sogar, aber im Fall eines Heroinentzuges gleichen sie eher einem Todeskampf, der nicht einmal mit dem Tod belohnt wird. Und wenn ich an das letzte Mal denke, befinde ich mich erst am Anfang. Damals waren die Krämpfe dermaßen schmerzhaft, dass ich schrie, mich krümmte und einfach nur sterben wollte. Bevor dieser Zustand eintritt, muss ich einen Weg finden, mir die Droge unbemerkt in die Venen zu spritzen. „Du wirst an ihnen zugrunde gehen“, höre ich die Stimme meines Freundes traurig sagen. „Was?“ Ich öffne meine Augen und schaue ihn irritiert an. „Drogen. Sei ehrlich, du kommst von diesem Scheißzeug nicht los, weil du es überhaupt nicht möchtest.“ „Taichi, ich…“ Ein Klingeln an der Tür beendet das für mich eher unangenehme Gespräch. Zumindest vorerst. Ohne ein Wort zu sagen, steht mein Freund auf und verlässt das Zimmer, wobei die Tür ein Stück weit offen bleibt. Ich schließe meine Augen erneut und konzentriere mich auf das Atmen. „Sagte ich Ihnen nicht, Sie sollen sich von Yamato fernhalten?“, höre ich meinen Freund unfreundlich, beinahe gereizt fragen. „Ich werde mich von ihm fernhalten, wenn er es von mir verlangt. Und momentan mache ich mir große Sorgen um Yamato. Lass mich bitte zu ihm, Taichi.“ Der Tonfall meines Freiers ist nachsichtig und fordernd zugleich. Schwerfällig richte ich mich auf. „Nein. Und wenn Sie nicht sofort…“ „Was dann?“, will mein Freier amüsiert wissen. „Verdammt, lassen Sie mich los!“, entgegnet Tai wütend, aber auch Panik meine ich herauszuhören. Auf wackeligen Beinen schleppe ich mich zur Tür, stütze mich kraftlos am Rahmen ab, lehne mich Halt suchend dagegen. Mein Blick fällt auf Taichi, der mit dem Rücken zur Wand steht, und meinen Freier, der sich mit einer Hand an der Wand abstützt und mit der anderen die Taille meines Freundes umfängt und ihn dicht an sich zieht. „Weißt du, Taichi, besonders in Momenten, in denen du dich bedroht fühlst, und vor allem, wenn du deinen Besitzanspruch an Yamato geltend machst, finde ich dich unglaublich süß.“ Er küsst Tai auf die Wange, dann wendet er sich von ihm ab. Als er mich erblickt, kommt mein Freier mit sorgenvoller Miene auf mich zu. „Berühre Yamato und du bist tot, perverses Arschloch!“, ruft mein Freund ihm drohend nach und wischt sich mit dem Handrücken angeekelt über die Wange. „Hör auf, Tai“, mische ich mich nun in das Geschehen ein, doch meine Stimme ist schwächer als beabsichtigt, weshalb meine eigentliche Forderung deutlich an Ausdruck verliert. „Bist du auf der Seite dieses Pädophilen?“, entgegnet er verständnislos. „Ich bin auf keiner Seite, aber du verhältst dich kindisch.“ Laut lacht mein Freund auf. „Ausgerechnet von dir muss ich mir eine solche Bemerkung anhören?“, spottet er. Doch sofort wird sein Gesichtsausdruck wieder ernst. „Yamato, er trägt die Hauptschuld an deiner schlechten Verfassung. Warum willst du das nicht begreifen?“ Ich schaue meinem Freier, der vor mir steht, in die Augen. Der streicht mir liebevoll durch die Haare und zieht mich eng an seinen Körper. „Du hast noch immer hohes Fieber“, mutmaßt er. Ich spüre seine Lippen dicht an meinem Ohr. „Und du brauchst Heroin, nicht wahr? Die Symptome, welche, wie du bereits vermutetest, überwiegend Entzugserscheinungen sind, werden durch deine selbstzerstörerischen und somit schwächenden Handlungen noch zusätzlich verstärkt“, flüstert er selbst für mich kaum hörbar, um sicher zu gehen, dass Taichi seine Worte nicht versteht. Ich nicke leicht und kralle mich Halt suchend im Stoff seines Hemdes fest. Alles dreht sich. Mein Blick fällt auf Taichi. Seine Eifersucht ist ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, dennoch bleibt er unbewegt, aber mit geballten Fäusten an der noch immer geöffneten Wohnungstür stehen. „Tai…“, hauche ich. Tränen füllen meine Augen. Er ist nicht nur wütend, sondern auch ziemlich verletzt. Dabei schätzt er die Situation falsch ein. Zwar befinde ich mich im Augenblick in den Armen meines Freiers, weil er Angst um mich hat und für mich da sein will, zudem kennt er das eigentliche Problem, dennoch gilt meine Sehnsucht Taichi, seiner Nähe, seinen Berührungen und seiner Zuwendung. „…ich liebe dich so sehr.“ Seufzend schließt mein Freund die Tür. „Manchmal frage ich mich, warum ich nicht einfach gehen kann.“ Seine Aussage schmerzt, doch auch ich stellte mir diese Frage schon oft, vor allem, wenn man bedenkt, was ich ihm bisher alles antat. Ich verkrampfe meine Finger stärker im Stoff des Hemdes meines Freiers, da ich drohe mein Gleichgewicht zu verlieren. Mein Körper zittert und die aufkommende Übelkeit bereitet mir Schwierigkeiten. „Taichi“, richtet sich mein Freier plötzlich an meinen Freund. „Ich denke, du solltest meine Position einnehmen.“ Schweigend kommt der auf uns zu und zieht mich besitzergreifend an sich. Ich schließe meine Augen, ziehe seinen Duft tief in mich ein. Tai zu spüren, ist beruhigend und unglaublich schön. „Gehen Sie endlich. Wir brauchen Sie nicht“, höre ich ihn mit feindseligem Unterton sagen. „Doch, ich brauche ihn“, widerspreche ich leise. „Weil du von diesem Wichser deine Scheißdrogen bekommst?“ Aufgebracht drängt Taichi mich gegen den Türrahmen zu meinem Zimmer, presst seinen Unterarm gegen meinen Hals. „Aber ich lasse nicht zu, dass du auf diese Weise verreckst. Ich werde nicht gegen GHB, Heroin und was du noch alles konsumierst, verlieren! Hörst du? Du darfst nicht sterben, verdammt!“ Weinend lehnt sich mein Freund an mich. Er wirkt so schutzlos, zerbrechlich. Unsicher umfange ich ihn mit meinen Armen und blicke ratlos zu meinem Freier. „Du solltest zurück ins Bett“, meint Tai unerwartet, löst sich von mir und begleitet mich stützend in mein Zimmer. Während ich mich hinlege, geht er zu meinem Schreibtisch und entnimmt einem der Schubfächer einen Gegenstand, den ich nicht sofort erkenne. Erst als mein Freund das Zimmer wieder verlässt, begreife ich sein Vorhaben. Aus Panik stehe ich zu schnell auf und werde von einem heftigen Schwindelgefühl wieder auf die Matratze gezwungen. „Wie konnten Sie nur so unverantwortlich handeln, ihn von Drogen abhängig zu machen? Sie behaupten, Yamato zu lieben, zerstören ihn aber systematisch. Letztlich wollen Sie an meinem Freund nur Ihre abartige, pädophile Lust befriedigen.“ Noch einmal versuche ich aufzustehen. Es gelingt mir. So schnell ich kann, stolpere ich in den Flur. „Ich habe Sie mehrfach gewarnt, nun müssen Sie mit den Konsequenzen leben.“ Wie ich befürchtete, handelt es sich bei dem Gegenstand um mein Klappmesser, welches Tai meinem Freier gerade an die Kehle hält. Seine Worte sprach er erwartet kalt und emotionslos. Ich schaue zu meinem Freier, der zwar in die Enge getrieben mit dem Rücken zur Wohnungstür steht, allerdings sehr gefasst wirkt. Er kennt meinen Freund zu wenig, um zu wissen, wie skrupellos der sein kann und wozu er in bestimmten Situationen fähig ist. In seiner augenblicklichen psychischen Verfassung würde Taichi ihn ohne zu zögern töten. „Bitte hör auf“, flehe ich mit belegter Stimme, während ich unsicheren Schrittes langsam auf die Beiden zugehe. „Yamato, bleib im Bett. Du siehst wirklich nicht gut aus“, sagt mein Freier sanft. „Das hier…“ „Verschwinde, Yamato! Und du hältst deinen Mund oder ich ziehe die Klinge sofort durch!“ Seine Aufforderungen spricht Tai nach wie vor ohne jede Gefühlsregung aus. Allmählich habe ich Angst, dass er die Kontrolle verliert und die Situation eskaliert. Das Fieber sowie die Kopfschmerzen verhindern jedoch jeden klaren Gedanken, auch meine Beine tragen das Gewicht meines Körpers nicht mehr lange. Erschöpft lehne ich mich gegen die Wand. „Dein Freund braucht dich, Taichi.“ Bestimmt ergreift mein Freier dessen Handgelenk, verharrt jedoch in der vorherrschenden Position, sodass sich die Klinge des Messers noch immer gefährlich nah an seinem Hals befindet. „Wenn du ihn liebst, wie du sagst, sollte Yamato wichtiger sein. Deinen Hass kannst du später an mir auslassen.“ Anstatt zu antworten, verstärkt Tai den Druck auf das Messer. „Verstehe, er ist dir gerade ziemlich egal. Du…“ „Sei endlich still, verdammt!“, schreit mein Freund seinen Gegenüber ungehalten an. „Wenn ich dich töte, kannst du Yamato nicht mehr für deine Perversion missbrauchen! Deinetwegen ist er überhaupt erst drogenabhängig geworden, du widerlicher Scheißkerl!“ „Nein, Taichi. Du irrst dich“, widerspreche ich. Durch die Schmerzen und Krämpfe, welche ich so gut es geht und vor allem unbemerkt zu kompensieren versuche, fällt es mir schwer, zu atmen, geschweige denn zu sprechen. „Ohne ihn wäre ich schon längst völlig abgestürzt. Vor ihm wurde ich bereits von anderen Freiern unter Drogen gesetzt und mit Sicherheit war die Qualität des Stoffes ziemlich minderwertig, somit…“ „Warum nimmst du dieses Arschloch immer wieder in Schutz? Liebst du ihn? Ist er inzwischen an die Stelle deines Vaters getreten? Ist er ein Ersatz für ihn? Ebenso wie Akito ein Ersatz für mich war?“ „Du weißt, dass du Unsinn von dir gibst, oder?“ Ich hasse meinen Körper. Wäre er nicht so schwach, könnte ich auf die Situation besser reagieren beziehungsweise überhaupt erst einmal agieren. Die anhaltende Übelkeit wird stärker. Wenn ich mich nicht im Flur erbrechen möchte, muss ich es irgendwie schaffen, ins Badezimmer zu gelangen. Unsicheren Schrittes taumele ich zur Toilette, in welche ich mich schmerzhaft würgend übergebe. Dann sinke ich kraftlos zu Boden. Ich brauche Heroin. Ich muss es in meinen Venen spüren, sonst wird sich mein Zustand nicht verbessern. Die Entzugserscheinungen verschwinden zwar irgendwann, aber ohne diese Leichtigkeit, das Glücksgefühl, welches die Droge mir schenkt, kann ich nicht mehr leben. Ertrage ich das Leben nicht mehr. Weinend krümme ich mich zusammen. „Tai… hilf mir…“, flehe ich stimmlos. Ich sollte aufgeben und hoffen, dass mich die Bewusstlosigkeit von der Realität befreit. Stattdessen bemühe ich mich und schaffe es unter Anstrengung, aufzustehen. Fast schon mechanisch schleppe ich mich zur Tür. Ich richte meinen Blick auf die beiden Männer am Ende des Flurs, dann auf das Messer, welches noch immer in der Hand meines Freundes verweilt. Zwar ließ er es sinken, scheint aber weiterhin fest entschlossen zu sein, meinen Freier anzugreifen. Entsetzt bemerke ich die klaffende Wunde an Tais linkem, blutüberströmtem Unterarm. Offenbar versuchte mein Freier ihm das Messer zu entwinden. An seinem Hals sehe ich ebenfalls einen leicht blutenden Schnitt. Wollte Taichi ihn wirklich töten, woraufhin mein Freier sich wehrte? Ich muss etwas unternehmen, allein wird mein Freund in diesem Zustand nicht zur Vernunft kommen. „Taichi, deine Wunde muss versorgt werden. Der Schnitt ist wirklich tief und blutet sehr stark“, redet mein Freier ruhig auf ihn ein. Sein Gegenüber reagiert nicht. „Du liebst Yamato mehr als alles andere, hab ich recht?“ „Ja“, antwortet Tai tonlos. „Und du hast Angst um ihn, willst ihn beschützen und ihm Halt geben.“ „Ja.“ „Dann dreh dich um und sieh ihn dir an.“ Wieder keine Reaktion. Der Blick meines Freiers verfinstert sich. Er hält sich nicht zurück, als er Tai mit der Rückhand eine kräftige Ohrfeige verpasst. Für einen Moment herrscht bedrohliche Stille in der Wohnung. „Es reicht, Taichi. Gib mir das Messer“, befiehlt mein Freier in autoritärem Tonfall. Unerwartet gehorcht mein Freund, wendet sich um und läuft wie fremdgesteuert auf mich zu. Seine Augen sind leer, seine Miene vollkommen ausdruckslos. Vor mir bleibt er stehen. Leblos. „Taichi?“ Behutsam streiche ich über seine noch immer stark gerötete, geschwollene Wange. Mein Freier hat wirklich hart zugeschlagen. Angsterfüllt und sehr unsicher, beinahe zurückhaltend umfange ich meinen Freund mit meinen Armen. Wie erwartet reagiert er auch auf mich nicht, selbst als ich seinen Körper fest an mich ziehe, bleibt er regungslos. „Taichi“, versuche ich es erneut, dabei weiß ich nicht einmal, ob er mich hört. „Was ist passiert?“, richte ich mich nun an meinen Freier. „Ich wollte ihm das Messer entwinden und ihn dazu bringen, zu dir zu gehen. Die Situation eskalierte etwas. Auch unterschätzte ich seine Kraft ein wenig. Es tut mir leid, es lag nicht in meiner Absicht, Taichi zu verletzen.“ „Ich weiß. Aber warum entschuldigen Sie sich? Immerhin ist er auf Sie losgegangen und hat Sie sogar verletzt.“ „Das ist nur ein Kratzer.“ Ein sanftes Lächeln legt sich auf die Lippen meines Freiers. „Zudem verstehe ich ihn. Er will dich beschützen. Yamato…“ Plötzlich löst Tai sich aus meiner Umarmung und sieht mich durchdringend an. „Ich liebe dich. Du sollst glücklich sein, deshalb…“ Entschlossen legt er seine Hände um meinen Hals und drückt zu. „Lächle, Yamato. Ich erfülle dir endlich deinen sehnlichsten Wunsch. Lächle ein letztes Mal für mich, mein Liebling.“ Voller Zärtlichkeit küsst er die Tränen von meinen Wangen. „Nicht, Taichi…“, will mein Freier ihn aufhalten. Schnell kommt er auf uns zu. „Bitte lassen Sie ihn“, entgegne ich stockend. „Vielleicht gibt er sich mir auf diese Weise wieder zurück. Es wäre nicht das erste Mal.“ Tai verstärkt seinen Druck, mir wird schwarz vor Augen. Kraftlos sinke ich mit meinem Freund zu Boden. „Selbst im Sterben finde ich dich noch wunderschön“, flüstert er liebevoll. „Öffne deine Augen und schau mich an. Ich möchte sehen, wie das Leben allmählich aus ihnen entweicht.“ Auch ich will mich ein letztes Mal in seinen unergründlichen, braunen Augen verlieren. Ich liebe ihn so sehr. Mit einem Lächeln verabschiede ich mich von Taichi. „Danke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)