Schatten von Mestala von Silmarille (Die Geschichte Draconias geht weiter) ================================================================================ Kapitel 7: Engelsblut --------------------- Bernsteinfarbene Augen beobachteten missbilligend die Vorgänge im Himmelreich. Was bitte hatte der junge, braunhaarige und blauäugige Engel denn böses getan? Einen Dämon beschwört? Das war im Himmel also seit neuestem eine Sünde. Dieses Mädchen sollte also gegen die Regeln verstoßen haben und wurde nun von ihrem eigentlichen Lehrer, der sie doch leiten sollte zum, Portal geschoben und hinausgeworfen. Verbannt für den Rest ihres nahezu unsterblichen Lebens. Der Besitzer der Bersteinaugen konnte es nicht fassen. Hatten die Engel denn über die Jahrtausende alles vergessen? Ich hätte nie gehen dürfen. dachte er zum wiederholten Male. Doch es gab kein zurück. Der jungscheinende Mann mit den kurzen, braunen Haaren und eben diesen Bersteinaugen schüttelte den kopf. Er trug ein ärmelloses, blaues Lederwams, schwarze Hosen und hohe, dunkle Stiefel aus Kalbsleder. Manche Leute hätten ihn wohl als mager bezeichnet und vielleicht war dem auch so, doch er selbst hielt sich eher für schlank, zumal er schon zu lange lebte um sich noch sorgen über sein Aussehen zu machen. Unter ihm brandete das Meer gegen die östliche Steilküste von Lost Water und ließ die Gischt die gut 60 Meter bis zu ihm empor spritzen. Doch den letzten der Erzengel, der unter dem Namen Lenti hier lebte, doch eigentlich Avengil hieß, störte dies wenig. Er stand immer hier und sann nach oder beobachtete seine Heimat im Himmel oder die Geschehnisse der Erde und nun beobachtete er halt diesen jungen Engel, der eben verbannt worden wart. Es dauerte nicht lange und das Mädchen fand sich auf einem gewundenen Pfad mitten im Nirgendwo wieder. Sie wirkte auf ihren Beobachter verstört und wahrscheinlich war sie dies auch. Als dann ein Engel mit schwarzen flügeln, Harren und Sachen auftauchte wirkte sie gar verängstigt. Fast wie ein kleines Kind, das die Welt nicht mehr versteht. Sie floh. Floh vor dem schwarzen Engel, der wie ein Dämon aus den tiefsten Abgründen der Hölle auf sie wirken musste. Wie ein dräuendes Untier, das nur auf einen Fehler wartete, um dann geschwind und mit tödlicher Brutalität und Zielsicherheit zuzuschlagen und sie in die Hölle zu ziehen. Der schwarze Engel folgte ihr. Mit welchen absichten? Dies vermochte Lenti nur zu mutmaßen und er würde es nicht tun. Dazu kannte er die Gattung der Todesengel zu wenig. Vielmehr beschloss er, das Geschehen weiter im Auge zu behalten. Der Erzengel wollte einfach kein Risiko eingehen. Am Ende wäre es vielleicht ein Trick der Höllenfürstin, die sich hier einmischte, auch wenn er selbst nichts davon spürte. Lenti schüttelte den Kopf. Nein, dass es sich hier um einen Trick handelte konnte er sich nicht vorstellen, zumal auch ein schwarzgeflügelter Todesbote in diesem Falle noch immer ein Engel war, auch wenn man ihn wohl eher zu den Dämonen zählen würde, als wirklich noch zu den Bewohnern des Himmels. Nun, der Erzengel würde das ganze erst mal weiter beobachten und sehen wie es sich entwickeln würde, ehe er sich letztlich für eine Sache entscheiden würde. Ob es nun etwas ändern würde, wenn er die Zügel wieder in die Hände nahm oder nicht, würde sich zeigen. Früher oder später. Und so beobachtete der Erzengel die beiden anderen über die nächsten Tage und alles entwickelte sich anders, als er zuerst gedacht hätte. Das Engelsmädchen begann scheinbar dem Todesengel zu vertrauen, ja sie schenkte ihm sogar bald ihr Herze. Liebe zwischen Dämon und Engel – undenkbar aber nicht unmöglich, wie Lenti aus eigener Erfahrung wusste und auch wenn er nicht in die Zukunft sehen konnte, so wusste er doch eines: diese Verbindung würde nicht ohne Folgen bleiben. Würde der Hohe Rat davon erfahren, wären die beiden nirgendwo mehr wirklich sicher und das würde auch den Erzengel schmerzen, denn auch wenn er sich abgewandt hatte, so wollte er doch nur eines für seine „Kinder“ – er wollte, dass sie glücklich waren und er würde alles tun um dies zu bewerkstelligen. Zunächst aber musste er seine Tarnung aufrecht erhalten und das bedeutete auch die strahlenden Flügel weiter zu verbergen und seine Augenfarbe anderweitig zu erklären, denn welcher Mensch hatte schon Augen wie Bernstein? Keiner, das war hier wohl die richtige Antwort. Lenti wandte seine Schritte wieder in Richtung Klippe. Normalerweise hätte man für den Marsch von der Stadt zu der Stelle, wo die Steilküste lag, mehrere Tage gebraucht, doch nicht wenn man ein Erzengel war. Lenti war schon nach wenigen Stunden an seinem Lieblingsplatz. Weit draußen toste ein Sturm und trug kalte Windböen zu ihm heran. Ab und an löste eine dieser Böen eine Feder aus einem der verborgenen aber keinesfalls verschwundenen Flügel und trug sie landeinwärts davon. Ein strahlend weißer punkt der über die trockenen Ebenen huschte und sich mit weiteren Punkten vereinte, so würde man aus der Ferne gesehen die tanzenden Engelsfedern bezeichnen. Nur wenige wussten worum es sich wirklich handelte. Der Wind trug außer salziger, feuchter Luft noch mehr zu Lenti heran: das Geräusch berstender Planken und reißender Segel. Das Meer forderte neuerliche Opfer. Für menschliche Ohren nur ein Rauschen hörten Engel und Dämonen jede kleinste Einzelheit genauestens heraus. Das Schreien der Männer, die vergeblich versuchten ihr Leben zu retten. Das Toben der Seedrachen und auch der See an sich, die versuchten sich die Unglücklichen Segler anheim fallen zu lassen und denen es der Geräuschkulisse nach auch gelang. Dieses Ereignis ließ den Blick des Erzengels für kurze Zeit von den beiden Engeln weichen. Nun wollte er herausfinden, wer sich da doch tatsächlich bei diesem Wetter aufs Meer wagte und seinen Hals mit dieser törichten Aktion dermaßen offenherzig riskierte. Was er sah, ließ ihn erschauern. Die See war rot – tiefes tödliches Rot –, Körper trieben in den Fluten – menschliche, aber auch tierische Körper, einige noch am leben, andere bereits tot, zum Teil in abstruse, verdrehte Umarmungen verwickelt. Was war hier geschehen? Lenti sah einmal die Küste hinauf, dann wieder Hinunter, um sicher zu gehen, dass hier niemand war, der ihn beobachtet hätte, dann trat er so nahe an die Kante, dass man ihn für verrückt erklärt hätte, hätte man ihn so entdeckt, und ließ sich dann nach vorn fallen. Eine Weile ließ er sich im freien Fall den Wind durch die Haare wehen, dann entfaltete er die strahlenden Schwingen und nutzte die Luftströmungen über den Wellen aus um sich in Richtung des Geschehens zu bewegen. Schnell hatte er selbigen dann auch erreicht und erschauerte wieder. Er landete auf einem der Trümmerstücke eines alten, schwarzen Schoners und ließ den blick schweifen. Nein, das hier konnten nicht nur die Wesen des Meeres angerichtet haben, da steckte mehr dahinter. Ein Zauber? Aber wer war mächtig genug einen Sturm zu entfachen, der einen so solide gebauten Schoner einfach in zwei Teile spalten konnte und noch dazu die Wesen des Meeres einfach niederwarf, wo sie doch sonst so gut wie jede Naturgewalt unbeschadet überstanden? Lenti wusste darauf nur eine Antwort und das wollte er einfach nicht glauben. Oder gab es tatsächlich noch eine andere Möglichkeit? Wenn sich mehrere Dämonen vereinten? Ihre Kräfte bündelten? Wäre eine solch verheerende Zerstörung dann möglich? Lenti würde die Antwort wohl nie wirklich erfahren, denn schon schwappte ein Brecher heran und zwang den Engel zur Umkehr. Auch ob hier überhaupt etwas überlebt hatte – was der Erzengel bezweifelte –, würde er wohl nicht mehr herausfinden. Selbst die Bewegungen hinter einem Teil des Bugs entgingen ihm nun, dar er bereits wieder auf dem Rückflug war und über das Gesehene nachsann. Ich werde wohl doch wieder nach oben müssen... dachte er bei sich. Allerdings wollte ich das doch nie... aber hab ich eine Wahl? Nein, eher nicht... morgen werde ich hochgehen. Heut ist es schon zu spät... Ich bin müde. Ja, sein Entschluss stand nun fest. Das Himmelreich würde angesichts solcher Vorfälle nicht ohne seine Führung bleiben können. Jemand der eine solche Macht hatte, wie Lenti es draußen auf See gesehen hatte, wäre auch für die Heimat der Engel viel zu gefährlich um sie sich selbst zu überlassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)