So einfach von GotoAyumu (Yamato Ishida x Taichi Yagami / Hiroaki Ishida x Yamato Ishida) ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Müde stehe ich in der Küche und koche Kaffee, als das Telefon klingelt. Bevor ich reagieren kann, hat Tai den Hörer bereits abgenommen. Erleichtert atme ich auf. Anhand der Wortwahl meines Freundes sowie der Gesprächsthemen erkenne ich, dass mein Vater der Anrufer ist. Gerade scheint dieser sich nach dem Verlauf von Tais Prüfungen zu erkundigen, worauf der antwortet, dass es ganz gut gelaufen sei. Ich spähe vorsichtig aus der Küche und bedeute meinem Freund, dass ich nicht da bin, falls mein Vater nach mir verlangen sollte. Tai macht eine fragende Geste, nickt dann aber nur verständnislos und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf das Telefonat. Ich gehe zurück in die Küche, der Kaffee ist inzwischen durchgelaufen, fülle meine Tasse mit der braunen Flüssigkeit und setze mich an den Tisch. Den Kopf in die Hand gestützt schaue ich aus dem Fenster. Die kahlen Äste wiegen sich leicht in der kalten Winterluft, auf den Gabelungen sind kleine Schneeansammlungen. Seit ich Tai vor zwei Wochen in meinem Zimmer genommen habe, hat sich an unserem Verhalten nicht wirklich viel geändert. Er schläft nach wie vor in seinem Zimmer, besprochen wird nur Allgemeines, beschränkt auf das Nötigste. Bei den Blicken, die mein Freund mir entgegenbringt, sind Worte allerdings auch nicht mehr nötig. Dass ich mit anderen Männern ins Bett gehe, hat er mir schon vorgeworfen, als es noch gar nicht stimmte, das kann also nicht der Hintergrund sein. Aber ich vermute, dass er weiß, dass ich mich erneut von meinem Klassenkameraden habe ficken lassen, auch wenn ich mir nicht erklären kann, wie er davon erfahren haben sollte. Es sei denn, dieser kleine Hurensohn hat es Tai gesteckt. Mittlerweile traue ich ihm alles zu. Seit ich bei ihm zu Hause war und er mich auf ziemlich brutale Art genommen hat, wobei auch diverse Spielzeuge zum Einsatz kamen, kann ich ihn überhaupt nicht mehr einschätzen. Er findet nach eigener Aussage Sex zwischen Männern ekelhaft, kennt sich mit den diversen Praktiken aber erstaunlich gut aus. Hinzu kommen die verschiedenen Gerätschaften, von denen ich noch nicht einmal alle zu benutzen wüsste. Auch wenn mich die Brutalität sehr erregte, stieg dennoch erneut Übelkeit in mir auf. Übergeben musste ich mich zwar nicht, aber ich bin jedes Mal aufs Neue verwundert, wie heftig abwehrend mein Körper reagiert, wenn es nicht Tai ist, der in mir ist. Ich zucke erschreckt zusammen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Als ich hinter mich und leicht nach oben blicke, verliere ich mich sofort wieder in den faszinierenden braunen Augen meines Freundes. Dieser seufzt. „Wo bist du nur schon wieder? Ich habe dich gerade zweimal mit deinem Namen angesprochen, aber du reagierst überhaupt nicht.“ Betroffen sehe ich zu Boden. Eine unglaublich schmerzende Zuneigung überkommt mich. Ich umfasse seine Hüften und lehne meinen Kopf schwermütig gegen seinen Bauch. „Yamato.“ Tais Stimme zittert. Ich schmiege mich dichter an ihn, als würde er gleich verschwinden. „Ich spüre dich nicht! Ich kann dich nicht mehr spüren, Tai. Geh nicht weg! Bitte!“ Verzweifelt kralle ich mich in den Sachen meines Freundes fest. „Ich will dir nicht mehr wehtun müssen. Du bedeutest mir alles. Ich liebe dich und ich werde nie wieder etwas tun, das dich verletzt. Das verspreche ich dir. Nur bitte…“ „Dieses Versprechen wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht halten, auch wenn ich es mir noch so sehr wünsche“, unterbricht Tai meine hilflosen Beschwörungen. „Was kann ich sonst tun, damit du dich nicht noch weiter von mir entfernst? Ich vermisse dich so sehr!“ Tränen laufen mir über die Wangen und das Atmen fällt mir schwer, sodass ich glaube ersticken zu müssen. Mein Freund legt seine Arme um mich und drückt meinen Kopf stärker an seinen Körper. „Ich weiß es nicht“, antwortet er mit erstickter Stimme und kaum hörbar. Bedächtig schließe ich die Tür auf. Es ist später geworden als erwartet, weit nach Mitternacht. Zu meiner Verwunderung brennt im Wohnzimmer noch Licht. Nachdem ich mich meiner Schuhe und Jacke entledigt habe, werfe ich einen vorsichtigen Blick hinein. Auf dem Sofa liegt Tai, die Augen geschlossen, die Atmung ruhig. Er scheint zu schlafen. Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu, dann betrachte ich die fast vollständig gelehrte Flasche Whiskey und das Glas, welches nur halb gefüllt danebensteht. In einem Zug trinke ich es aus und verziehe das Gesicht. Ich habe das Gefühl, meine Speiseröhre würde weggeätzt und ich müsste mich übergeben. Wenn einer der Männer mich absolut gefügig machen möchte, verwendet er selten Alkohol, weil es zu umständlich ist, sondern ein Aphrodisiakum oder Betäubungsmittel, welches er unbemerkt in das Getränk mischt oder mich direkt zur Einnahme auffordert. Ich stelle das Glas zurück auf den Tisch und hocke mich neben meinen Freund. Der alkoholische Geruch ist mir schon seit einiger Zeit hin und wieder bei ihm aufgefallen, auch als er noch zu Hause wohnte, aber mittlerweile scheint er fast täglich zu trinken. Ich streichle ihm sanft über die leicht gerötete Wange. Seine Haut fühlt sich schön an und ich möchte ihn küssen. Mit meinem Daumen fahre ich leicht über seine Lippen. Mir fällt auf, wie zerbrechlich und verletzbar Tai gerade wirkt, eine Seite, die er mir selten zeigt und schon gar nicht freiwillig. Nur wenn ich ihn durch mein Verhalten herausfordere, lässt er seine Fassade fallen. Ich beuge mich über ihn und küsse ihn zaghaft auf den Mund. Seine Lippen schmecken nach Whiskey, als ich leicht mit meiner Zunge darüber lecke. Mit einer Mischung aus Zuneigung und Schuldbewusstsein sehe ich ihn an. Seine Augen sehen verschlafen aus, ruhen aber abwartend auf mir. „Du trinkst ziemlich viel“, stelle ich fest und ordne ein paar Strähnen seines Haares. „Nein.“ Er schüttelt den Kopf. „Heute is anders. Die Flasche war eh schon fast leer, als ich getrunken habe“, nuschelt mein Freund, sodass ich Probleme habe, ihn zu verstehen. „Ich bringe dich jetzt erst einmal ins Bett. Kannst du laufen?“ Tai nickt und erhebt sich mühsam vom Sofa. Er schafft es tatsächlich, zu laufen, wankt jedoch auffallend. „Komm her, ich helfe dir.“ Ich bin überrascht, dass kein Protest kommt, als ich ihn mit seinem Arm über meiner Schulter stütze. „Ist dir schlecht?“, frage ich, während wir am Bad vorbeigehen. Wieder schüttelt er den Kopf. Hätte ich diese Art von Alkohol in der Menge getrunken, und ich gehe davon aus, dass er die gesamte Flasche an diesem Abend geleert hat, hätte ich wahrscheinlich schon dreimal gekotzt. Dass es bei ihm nicht so ist und auch die Tatsache, dass er noch zum Laufen in der Lage ist, zeigen mir deutlich, dass er entweder sehr viel verträgt oder bereits eine Gewöhnung stattgefunden hat. In meinem Zimmer lege ich meinen Freund auf das Bett, entkleide ihn und lege die Decke über seinen nackten Körper. „Du warst heute wieder bei wem auch immer, habe ich recht?“ Seine Stimme klingt rau vom Alkohol. Ich entledige mich ebenfalls meiner Kleidung und setze mich neben Tai. „Trink einen Schluck Wasser“, übergehe ich seine Frage und halte ihm die Flasche entgegen. Nach einigen Zügen gibt er sie mir zurück und schaut mich mit verklärtem Blick vorwurfsvoll an. „Du weichst mir aus.“ „Schlaf jetzt. Zum Glück ist Wochenende, somit kannst du deinen Rausch ausschlafen, wobei es wahrscheinlich auch so egal wäre, da in ein paar Tagen die Schulzeit für dich endet. Ich hasse jetzt schon den Gedanken, ohne dich zur Schule zu gehen und dich in den Pausen nicht sehen zu können.“ Betrübt lege ich meinen Kopf auf die Brust meines Freundes. Sein Herzschlag an meinem Ohr beruhigt mich. Aufgrund Tais ruhiger Atmung gehe ich davon aus, dass er eingeschlafen ist. Ich lege meinen Arm um seine Taille und presse meinen Körper stärker an seinen. Noch immer geht ein betäubender Alkoholgeruch von meinem Freund aus und zieht durch das gesamte Zimmer. Ich schließe die Augen. Sanft streiche ich mit meinen Fingern über Tais Haut. Sein Verhalten bereitet mir Sorgen, aber ich bin mir unsicher, ob ich ihn darauf ansprechen soll. Noch während ich abwäge, schlafe ich mit meinem Kopf auf seinem Oberkörper liegend ein. Ich öffne meine Augen. Die Helligkeit im Zimmer ist unangenehm, sodass ich sie für einen kurzen Moment noch einmal schließe. Dann richte ich mich auf und betrachte Tais schlafendes Gesicht. Wieder überwältigen mich starke Gefühle für ihn, ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und streiche ihm sanft durch das Haar. Als ich aufstehen will, hält mich mein Freund am Handgelenk zurück. Er ist also wach. Erneut blicke ich zu ihm und lächle ihn besorgt an. „Wie geht es dir?“, frage ich vorsichtig. „Ein wenig Kopfschmerzen, aber es geht schon. Wieso liege ich in deinem Bett?“ Seine Stimme klingt kratzig, als wäre seine Kehle trocken. Ich halte ihm die Flasche Wasser hin, die er dankbar entgegennimmt. „Du hattest ziemlich viel getrunken. Außerdem wollte ich nicht alleine schlafen. Es tut mir leid, wenn es gegen deinen Willen war.“ Ich senke traurig meinen Blick. Mit seinen Fingern hebt mein Freund meinen Kopf wieder und zwingt mich ihn anzusehen. „Hör auf, so unterwürfig zu sein. Ich bin keiner deiner Freier.“ Seine Bemerkung ignorierend packe ich ihn grob am Arm. „Warum?“, frage ich vorwurfsvoll. „Was meinst du?“ Ich deute auf seinen Unterarm. Er zuckt mit den Schultern, schaut mich aber ernst an. „Ich will dich verstehen, wissen, warum du das tust, was es dir gibt und ob ich es vielleicht sogar nachvollziehen kann“, versucht er sich zu erklären. „Kannst du?“ „Zum Teil.“ „Heißt das, es geht jetzt so weiter?“, entgegne ich aufgebracht. „Was ist dein Problem? Sieh dir deinen eigenen Körper an, der ist übersät von Narben und Verletzungen. Bei einigen will ich nicht einmal wissen, woher die stammen.“ Tai verzieht angewidert das Gesicht. Wütend verstärke ich meinen Druck auf seinen Arm. „Du hast sehr tief geschnitten. Was kommt als nächstes, Selbstmord?“ „Yamato, komm wieder runter! Es sind nur ein paar Schnitte. Auch ich kann irgendwann nicht mehr. Glaubst du, ich finde es toll, wenn wir monatelang nebeneinanderher leben, du dich lieber von anderen als von mir vögeln lässt und immer mehr in dir selbst gefangen bist? Ich erreiche dich nicht mehr und allmählich habe ich das Gefühl, dass du gar nicht erreicht werden willst.“ Mein Freund schreit mir die Worte fast entgegen. Ich schweige. Egal was ich jetzt sagen würde, es würde Tai vermutlich nicht beruhigen. Er ist auf Konfrontation aus, aber ich bin froh darüber. Mir ist es lieber, wenn er seine Wut an der Ursache, also mir, auslässt als an sich selbst. „Das ist typisch. Nie sagst du etwas, wenn es darauf ankommt. Ist es dir egal? Bin ich dir egal? Oder bin ich es nicht wert, dass du mir auch nur eine winzige Reaktion entgegenbringst?“ „Warum redest du solchen Unsinn? Ohne dich kann ich nicht leben.“ „Ja, weil du absolut unselbstständig und weltfremd bist. Ohne mich wärst du verloren. Aber ich könnte ebenso gegen jemand anderen ersetzt werden.“ „Nein, verdammt! Was soll das? Du bist unersetzbar für mich, weil ich dich liebe. Und das weißt du.“ Jetzt schreie auch ich. „Weiß ich das wirklich? Ich bin mir nicht sicher. Woher soll ich es wissen, wenn du es nicht zeigst?“ Ungläubig starre ich ihn an. „Das ist nicht wahr! Stell mich nicht als gefühlstot hin.“ Nun ist es Tai, der schweigt. „Denkst du das tatsächlich?“ Entrüstet lasse ich seinen Arm los und stehe auf. „Bitte, dann sauf dir doch dein Hirn weg und schneide dir den Arm auf, bis du daran verreckst! Mich interessiert das nicht, denn ich fühle sowieso nichts.“ Ungehalten werfe ich ihm diese Worte an den Kopf, ohne darüber nachzudenken, und verlasse wütend das Zimmer, wobei ich die Tür geräuschvoll zuknalle. „Yamato.“ Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter, anhand der Stimme erkenne ich, dass mein Klassenkamerad hinter mir steht. „Fass mich nicht an!“, sage ich in drohendem Tonfall ohne mich umzuwenden. Mein Blick ist starr auf das Fußballfeld vor mir gerichtet, besonders auf jenen Spieler mit der Rückennummer elf. Mein Mitschüler beginnt zu lachen und setzt sich neben mich auf die Bank. „Was, vögeln und verletzen darf ich dich, aber normal berühren nicht? Deine Logik ist echt verquer.“ Die Belustigung in seiner Stimme nervt mich. „Was willst du?“, frage ich gereizt. „Nach dem Training deines Freundes bei mir.“ Seine Worte sind nicht als Frage formuliert. Ich sehe ihn an, dann zu Tai. Der ist gerade in Ballbesitz gekommen, gibt aber sofort an einen anderen Spieler ab, dann stürmt er weiter nach vorn. „Beantworte mir eine Frage.“ Meine Augen bleiben weiterhin an meinem Freund haften. „Warum bist du so besessen von mir, dass du sogar gegen deine sexuelle Orientierung handelst und mit einem Mann schläfst? Noch dazu mit einem, den du nach eigener Aussage hasst.“ Leicht streicht mir mein Klassenkamerad über den Hals, weiter zum Kehlkopf und hinab zum Schlüsselbein. „Wir sind uns ähnlicher, als du denkst.“ Er lächelt vielsagend. Mich würde interessieren, wie er das meint, aber ich frage nicht nach. Tai steht inzwischen atemlos auf dem Platz und verfolgt das Geschehen. Gleichzeitig scheint er nach einem Schwachpunkt in der gegnerischen Verteidigung zu suchen. Plötzlich sprintet er los und gibt seinem Mitspieler ein Zeichen, dass er ihn anspielen soll. „Ziemlich gut, dein Freund. Ist er im Bett auch so tonangebend?“ „Ich sagte dir schon einmal, lass Tai aus dem Spiel“, drohe ich ihm leise. „Und ich sagte dir, dass er mich nicht interessiert. Aber ich möchte wissen, ob du bei ihm auch so extrem devot bist.“ „Das geht dich nichts an“, zische ich. „Nachher bei dir, ich habe verstanden. Und jetzt verzieh dich.“ „Pass auf, was du sagst, sonst stecke ich deinem Freund ein paar von den Dingen, die du tust und mit dir machen lässt.“ „Hast du doch bereits. Zumindest, dass ich mich von dir ficken lasse.“ „Ich dachte, er würde dich verlassen, wenn er davon wüsste, aber anscheinend habe ich ihm noch nicht genug über dich erzählt.“ „Erzähle ihm ruhig, was du willst. Noch mehr Schaden anrichten kann es nicht.“ Meine Worte klingen verbittert. Als sich die Blicke von meinem Freund und mir zufällig treffen, wende ich mich beschämt ab und schaue zu Boden. Es ist mir unangenehm, dass er mich mit meinem Klassenkameraden zusammen sieht. „Läuft es zwischen euch nicht gut?“, will mein Mitschüler unvermittelt wissen. Hasserfüllt sehe ich ihn an. „Würdest du dich endlich verpissen?“ Diesmal steht er zu meiner Erleichterung auf. „Nachher bei mir“, erinnert er mich, dann kommt er meiner Aufforderung nach und lässt mich allein. Ich schaue wieder zu Tai, doch dessen Aufmerksamkeit ist gerade komplett auf das Spiel gerichtet. Die Sache von eben wird nicht gerade förderlich für unsere ohnehin bereits angeschlagene Beziehung sein. Ich will ihm nicht schon wieder wehtun, was allerdings der Fall ist, wenn ich mich von anderen ficken lasse. Am liebsten würde ich zu ihm gehen, ihn umarmen und zeigen, wie sehr ich ihn liebe. Doch seit ich gestern wütend das Zimmer verlassen habe, haben wir kein Wort mehr miteinander gesprochen. Ich schaffe es nicht, meine Blockade zu überwinden und zu ihm zu gehen. Dafür hasse ich mich. Ebenso dafür, dass ich jetzt gleich aufstehen werde, weil ich den Kampf gegen mich ein weiteres Mal verliere, um Dinge mit mir machen zu lassen, die erniedrigender und abscheulicher nicht sein könnten, nur damit mein Selbsthass nicht übermächtig wird und ich einen weiteren Suizidversuch unternehme. Ich schaue meinem Freund noch einen Moment zu. Er ist wunderschön. Dann erhebe ich mich, kehre ihm den Rücken und verlasse das Schulgelände. Nervös stehe ich vor Tais Zimmertür. Ich habe Angst davor, anzuklopfen und hineinzugehen, Angst davor, abgewiesen zu werden. So weitergehen kann es aber auch nicht, sonst wird unsere Beziehung komplett zerbrechen. Doch wenn das passiert, werde ich erst Tai und danach mich selbst töten. Ich kann ohne ihn nicht leben, will ihn aber auch nicht freigeben. Er gehört mir. Langsam hebe ich meine Hand, um anzuklopfen, halte jedoch kurz vor der Berührung des Holzes inne. Ich atme tief durch, um mich ein wenig zu beruhigen. Eine Weile stehe ich reglos da, doch in meinem Kopf schreit alles wild durcheinander und verunsichert mich zusätzlich. Ich lasse meine Hand sinken. Es geht nicht. Ich schaffe es nicht, irgendetwas in mir blockiert und ich weiß nicht einmal, warum. Vom Selbsthass getrieben wende ich mich ab, um ins Bad zu gehen. Als ich höre, dass sich die Zimmertür meines Freundes öffnet, drehe ich mich mit einer Mischung aus Erleichterung und Angst um. „Taichi“, entweicht es mir leise. „Du bist schon zurück? Ich habe später mit dir gerechnet. Es war wohl diesmal nur ein Quickie.“ Ich übergehe seine Provokation und mache einen Schritt auf ihn zu. „Konnte er es dir wenigstens ordentlich besorgen, wenn ich es schon nicht schaffe?“ „Ich liebe dich, Taichi.“ Sanft umfange ich meinen Freund mit meinen Arm und drücke ihn fest an mich. Dass er wieder getrunken hat, überrascht mich nicht. „Ich liebe dich“, wiederhole ich meine Worte. „Warum tust du mir und dir dann sowas an? Reicht deine Liebe denn nicht einmal dafür aus, dich für mich und gegen deinen Selbsthass zu entscheiden?“ „Ich weiß es nicht“, gebe ich betroffen zu, nehme ihn aber noch fester in den Arm. „Lass mich los, Yamato. Ich will nicht mehr von dir berührt werden, wenn du dreckig bist. Geh duschen, bestimmt klebt noch sein Sperma an und in dir, denn er fickt dich garantiert ohne Kondom.“ Tais Stimme ist ruhig, aber voller Verachtung. Ich lasse meine Arme sinken und trete einen Schritt von ihm zurück, ohne ihn anzusehen. „Es tut mir leid“, flüstere ich erstickt. Ein weiteres Wort bringe ich nicht mehr heraus. Zitternd ergreife ich den Ärmel meines Freundes, um daran Halt zu suchen. „Nein, Yamato, tut es nicht. Wenn dem so wäre, würdest du dich anders verhalten. Aber du bemühst dich nicht einmal um mich.“ Ich schüttle den Kopf. Das stimmt nicht. Tränen laufen mir über die Wangen, womit mein erbärmliches Erscheinungsbild perfekt wäre. Die Angst, Tai zu verlieren, lähmt mich. Ich möchte ihm so vieles sagen, ihn umarmen, küssen, aber ich bleibe stumm und regungslos. „Wahrscheinlich würdest du nicht einmal kämpfen, wenn ich die Beziehung jetzt beenden wollte. Manchmal denke ich, du bist überhaupt nicht fähig einen anderen Menschen zu lieben. Das Einzige, das du wirklich liebst, sind der Schmerz und dein Selbsthass, woran du letztlich auch verrecken wirst.“ Ich wische mir mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht, dann ziehe ich meinen Freund zu mir heran und küsse ihn fordernd. Wie erwartet schmecke ich nur Alkohol, aber nicht ihn. „Sieh mich an!“ Ich lasse die Worte absichtlich wie einen Befehl klingen. Seine Augen sind glasig und sein Blick getrübt. Dafür ist seine Sprache noch erstaunlich klar. „Warum kommt noch nicht einmal jetzt eine Reaktion auf meine Worte?“ „Taichi, du bist betrunken. Das ist nicht die beste Voraussetzung für ein solches Gespräch. Zudem hast du mir deine Meinung und Eindrücke mitgeteilt, die kann ich dir doch nicht absprechen.“ Ich habe den Satz kaum ausgesprochen, als ich einen harten Schlag von meinem Freund ins Gesicht bekomme. „Verdammt nochmal! Was soll das hier werden, Yamato?“ Betreten schaue ich zu Boden. Meine Wange schmerzt unerwartet stark und ich schmecke etwas Blut in meiner Mundhöhle. „Ich ertrage die Distanz zu dir einfach nicht mehr. Ohne dich kann ich nicht atmen. Bitte lass uns nicht so weitermachen, das halte ich nicht aus. Ich vermisse dich so sehr!“ „Das hätten wir alles viel eher haben können. Ich habe lediglich darauf gewartet, dass du den ersten Schritt machst.“ Tai seufzt. „Warum fällt dir das so schwer? Warum kannst du nicht agieren, allenfalls reagieren?“ Ich streiche mit meinen Fingern über meine leicht geschwollene Wange. „Das kann ich dir auch nicht sagen. Ich verstehe es selbst nicht. Jedes Mal, wenn ich es versuche, hält mich eine für mich unüberwindbare Blockade davon ab, zu handeln. Ich hasse mich selbst dafür und wahrscheinlich wirkt es eher wie eine billige Ausrede.“ Tai sagt nichts dazu, sondern sieht mich nur nachdenklich an. Schließlich sagt er: „Ich liebe dich einfach, egal wie sehr ich mich dagegen wehre.“ Ich streiche meinem Freund liebevoll über die Wange und lächle. „Dann wehre dich nicht mehr. Lass dich einfach fallen. Vielleicht spürst du durch den Alkohol alles noch intensiver. Wobei ich dich auch so um den Verstand bringen kann.“ Ich küsse seinen Hals entlang, dann wandere ich hinauf zu Tais Lippen. Sofort entwickelt sich ein heftiger, leidenschaftlicher Kuss, wobei wir uns langsam auf mein Zimmer zubewegen. Aber noch immer wird Tais Geschmack von dem des Alkohols überdeckt. Gefühlvoll streiche ich über Tais Narbe, die ich ihm zugefügt habe und die mittlerweile nur noch blassrosa schimmert. „Tut sie noch weh?“, will ich wissen, während ich die Decke etwas enger um meinen Körper ziehe. Mein Freund presst sich stärker an mich, um mir etwas von seiner Wärme abzugeben. „Nicht wirklich. Hin und wieder zieht oder sticht es in meinem Arm, aber die Region um die Narbe ist weitestgehend taub.“ Ich streiche mit dem Finger über die Stelle. „Heißt das, du spürst meine Berührung gerade nicht?“ „Nein, nur ein leichtes Kribbeln.“ Nachdenklich betrachte ich mein Werk. „Hasst du mich dafür?“ Tai legt seinen Arm um meine Taille und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Warum sollte ich? Es ist das Zeichen, dass ich dir gehöre.“ „Willst du überhaupt mir gehören?“ Extreme Unsicherheit ergreift Besitz von mir. „Bei all dem, was ich dir antue?“ „Ja, aber auch du sollst mir gehören. Nur mir.“ Tai betont seine Worte absichtlich, allerdings weiß ich auch so, worauf er anspielen will. Obwohl wir nackt und eng umschlungen in meinem Bett liegen, kommt Taichi mir unerträglich weit weg vor. „Ich liebe dich so sehr“, flüstere ich. Meine Stimme zittert. „Dann beweise es.“ Die Hände meines Freundes gleiten langsam über meine Haut nach unten. „Ich bin der Einzige, der dich fickt und in den du deinen Schwanz steckst, hast du verstanden?“ Mit der einen Hand beginnt er mir einen runterzuholen, während er mit zwei Fingern der anderen Hand in mich eindringt. Sofort bin ich erregt, schlinge meinen Arm um Tais Hals und presse mich noch stärker an ihn. Meine Atmung beschleunigt sich, geht stoßweise und zum Teil in Stöhnen über. Seit wir vor ein paar Tagen das erste Mal seit Monaten wieder Sex hatten, habe ich das Gefühl, empfindlicher auf die Berührungen meines Freundes zu reagieren. Andererseits reicht es oft nicht aus. Egal wie tief er in mir ist oder ich in ihm, es ist nicht genug. Aber ich glaube, es ist nie genug. Meine Gefühle für Taichi sind mittlerweile unerträglich schmerzhaft. Ich klammere mich fester an meinen Freund. Dieser beschleunigt seine Bewegungen und dringt mit einem dritten Finger in mich ein. „Du gehörst mir. Niemand anderes darf dich so sehen. Dein Körper ist so zerbrechlich und deine Haut so hell. Sie fühlt sich ungewohnt weich für einen Mann an. Dabei bist du so dreckig, weil du dich von anderen missbrauchen und schänden lässt. Doch ich werde dir schlimmere Dinge antun und dich so wieder an mich binden.“ „Tai…“ Ich zittere vor Erregung. „Bitte, nimm mich!“ Mein Freund lässt von mir ab. „Bring dich selbst zum Höhepunkt. Ich will dir dabei zusehen. Und sieh mich an, wenn du es dir selbst besorgst.“ Beschämt sehe ich ihn an. Die Situation an sich ist zwar nicht neu für mich, aber vor Tai ist es mir unsagbar peinlich. Er zieht die Decke von meinem Körper und setzt sich ans Ende des Bettes, sodass er mich genau im Blick hat. Verhalten beginne ich mich zu berühren. Mein Gesicht glüht vor Scham und Erregung. „Nicht so schüchtern, Yamato. Du kannst das doch sicher lasziver. Ich will die Seite von dir sehen, die du deinen Peinigern zeigst.“ Ich setze mich auf. „Das kann und will ich nicht.“ „Aber mich interessiert das nicht. Leg dich hin.“ Tai spricht diese Worte, als dulde er keine Widerrede. Ich rühre mich nicht und sehe ihn mit einer Mischung aus Trotz, Ekel und bedauernder Zuneigung an. „Du weigerst dich?“ Er beugt sich zu mir und drückt mich lieblos auf das Laken zurück. „Du bist eine verdammte kleine Hure, mehr nicht. Also sei gefälligst auch gefügig.“ Unsanft drückt er meine Beine auseinander und dringt rücksichtslos in mich ein. Ich kralle meine Finger im Laken fest und winde mich unter meinem Freund. Immer wieder kratze ich mit meiner anderen Hand über Tais Arm und hinterlasse blutige Striemen auf seiner Haut. Mit seiner Rückhand und nur wenig Zurückhaltung schlägt er mir ins Gesicht. „Was ist los, Yamato? Warum wehrst du dich? Gefällt es dir nicht?“ Seine Stöße sind hart und seine Berührungen grob. Von der Zuneigung, die normalerweise trotzdem spürbar ist, fühle ich nichts. „Taichi…“ Tränen füllen meine Augen. Erneut schlägt Tai mir ins Gesicht. „Verdammt nochmal, jetzt verhalte dich endlich so, wie du dich von anderen ficken lässt!“ Jegliches Leben schwindet aus meinem Körper und ich lasse die sexuellen Handlungen nur noch über mich ergehen. Ich merke, dass mein devotes Verhalten ihn wütend macht, da er immer brutaler wird. Durch die sich einstellenden Schmerzen schaffe ich es nicht mehr, mein Stöhnen zu unterdrücken. Rhythmisch stößt er immer wieder tief in mich hinein. „Tai…“ Meine Atmung ist unregelmäßig und schwerfällig. „Leg deine Finger um meinen Hals und drück zu. Ich will dich intensiver spüren. Ich will nur noch dich spüren.“ Wieder schlägt mein Freund mir ins Gesicht, dann lässt er von mir ab und geht ohne ein Wort zu sagen aus dem Zimmer. Die Ironie der Situation bringt mich zum Lachen. Ich frage mich, was Tai erwartet hatte. Und ob er die Realität in ihrem ganzen Umfang wirklich erfahren möchte. Vorsichtig schiebe ich den Ärmel meines Hemdes über den Verband an meinem Arm, dann verlasse ich das Bad in Richtung Wohnzimmer. Tai hat den Fernseher eingeschaltet und sitzt mit einem Glas Whiskey in der Hand apathisch auf dem Sofa. Bereits als er das Zimmer verließ, war mir klar, dass er zum Alkohol greifen würde, so wie ich eben zur Rasierklinge. Ich setze mich neben ihn und schaue mir für eine Weile das Programm an. Es läuft gerade eine dieser extrem bunten, schrillen und total durchgeknallten Quizsendungen. Diese Art von Humor habe ich noch nie verstanden, für mich ist das einfach nur laut und hirnlos. Ich wende mich meinem Freund zu, nehme ihm das Glas aus der Hand und stelle es auf den Tisch neben die halb geleerte Flasche. „Du trinkst zu viel“, bemerke ich liebevoll, aber besorgt. „Komm wieder runter, es ist nur ein Glas“, entgegnet Tai genervt. „Die Flasche ist zur Hälfte geleert.“ „Das war sie auch schon vorher.“ Ich weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht, sage aber nichts. „Warum bist du vorhin aus dem Zimmer gegangen?“, will ich schließlich wissen. „Weil ich dich nicht mehr ertragen konnte!“ In seinen Worten schwingen Hass und Verzweiflung mit. „Tai, was hast du erwartet? Was glaubst du, wie ich mich bei anderen verhalte? Ich bin fast ausschließlich devot. Eigentlich lasse ich den Sex nur über mich ergehen und kämpfe gegen den Ekel an.“ Tai blickt mich ungläubig an. „Willst du wirklich, dass ich mich auch bei dir so verhalte? Aber ich glaube, selbst wenn du das wollen würdest, ich könnte es nicht. Das haben wir vorhin gesehen, als ich es versuchte.“ Ich sehe meinen Freund weiter unverwandt an. Dieser nimmt das Glas vom Tisch und trinkt einen großen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Mit gemischten Gefühlen schaue ich ihm schweigend dabei zu. „Was ist die Ausnahme? Deine Ausführungen klangen, als gäbe es eine.“ Beschämt senke ich meinen Blick. „Ja“, gebe ich zögerlich zu. Es ist mir unangenehm, über Details sprechen zu müssen. Zumal ich nicht einschätzen kann, wie Tai reagieren wird, gerade jetzt, unter Alkoholeinfluss. Der füllt sein Glas wieder und trinkt es ohne abzusetzen aus, nur um es erneut zu füllen. Offenbar ist ihm egal, dass ich neben ihm sitze und dabei zusehe, wie er sich ins Koma säuft. „Sprichst du irgendwann noch weiter?“, fragt er gereizt. „BDO.“ „K.O.-Tropfen? Du lässt dich vögeln, während du bewusstlos bist?“ „Nein.“ Ich spüre Hitze in mir aufsteigen. Das alles sollte Tai nie erfahren. „In einer niedrigeren Dosis wirkt es aphrodisierend und enthemmend.“ „Und dann machst du alles, was man dir sagt, wirst sogar aktiv“, bemerkt mein Freund abfällig. „Ja.“ Ich fühle mich unendlich haltlos, doch von Tai kann ich momentan keine Zuneigung erwarten. „Reichen deine Tabletten nicht mehr aus, dass du zu Drogen übergehen musst?“ „Das Eine hat mit dem Anderen nichts zutun. Die Gründe sind völlig verschieden. Zudem verlange ich eher selten von mir aus nach dem Zeug.“ „Heißt das, du nimmst es unfreiwillig?“ „Mittlerweile nicht mehr. Die Typen wissen, dass ich es nehme, wenn sie es verlangen, deshalb mischen sie es mir nicht mehr heimlich ins Getränk.“ Tai leert sein Glas. „Ich verstehe es nicht. Du lässt dich unter Drogeneinfluss ficken, damit du erträgst, was die mit dir machen. Warum? Das ist doch absurd.“ „Nicht für mich.“ Ich schaue meinem Freund zu, wie er den letzten Rest der Flasche in sein Glas gießt. „Erkläre es mir“, fordert er. „Das kann ich nicht.“ Vorsichtig betrachte ich meinen Freund. Obwohl man es ihm nicht anmerkt, sehe ich an seinen Augen, dass er bereits stark alkoholisiert ist. „Was sind das für Drecksäcke, die einen Minderjährigen unter Drogen setzen und vergewaltigen?“ „Was soll das? Du weißt genau, dass es keine Vergewaltigungen sind. Du erträgst es nicht, dass dein Freund ein, um es mit deinen Worten zu sagen, kleiner dreckiger Stricher ist.“ „Du nimmst tatsächlich Geld dafür? Du prostituierst dich?“ Mit einer Mischung aus Entsetzen und Ekel sieht er mich an. „Wo ist das Problem? Du warst doch sowieso die ganze Zeit der Meinung, ich würde meinen Körper verkaufen. Jetzt tue ich es und du reagierst schockiert. Warum?“ „Ich hätte nicht gedacht, dass du wirklich so widerlich bist.“ „Nicht? Dabei müsstest du es doch mittlerweile besser wissen. Und bevor du nachfragst, sie ficken mich ohne Kondom, ich könnte es eh nicht verhindern, wenn ich drauf bin. Aber keine Sorge, meine Freier sind sauber. Keine Krankheiten. Und falls doch…“ Unerwartet spüre ich Tais Faust in meinem Gesicht. Durch die Härte des Schlages verliere ich das Gleichgewicht und falle vom Sofa unsanft zu Boden. Sofort werden die Schmerzen in meinem Kopf stärker, aus meiner Lippe fühle ich warmes Blut laufen. „Hör auf so kalt und abgeklärt mit mir zu reden! Fühlst du denn gar nichts mehr? Ist da keine einzige Empfindung mehr für mich?“ „Das sagt der Richtige. Wer säuft sich denn mittlerweile fast täglich bis in die Besinnungslosigkeit? Wer geht denn seit Monaten auf Abstand, verhält sich kalt, lieblos und wird beleidigend?“ „Wenn du dich wie eine billige Hure verhältst. Glaubst du, es macht mich geil, dich zu ficken, mit dem Wissen, dass schon zig andere ihr Sperma in dich abgespritzt haben?“ „Nein“, flüstere ich betroffen. „Aber ist das wirklich der einzige Grund, weshalb du so abweisend bist? Sind in dir überhaupt noch andere Gefühle außer Verachtung, Hass und Ekel für mich?“ Weinend sitze ich vor ihm und blicke ihn verzweifelt an. „Taichi, verdammt nochmal, ich bin einsam ohne dich!“ Ich senke den Kopf, kann meine Schluchzer aber nicht verbergen. Als mein Freund sich zu mir herunter beugt, ist das Erste, was ich wahrnehme, sein alkoholverseuchter Atem. Ich drehe meinen Kopf beiseite, doch Tai zieht ihn sofort wieder zu sich. „Glaube nicht, dass ich Mitleid mit dir habe. Du bist es, der fremdvögelt. Also hast du kein Recht, irgendwelche Gefühle einzufordern. Und von deinen Tränen lasse ich mich nicht mehr manipulieren.“ „Denkst du wirklich so? Wenn ich dir dermaßen zuwider bin, sollte ich besser aus deinem Leben verschwinden. Es tut mir leid, dass ich dir mit meiner Liebe eine Last war.“ Wie fremdgesteuert stehe ich auf, werfe noch einen letzten Blick auf meinen Freund, der mich leblos aus glasigen Augen ansieht, und verlasse das Zimmer. Ich öffne meine Augen und sofort laufen mir Tränen über das Gesicht. Es tut weh. Die Gedanken an Tai, seine Worte, sein Verhalten, sein Blick. Dennoch schaffte ich es, die Kontrolle soweit zu behalten, um mir nicht das Leben zu nehmen, auch wenn das Verlangen danach mich fast um den Verstand brachte. Ohne Tabletten, die mich ruhig stellten und außer Gefecht setzten, sowie die Gefühle für Tai, hätte ich den Kampf wahrscheinlich verloren. Aber noch darf ich mich nicht töten. Ich weiß, dass die Worte meines Freundes der Wahrheit entsprechen und durchaus berechtigt sind, sein gefühlloses Verhalten mir gegenüber schreibe ich jedoch dem Alkohol zu. Mühsam setze ich mich auf, anscheinend war ich nicht mehr in der Lage, mich ins Bett zu legen und bin auf dem Boden zusammengebrochen. Benommen wische ich mir die Tränen aus den Augen und werfe einen Blick auf die Uhr. Ich war nur ein paar Stunden ohne Bewusstsein. Die Dosierung war etwas schwierig, da ich auf keinen Fall eine Überdosierung im Sinne eines Suizids riskieren, aber der Realität dennoch entfliehen wollte. Erschwerend kam meine emotionale Verfassung hinzu, die oft eine unbedachte Reaktion nach sich zieht. Tai kommt mir wieder in den Sinn. Als ich das Wohnzimmer verließ, blieb er auf dem Sofa sitzen und ich hörte in der Wohnung kein Geräusch, bis ich schließlich das Bewusstsein verlor. Sorge kommt in mir auf. Als ich ihn allein ließ, war er ziemlich betrunken und meines Erachtens nicht mehr zurechnungsfähig. Ich beginne zu zittern, als mein Kopf mir Horrorszenarien vorspielt. Panisch stehe ich auf, meine Beine geben jedoch nach und ein Schwindelgefühl nimmt mir das Gleichgewicht, sodass ich unsanft auf dem Boden lande. Einen Moment bleibe ich reglos liegen und versuche meinen Körper zu beruhigen und unter Kontrolle zu bringen. Dann wage ich einen erneuten Versuch und schaffe es durch Abstützen an meinem Schrank, mich aufrecht zu halten. Auf wackeligen Beinen schleppe ich mich zur Tür, drehe den Schlüssel im Schloss und öffne sie. An der Wand gegenüber von meinem Zimmer lehnt Tai in einer halb sitzenden, halb liegenden Position. In der Hand hält er eine neue Flasche Whiskey, die er allerdings auch schon wieder zu einem Viertel geleert hat. Ich hocke mich zu ihm hinunter, stelle die Flasche beiseite und streiche ihm liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht. Voller Zuneigung betrachte ich meinen Freund. Als ich ihm einen Kuss auf die Lippen hauche, steigt mir ein beißender Alkoholgeruch in die Nase. Tränen füllen meine Augen. Ich drücke Tais Körper fest an mich und fange hemmungslos zu weinen an. Verzweifelt sage ich seinen Namen, doch es folgt keine Reaktion. Nur an seiner ruhigen Atmung erkenne ich, dass er noch am Leben ist. „Verzeih mir, Taichi. Bitte! Verzeih mir! Aber ich liebe dich so sehr!“ Ich kralle meine Finger, Halt suchend, in den Stoff seines Oberteils. Mein Körper bebt von den Schluchzern, aber auch durch die übermächtige Angst, Taichi zu verlieren. Nur mit Mühe und unter großer Anstrengung gelang es mir, Tai in mein Bett zu tragen. Eine Weile blieb ich noch neben ihm sitzen und betrachtete ihn, doch dann verlor ich wieder einmal den Kampf gegen mich selbst, zog mich an und verließ die Wohnung. Die Leuchtreklamen an den Häusern zu beiden Seiten der Straßen lassen die Nacht zum Tag werden. An den Eingängen zu den Lovehotels sind überall Schilder angebraucht, die deutlich machen, dass der Zutritt erst ab achtzehn Jahren gestattet ist. Hin und wieder bin ich, aufgrund der guten Beziehungen und Liquidität meiner Kunden, dennoch in eine dieser Absteigen gelassen worden. Ansonsten treiben wir es gleich in einer der engen Gassen, die bezeichnend für dieses Viertel in Shibuya sind, oder sie fahren mich mit ihrem Auto zu sich nach Hause, wenn sie alleinstehend sind und keine Familie haben. Ich biege um eine Ecke und sehe vor einem der Hotels einen Mann im Anzug, der mich schon öfter gevögelt hat. Zielgerichtet laufe ich auf ihn zu. „Hallo“, spreche ich ihn leise und mit Zurückhaltung an. „Oh, Yamato. Schön dich zu sehen. Ich hatte gehofft, dich heute hier anzutreffen, aber ich wusste nicht, ob du diese Nacht überhaupt in Shibuya sein würdest.“ Er lächelt. Dieser Mann gehört zu der Sorte Freiern, die zwar sehr nett sind, aber auf rücksichtslos harten Sex bis hin zur erbarmungslosen Erniedrigung ihrer Stricher stehen. Auch ich versuche zu lächeln, merke jedoch, dass es mir nicht gelingt. „Was ist los, Yamato? Du siehst nicht gut und unglaublich traurig aus.“ Er berührt mit seiner Hand meine Wange. Sofort breche ich in Tränen aus und weine heftig, ohne meinen Gegenüber richtig wahrzunehmen. Dieser nimmt mich in den Arm und streichelt mir beruhigend durch die Haare. „Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber deine Verzweiflung zeigt mir, dass es etwas Schlimmes sein muss.“ Ich löse mich von ihm, halte den Kopf aber gesenkt. „Es tut mir leid“, sage ich unterwürfig und versuche mich wieder unter Kontrolle zu bringen. Ich hasse mich für meinen Gefühlsausbruch vor diesem mir fast fremden Mann. „Du musst dich für nichts entschuldigen. Und wenn du heute lieber nicht…“ „Doch!“, sage ich schnell und greife ihn am Ärmel. „Also gut.“ Er sucht nach etwas in seiner Aktentasche und holt schließlich ein kleines Fläschchen hervor. Während er den Schraubverschluss aufdreht, kommt er einen Schritt auf mich zu. Mit seinen Fingern drückt er gegen meine Wangen, um meinen Mund zu öffnen und träufelt ein paar Tropfen der farblosen Flüssigkeit auf meine Zunge. „BDO. Das kennst du ja bereits. Ich denke, in deiner momentanen Verfassung ist es besser, wenn du drauf bist, während ich dich ficke.“ Nach kurzer Zeit steigt ein merkwürdiges Gefühl in mir auf, ein Indiz dafür, dass die Wirkung der Droge langsam einsetzt. „Wir gehen heute ins Stundenhotel, ich will dich sofort nehmen und noch einige Dinge mit dir machen.“ Meine Wahrnehmung verändert sich leicht, ich fühle intensiver und bin erregt. Von einer Hand auf meinem Hintern werde ich in eines der Gebäude geschoben. Hier war ich inzwischen schon ein paar Mal, die Betreiber nehmen es nicht so genau mit dem Alter. Meine Begleitung lotst mich die Treppe hinab, in den Keller, wo sich die Spezialräume befinden. Die darin befindlichen Gerätschaften nutzt mein Freier nur bedingt, aber die Umgebung macht ihn geil und lässt seine brutale Ader in Erscheinung treten. Mittlerweile völlig berauscht lasse ich mich willenlos in einen der Räume führen. „Du darfst heute ruhig schreien, mein kleiner, süßer Yamato. Lass mich deine schöne Stimme hören.“ Mein Kopf ist wie benebelt, dennoch ist Tai in meinen Gedanken allgegenwärtig. Ich schließe meine Augen. Hinter mir fällt die Tür ins Schloss. Mit starken Koordinationsschwierigkeiten stolpere ich im Dunkeln die Treppe zu unserer Wohnung hinauf. Wenn mein Freier mich nicht bis vor die Eingangstür gefahren hätte, hätte ich es wahrscheinlich nicht bis nach Hause geschafft. Mein Körper schmerzt und ich habe ihn kaum unter Kontrolle, hinzu kommen Übelkeit bis hin zum Erbrechen und stechende Kopfschmerzen. Die Nebenwirkungen des BDO sind dieses Mal besonders heftig, möglicherweise tut meine psychische Verfassung ihr Übriges. Fahrig krame ich in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel und versuche unbeholfen damit die Tür zu öffnen. Nach Betreten der Wohnung breche ich sofort wieder zusammen. Würgend liege ich im Flur, mein Körper zuckt unter der Anstrengung. Speichel und Galle laufen aus meinem Mund und tropfen zu Boden. Ich beginne zu husten. Krämpfe in meiner Brust und ein brennender Schmerz in der Lendengegend treiben mir bittere Tränen in die Augen. Wieder einmal werde ich mir meiner eigenen Erbärmlichkeit bewusst. Unter großer Anstrengung gelingt es mir, aufzustehen und mich ins Bad zu schleppen. Dort übergebe ich mich erneut krampfartig in die Toilette. Schwer atmend lasse ich mich auf die Fliesen sinken. In meinem Kopf schreit mir der Selbsthass entgegen, beschimpft mich und treibt mich an den Rand des Wahnsinns. Verzweifelt presse ich meine Hände gegen die Ohren, als würde ich dadurch nichts mehr hören können. „Taichi“, flüstere ich. „Ich werde dich verlieren, hab ich recht? Du bist so weit weg. Ich erkenne dich nicht mehr. Bitte gib uns nicht auf.“ Unter Tränen beginne ich laut zu lachen. Ich bin so lächerlich. Übelkeit steigt wieder in mir auf, sodass ich mich ein weiteres Mal übergeben muss. Erschöpft und unter Schmerzen erhebe ich mich anschließend, putze notdürftig meine Zähne und verlasse das Bad. Langsam und ziemlich geschwächt laufe ich den Flur entlang zu meinem Zimmer. Als ich hineinspähe, sieht es so aus, als ob Tai noch immer zu schlafen scheint. Der gesamte Raum riecht nach Alkohol. Umständlich entkleide ich mich und schlüpfe zu ihm unter die Decke. Ich presse meinen Körper dicht an den meines Freundes und lege meinen Kopf auf seine Brust. Sein Herz schlägt gleichmäßig und die Atmung ist ruhig. Ich lächle erleichtert. Tai lebt. Dann beginne ich heftig zu weinen, wobei ich mich verzweifelt an meinem Freund festkralle. Ich weiß, dass ich schuld an seinem dysfunktionalen Verhalten bin, weshalb es nur einen Weg gibt, ihm zu helfen. Ich muss ihn verlassen, ansonsten wird er an mir zugrunde gehen. Im Zimmer wird es langsam hell. Die Sonne ist bereits als silberner Streifen am Horizont erkennbar. Durch das geöffnete Fenster weht ein frischer Morgenwind herein, den ich tief ein- und wieder ausatme. Nachdem ich zum vierten Mal aufgrund von Übelkeit und Erbrechen das Bett verlassen musste, um zur Toilette zu gelangen, habe ich mich auf das Sofa gesetzt und nachdenklich nach draußen gestarrt. Schlafen kann ich bei meiner momentanen körperlichen Verfassung vergessen, aber auch mein Kopf lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Sowohl von den Schmerzen als auch von den Gedanken her. Mein Entschluss, Tai zu verlassen, schnürt mir die Kehle zu und lässt mich kaum atmen. Ich blicke zu ihm. Seine Haare sind zerzaust, aber seine Gesichtszüge entspannt. Zwischenzeitlich wälzte er sich ziemlich stark hin und her, jetzt liegt er ruhig in meinem Bett und scheint sich in einer Tiefschlafphase zu befinden. Ich stehe auf und setze mich neben ihn. Sanft streichle ich über seinen Arm mit der Narbe. Ein leichtes Lächeln umspielt meine Lippen. Ich betrachte sein Gesicht. Es ist mir so vertraut und wunderschön. Mit meinen Fingern berühre ich vorsichtig seine bronzefarbene Haut, es ist fast so, als könnte ich sie zerbrechen, wenn ich zu grob bin. Sie ist kühl an den Wangen und der Nasenspitze, doch Tais Lippen sind warm und unglaublich weich. Schwindel überkommt mich plötzlich und erneut steigt Übelkeit in mir auf. Unkoordiniert laufe ich aus dem Zimmer ins Bad, um wiederholt meine Magensäfte in die Toilettenschüssel zu würgen. Langsam fühlt sich meine Speiseröhre an, als würde sie sich zersetzen. Brennender Schmerz sowie Druck ziehen sich entlang meines Brustkorbes hinauf zum Hals. Ich spüle meinen Mund mit kaltem Wasser aus, trinke dabei einen Schluck und wasche mir anschließend das Gesicht. Dann gehe ich zurück in mein Zimmer. Ich bleibe im Türrahmen stehen. Aus müden Augen sieht Tai mich an. „Bist du schwanger?“, fragt er mit rauer, belegter Stimme. „Du kotzt schon die halbe Nacht.“ „Das hast du mitbekommen?“ „Ja, ebenso, dass du nicht da warst, als ich aufwachte. Hast du dich wieder von anderen ficken lassen?“ Seine Worte sind tonlos, ohne jede Emotion. „Tai… ich…“ „Schon gut, Yamato. Ich will es nicht wissen. Tu was du willst, es interessiert mich nicht mehr.“ Mein Freund sieht mich nicht an. „Was soll das heißen?“ Entsetzen und Panik schwingen in meiner Frage mit. „Erachtest du es wirklich für sinnvoll, diese Beziehung noch aufrecht zu erhalten?“ „Ja“, antworte ich sofort, ohne nachzudenken. „Warum?“ „Weil ich dich liebe! Tai, bitte, gib uns nicht auf!“ Angst steigt in mir auf und ich beginne zu zittern. Langsam gehe ich auf meinen Freund zu. „Bleib weg.“ „Taichi… bitte…“ Ich breche weinend zusammen. „Ich will dich nicht verlieren. Ohne dich sterbe ich.“ „Dann hättest du doch endlich dein Ziel erreicht. Somit erweise ich dir zum Schluss sogar noch einen Gefallen. Sieh es als dein Abschiedsgeschenk, mein Liebling.“ Noch immer liegt er von mir abgewandt in meinem Bett. „Und wie geht es für dich weiter, wenn ich weg bin?“ Ich hatte eine Antwort erwartet, doch Tai schweigt. „Sieh mich bitte an. Nur ein letztes Mal.“ Zögernd dreht er sich um. Seine Augen sind vom Weinen gerötet und Tränen laufen seine Wangen hinab. Ich krieche über den Boden zu meinem Freund, zum Laufen fehlt mir die Kraft. Mühsam ziehe ich mich auf das Bett. „Darf ich dich berühren?“ Tai reagiert nicht. Ich lege meine Arme um ihn und drücke ihn fest an mich. Noch immer schaffe ich es nicht, mein Schluchzen und Zittern unter Kontrolle zu bringen. „Halt mich, Yamato! Ich falle, wenn du mich nicht hältst!“ „Ich lasse dich nicht los.“ Jetzt erwidert mein Freund die Umarmung und klammert sich fest an mich. Selten habe ich ihn so schwach und zerbrechlich erlebt. Ich schließe die Augen und gebe mich dem Schmerz der Situation hin. Ich bin froh, dass offenbar auch Tai noch nicht ganz aufgegeben hat. Weder unsere Beziehung, noch mich. Aber sich selbst? Sanft schiebe ich ihn von mir und drücke ihm einen Kuss auf den Mund. Wider Erwarten lässt mein Freund es geschehen und geht schließlich sogar darauf ein. Er wird fordernder, richtet sich auf und beugt sich über mich. Zärtlich küsst er mir die Tränen vom Gesicht. „Tai…“ „Shhh.“ Er legt den Zeigefinger auf meine Lippen und bedeutet mir zu schweigen. Dann zieht er mir die Hose, das einzige Kleidungsstück, das ich nach dem Aufstehen übergezogen hatte, aus und drängt meine Beine auseinander. „Ich liebe dich, Yamato“, flüstert er mir ins Ohr, während er langsam in mich eindringt. Es ist sehr schmerzhaft, was dem Sex mit dem Freier letzte Nacht zu verdanken ist, aber ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und diese Erinnerungen auszublenden. Obwohl Tai dieses Mal liebevoll mit mir umgeht, reagiert mein Körper sofort. Bebend vor Erregung passt er sich dem Rhythmus meines Freundes an. „Ich liebe dich“, keuche ich, als Tai seine Stöße intensiviert. Schweiß bildet sich auf unserer Haut und das relativ gleichmäßige Stöhnen facht unser beider Verlangen noch weiter an. Der Alkoholgeruch ist fast verschwunden, sodass ich den Duft meines Freundes wieder wahrnehme, was mich zusätzlich erregt. Ich schließe die Augen und lasse mich vollkommen auf meine Empfindungen ein. Es ist lange her, dass ich Tai so intensiv spüren konnte. Tränen laufen mir das Gesicht hinab. „Tai, wenn du kommst, bleib bitte in mir.“ „Sieh mich an“, entgegnet er als Antwort und stößt härter zu. Ich komme seiner Aufforderung nach. Seine Wangen sind vor Erregung gerötet und vereinzelte Haarsträhnen kleben feucht an seiner Stirn. Ich klammere mich an ihn, als unsere Bewegungen noch einmal schneller werden. Schließlich hält mein Freund inne, stößt noch zweimal kurz zu, zieht sich dann schwer atmend aus mir zurück und lässt sich erschöpft auf die Matratze sinken. Eine Weile liegen wir schweigend nebeneinander, nur unsere Finger sind ineinander verhakt. Anhand der Feuchte zwischen meinen Beinen weiß ich, dass Tai meiner Bitte nachgekommen ist. Ein Teil von ihm ist somit noch immer in mir. Ich rutsche näher an ihn heran und lege meinen Arm über seinen Oberkörper. So wie es jetzt ist, könnte es für immer bleiben, obwohl ich auch in diesem Augenblick spüre, dass mein Freund mit seinen Gedanken wieder abdriftet. Und vielleicht ebenso mit seinen Gefühlen. Durch einen andauernden Druck auf meinen Brustkorb wache ich auf. Tai hat seinen Arm um mich gelegt und nimmt mir dadurch die Luft zum Atmen. Er schläft. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen. Es ist schön, dass er wieder neben mir liegt, wenn ich aufwache. Vorsichtig schiebe ich seinen Arm etwas von mir, um mich drehen und meinen Freund besser betrachten zu können. Seine Gesichtszüge sind entspannt. Ich streiche ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Starke Zuneigung überkommt mich und ich küsse sanft seine Lippen. An Tais leicht alkoholischen Geruch und Geschmack habe ich mich inzwischen fast gewöhnt. Zwar kehrte unsere Beziehung in den letzten zweieinhalb Wochen scheinbar zur Normalität zurück, doch ich glaube, dass es nur ein verzweifelter Versuch, uns aneinander festzuklammern, ist. Nach wie vor trinkt Tai nahezu täglich, meist am Abend, vermutlich um schlafen zu können. Bisher habe ich ihn nicht ernsthaft mit seiner Abhängigkeit konfrontiert, ich weiß aber, dass er nicht der Meinung ist, ein Alkoholproblem zu haben. Wenig hilfreich ist auch die Tatsache, dass ich sein Verhalten sogar verstehen und nachvollziehen kann, den Wunsch, der Realität entfliehen, sich betäuben zu wollen. Immerhin versuche ich durch meinen hohen Tablettenkonsum und die immer häufiger werdende Einnahme von BDO dasselbe. Ich habe kein Recht, ihm Vorschriften oder gar Vorwürfe zu machen. Auch wenn es verdammt wehtut, meinem Freund dabei zusehen zu müssen, wie er sich zugrunde richtet, mit dem Wissen, dass die Schuld daran größtenteils bei mir liegt. Ich küsse Tai erneut, dann stehe ich auf, um am Fenster eine Zigarette zu rauchen. „Du versaust dir deine Stimme mit den Dingern“, höre ich meinen Freund sagen, während ich den Rauch tief in mich einsauge. Tai richtet sich etwas auf und sieht mich durchdringend an. Ich frage mich, wie lange er bereits wach ist. „Ich singe nicht mehr.“ „Auch nicht, wenn ich dich darum bitten würde?“ Interessiert schaue ich ihn an. „Warum solltest du das tun?“ „Weil ich deine Stimme liebe, ebenso wie die Lieder, die du schreibst.“ Ich werfe den Rest meiner Zigarette aus dem Fenster und gehe an meinem Freund vorbei zu der Gitarre, nehme sie aus der Halterung und setze mich auf den Stuhl an meinem Schreibtisch. Probehalber schlage ich ein paar Töne an, dann beginne ich zu spielen, schließe meine Augen und versuche mich an den Text eines von mir in letzter Zeit komponierten Liedes zu erinnern. Ich kenne dich schon lange Doch ich sehe in deinem Blick Irgendwas ist mit dir los nur ein Fremder sieht mich an Was ist nur mit dir geschehen Ich denke an die Zeit zurück Bei uns war doch alles klar ich kann das nicht verstehen Wenn dir noch was an mir liegt Finden wir den Weg Breite deine Arme aus und flieg Flieg mit dem Wind lass es geschehen Ich warte hier auf dich Gedanken sind frei wie der Wind Sie führen dich ans Ziel Gegen den Strom mit dem Kopf durch die Wand Schaffst du es sicher nicht Flieg mit dem Wind Es ist nur so ein Gefühl Und ich frage mich wer du bist Schlägt dein Herz noch für mich oder War es nur ein Spiel Und es fällt mir wirklich schwer Dass du so schnell vergisst Und wenn du neben mir stehst Erkenne ich dich nicht mehr Wenn dir noch was an mir liegt Finden wir den Weg Breite deine Arme aus und flieg Flieg mit dem Wind lass es geschehen Ich warte hier auf dich Gedanken sind frei wie der Wind Sie führen dich ans Ziel Gegen den Strom mit dem Kopf durch die Wand Schaffst du es sicher nicht Flieg mit dem Wind Ich lass dich jetzt auch nicht allein Denn irgendwann kannst du dich befreien Flieg mit dem Wind und du wirst bei mir sein Als ich meine Augen wieder öffne, erblicke ich Tai, der reglos auf meinem Bett sitzt und in meine Richtung starrt. Der Ausdruck in seinem Gesicht gleicht einer Mischung aus Schmerz, Verzweiflung und Apathie. Gerade als ich aufstehe und zu ihm gehen möchte, erhebt er sich ebenfalls und verlässt ohne ein Wort zu sagen den Raum. Hilflos schaue ich ihm nach, bis die Tür ins Schloss fällt. Kraftlos stelle ich die Gitarre beiseite und rauche am Fenster eine weitere Zigarette. Kurz überlege ich, mich mit einer höheren Dosis BDO in einen komaähnlichen Zustand zu versetzen, bleibe allerdings paralysiert stehen und blicke gedankenverloren ins Nichts. „Tai?“ Ich stehe im Türrahmen zur Küche und betrachte meinen Freund, der gerade mit einer Tasse Kaffee und leerem Blick am Tisch sitzt. „Tai“, wiederhole ich seinen Namen. Keine Reaktion. Unbeirrt gehe ich auf ihn zu und drehe seinen Kopf am Kinn in meine Richtung, sodass er gezwungen ist mich anzusehen. „Liebst du mich?“, frage ich ihn. „Was?“ „Antworte.“ „Lass mich los.“ Mein Freund sieht mich ernst, beinahe drohend, an, ergreift mit schmerzhaftem Druck mein Handgelenk und löst meine Hand von seinem Kinn. „Willst du mir nicht antworten oder kannst du es nicht?“ Bestimmt versuche ich mich von Tai zu befreien, schaffe es jedoch nicht, von ihm loszukommen. „Was würdest du denn gern hören?“ „Die Wahrheit.“ Mein Freund wendet seinen Blick von mir ab. „Ich weiß es nicht.“ Mit der Antwort hatte ich gerechnet, doch genau diese Wahrheit will ich nicht hören. Sanft streiche ich mit meiner Hand über Tais Hals, ziehe die Konturen nach. Durchdringend sieht mein Freund mich an. „Na los, drück zu. Oder willst du mich lieber vergewaltigen, wie immer, wenn dir etwas nicht passt.“ Ungläubig betrachte ich ihn. „Was soll das? Bist du wieder einmal betrunken?“ „Ich habe nachgedacht, Yamato. Über unsere Beziehung. Einige Dinge verstehe ich nicht.“ „Was meinst du?“ „Du hast mich mit elf das erste Mal vergewaltigt, weitere Übergriffe folgten…“ „Warum behauptest du das immer wieder?“, unterbreche ich ihn verzweifelt. „Lass mich ausreden. Weshalb hast du das getan, wenn du doch keine Liebe für mich empfunden hast? Du sagtest damals, du wolltest mehr als nur Freundschaft, meintest damit aber lediglich Sex. Ich frage mich, ob das nicht bis heute so geblieben ist. Empfindest du wirklich Liebe für mich? Oder ist es nach wie vor nur deine Besessenheit?“ „Ich liebe dich“, antworte ich mit belegter Stimme, aber ohne nachzudenken. „Und trotzdem nimmst du mich noch immer mit Gewalt und gegen meinen Willen.“ „Es reicht, Taichi! Nie war es wirklich gegen deinen Willen, sonst könnte ich ebenso behaupten, du hättest mich mehrfach vergewaltigt. Einmal bist du sogar so weit gegangen, dass ich anschließend ins Krankenhaus musste. Hast du das vergessen?“ Ungehalten schreie ich meinen Freund an. „Nein, Yamato. Aber im Gegensatz zu mir stehst du darauf, so behandelt zu werden.“ Tais Stimme ist ruhig. Ich schweige betreten. „Manchmal habe ich das Gefühl, dir ist gar nicht richtig bewusst, was du tust, und dann wieder denke ich, du weißt es ganz genau. So auch bei dem, was damals passiert ist. Bist du tatsächlich der Meinung, nichts Falsches getan zu haben? Mir drängt sich ein ganz anderer Gedanke auf. Ist es nicht vielmehr so, dass du dich von fremden Männern vergewaltigen lässt, und etwas anderes ist es in meinen Augen nicht, da du den Sex mit ihnen widerlich findest, weil du glaubst dir dasselbe antun zu müssen, was du mir angetan hast?“ Ich blicke meinen Freund emotionslos an. „Hast du jemals etwas anderes als Hass für mich empfunden?“ Tai sieht mich ernst an. „Ich habe dich lediglich als Kind gehasst, allerdings nur in den Momenten, während du mich genommen hast. Und wie ich dir schon einmal sagte, hat deine Unnachgiebigkeit mich an dich gebunden. Aber auch die Frage, warum du so etwas tust, hat mein Interesse geweckt.“ „Ich wollte dir wehtun, weil ich nicht wusste, wie ich sonst mit meinen Gefühlen für dich umgehen sollte. Und schließlich hattest du mich abgewiesen, als ich dir sagte, dass ich mehr als Freundschaft wollte. Was blieb mir also anderes übrig? Du meintest außerdem, dass du mich niemals lieben könntest. Trifft das heute auch noch zu?“ Tai geht nicht auf meine Frage ein, schaut mir aber direkt in die Augen. „Bereust du es? Bereust du, damals so gehandelt zu haben?“ „Nein, ich bin sogar froh darüber. Anders hätte ich dich wahrscheinlich nie bekommen. Nur… offenbar habe ich das auch so nicht.“ Mein Blick verfinstert sich. „Aber das ist mir egal. Ich werde dich nicht gehen lassen. Und wenn es sein muss, vergewaltige ich dich so oft und so lange, bis ich dich endgültig an mich gebunden habe.“ Brutal ergreife ich das Handgelenk meines Freundes, damit er nicht weglaufen kann. „Du bist wahnsinnig, Yamato. Du lebst in deiner eigenen Welt, fernab jeglicher Realität. Doch hier in der Wirklichkeit gelten deine Spielregeln nicht. Begreife das endlich!“ „Nein! Du sollst begreifen, dass du mir gehörst!“ Ich zwinge Tai einen Kuss auf, doch er geht nicht darauf ein und stößt mich stattdessen grob von sich. Als ich erneut auf ihn zukomme, steht mein Freund auf und geht in Abwehrhaltung. Dank meiner Kampfsporterfahrung gelingt es mir mit wenigen Handgriffen, Tai von hinten festzuhalten und mit meinem Arm seine Kehle abzudrücken. „Ich liebe dich, Taichi Yagami!“, raune ich in sein Ohr. „Dann lass mich los“, presst dieser hervor. „Das kann ich nicht. Du wirst mich verlassen.“ „Yamato…“ Der Tonfall meines Freundes ist resigniert, beinahe traurig. Plötzlich schwindet meine Kraft, ich lasse von meinem Freund ab und breche zitternd zusammen. Ich spüre, wie ich auf dem Boden aufschlage, dann wird mir schwarz vor Augen und ich verliere das Bewusstsein. Ich öffne die Augen. Für einen Moment fehlt mir vollkommen die Orientierung. Langsam erkenne ich die weiß gestrichene Decke meines Zimmers und begreife, dass ich in meinem Bett liege. Ich versuche mich daran zu erinnern, was passiert ist, doch der Schmerz in meinem Kopf beeinträchtigt meine Konzentration. Langsam setze ich mich auf. Am Boden neben meinem Bett sitzt Tai, mit dem Kopf auf der Matratze liegend. Er scheint zu schlafen. Ich beuge mich zu ihm. Erst jetzt bemerke ich, dass seine Hand in meiner liegt. Behutsam hauche ich einen Kuss auf die Wange meines Freundes. Die Erinnerung an das Geschehen vor meinem Zusammenbruch kehrt zurück und Tränen füllen meine Augen. Ich bin erleichtert, dass Tai die Gelegenheit nicht genutzt hat, um zu gehen. Aber die Angst spüre ich immer noch in mir. Ich war kurz davor, endgültig meinen Verstand zu verlieren, und wenn ich nicht das Bewusstsein verloren hätte, wäre ich gewaltsam gegen meinen Freund vorgegangen. Ich wollte ihn einsperren, sodass er mich nie verlassen kann, und vermutlich hätte ich ihn ein weiteres Mal gegen seinen Willen genommen. Auch jetzt verspüre ich noch den Drang, ihn anzuketten. Sein Verhalten zeigte mir deutlich, dass er nichts mehr für mich empfindet, offenbar nie empfunden hat. Mein Herz klopft schneller bei diesem Gedanken und ein stechender Schmerz setzt ein. Ich versuche tief durchzuatmen, mich unter Kontrolle zu halten. Warum hat er sich überhaupt auf mich eingelassen und mir nach zwei Jahren, in denen ich ihn angeblich mehrfach vergewaltigt haben soll, gesagt, dass er mich liebt? Dass er mich zuvor bereits einmal genommen hatte und dabei nicht gerade liebevoll vorging, tat ich als Rache ab. Ich dachte, er will mich spüren lassen, wie es sich anfühlt, zum Sex gezwungen zu werden, nur dass ich nach einiger Gegenwehr letztlich Gefallen am passiven Part gefunden habe und mich erregt seiner Gewalt hingab. Damals waren wir dreizehn. Seither sind fast fünf Jahre vergangen, in denen ich dachte, zwischen uns hätten sich allmählich eine Beziehung und vor allem Gefühle entwickelt, die ich mir lange Zeit zwar selbst nicht eingestehen wollte, aber mittlerweile nicht mehr leugnen kann. Ich hatte den Eindruck, Tai ginge es ähnlich, doch offenbar war es für ihn nie mehr als ein Zeitvertreib. Wenn ich ihn also nicht verlieren möchte, muss ich meine Gefühle töten und mich wieder auf unser perverses, weniger schmerzhaftes Spiel einlassen. Ich schaue meinen Freund an und erneut überkommt mich starke Zuneigung. Verzweifelt schließe ich meine Augen. Wenn Tai wirklich recht hat und ich innerlich tot bin, warum tut es dann so verdammt weh? Ich muss mich betäuben, anders werde ich es nicht schaffen. In Gedanken gehe ich die Möglichkeiten durch. Ich verspüre den Wunsch, mir im Bad den Arm aufzuschneiden, könnte mich allerdings auch von einem Freier bis an meine Grenzen ficken lassen oder mich gleich mit BDO in die Bewusstlosigkeit befördern. Tränen laufen mir über die Wangen. Noch immer liegt Tais Hand in meiner, welche ich nun fest umschließe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)