Die Chroniken von Draconia 2 von Silmarille (Der schwarze Krieger) ================================================================================ Kapitel 1: Treffen alter Freunde -------------------------------- Neun Jahre waren seit Sandros Ableben vergangen. In der Zwischenzeit hatte sich viel getan. Der Schatten von der Regentschaft Taogs war von Draconia endgültig gefallen. Frieden herrschte nun auf dem Kontinent des Feuers. Tschachfsü genoss diesen Umstand und die Tatsache, dass er seine vom Krieg geschundenen Gelenke endlich schonen konnte in vollen Zügen. Die Stahlsohlen seiner Kampfstiefel klapperten über die steinerne Hauptstraße seines kleinen Dorfes am Rande des Schlangen-rückens. In seiner Rechten lag locker eine schwere, dreiläufige Armbrust und aus seinem Mundwinkel ragte einer der mit Kräutern gefüllten Pergamentrollen für die er berühmt war. Die Gerüche von Veilchen, Erde und frischem Gras hingen wie dicker Rauch in der Luft dieses ungewöhnlich warmen Frühlingsmorgens. Es war der dritte Topin des Jahres zweihundert-einundneunzig nach Raunem. Wie schon oft seit irgendein Tor auf die Idee gekommen war, dass man hier unbedingt eine Stadtwache brauchte und der Dorfvorstand diesem Vorschlag zugestimmt hatte, war Tschachfsü, Oberbefehlshaber (und einziges Mitglied) der Stadtwache, auf dem Weg zu einer der Zahlreichen Viehweiden. Angeblich war dort ein Berglöwe von der Größe eines Schlachtrosses aufgetaucht und hatte drei Kühe gerissen. Für Tschach selbst war dies unvorstellbar – schon allein, weil die angeblichen Ausmaße des Tieres unheimlich riesig waren. Das ist doch lächerlich! dachte der Krieger. Ein Berglöwe groß wie ein Bär! Also wirklich, wenn das stimmt, bin ich der König von Mestala. Die Weide kam in Sicht. Das schwarzweiße Fleckvieh drückte sich verängstigt in eine Ecke und muhte so laut, dass Tschach kaum etwas anderes hören konnte. Nur noch das Geräusch von malenden und reißenden Kiefern drang an seine Ohren. Der Krieger ging zu dem hohen Weidezaun und legte eine Hand auf das oberste Holz. Geschickt stieß er sich vom Boden ab und sprang über die zusammengenagelten Latten. Er schloss die Augen und ortete die Laute, die die mutmaßlichen Kiefer von sich gaben. Als er die Richtung bestimmt hatte, wandte er sich um und ging in nordöstlicher Richtung die Weide hinunter. Bald mischten sich zu den typischen Aromen der Umzäunung auch noch die Gerüche von Blut und faulendem Fleisch – Letzteres war eine erhebliche Überraschung für den Draconiar, da er von den silbernen Raubtieren der Berge eigentlich anderes gewohnt war. Auf dem Boden breiteten sich an mehreren Stellen große, dunkelrote Flecken aus. Einige Knochen, die eindeutige Bissspuren hatten, verteilten sich über ein breites Arial von gut einhundert Quadratmetern. Tschach folgte den blutigen Spuren, die die Tatzen des Berglöwen hinterlassen hatten. Nach kurzer Zeit konnte er den zuckenden, silbernen Schwanz der Raubkatze erkennen. Die Bestie war tatsächlich mindestens so groß wie ein Schlachtross. Die grauen Tatzen waren mit zehn Zentimeter langen Krallen bewehrt und das Fell war glanzlos und struppig. Der Draconiar näherte sich dem Tier. Als er zwei Meter von dem Biest entfernt stehen blieb, hob die Katze den Kopf. Die zerkratzten Ohren zuckten kurz, dann drehte sie sich zu dem Krieger um. Die rechte Kopfhälfte war von gigantischen Klauen – vermutlich die eines Drachen – zerrissen worden, das Auge auf der Seite war nur noch ein blutiges Loch und in der linken Seite des Unterkiefers steckte ein langer, dunkler Pfeil. Das dortige Fleisch war entzündet und faulig. die Bestie musste entsetzliche Schmerzen leiden. Die Katze drückte sich sprungbereit an den Boden. Jeder Muskel ihres schaurigen Körpers war angespannt. Auch Tschachfsü machte sich bereit. Er stemmte ein Knie in den Boden und hob die gespannte Armbrust. Die Zeit schien stillzustehen. Die Katze und auch der Krieger lauerten auf einen Fehler des anderen. Der Draconiar verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, um seinen Gegner besser im Auge behalten zu können. Die Pergamentrolle wanderte von einem zum anderen Mundwinkel. Schweißperlen rannen über die Wangen. Dann endlich verlor der Berglöwe die Geduld und sprang auf Tschach zu. Ein kurzer Ruck mit den Fingern und Tschach schickte drei Bolzen gleichzeitig auf die Reise. Sie drangen bis zur Hälfte in die Brust des Raubtiers ein, das sich jedoch nicht davon stören ließ. Es warf sich gegen Tschach und stand plötzlich über ihm. Zentimeterlange Krallen rissen seine ungeschützte Brust auf. Die schaurigen Kiefer näherten sich beständig dem Gesicht des Kriegers. Verzweifelt riss Tschach seine Faust empor. Krachend schlug er sie gegen die unverletzte Kopf-seite der Bestie. Das Tier taumelte nach rechts, stolperte über einen Stein, fiel auf die Seite und schaffte es nicht mehr sich aufzurichten. Tschach hingegen sprang auf die Füße, knöpfte seine Weste zu, damit niemand der sich nun nähernden Dorfbewohner die Wunden auf seiner Brust sah, und hob die dreiläufige Armbrust wieder auf. Beiläufig klopfte er den Dreck von seiner Schwarzblauen Uniform und schlenderte zu der bewusstlosen Katze hinüber. Seine rechte Hand suchte an seinem Gürtel nach einem für den normalerweise waffenloskämpfenden Krieger ungewohnten Gegenstand. Endlich gefunden, zog er den kleinen Dolch, der einst seinem Halbbruder gehört hatte, hervor. Langsam legte er die Klinge an den Hals des riesigen Löwen. Die Männer des Dorfes standen nun um ihn herum. Tschach wollte zudrücken, den Qualen dieses Wesens ein Ende bereiten, doch seine Hand gehorchte ihm nicht. „Worauf wartet Ihr, Tschachfsü von den Grashügeln?“ fragte der Dorfschulze – ein kleiner Mann von fünfzig Jahren mit graugrünen Augen und grauem Haar dem das linke Ohr von der Klinge eines mestalischen Ritters abgetrennt worden war –, der nun vortrat und ihn ungeduldig musterte. „Tut wie Euch aufgetragen und vernichtet jenes Wesen, welches uns Ungemach bereitete.“ „Ich versuche zu tun, wie mir geheißen.“ Die Hand, der ganze Körper des Kriegers zitterte. „Doch zu groß ist die Barriere, die die Bestie um sich errichtet.“ „So lange sie noch lebt, wird nicht Enden Furcht und Joch!“ „Joch?“ Tschachfsü stand auf und blickte den Schulzen zornerfüllt an. „Wer unterjocht Euch, Schulze? Dies unglückliche Tier etwa? Glaubet mir, nicht ich oder diese Katze sind’s, die Euch und Euresgleichen gefährden.“ „Wie wagt Ihr es mit mir zu Reden, Kämpfer? Soll ich Euch einen Verräter nennen und Euch vor des Königs Gericht stellen?“ „So tut dies.“ Tschach hockte sich hin und Zog nacheinander die drei Bolzen aus dem Fleisch des Tieres, um sich dann dem Pfeil zuzuwenden und danach wieder mit gleichem Ernst wie zuvor dem Schulzen zuzuwenden. „Doch wenn Ihr zu feige dazu seid, so lasst mich meines Weges ziehen. Nicht ich bin Euer Feind. Nicht dies Tier hat Euch verstümmelt.“ Seine Uniform verwandelte sich in einen silbernen Umhang. „Nicht ihm darf Euer Zorn gelten.“ „Wem dann, Tschachfsü? Soll ich gar dem König zürnen?“ In diesem Moment erwachte der Löwe wieder. Die Wunden in seiner Brust schlossen sich. Er selbst stellte sich friedlich an die Seite des Silbernen. „Tschachfsü ist nicht länger mein Name. Getilgt sei er fortan aus den Köpfen aller.“ Der silberne Krieger zog die Kapuze seines Gewandes tief in sein Gesicht. „Und nein, nicht dem König sollt Ihr zürnen. Nicht er hat dies Unheil heraufbeschworen. Ihm selbst wird noch Unheil wiederfahren.“ Der Krieger kletterte auf den Rücken der Bestie. „Sein eigen’ Kind wird Ihm genommen werden von Wüstenhand.“ „Redet nicht in Rätseln, edler Herr.“ Der Schulze fiel auf die Knie. „Tut der Wahrheit genüge und sagt, was wirklich wird geschehen im Hause des Königs.“ „Nicht ich vermag dies zu sagen, Schulze.“ Der Krieger beugte sch vor. „Dafür stehe ich auf der falschen Seite in diesem Kampfe.“ Nach diesen Worten drehte sich die Katze um und sprang in östlicher Richtung davon. Wie so oft ging Luk bedächtig über den Kriegerfriedhof, den er – wie auch die goldenen Stangen im Thronsaal – für die Gefallenen des letzten Krieges (auch als der Rachekrieg bekannt) hatte anlegen lassen. Doch an diesem Tag war es anders als an den Tagen zuvor. Eiskalter Wind strich zwischen den Grabsteinen umher. Es schien fast so als wolle der Luftzug den Drachenkönig zu einer bestimmten Stelle lotsen. Widerwillig folgte Luk dem Drang in diese Richtung. Vor einem Stein mit gekreuzten Schwertern standen ein in Silber gekleideter Mann und ein riesiger Berglöwe. Luk näherte sich ihnen. Bald konnte er die Inschrift auf dem Grabstein lesen: „HAUPTMANN LAYLAYO AUS TAOG 265 – 281 N.R. ER WAR ZWAR NUR EIN HALBBLUT DOCH WER IHN KANNTE, WEIß, DASS ER EIN BESONDERER MENSCH WAR“ „Wer auch immer dies geschrieben hat, spricht wahr.“ sagte der Fremde. „Oder bist du anderer Meinung, Severanz?“ „Wer hat Euch erlaubt mich zu duzen?“ knurrte Luk. „Und wer seid Ihr überhaupt?“ „Jetzt enttäuschst du mich aber.“ Der Fremde drehte sich zu Luk um. „Sag bloß, du hast mich vergessen.“ „Das gibt es doch nicht.“ Ungläubig rieb Luk sich die Augen. „Tschachfsü? Bist du das?“ „Bis vor ein paar Tagen war das mein Name.“ Der Krieger sah Luk mit blicklosen, grauen Augen an. „Heute ist er es nicht mehr.“ „Wie meinst du das?“ „Sagen wir, ich hatte eine Begegnung.“ Er legte seine Hand auf den Kopf des Löwen. „Ich bin nun ein Neutraler.“ „Ein was?“ „Ein Neutraler. Dir wahrscheinlich besser als Unsterblicher oder Hüter bekannt.“ „Ach so. Und was willst du hier? Ich meine ihr Unsterblichen zeigt euch doch nie ohne Grund.“ „Du hast Recht. Ich bin tatsächlich nicht ohne Grund hier.“ Die ausdruckslosen Augen verengten sich. „Bist du bereit zu hören, was ich dir zu sagen habe?“ „Sprich.“ „Gut. Achte auf die Hand der Wüste, Severanz. Sage es auch dem Wolfskönig. Die Wüste wird sich holen, was sie für das ihre hält. Sie wird holen, was euch wichtig ist, was euch mehr wert ist als alles Gold und alle Juwelen der Welt.“ „Was genau meinst du?“ Luk war sichtlich verwirrt. „Rede bitte genauer.“ „Der für dessen Ohren das Rätsel wirklich bestimmt ist, wird wissen, was ich meine.“ Der Krieger stieg auf seinen Löwen. „Mehr darf ich dir nicht verraten.“ „Warum nicht?“ „Es ist mir verboten, mich einzumischen, was ich mit meiner Warnung schon genug getan habe. Ich werde nicht noch weiter gegen die Gesetze des weltlichen Gleichgewichts verstoßen. und nun, endschuldige mich. Meine Arbeit hier ist erfüllt.“ Die Katze machte einen Satz und verschwand mit dem Krieger hinter den Gräbern. Das war äußerst seltsam. dachte Luk kopfschüttelnd. Was ist mit dem eigentlich passiert? Während dessen war Dravo Drachentod, Oberster der königlichen Garde Draconias, auf der Suche nach seinem 7-jährigen Neffen, dem Prinzen Frederick. Der kleine Junge hatte die leidliche Angewohnheit spurlos zu verschwinden und da das Schloss nicht gerade klein war, konnte es schon einmal Stunden dauern, bis er wieder auftauchte. Und so streifte der einstige Drachentöter wie schon so oft das Schloss ab. „Verdammt, wo steckt der Junge nur wieder?“ fragte sich Dravo laut. „Frederick vom Nadelwald“, brüllte der Drachentöter, „zeigt Euch endlich! Was würde Euer Vater sagen, wenn Ihr Euch nicht unserem hohen Besuch aus Taog vorstellt?“ „Ich komme aber nicht raus!“ lautete die trotzige Antwort des Jungen aus einer der Schießscharten. „Ich will dieses Mädchen nicht sehen… Mädchen sind doch alle doof!“ Dravo schüttelte seufzend den kopf. „Bitte, mein Prinz, kommt doch hervor.“ „Soll ich Euch etwas unter die Arme greifen, Ohnearm?“ erklang eine spöttische Stimme, die Dravo sehr wohl bekannt war und die er am Liebsten nie wieder hören würde. „Ich heiße Drachentod nicht Ohnearm, Sturmreiter“ grollte der Drachentöter zornig. „Och das tut mir aber Leid…“ griente Stodelat. „Aber wenn es Euch recht ist, hole ich den Jungen da nun hinaus.“ „Tut was ihr nicht lassen könnt.“ „Tue ich auch ohne, dass Ihr mir dies sagt.“ Nach diesen Worten war der Sturmreiter hinter der Mauer verschwunden. Wenige Augenblicke später tauchte er allerdings mit einem zappelnden, blonden Jungen, von etwa 7 Jahren unterm Arm wieder auf. „Lasst mich runter!“ brüllte der Junge zornig und schlug dem rotgerüsteten Krieger immer wieder gegen die Brustplatte. „Warum sollte ich?“ hielt Stodelat in seiner gewohnt respektlosen Art entgegen. „Euer Vater erwartet Euch, mein Prinz, und das Wort des Königs ist noch immer Gesetz.“ „Lasst ihn runter!“ befahl Dravo. Er schloss kurz die Augen und sprach in ruhigerem Ton weiter: „Sobald Euch der Sturmreiter abgesetzt hat, folgt Ihr mir, Hoheit.“ Stodelat schnaubte. Er setzte den blonden, noch immer zappelnden Jungen auf den Boden, drehte sich um und ging. Dravo wandte sich ebenfalls um und ging los. Sein Neffe folgte ihm. Eine Weile liefen beide stumm nebeneinander her, dann brach der Junge das Schweigen: „Onkel Dravo? Darf ich Euch einmal eine Frage stellen?“ „Fragt nur.“ Der Drachentöter blickte dem Jungen in die leuchtend blauen Augen. „Sofern ich es vermag, werde ich Euch Antwort geben.“ „Verratet Ihr mir, wie Ihr Euren Arm verloren habt, Onkel?“ Dravo zögerte. Sollte er dem 7-jährigen wirklich die ganze, grausige Geschichte erzählen? Nein, das konnte er nicht. Der Junge würde es noch früh genug erfahren, aber sicher nicht von dem Drachentöter. „Nein.“ „Aber warum?“ Frederick sah seinen Onkel enttäuscht an. „ich meine, es ist sicher eine ganz tolle Geschichte.“ „Ich sagte nein und damit ist Ende.“ knurrte Dravo, hatte sich aber gleich wieder unter Kontrolle. Er hatte einmal gesagt, seine Gefühle brächten den Tod und das hatte er ernst gemeint, denn die Schneewandler hatten ihm einiges beigebracht und auch die etlichen ungewollten Duschen mit Drachenblut hatten ihren Teil dazu beigetragen, dass Dravo ein gefährlicher Mann – ja fast schon ein Dämon – geworden war. Ungeachtet des traurigen, flehenden Blicks seines Neffen, ging er weiter. Schweigend. Auch Rick fragte nicht weiter nach. Wenn sein Onkel nicht reden wollte, konnte auch er als Prinz ihn nicht dazu zwingen. Für ihn war der alte Drachentöter ein rechter Held. Er hatte so viel über die damaligen Begebenheiten aus Geschichten gehört, wenn er sich wieder in den Unterkünften der Soldaten oder in der Nähe des Exerzierplatzes, oder der nahe am Schloss gelegenen Kasernen rumgetrieben hatte, dass er langsam sein ganz eigenes Bild von der Schlacht hatte. Sicher entsprach dieses Bild nicht ganz der Wahrheit, aber es war für ihn das, was er sehen wollte. Das Bild zeigte seine Vorstellung einer gelungenen Schlacht, mit Siegern und Verlierern. Schließlich erreichten sie die große, mit Schnitzereien verzierte Tür des Thronsaales. Dravo schob sie auf und bedeutete seinem Neffen hinein zu gehen. Der Junge gehorchte. Dravo selbst blieb draußen. Kai saß in ein dunkelrotes Hemd, eine schwarze Hose, einem dunklen Hermelinmantel und hohen Stiefeln auf einem goldbelegten Eichenthron. Auf seinem Kopf saß eine goldene Krone mit tropfenförmig geschliffenen Saphiren. Diese Krone hatte einen unteren, geraden Rand, während der obere über der Stirn leicht nach oben weglief und eine Spitze bildete, die einen kleinen Opal einfasste. An seiner Seite hing sein legendäres Schwert Drachenzahn und zu seinen Füßen lag ein riesiger, schwarzer Wolf. Neben Kai saß Königin Saja. Sie trug ein eng anliegendes, weißes Gewand, welches der männlichen Phantasie allerdings noch viel Spielraum ließ. Die Schuhe allerdings waren unter dem Saum des Kleides verborgen. Sie trug keine Waffe. Um ihre Taille schlang sich lediglich ein breiter, tiefroter Gürtel, der mit Gold und Kristallen besetzt war. Auch trug sie nur ein eher unscheinbares Diadem aus Gold auf dem Kopf und ihr langes, goldblondes Haar lag ihr offen bis über die Schultern. Ihre weiße Wölfin Erista hatte sich mit einem grauen Welpen etwas in die hinteren Bereiche des Thronsaales zurückgezogen. Als Rick eintrat, blickte zu erst der schwarze Wolf auf, gefolgt von seinem Herrn. Letzterer lächelte den Jungen kurz an und sagte dann: „Ah Frederick, mein Sohn. Wie schön, dass du es einrichten konntest herzukommen. Ich hörte, man habe das ganze Schloss nach dir absuchen müssen, bis man dich bei den Schießscharten fand, nicht wahr?“ Der junge Prinz zuckte zusammen. Die Schelte in der Stimme seines Vaters waren kaum zu überhören, auch wenn der König seinen Sohn nicht direkt tadelte. „J-Ja, Vater. Es… es tut mir sehr leid, wenn ich Euch dadurch Unannehmlichkeiten bereitet habe.“ stotterte Rick und senkte den Blick auf den Marmorboden des Saals. „Rick, ich weiß, dass es dir nicht gefällt, das die Prinzessin Taogs sich zum Besuch mit ihren Eltern angekündigt hat, aber du wirst dich gefälligst mit ihr arrangieren! Hast du verstanden, junger Mann?“ nun war die Schärfe in Kais Stimme kaum noch zu überhören. „Wenn mir Klagen über dein Betragen zu Ohren kommen, werde ich unangenehm, klar?“ Rick schluckte schwer. „Na-natürlich, Vater. Wie Ihr von mir wünscht.“ „Gut, dann wäre das ja geklärt.“ Kai seufzte und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Sie sollten eigentlich in Kürze eintreffen.“ Kaum hatte der draconische König diese Worte ausgesprochen, als es draußen auf dem Burghof auch schon auf eine charakteristische Weise krachte. Der laut konnte nur von einer Quelle kommen – dem Landen eines Drachen. Kurz darauf trat auch einer der Gardisten in den Raum und verkündete das Eintreffen der taogischen Königsfamilie. Als der Mann wieder hinaus war, kamen drei Gestalten herein. Der Mann, den Kai erst auf den zweiten Blick als Luk erkannte, trug eine aufwendig polierte Rüstung aus einer Mischung aus Drachenstahl und Drachenschuppen. Außerdem prangte auf seiner Stirn eine breite, gezackte Krone mit Rubinen und über seine linke Gesichtshälfte verlief eine lange, gezackte Narbe. Neben ihm kam eine junge Frau mit Rehbraunem Haar und grünen Augen – Königin Kiddi. Sie trug ein leichtes, hellrotes Reisegewand, was allerdings etwas an die Kleidung einer Hexe erinnerte und führte einen langen, weißen Stab mit sich. Auch ihre Stirn schmückte ein dünnes Diadem aus Gold. Die dritte, kleinere Person war wohl die Prinzessin. Sie trug ein feuerrotes Kleid, hatte rehbraunes Haar und Augen so grün wie die Baumkronen des verwunschenen Waldes im Sommer. Als die drei näher kamen, sprang der schwarze Wolf auf und lief jappend zu ihnen. Das Mädchen stieß einen spitzen schrei aus und verbarg sich hinter der breiten gestalt ihres Vaters. Dabei zitterte sie wie Espenlaub. „P-Papa, ich hab Angst… W-Was ist das für ein Tier?“ „Das?“ Luk ging in die hocke und kraulte den Wolf zwischen den Ohren. „das ist Schadow…. Keine angst, meine Kleine, dieser Wolf tut dir so wenig, wie dein alter Vater.“ „Bist du hier um meinem Wolf eine Mahlzeit zu liefern oder damit wir uns wiedertreffen, alter Freund?“ scholl Kais Stimme feixend durch den Saal. Der Wolf sprang auf einen Befehl seines Herrn zurück, drehte sich in der Luft um die eigene Achse und stand im nächsten Moment hinter seinem nun stehenden Gebieter. „Kai, guter, alter Freund“ lachte Luk und stand wieder auf. Mit langen Schritten querte er den Saal und nahm den riesigen Draconiar in den Arm „Wie lange ist es her? 7-8 Jahre?“ „9, Luk.“ erwiderte der draconische König während er sich aus Luks griff befreite. Gleichzeitig wandte er sich an Saja und seinen Sohn „Wollt ihr beide nicht mit Kiddi und der Prinzessin etwas in den Garten gehen?“ als die beiden nickten und schließlich mit der taogischen Königin und Tinka hinauswaren, wurde Kais Miene düster. „9 Jahre des Friedens.“ Er wandte sich um und ging zum Fenster. „Wenn man den neuesten Berichten Glauben darf ist die Zeit der Ruhe nun vorüber.“ „Du denkst an die alten Prophezeiungen, nicht Kai?“ Luk lehnte sich neben der Tür gegen die Wand und betrachtete seinen Freund aus zusammengekniffenen Augen. „Nein, Luk, Ich denke an was anderes.“ Kai lächelte bitter „Es ist jetzt zwölf Jahre her, dass ich Saja mit deiner Schwester betrog und damals wurde ich für diesen Eidbruch verflucht. Nogi hat mich gewarnt, niemals ein Versprechen oder einen Eid zu brechen und doch habe ich es damals getan und jetzt werde ich bald die Konsequenzen tragen müssen.“ „Du hast es ihr bis heute nicht gesagt, oder? Kai, wenn es etwas gibt, was ich…“ „Nimm Rick und Saja mit zu dir.“ Unterbrach Kai grob. „Wenn sie auch nur noch einen Tag hier bleiben, schweben sie in höchster Gefahr.“ „Hast du es ihr gesagt? Was für eine Gefahr, meinst du?“ Kai seufzte und drehte sich zu Luk um. Sein Gesicht verriet deutlich, dass er es Saja nie gesagt hatte, dass seine Frau nichts von dem unehelichen Knaben, der am Rande des Schlangenrückens bei einem Gerber lebte, wusste. „Hättest du es Kiddi denn gesagt, wenn es dir passiert wäre?“ Luk schüttelte den Kopf. Nein, er hätte so etwas Kiddi gegenüber niemals erwähnt und auch spürte er, dass da noch mehr war, dass Kais Herz belastete, aber sollte er nachhaken? Sicher, Kai würde schon weiterreden, wenn er es für nötig hielt, aber wie Luk seinen Freund kannte, könnte er lange darauf warten, dass dieser wirklich aussprach was ihn belastete. Des Weiteren reichte auch das, was der taogische Herrscher bislang gehört hatte völlig aus, um ihm die Ernsthaftigkeit der Situation vor Augen zu führen. Was Kai da ansprach, war alles andere als ein Kinderspiel. Der große Kriegsherr sprach von einer nahe bevorstehenden Schlacht, die er nun mit seinen eigenen Sünden in Bezug brachte. Aber wer hatte Draconia den Krieg erklärt? Wer würde offen verkünden, dass er das wohl wehrhafteste Land auf diesem Kontinent attackierte? „Wer hat dir eine Kriegserklärung zukommen lassen, Kai?“ „Die Wüste, guter Freund, die Wüste und bei der Göttin, ich werde ihre Einladung annehmen und sie zurückdrängen, und wenn ich dazu mein Leben hergeben muss!“ „Aber, Kai, das kannst du nicht tun!“ Luk wollte noch mehr sagen, aber da wurde die Tür aufgeschlagen und zwei Wachen schleiften eine blutende, blasshäutige und magere Gestalt herein. Der Mann – wenn es denn ein Mann war – sah auf, als er grob zu boden gestoßen wurde. Grüngelbe Augen funkelten die beiden Könige hinter strohblondem, strähnigem Haar an. Der Blick des Mannes war gleichzeitig Eisig und sadistisch. „Die Wüste hat sich geholt, was das ihre ist, Wolfskönig. Holt es Euch zurück, wenn Ihr meint, dass Ihr die Zwillinge besiegen und Eure Ehre wieder herstellen könnt.“ sagte er mit einer tiefen Stimme. Die Art wie er das „R“ rollte wies ihn eindeutig als Wüstenreiter – also einen der wenigen Bewohner der Wüsteninsel Stonesend aus. „Doch die Wüste wird am Ende doch siegen, egal was Ihr tut. Sie hat bekommen, was sie wollte.“ „Rick…“ Kai starrte den Wüstenreiter an. „Das meinst du nicht ernst!“ „Oh doch, Euer Hohlheit. Die Wüste hat sich Euren Sohn geholt und noch mehr.“ Bei den letzten Worten fiel sein Blick auf Luk. „geht zum schwarzen Turm und vielleicht erhaltet Ihr alles zurück“ blitzschnell griff der blasse Mann an seinen Gürtel, zog einen Dolch und erstach sich selbst. „NEIN!“ Kai sprang vor, wollte ihn daran hindern, doch zu spät. Der Wüstenreiter war schon tot. Der draconische König warf einen Blick über die Schulter und betrachtete Luk. Aus dem Gesicht des Drachenritters war jegliche Farbe gewichen. Man brauchte ihm nicht mehr zu sagen, was die letzten Worte des Mannes bedeutet hatten. Sie hatten seine Tochter. „Luk…“ Kai stand auf. „es tut mir leid, mein Freund. Wir holen sie zurück.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)