Schatten von Mestala von Silmarille (Die Geschichte Draconias geht weiter) ================================================================================ Kapitel 3: Ein Toter mischt sich ein ------------------------------------ Zornig stand der junge Prinz vor seinem Vater und seiner Mutter. Er war zehn Jahre alt, hatte dunkelgrüne Augen und Rehbraune, kurzgeschnittene Haare. Er trug ein goldbesticktes, weißes Wams, blaugefärbte Beinkleider und hohe, weiße Lederstiefel. „Aber Frederick darf doch auch gehen und gegen die Mestalai kämpfen.“ beschwerte sich der Junge. „Erstens, Gerik, hat Frederick seinen Leibwächter dabei.“ rief sein Vater, ein mittelgroßer Mann von 40 Jahren mit dunkelbraunem Haar und grasgrüne Augen, trug ein Hemd aus rotem Samt, schwarze Beinkleider, gleichfarbige Reitstiefel und einen goldbesetzten Umhang. Über sein linkes Auge verlief eine lange Narbe. „Zweitens bin ich nicht sein Vater, denn sein Vater ist seit zehn Jahren tot. Und drittens ist er bereits achtzehn Jahre alt.“ „Luk nun sei doch nicht so streng mit dem Jungen.“ warf die Frau an der Seite des Mannes ein. Sie war schlank, hatte rehbraunes Haar und dunkelbraune Augen. Sie trug ein langes, blauschwarzes Kleid, war ein Jahr älter als der Mann und an der Seite ihres Sitzes lehnte ein langer Stab auf dessen Spitze ein Rubin befestigt war. „Misch dich da bitte nicht ein, Kiddi.“ knurrte der König. „Und nun wieder zu dir, mein Sohn. Du gehst nicht – ich wiederhole: nicht nach Fewall, um zu kämpfen.“ „Aber Vater...“ setzte Gerik an. „Ich sagte NEIN!“ Luk ließ sich zurück auf seinen Thron sinken. „Verstehst du denn nicht, dass es zu gefährlich ist. Du bist erst zehn Jahre alt, hast keinen Leibwächter und über deine Fertigkeiten mit dem Schwert, der Lanze, der Armbrust, dem Bogen oder der Streitaxt brauchen wir hier ja wohl nicht zu sprechen.“ „Was ist denn so Besonderes an Fredericks Leibwächter?“ Der junge Mann machte ein beleidigtes Gesicht. „Dass er sein Halbbruder ist vielleicht?“ „Ich gebe zu, dass ich meinem Neffen in jeder Hinsicht vertraue, wenn auch nur, weil er nicht nach seiner Mutter sondern eher nach seinem Vater schlägt, aber das ist nicht der Grund.“ Luk hustete. Er war vor einem Jahr an einer Lungenkrankheit erkrankt und vertrug diese Aufregung mit seinem Sohn nicht. „Du gehst nicht, weil ich es sage und damit ist die Diskussion beendet!“ „Du bist ungerecht, Vater!“ schrie Gerik. „Du bist selbst nicht in der Lage um Taog zu beschützen und jetzt willst du es mit verbieten?“ „Gerik, versteh doch. Es ist nur zu deinem Besten.“ Der Junge schnaubte, drehte sich um und verließ wütend den Raum. „Was habe ich mit dem Kind bloß falsch gemacht?“ fragte Luk zweifelnd. „Der Junge ist zuviel mit meinem Neffen und dem draconischen Prinzen zusammen.“ „Also wirklich, Luk.“ ertönte eine hohle Stimme aus einer dunklen Ecke des Saals. „Jetzt gib aber bitte nicht meinen Söhnen die Schuld an dem Eigenwillen deines Kindes.“ „Kai, du mit deiner durchscheinenden Gestalt tauchst auch wirklich immer da auf, wo man dich am wenigsten erwartet.“ Luk legte eine Hand an seine Stirn. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du anklopfen sollst?“ „Nun, Luk“ – Kai kam in seiner zerstörten Rüstung aus dem Schatten – „wie du unschwer erkennen kannst, ist das mit dem Anklopfen für mich nicht so einfach.“ „Du hast dich sehr verändert, seit wir uns das letzte Mal sahen, alter Freund.“ Kai lachte. „Verändert? Ich bin gestorben. Da kann das schon mal passieren, dass man sich verändert. Das war immerhin ein – wie soll ich sagen – einschneidendes Erlebnis in meinem Leben.“ Luk legte den Kopf schief. „Aber zu Scherzen bist du immer noch aufgelegt, wie es scheint. Aber nun mal im Ernst, du bist doch nicht hier, um zu spaßen, oder?“ „Na so sehr scheine ich mich ja doch nicht verändert zu haben.“ sagte Kai heiter. „Du ließt in meinen Absichten ja immer noch wie in einem offenen Buch. Nein, du hast Recht, ich bin nicht hier, um zu scherzen.“ Kai kam näher. Seine toten, blauen Augen suchten die Umgebung ab. Als er sicher war, dass außer ihm, Luk und Kiddi niemand im Raum war, fuhr er fort: „Die Mestalai rücken vor, dass ist dir sicherlich längst bekannt. Sturm hat eine List ausgearbeitet mit der er versuchen will sie auszutricksen, aber ich bezweifele, dass dies etwas bringt. Die Draconiar sind in der Minderzahl. Sie sind nur Zwanzigtausend und der Gegner hat achtundzwanzigtausend Krieger. Sturm hat zwar dafür gesorgt, dass Rick in Sicherheit ist, indem er ihn zu Nogi geschickt hat, aber er selbst begleitet ihn nicht.“ Kai machte eine Pause und sah sich nochmals um. „Verstehst du, was ich meine? Der Junge braucht Hilfe. Unterstützung. Mehr Männer.“ „Und was soll ich nun deiner Meinung nach machen?“ Luk warf dem toten König einen fragenden Blick zu. „Nun sprich endlich, Mann.“ „Verstehst du das wirklich nicht, mein Freund?“ Der Geist ging um den Thron herum. Er schaute auf das Drachenbanner und dann wieder auf Luk. „Ich möchte dich bitten ihm einige Männer zu schicken.“ „Und wie sollen sie bitte deinen Bastard finden?“ „Ich bringe sie hin.“ Luk überlegte kurz. Dann nickte er. „Gut sechstausend Soldaten und Sturmreiter kann ich entbehren, denke ich.“ „Gut.“ Kai drehte sich um. „bring sie doch bitte auf dem Burghof zusammen.“ Er ging auf die Tür zu. Seine Schritte waren lautlos und hinterließen keine Spuren in dem feinen, weißen Sand, der im Thronsaal aus unerfindlichen Gründen ausgebracht worden war. Noch einmal wandte sich der Tote König um. „Ihr werdet Hilfe von unverhoffter Seite kriegen, Luk. Man könnte sagen, dass Devin der Seewolf wieder auferstanden ist.“ Luk sah ihn nur verwirrt an. Devin der Seewolf war doch vor drei Jahren mit seiner Weißstern in einen Sturm geraten. Kai hatte gesagt, dass keiner aus der Mannschaft überlebt habe. Kai selbst habe den Seefahrer in seinen letzten Stunden begleitet. Und nun sollte er wieder da sein? Das war für Luk zu hoch. „Das hasse ich an Geistern.“ knurrte Luk erbost. „Sie reden immer in Rätseln und Kai ist da wohl der Schlimmste von allen. Er bringt den Krieg über Taog.“ „Du tust ihm Unrecht, Liebster.“ setzte Kiddi dagegen. „Er ist seit zehn Jahren tot. Ist es nicht mehr gewohnt mit Lebenden zu reden.“ Sie legte ihrem Mann eine Hand auf die Schulter. „Im Übrigen weißt du gar nicht, ob er wirklich den Krieg bringen will.“ Luk seufzte. Er blickte Kiddi verzweifelt an. „Ich habe die Worte der Schwarzmagierin nicht vergessen, mein Herz. >Der gefallene Krieger bringt den Tod.< Ich bin mir sicher, dass sie Kai gemeint hat.“ „Luk, der Tod bringt auch neues Leben, vergiss das nicht. Hüte dich vor voreiligen Schlüssen.“ Ihre Hand grub sich schmerzhaft in seine Schulter. „Aber ich warne dich, mein Lieber, du bleibst schön hier. Du bist nicht in der Lage zu kämpfen.“ „Ist ja gut, ich habe es vernommen.“ knurrte er. „Jetzt lass mich los. Ich muss die Krieger zusammenstellen.“ „Ich behalte dich im Auge, mein Freund.“ Drohend hob sie ihren Stab. „Pass mir bloß auf.“ „Natürlich tue ich das, Schatz.“ Er stand auf und ging zur Tür. „Ich würde mir doch nie erlauben, gegen deine Anweisungen zu verstoßen.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“ Luk ging hinaus. Ungeduldig wartend stand der tote König im Burghof, als Luk endlich aus der Burg kam. Hinter ihm stand regungslos ein schwarzer Nachtmahr. „Na endlich.“ knurrte Kai. „Ich dachte schon, ich müsste erst nochmals sterben, bevor du rauskommst.“ „Also dein Humor hat unter deinem Ableben jedenfalls nicht gelitten, du Scherzkeks.“ erwiderte Luk. „Gibt es überhaupt irgendwas, worüber du keine Scherze machst?“ „Allerdings.“ setzte Kai dagegen. „Über meine Beisetzung.“ Luk sah ihn erstaunt an. „Ich dachte, dass ist unter Geistern der größte Witz überhaupt.“ „Dem ist auch so.“ „Und warum scherzt du dann nicht darüber?“ „Ganz einfach.“ Kai grinste. „Man kann sagen, dass ich buchstäblich zu spät zu meinem eigenen Begräbnis gekommen bin.“ Luk sah ihn eine Weile lang fassungslos an. Dann brach er in Gelächter aus. „Ist das dein Ernst? Wie hast du denn das geschafft?“ „Hab mich auf dem Weg dahin verlaufen.“ Kai kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Der Weg von meinem Schlafzimmer zur Gruft ist leider sehr verzweigt und da bin ich wohl falsch abgebogen.“ Kai grinste wieder. „Aber sag mal, wo hast du die Männer gelassen?“ „Sie werden gleich kommen, alter Freund.“ erwiderte der Drachenkönig. Er zog sein Schwert hervor und starrte gedankenverloren auf die Klinge, die einst seiner Schwester gehörte. „Denkst du immer noch an sie?“ Kai sah Luk besorgt an. „Lass die Toten ruhen.“ „Das musst du gerade sagen, Kerl.“ Luk warf dem Geist einen erheiterten Blick zu. Danach schaute er wieder finster auf das Schwert. „Ich habe gehört, Sturm verachtet seine Mutter.“ „Wer will es dem Jungen verdenken?“ Kai breitete die Arme aus. „Sie hat ihn nach seiner Geburt weggegeben, dafür gesorgt, dass er weiß, wer seine Eltern sind und sich danach nicht mehr um ihn gekümmert.“ „Und was ist mit dir? Du hast dich zu Lebzeiten auch nicht um den Jungen gekümmert. Wieso verachtet er dich nicht?“ „Was ich im Leben nicht getan hab, kann ich im Tode zwar nicht mehr ändern, aber ich hole es nach.“ Kai ließ sich auf die Staubige Erde fallen. „Mag sein, dass mich Sturm deshalb nicht so sehr hasst.“ „Eine Frage habe ich noch, Kai.“ „Sprich. Ich höre dir zu.“ „Was ist eigentlich aus Schadow geworden und warum hast du Sturm und nicht Frederick Jero, Fremder und den Drachenstein gegeben.“ „Das sind aber schon zwei Fragen, mein Freund.“ Kai lachte hallend. „Na egal, ich werde sie dir beantworten. Was Schadow angeht. Der alte Wolf hat sich in die Wälder zurückgezogen, wie es alle Nachtwölfe tun, wenn ihr Herr gestorben ist. Er wird noch eine ganze Weile um mich trauern. Na ja er ist ein unsterbliches Wesen und ich war sein erster Herr. Die Sache mit Sturms Erbe ist schnell erklärt. Fremder lässt ihn auf seinem Rücken zu, was ja seltsam ist bei dem Teufel. Jero habe ich dem Jungen gegeben, weil Rick bereits ein Schwert hat und – obwohl ich nicht gutheiße, was sie getan haben – haben die Wüstenkrieger ihm einiges beigebracht unter anderem auch, dass man eine Waffe nicht als toten Gegenstand, sondern als Verlängerung des Armes betrachten muss. Er kennt diese Waffe in und auswendig. Hätte ich ihm Jero gegeben, wäre das Schwert, das einst meinem Vater gehörte, für ihn wie ein Fremdkörper gewesen. Also behält er sein Schwert Thermar. Und der Drachenstein… na den hab ich ihm gegeben, weil er Palant beherrschen kann, eine Sache, die ich Rick nicht zutraue.“ „Ich habe auch gehört, dass dein Sohn den Anführer der Wüstenreiter in die Königliche Garde aufgenommen hat.“ Der Drachenkönig steckte das Schwert wieder weg. Kai schnaubte. „Noch so eine Entscheidung von Rick, die ich beim besten Willen nicht gutheißen kann. Mir soll’s recht sein. Er ist mit diesem Selev befreundet und außerdem geht mich die Politik nichts mehr an. Die Menschen lassen sich wohl kaum von einem laufenden Leichnam regieren.“ Der Tote streckte sich. „Aber nun genug von mir. Wie geht es deinen Kindern so?“ „Was Tinka angeht. Nun ich glaube, dass sie sich verliebt hat.“ „Verliebt? In wen?“ „Na nun denk doch mal nach, du wandelndes Madenbankett.“ Kai dachte kurz nach. Plötzlich riss er die Augen auf. „Nicht dein Ernst, oder?“ „Doch. Sie hat sich in deinen Jungen verguckt.“ Luk seufzte. „ich fürchte nur, dass sie sich zu große Hoffnungen macht.“ Er senkte den Blick. „Was Gerik angeht… ich weiß nicht, was ich mit dem Kind falsch gemacht habe. Er ist ein Dickkopf. Rennt immer gegen Mauern an.“ „Lass ihn doch mit mir reiten.“ Kai grinste. „Soll er doch sehen, was er da von dir verlangt.“ „Ist jetzt auch das letzte Bisschen Hirn in deinem toten Schädel verfault?“ fuhr Luk auf. „Hast du eine Ahnung, was Kiddi mit mir macht, wenn dem Jungen etwas zustößt?“ „Sie hängt dich wahrscheinlich an den Palisaden auf.“ Kai stand auf, ging zu dem Nachtmahr und strich dem mythischen Tier über das Maul. „Keine Panik, mein Freund. Ich werde schon auf deinen Sohn aufpassen.“ „Da kann ich ja gleich einen Wolf einsetzen um Schafe zu hüten.“ „So schlimm bin ich doch auch nicht.“ Der Tote sah sein Gegenüber beleidigt an. „Ich kann auf deinen Sohn schon aufpassen.“ „Ich entscheide selbst, wer meinen Sohn schützt, Kai. Im Übrigen bist du mir seit deinem Tod etwas zu sorglos geworden. Du kannst vielleicht nicht mehr sterben, aber Gerik kann immer noch umkommen. Er ist noch kein Geist, wie du oder Lord Vortem.“ „Wage es nicht noch einmal, meinen Namen im selben Atemzug wie den dieses verfluchten Ritters zu nennen!“ fuhr Kai auf. In seiner Wut begannen seine Augen eisblau zu leuchten. „Ich bin aus freien Stücken zurückgekommen Er hingegen ist gezwungener Maßen noch auf dieser Welt.“ „Warum bist du denn so empfindlich?“ Luk wich erschrocken einen Schritt zurück und starrte Kai verängstigt an. „Du weißt, wie ich das gemeint habe. Ich wollte dich nicht mit dem verfluchten Ritter vergleichen.“ „Das will ich dir auch geraten haben, mein Freund.“ Kai Augen hörten auf zu leuchten. „Tut mir leid, wenn ich dich erschreckte. Nur, ich bin dieser Vergleiche mit Vortem langsam überdrüssig.“ „Das kann ich verstehen.“ Luk seufzte. „Die Männer werden gleich kommen. Du solltest dich bereitmachen.“ Er drehte sich um und wollte gehen. „Ach und Kai. Pass gut auf Gerik auf.“ „Wie auf meinen eigenen Sohn.“ Kai stieg auf den Rücken des Nachtmahrs. Genau das befürchte ich. dachte Luk und ging wieder in die Burg zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)