Schatten von Mestala von Silmarille (Die Geschichte Draconias geht weiter) ================================================================================ Kapitel 6: Kurzes Leben - langer Kampf -------------------------------------- Die Walölkerzen in den Wandhalterungen tauchten den Raum in ein schummeriges Licht und warfen tanzende Schatten auf die kahlen Wände des nach Schweiß, Blut und Tod riechenden Raumes. Die Männer – teils zum Tode verurteilt – redeten wie beste Freunde mit einander, wohlweißlich, dass sie, sobald sie das mit Sand bestreute Rund hinter der schwarzen Eichentüte und dem Fallgitter betraten, zu erbitterten Feinden würden werden müssen. In regelmäßigen Abständen wurde die Tür aufgeschlagen und zwei Sklaven eilten hinaus um einen Leichnam herein zu schleifen, dem meist ein verwundeter, aber noch aufrecht laufender Kämpfer folgte, was aber keiner der Anwesenden wirklich schauerlich oder gar beängstigend fand. Nur ab und an drang ein bedauerlicher Blick zu der armen Seele, die den Todeskampf da draußen verloren hatte und man hörte leises Gemurmel. In der hintersten Ecke dieses Raumes saß eine Gestalt mit langen, schwarzen Haaren, bleicher Haut, bernsteinfarbenen Augen, schwarzen Stiefeln, Lederhosen und einem gleichfarbigen, ärmellosen Wams. Die Hände dieser Person, die sich bei näherem Hinsehen als ein junger Mann von neunzehn Jahren herausstellte, waren in stahlbeschlagenen Handschuhen ohne Finger verborgen und um seine Hüfte war ein Waffengurt geschlungen in dessen zwei Scheiden je ein kurzes Gladius steckte. Dieser Junge hörte auf den Namen Varusk, mehr war nicht über ihn bekannt. Er war eines Tages mit einem Mann namens Vanni aufgetaucht, welcher heute den Platz des ersten Gladiators besetzte und Varusk unterrichtete. Keiner der beiden Männer, weder der goldhäutige, rot-gelbäugige, kleine Vanni, der immer nur eine weiße weste und gleichfarbige Lederhosen trug und in dessen Schwertscheide eine seltsame, gewundene, schwarze Klinge steckte, noch der verschwiegene Varusk waren dafür bekannt gerne die Gesellschaft anderer zu suchen. „Willst du das wirklich durchziehen?“ drang die helle, melodische Stimme seines Lehrmeisters an das Ohr des jungen Gladiators „Dein Gegner ist stark und du bist noch jung... Lass lieber jemand gegen ihn antreten, der wirklich gegen ihn ankommen kann.“ „Du hast doch selber gesagt, ich sei bereit.“ hielt Varusk dagegen. „Er ist nur der vierte Gladiator... es ist ja nicht so, dass ich gegen dich oder Teron antrete.“ Varusk hob den Kopf und seine Bernsteinaugen blickten zur Türe hinter der nun der alte Teron gegen einen Jungspund focht, der wohl den nächsten Morgen nicht mehr erleben würde. Varusk mochte nicht viele aber den bärbeißigen Gladiator mit den freundlichen blauen Augen, den kurzen blonden Haaren und dem rundlichen, jungenhaften Gesicht, dessen Körper drahtig und muskulös war und der die Größe eines aufgerichteten Braunbären besaß, hatte der Junge ins Herz geschlossen. Leider würde er heute wenig Zeit haben mit seinem Freund zu sprechen, denn direkt nach Terons Kampf kam der seine gegen den vierten Gladiator namens Kirasch und Varusk wusste, dass die Wetten gegen ihn standen. Dennoch... er würde siegen und überleben und das Blut seines Gegners würde den Sand der Arena färben. Das Gegröle der Zuschauer war leise durch die dicken Arenamauern zu hören und Varusk glaubte Terons Namen zu hören, was ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht malte. Vanni war wieder gegangen. Er würde heute nicht kämpfen, sondern oben neben dem Grafen auf der Tribüne stehen und den Gladiatoren einfach zusehen. Dann kam Teron wieder. An seinem Bein klaffte ein langer, blutiger Schnitt und auch sein Hals sah nicht sehr gut aus, aber als Varusk seinen Gegner sah, schüttelte er erschaudernd den Kopf. Der Junge war fast enthauptet und entsetzlich verstümmelt, dass es Varusk fast den Magen umdrehte. Der junge Gladiator erhob sich und zog seinen Gürtel zurecht, ehe er auf Teron zusteuerte und ihn grüßte. „Muss ein großartiger Kampf gewesen sein, so wie die Leute gejubelt haben.“ meinte er leise und mit einem leichten Lächeln auf den jugendlichen Lippen. „Na ja...“ Teron zuckte mit den Schultern und rieb sich kurz über den blutigen Hals. „Der Bursche hatte es faustdick hinter den Lauschern. Hat die Frechheit besessen mich hinterrücks zu attackieren.“ Er musterte den Jüngeren vor sich kurz und legte ihm dann eine Hand auf die Schulter. „Gleich bist du dran, Goldauge. Hoffe mal, dass du den Todeskreis nicht mit den Füßen voran verlässt.“ „Eher läuft Vanni fröhliche Liedchen pfeifend durch ein Freudenhaus.“ erwiderte Varusk grinsend und lockerte seine Waffen in den Scheiden, damit sie schnell und einfach zu ziehen waren. „Jetzt wo du’s ansprichst: Was hält Vanni eigentlich von deinem Vorhaben? Ich meine Kirasch ist kein leichter Gegner und erfahren noch dazu. Er könnte dich binnen Sekunden ins Grab bringen.“ „Er heißt es nicht gut, versucht aber auch nicht mich abzubringen... Er kennt doch meine Sturheit“ Varusk trat an dem Älteren vorbei und spürte plötzlich, wie Teron ihn zurückhielt. „Kirasch kneift die Augen zusammen, kurz bevor er angreift, achte darauf.“ Damit ließ der Gladiator den Jungen los, klopfte ihm noch einmal aufmunternd auf die Schulter und ging, um seine Wunden versorgen zu lassen. Varusk sah ihm kurz nach. Er würde sich den Rat seines Freundes zu Herzen nehmen, ganz sicher, aber nun musste er hinaus. Die Menge wurde schon ungeduldig und begann zutoben, wollte den nächsten Kampf sehen. Kirasch war schon draußen, auch dies konnte Varusk hören, während er so im Schatten des Tores stand und auf das Rund sah. Langsam und gemessenen Schrittes ging er dann los. Nun würde es so weit sein... Nun würde sich entscheiden ob sein Training bei Vanni geholfen und ihn genug vorbereitet hatte oder nicht. Der Jubel der Menge überflutete ihn und der junge Gladiator überflog kurz die ersten Reihen, wobei er grüßte. Sein Blick blieb an einer Gestalt in der ersten Reihe hängen. Sie war groß, aber mager. Ihr Körper war von einem dunklen Mantel verdeckt, ebenso das Gesicht. Kurz glaubte er Bersteinaugen aufblitzen zu sehen, aber der Augenblick verging zu schnell, als das Varusk ihn für voll hätte nehmen können. Also überflog er die Reihen weiter, ehe er ein weiteres Mal inne hielt. Diesmal geschah dies allerdings aus voller Absicht, denn nun sah er zur Loge des Herrschers, wo der Graf in seinem hohen, breiten Thron saß und wartete, dass es endlich begann. Weiter hinter ihm jedoch, blitzten gelb-rote Augen auf und die Sorge in diesen war nicht zu übersehen. Vanni hatte Angst... Angst um Varusk und das wusste der Junge nur zu gut. Varusk grüßte auch hier mit einer Verbeugung, ehe er sich zu Kirasch umwandte und seine Waffen zog. Die sonne brach sich auf dem blitzenden Metall der kurzen Schwerter und verlieh der Szenerie etwas geheimnisvolles und surreales. Sein Gegner machte sich ebenfalls bereit. Kirasch war wesentlich größer als Varusk, aber das Alter war ihm anzusehen und ließ seine Bewegungen fahrig und lahm wirken. Beide warteten. Warteten auf das Signal zum Angriff. Die Luft zwischen ihnen war zum zerreißen gespannt. Feindseeligkeit durchflutete die Arena und beide begannen sich zu umkreisen, wie Wölfe auf der Jagd. Dann erklang das Signal. Doch noch immer wagte keiner einen Ausfall. Quälende Minuten zogen sich dahin und nichts geschah. Sie umkreisten sich weiter. Doch dann – ganz plötzlich – spannte sich Varusk. Kirasch hatte die Augen zusammengekniffen. Eine Sekunde nur, aber lange genug, dass er sich an die Warnung seines Freundes hatte er innern können und auf die Attacke vorbereitet war, wie er glaubte. Er irrte sich. Das Schwert seines Gegners verletzte ihn schon beim ersten Hieb schwer und durchtrennte eine seiner Rippen, wobei es gleichzeitig in seine Lunge drang. Varusk keuchte und trat taumelnd zurück. Er spuckte Blut. Schon nach dem ersten Angriff spuckte er Blut. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Mit einer Schnelligkeit, die selbst ihn überraschte, sprang er vor und schlug ein Gladius in das Bein und eines in den Bauch seines Gegners. Er wusste, dass er gut getroffen hatte, aber das nützte wenig, wenn der Feind er fahren und nahezu schmerzfrei war. Wieder hatte Varusk einen Fehler begangen und wieder büßte er diesen mit einem schweren Schlag gegen den Rücken ein. Er spürte heißes Blut über sein Rückrad laufen und er brach einen Schwall des roten Lebenssaftes. Sein Blick begann zu verschwimmen. Doch auch sein Gegner war schwer angeschlagen und taumelte von Varusk weg. Der Junge richtete sich ächzend wieder auf und blinzelte mehrmals den blutigen Schleier vor seinen Augen weg. Es gelang ihm nicht. Dann musste es so gehen. Er packte seine Waffen besser und griff an. Seine Augen begannen zu glühen, als er seinen Gegner mit einer heftigen Serie schwerster Schläge und Stiche traktierte, die dieser nur schwer abwehren konnte. Leider ging es Varusk da aber ähnlich. Er steckte noch mehrere harsche Schläge ein und war nach einiger Zeit mehr tot als lebendig, eher eine Puppe, die nur noch kämpfte, um des Kämpfens willen, nicht mehr um zu leben. Nach einiger Zeit – Varusk wusste lang nicht mehr, wie viel Zeit verstrichen war – rollte ein Kopf über den Boden. Nicht der des Jungen, sondern der seines Gegners. Varusk selbst drehte sich langsam unter dem Jubel der Menge um. Er wollte seine Schwerter in die Scheiden steckten, doch verfehlte er sie. Taumelnd und unsicher ging er einige Schritte auf den Ausgang zu und brach zusammen. Halb bewusstlos drehte er sich auf den Rücken um nicht an Blut und Sand zu ersticken. Er spürte noch wie ihn kräftige Hände hochhoben, dann versank er in Schwärze. Gedämpfte Stimmen drangen an sein Ohr, als Varusk wieder wach wurde. Doch noch schlug er die Augen nicht auf, denn in seinem Kopf drehte sich alles und er wollte genauer hören, was dort gesprochen wurde. Er vernahm besorgte Unterhaltungen und Gebete. Gebete? Und dann auch noch solche, die vor allem an den Gott des Todes gerichtet waren? Stand es denn so schlecht um ihn? Er versuchte sich zu regen, aber er war zu schwach, noch dazu war er an Armen und Beinen mit Lederriemen festgebunden, wohl damit er sich nicht zu viel bewegte und sich schonen musste. Also musste er einen anderen Weg finden. Er öffnete die Augen, aber er sah nichts, obschon der Raum hell erleuchtet sein musste, denn er spürte die Wärme von Kerzenflammen ganz in seiner Nähe und er hörte das Knistern eines Kaminfeuers. Er wollte etwas sagen, aber über seine Lippen kam nur ein leises Stöhnen, welches ihn selbst erschrecken ließ, denn selbst dieser geringe Laut wies auf eine entsetzliche Schwäche hin, die seinen ganzen Körper lähmte und jegliche Bewegung zur Qual werden ließ. Plötzlich spürte er, wie sich Blicke auf ihn richteten und ihn voller Unglauben anstarrten. Das Gemurmel und die Gebete waren verstummt. Nur eine Stimme konnte er noch hören. Eine ihm bekannte Stimme, die er nicht zuordnen konnte und die seinen Namen sagte, immer und immer wieder nur seinen Namen und eine Frage, die er erst später verstand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)