In Profundos Sequor von Inkubus (Nur fallen musst du allein) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Zu Merryweathers Füßen blühte eine wunderschöne, rote Blume. Den Namen hatte sie zwar vergessen, aber Cain hatte sie ihr bei einem Spaziergang beiläufig gezeigt und erklärt, dass man sie zu einem Gift verarbeiten konnte, das einen schmerzhaften und langsamen Tod brachte. Unverarbeitet jedoch war sie völlig ungefährlich. Fröhlich pflückte sie ein paar davon und vereinte sie zu einem tödlich harmlosen Blumenstrauß. Sie wollte ihn später ihrem Bruder schenken, der immer behauptete solche mädchenhaften Albernheiten wären nichts für ihn und sich dennoch jedes Mal freute. Zwei Stockwerke über ihr lehnte sich Cains Stirn gegen kühles Fensterglas und er beobachtete, wie sie zurück zu Magenta lief, die im Schatten des Hauses ihre Flickarbeiten erledigte und das Mädchen dabei im Auge behielt. Merryweathers Hände waren voller Blumen, die sie vor sich hertrug wie eine Trophäe, und ihre blonden Locken wehten im Wind. Er musste an Riff denken, seine Hände, seine schönen weißen Finger. Seit drei Tagen, seit Lucinda fort war, konnte er sie nicht mehr ansehen oder auch nur an sie denken, ohne das schwarze Gift zu sehen, das Riff zerfraß, wo immer er ihn berührt hatte. Noch war Riff so makellos, doch Cain wusste, dass seine eigene schwarze Seele ihn mit sich hinab riss. Lucinda! Ja, sie war fort, Riff hatte sie beinahe umgebracht, für ihn wäre sie tot, hatte er gesagt. Aber was änderte das schon. Er, Cain, hatte nichts von ihr gewusst und nun konnte er ihre Existenz nicht mehr vergessen. Selbst nach fünf Jahren gab es so vieles, was er über Riff nicht wusste. Er sah hinunter zu Merryweather – ihre blonden Locken, das hellblaue Kleid, die kleinen weißen Hände, die den Strauß immer noch umklammerten wie einen Schatz. Sie genoss die kurze Freiheit, die mit Lucindas Abschied einhergegangen war in vollen Zügen. Er wollte sich nicht eingestehen wie viel Trost ihm dieser Anblick schenkte, denn zwischen ihm und Merry war alles wie immer und es gab keinerlei Zweifel: Sie war seine kleine Schwester, sie spielte im Garten, sie pflückte ihm einen albernen kleinen Blumenstrauß. Als Riff nur wenige Minuten später Cains Arbeitszimmer betrat, fand er ihn in einem merkwürdigen Zustand. Sein Herr saß ausgestreckt auf der Fensterbank des kleinen Erkers in seinem Arbeitszimmer, in seinem Schoß ein vergessenes Buch, auf seinem Gesicht ein abwesendes Lächeln. Er schien fast ein wenig traurig – wahrscheinlich war es aber nur das seltsame Licht, das sich nun in den frühen Abendstunden langsam rot zu färben begann, und allem eine merkwürdige Stimmung verlieh. „Master Cain?“ Es dauerte mehrere Sekunden, ehe der junge Mann sich zur Tür umdrehte und Riff fragend ansah. Riff hatte das Gefühl, sein Herr wäre in einer Trance versunken gewesen. „Geht es Ihnen gut, Sir?“ „Ich war nur in das Buch vertieft – Was hast du da?“ Mit einem leichten Kopfnicken deutete er auf den Umschlag in Riffs Händen. „Für Post ist es zu spät.“ „Es wurde eben von einem wenig Vertrauen erweckenden Gentleman für Sie abgegeben.“ „Umso besser. Solche Briefe sind für gewöhnlich ohnehin wesentlich interessanter als die Morgenpost.“ Da der massive Mahagonischreibtisch ohnehin direkt neben dem Fenster stand, machte sich der junge Count erst gar nicht die Mühe, seinen Platz auf der Fensterbank zu verlassen, sondern streckte lediglich die Hand nach dem Brieföffner aus. Er musterte das Kuvert kurz, bevor er es öffnete. Das Papier war zwar einigermaßen schwer, aber dafür voller Verunreinigungen und somit eher billig. Das Siegel war bloßes Kerzenwachs, festgedrückt mit einer Sixpence-Münze. Riff beobachtete wie sein Herr den Umschlag mit einer schnellen Bewegung öffnete und den Inhalt – zwei eng beschriebene Briefbögen – herauszog. Er begann die erste Seite zu überfliegen, konnte aber kaum über die ersten paar Zeilen hinausgekommen sein, als Riff bemerkte, wie sich Cains Gesichtsausdruck verdunkelte und sich das hastige Überfliegen in konzentriertes Lesen verwandelte. Doch je länger er las, desto schneller wurde er und als er schließlich den ersten Bogen zur Seite stieß und nach dem zweiten griff, tat er das so ungestüm und achtlos, dass das Papier von der Fensterbank rutschte und gemächlich völlig unbeachtet zu Boden segelte. Riff stand regungslos mehrere Schritte von seinem Herrn entfernt. Er wusste weder, worum es in dem Brief ging, noch, von wem er stammte. Briefe wie dieser hier waren bei weitem keine Seltenheit ebenso wenig wie sein Überbringer (auch wenn die Bezeichnung „wenig Vertrauen erweckender Gentleman“ immer noch sehr schmeichelhaft war). Er war daran gewöhnt. Was sollte man von Informanten aus der Unterwelt auch anderes erwarten? Ein Hobby wie das Sammeln Tod bringender Gifte führte einen nicht unbedingt in die höchsten Kreise – zumindest nicht durch die Vordertür… Aber das hier war anders. Dieser Brief hatte Cain vollkommen aus der Fassung gebracht und ihn mit einer Betroffenheit erfüllt, die seine Leidenschaft für Gifte bei weitem übertraf. Auf dem zweiten Briefbogen standen nur wenige Zeilen, kaum genug, um nicht lächerlich zu wirken und dennoch starrte Cain immer noch auf die wenigen Worte. Seine Hände zitterten. Ja, das hier war völlig anders. Riff wusste zwar, dass es besser war, Cain in solchen Situationen nicht anzusprechen, ihm höchstens stumm Trost zu spenden, aber er konnte nicht anders. „Master Cain… Was“— Aus seinen Gedanken gescheucht riss Cain seinen Blick ruckartig nach oben. „Das…das Kind des Butlers!“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten, zerknüllten den zweiten Briefbogen, ließen ihn neben den ersten zu Boden fallen. „Wie…wie kann das sein? Wie kann das sein!? Das ist lächerlich, vollkommen lächerlich!“ „Master Cain?“ Aber er war schon an ihm vorbei aus dem Zimmer gestürmt. „Geh schlafen, Riff. Ich brauche dich heute nicht mehr.“ Der frühe Abend war schon seit Stunden zur Nacht geworden. Vermutlich war niemand mehr wach als ein, zwei Hausmädchen, die die Zeit vergessen hatten und nun hastig den letzen Teil ihrer Arbeit erledigten. Das hieß, ein, zwei Hausmädchen und der Butler. Mittlerweile war es nach Mitternacht – Stunden waren vergangen, seit Cain ihn „ins Bett“ geschickt hatte. Er hatte ihm natürlich nicht gehorcht, zumindest nicht wörtlich. Er kannte Cain gut genug, um zu wissen, dass das lediglich seine Version von „Gib mir Zeit zum Nachdenken“ war. Er wusste nicht, wo Cain sich jetzt befand. Vermutlich in einem seiner Zimmer in den oberen Stockwerken. Daher hatte Riff es in den letzten Stunden beharrlich vermieden, diesem zu nahe zu kommen und sich stattdessen damit abgelenkt hatte, die Arbeit der anderen Diener im Erdgeschoß und im Keller zu überwachen. Er wusste allerdings, dass Cain immer noch im Haus war. Riff hatte regelmäßig die Anzahl seiner Stiefel kontrolliert, denn der Gedanke, dass er in seinem Zustand mitten in der Nacht durch London rennen könnte, wollte Riff gar nicht gefallen. Doch irgendwann waren ihm die zu überwachenden Diener aus-, soll heißen, zu Bett gegangen und er beschloss, es ihnen doch noch gleich zu tun. Es war sinnlos sich den Kopf darüber zu zerbrechen, Cain würde es ihm zwangsläufig früher oder später erzählen. Dass es um ein ernstes Problem ging, war offensichtlich und alle ernsten Probleme seines Herrn hatten die Eigenart von so prekärer Natur zu sein, dass er sich niemandem anvertrauen konnte – niemandem außer ihm. Und so war er hier gelandet: Weit nach Mitternacht, schlaflos in seinem Bett und besorgt. Er wusste nicht, ob es Cain zwei Stockwerke höher ebenso erging. Riff mochte der Einzige sein, dem er sich anvertraute, aber auch nur dann, wenn er reden wollte. Andernfalls war er – bei allem Respekt – stur wie ein Esel. Er war kaum überrascht, als sich schließlich leise die Tür öffnete und Cain vor ihm stand. Er sah zerzaust aus und seltsam abwesend. „Ist es nicht eine amüsante Sache, das Blut?“ Er trug nur noch sein Hemd; Weste und Jackett waren ihm wohl im Laufe der letzten paar Stunden abhanden gekommen. Die obersten Knöpfe seines Hemdes waren offen und die Krawatte hing so lose um seinen Hals, dass Riff sich darüber wunderte, dass er sie unterwegs nicht verloren hatte. „Und erst seine Bande, die deine Seele in eiserne Ketten legen und sich wie Dornenranken immer tiefer in dein Fleisch bohren: ‚Diesen musst du lieben, denn er ist von deinem Blute.’ Aber ja nicht zu viel…ja nicht zu viel!“ Riff hatte sich in der Zwischenzeit aus dem Bett erhoben. Die steinernen Fliesen fühlten sich kalt an unter seinen bloßen Füßen, aber das war nicht der Grund für sein Schaudern. Es war dieser seltsame, seltsame Unterton in der Stimme seines Herrn. „Und ist es nicht amüsant wie es mich immer wieder betrügt? Sie ist die Tochter des Butlers, Riff. Merryweather. Vater hatte das Hausmädchen nie angerührt…“ Einen Moment lang sah er Riff während dieser Worte tatsächlich in die Augen, doch einen Lidschlag später schien sein Blick schon wieder durch ihn hindurch ins Nichts zu starren. Riff war sich nicht einmal sicher, ob er es sich nicht nur eingebildet hatte. „Aber“— „Diener tratschen nun mal. Und da man ihnen wohl kaum sagen kann, dass der Hausherr sich von den Klippen stürzte, weil ihm sein zwölfjähriger Sohn Arsen in die Pfeife gegeben hat, braucht man eine adäquate Erklärung. Wie praktisch, wenn kurz zuvor ein Dienstmädchen davongelaufen ist. Und wenn sie dann auch noch hübsch ist und vielleicht ein wenig schwanger, dann kräht kein Hahn mehr danach, ob ihr Liebster der Butler war.“ Riff öffnete den Mund, doch eigentlich wusste er nicht, was er darauf erwidern sollte, was er darauf erwidern konnte und so war er erleichtert, als Cain ihm bereits ins Wort fiel, bevor er überhaupt erst eins ausgesprochen hatte. „Ich liebe sie. Die letzten Stunden habe ich neben ihrem Bett gesessen. Im Schlaf sieht sie aus wie das Ideal, das ein hoffnungsloser Romantiker von einem Engel haben mag. Ich bin keiner, ich kann es nicht sagen. Ich liebe sie. Ich habe ihr Gesicht betrachtet, jede einzelne Linie ihrer sanften, kindlichen Züge. Ich liebe sie. Ich will sie beschützen.“ Cain schien während seiner Erklärung nicht wirklich zu wissen, was er mit seinen Händen tun sollte. Er strich sich mehrmals ein paar Strähnen aus den Gesicht und wirkte auf Riff überhaupt verloren, ein Eindruck, der sich während seiner nächsten Worte nur noch verstärkte. „Ich…ich erinnere mich daran, als ich sie zum ersten Mal in meinen Armen hielt.“ Ein kurzes Zögern. „Es war kurz nachdem dieser Kerl, dieser Verlobte ihrer Mutter, versucht hatte, sie zu töten und sie zum ersten Mal bereit schien, mir zu vertrauen. Einen Moment lang hatte ich Angst – Angst, dass sich alles wiederholen würde.“ Der Junge biss sich kurz auf die Unterlippe, für einen Moment unsicher, ob er es tatsächlich aussprechen sollte. „Ich spürte ihren zarten Körper, ihre schlanken Arme, die sich um meinen Hals schlangen und die erste Andeutung ihrer Brust dicht gegen meinen Leib gepresst. Aber ich fühlte nichts. Ich versuchte nicht, mir etwas vorzumachen. Ich konzentrierte mich bewusst auf das Gefühl ihres Körpers an meinem und ich hätte vor Freude beinahe geweint, denn in mir regte sich nichts – rückblickend kommen mir meine Gedanken beinahe schon widerlich vor, aber ich hatte solche Angst. Ich wusste, wenn sich in mir auch nur das geringste Gefühl in jener Richtung gerührt hätte, hätte ich sie in Panik von mir gestoßen. Nein, in jenem ersten Moment wusste ich, dass ich sie als meine Schwester lieben konnte, dass ich sie lieben konnte, wie es sich gebührt.“ Cains Gesicht verzog sich und zwischen seinen Augenbrauen formten sich leichte Falten. Seine Mundwinkel zuckten. Riff konnte nicht sagen, ob es Spott oder Wut war. „Und jetzt...kann ich es förmlich spüren, wie Gott…oder wer auch immer für diese Farce verantwortlich ist, mich auslacht. Dass ich tatsächlich noch glauben konnte, ich könnte normal sein, mein eigenes Blut lieben, ohne es zu begehren.“ Sein Blick war voller offenkundiger Verachtung und das letzte Wort schien er eher auszuspeien als auszusprechen. Die richtigen Worte zu finden, war nicht unbedingt eine Begabung, die Riff zu den seinen zählte und er wusste nicht, was Cain jetzt von ihm erwartete. Vermutlich wusste er es selbst nicht wirklich. Allerdings hielt er es nicht für die angemessene Zeit, um sich in philosophischen Spekulationen über die Bedeutung von Blutsverwandtschaft und die Ironie des Schicksals zu ergehen, ganz besonders nicht, wenn er sich den Zustand seines Herrn ansah. Die letzten Stunden habe ich neben ihrem Bett gesessen. Das klang seiner Meinung nach ohnehin so, als hätte Cain von diversen philosophischen Spekulationen nun genug gehabt. Er musste es praktisch angehen. „Master Cain, Sie…sehen furchtbar aus, Sie sol“— Der Rest seines Satzes erstarb auf seinen Lippen, denn der Gesichtsausdruck, mit dem ihn Cain nun musterte, sagte sehr deutlich, dass dieser sich nur mit Mühe ein hysterisches Auflachen verkneifen konnte. So viel zu den richtigen Worten, dachte Riff sarkastisch. Aber ich sollte meinem eigenen Rat folgen und praktisch denken – immerhin hat er aufgehört, mit diesem fast schon wahnsinnigen Gesichtsausdruck ins Leere zu starren. „Ich wollte damit eigentlich sagen, dass Sie furchtbar erschöpft und mitgenommen aussehen.“ Am liebsten wäre es ihm gewesen, hätte er Cain einfach ins Bett stecken und diese ganze verwirrende Angelegenheit auf den nächsten Morgen verschieben können, aber er wusste genau, dass Cain in dieser Nacht kein Auge mehr zu tun würde…und folglich würde es ihm ebenso ergehen. „Sie sollten sich wirklich hinsetzen, Master Cain.“ Zu Riffs Überraschung gehorchte Cain beinahe augenblicklich. Wenn auch nicht ganz so, wie er es erwartet hatte, denn anstelle mit dem einzigen (und zugegebenermaßen nicht besonders bequem aussehenden) Stuhl an Riffs winzigem Schreibtisch vorlieb zu nehmen, ließ Cain sich einfach auf das Bett seines Butlers sinken, neben dem er während der Unterhaltung gestanden hatte. Erst dieser Anblick rief in Riff den Gedanken wach, wie absolut ungewöhnlich es war, dass Cain sich in seinem Zimmer befand. Mehr noch, er konnte sich nicht daran erinnern, dass Cain jemals in seinem Zimmer gewesen war, wenn Riff nicht gerade irgendeine Verletzung oder Krankheit ans Bett fesselte. Nun, das lag vermutlich daran, dass Riff Cain morgens weckte, ihn abends ins Bett steckte und sich in der Zwischenzeit selbst kaum einmal in seinem Zimmer aufhielt. Ja, das konnte es sein… „Master Cain, ist Ihnen überhaupt bewusst, was Sie da sagen? Dass Sie es bedauern, ein zehnjähriges Mädchen nicht zu begehren, nur weil Sie herausgefunden haben, dass sie doch nicht ihre Schwester ist?! Auch ich liebe Miss Merryweather und will sie beschützen. Blut oder Begehren spielt dabei keine Rolle.“ „Ich weiß, dass ich krank bin! Ich bin verflucht! Nicht erst seit dem Tag meiner Geburt, sondern seit der Moment meiner Zeugung, als mein Vater einen Dämon in den Schoß seiner Schwester stieß! Ich bin ein widerliches Monster! Geh, Riff! Verschwinde! Ich will dich nicht mehr sehen!“ War Cains Stimme schon zu Anfang lauter gewesen, als Riff es in seinem Zustand erwartet hätte, so war das nichts gewesen im Vergleich zu jetzt. „Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie das nicht ernst meinen.“ Und dass ich selbst dann nicht gehen würde. „Ja, du hast Recht.“ Cain senkte den Kopf und blickte zur Seite, doch gleichzeitig streckte er beide Arme nach Riff aus, wie um seine abweisende Geste Lügen zu strafen. „Dazu bin ich viel zu selbstsüchtig…“ Riff blickte auf das immer noch abgewandte Haupt und die dennoch ausgestreckten Arme seines Herrn hinab und ließ sich mit einem flüchtigen, traurigen Lächeln vor ihm auf die Knie sinken, sodass seine eigene Augenhöhe nun leicht unter der Cains lag. Die Arme schlangen sich augenblicklich um seinen Nacken – Hilfe suchend wie die eines verlorenen Kindes. Cains Hände zwangen seinen Kopf näher, sodass ihre Stirnen sich berührten. Seine Stirn fühlte sich unangenehm heiß an und aus seinen Augen, die nun unverwandt auf Riffs gerichtet waren, leuchtete unverhohlen das Fieber. „Manchmal wünschte ich, ich könnte es…manchmal wünschte ich, ich könnte dich einfach freilassen, dich notfalls mit Gewalt von mir stoßen, davonjagen – damit du meinem Fluch noch einmal entkommen kannst…“ Aber ich bin schwach. Schwur um Schwur versuche ich, dich immer fester an mich zu binden, obwohl ich weiß, dass ich dich mit mir in den Abgrund reißen werde – gerade weil ich es weiß. Und dennoch genügt es mir nicht... „Ich würde das nicht wollen.“ Riff hob die Hand und strich über Cains Ohrring. „Ich habe Ihnen geschworen, Ihnen mein Leben lang zu dienen und mit Ihrem Blut auf meinen Lippen haben Sie es besiegelt.“ Trotz der Jahre, die seitdem vergangen waren, konnte sich Cain natürlich noch genauso gut daran erinnern wie Riff und dennoch fühlte er sich rückblickend, als würde ihn die Ironie der ganzen Sache förmlich ersticken. Dass er es ihn auf Blut hatte schwören lassen, noch dazu auf sein eigenes verfluchtes Blut… „Ich habe Ihnen geschworen, Sie bis in die Hölle zu begleiten.“ „Was für eine Art Schwur soll das sein?“ Er wusste, dass Riff es ernst meinte. Wusste so gut, dass Riff ihn niemals im Stich gelassen hatte, es niemals tun würde. Wieso konnte er es nicht darauf beruhen lassen? „Wie kannst du schwören etwas zu tun, auf das du keinen Einfluss hast? Ich habe nachgedacht. Du bist ein so guter Mensch.“ Die Bitterkeit in seiner Stimme ließ es mehr wie eine Beleidigung klingen. Er ließ seine Arme schlaff vom Nacken seines Dieners fallen und setzte sich aus seiner leicht nach vorne gebeugten Position wieder aufrecht hin. „Du bist selbstlos, hilfsbereit, aufrichtig. Du spielst nicht mit Menschenleben. Du verführst keine Frauen, die dir völlig gleichgültig sind, in der Hoffnung zwischen ihren Schenkel die Einzige zu vergessen, die du jemals wirklich begehrt und geliebt hast – deine leibliche Schwester. Gezeugt in Blutschande, gelebt in Sünde – mein Schicksal ist besiegelt. Selbst meine Mutter hasste mich von Anfang an. Sie hätte sich das Kind des Teufels in ihrem Schoß wohl am liebsten eigenhändig aus dem Körper gerissen…“ „Ich habe schon seit langem alle Brücken hinter mir abgebrochen, das wissen Sie. Sie waren dabei, als ich Lucinda drohte, sie das nächste Mal zu töten, falls sie noch einmal versuchen sollte, Ihnen oder Miss Merryweather zu schaden. Sie wissen, dass ich es ernst gemeint habe – vielleicht habe ich diese Frau tatsächlich einst geliebt, aber jenes Leben liegt so weit hinter mir, dass ich es nicht mehr sagen kann. Was verlangen Sie von mir?“ Er packte seinen Herrn an den Schultern und zwang ihn, ihm in die Augen zu blicken. „Was soll ich noch tun? Cain! Was noch?“ Er hatte ihn niemals zuvor so genannt, aber keiner von ihnen ging darauf ein oder schien es auch nur zu bemerken. „Begehe eine Sünde, die so groß ist, dass auch du nicht mehr zurück kannst.“ Er ließ sich von der Bettkante gleiten, sodass er nun wie Riff auf dem kalten Steinfußboden kniete. Ein zweites Mal schlang er seine Arme um den anderen, doch diesmal beließ er es nicht bei einer flüchtigen Berührung ihrer Köpfe sondern drückte sich ganz an den Körper seines jungen Butlers. Er vergrub die Hände in seinem Haar und spielte wie beiläufig mit mehreren silberblonden Strähnen. Sein Gesicht war so nah, dass sich ihre Wangen berührten und Riff jedes seiner Worte als warmen Atemzug auf seiner Haut spüren konnte. „Keine Sorge, du sollst niemandem schaden. Es wäre nur eine kleine Sünde, eine heimliche Sünde, die niemanden betrifft außer dich und mich. Und trotzdem ist diese eine Sünde so schwer, dass der Herr in seiner unendlichen Güte Feuer und Schwefel auf seine ach so geliebten Kinder herabregnen ließ und zwei ganze Städte dem Erdboden gleichmachte. Aber keine Angst, genauso wenig wie ich nun allein zur Hölle fahren muss, sollst auch du diese Sünde allein begehen. Nur fallen musst du allein, denn dazu ist es bei mir schon lange zu spät.“ Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden, beschwörerisch, aber vor allem auf fast schon boshafte Weise anzüglich. „Du bist nicht naiv, Riff, du weißt, wovon ich spreche.“ Wie konnte er das dem Menschen antun, der ihn am meisten liebte, der ihm stets treu und selbstlos gedient hatte? Ein Teil von ihm wünschte sich fast, dass Riff ihn entsetzt und voller Ekel von sich stoßen würde, dass er ihn endlich verlassen würde. Cain würde ihm nicht folgen und er würde sich für seinen Stolz hassen. Vielleicht würde er es schließlich dennoch tun und sich für seine Selbstsucht verabscheuen. Aber wenn Riff ihn nicht von sich stoßen würde, dann war er ohnehin eine ebenso verlorene Seele wie er selbst, denn wer sonst würde jemals auf eine solchen Forderung eingehen? Dann war es egal… Stille folgte auf die Worte des jungen Grafen, doch auch wenn es gewiss kein entspanntes Schweigen war, so war es doch auch kein drückendes – das zumindest versuchte er selbst sich einzureden, so wie er die Tatsache zu leugnen suchte, dass seine Worte selbst seinen eigenen Geist mit panischem Entsetzen füllten. Er hielt sein Gesicht im Nacken des anderen vergraben und war froh, dass er ihn in jenem Moment nicht ansehen musste. Er spürte wie Riff den Kopf hob. Er dachte nach, so viel war klar, aber Cain zwang seinen eigenen Gedanken zum Stillstand. Er wollte keine Spekulationen, keine Möglichkeiten, keine Szenarien. Er wollte einfach nur still den letzen Moment genießen, bevor Riff gehen würde. „Nicht hier.“ Riff löste die Hände seines Herrn von seinem Hals und stand auf. Ohne ihm einen weiteren Blick zuzuwerfen, durchquerte er das kleine Zimmer und öffnete den Schrank in der Ecke, um seinen Morgenmantel herauszunehmen. „Die Mauern im Dienstbotentrakt sind dünn und allein in diesem Korridor liegen noch die Zimmer von etwa fünf Hausmädchen, der Köchin und zwei Gärtnern.“ Er schlüpfte hastig in Morgenmantel und Schuhe und griff nach der brennenden Kerze auf seinem Nachttisch. Als er die Tür öffnete und hinaus auf den Flur trat, erhob sich Cain schließlich aus seiner immer noch knienden Position und ließ das Zimmer seines Butlers hinter sich. Das ganze Anwesen war in Dunkelheit und Stille gehüllt. Riff ging voraus, denn er trug die Kerze. Beide schwiegen, unfähig auch nur ein einziges passendes Wort zu finden und so blieben ihre Schritte die einzigen Geräusche, die die Nachtruhe des Anwesens durchbrachen. Riff öffnete mit der freien Hand die Tür zu Cains Schlafzimmer und wartete bis sein junger Herr an ihm vorüber gegangen war, ehe er sie leise hinter sich ins Schloss zog. Einen Moment lang wirkte die ganze Situation wie das vertraute, allabendliche Ritual, doch wie als hätte Cain eben jene Vertrautheit gespürt und wollte sie nun zerstören, wartete er nicht ab, ob Riff nun die Kerze beiseite stellen würde, um ihm wie an jedem anderen Abend aus den Kleidern zu helfen. Stattdessen öffnete er hastig die Knöpfe seines Hemdes und ließ es dann – zusammen mit der Krawatte, die ohnehin nur noch lose um seinen Hals gehangen hatte – achtlos zu Boden fallen. Mit Hose und Unterwäsche verfuhr er nicht anders, sodass er nur wenige Augenblicke später nackt in der Mitte des Zimmers stand, von Riff abgewandt, der sich noch keine drei Schritte von der Tür entfernt hatte. Das warme gelbe Kerzenlicht verlieh der viel zu blassen Haut die flüchtige Illusion von Farbe und den dunklen Haaren einen fast schon goldenen Glanz. Auf seinem nackten Rücken entblößten sich sorglos die Brandzeichen seines Vaters, das deutlichste Sinnbild für die unsichtbaren Wunden seiner zerstörten Seele. Ihr Anblick erinnerte Riff einen Augenblick lang an die Nacht ihrer ersten Begegnung und an das weiße Nachthemd, rot vor Blut. Ein Teil von ihm hatte nie aufgehört, in seinem berüchtigten Herrn den kleinen Jungen von damals zu sehen, der allein in der Dunkelheit weinte und in jenem Moment wirkte er auf ihn in all seiner unverhüllten Schönheit doch ebenso verloren. „Komm her.“ Riff durchquerte das Zimmer, um die Kerze auf Cains Nachttisch zu stellen, ehe er sich zu ihm umdrehte und der Aufforderung nachkam. Das Kerzenlicht mochte seiner Haut eine fast schon gesunde Farbe geben, aber es änderte nichts daran, wie entsetzlich dünn er war. Es war fast schon Ironie, als Cain nach dem Knoten griff, der Riffs Morgenmantel zusammenhielt, und ihn löste, um ihm das Kleidungsstück von den Schultern zu streifen und zu Boden fallen zu lassen. In derselben Bewegung stellte er sich leicht auf die Zehenspitzen, um dem anderen einen flüchtigen Kuss auf den rechten Mundwinkel zu geben. Ebenso plötzlich zog er sich jedoch im nächsten Moment fast schon spielerisch zurück und setzte sich auf die Bettkante. Auf Cains Lippen lag jenes laszive, zweideutige Lächeln, das so typisch für seinen Herrn war. Er hatte es schon so oft gesehen. Er wusste, dass Cain es liebte, seine Opfer in die Enge zu treiben, ohne dass sie es auch nur bemerkten. Und dann würde er sie mit eben jenem Lächeln betrachten und mit jenem Blick, der so deutlich sagte, dass sie verloren waren. Denn während die Narren sich noch in Sicherheit wiegten, pulsierte ihr mächtiger Tod schon lange durch ihre Adern. Riff wusste das. Aber er wusste auch, dass der Blick, mit dem Cain ihn in jenem Moment ansah, nicht zu diesem Lächeln passte. Nicht einmal zu ihm selbst. Es waren die verlorenen Augen eines Kindes. Und obwohl es die Lippen waren, die ihn zu verführen suchten, waren es die Augen, denen er folgte. „Zieh das aus und komm her.“ Riff tat wie geheißen und Cain streckte die Arme nach ihm aus, so wie er es schon in Riffs Zimmer getan hatte. Er ließ sich nach hinten auf das Bett fallen und zog Riff mit sich, sodass er schließlich auf dem Rücken lag und der andere über ihm kniete, die Hände links und rechts neben seinem Kopf, die Knie neben seinen Hüften. Auf widersinnig spielerische Weise strich Cain mit den Fingern über seine Konturen, seine Lippen, seine Wangen, bis er sein Gesicht dann in beide Hände nahm und Riffs Kopf zu sich zog, wie um ihn zu küssen. Aber Riff konnte den seltsamen Gedanken nicht abschütteln, dass Cain diese scheinbar fröhliche, scheinbar verspielte Maske nur trug, um nicht im nächsten Moment in Tränen auszubrechen. Es war ein dummer, sinnloser, irrationaler Gedanke, aber Riff drehte unwillkürlich den Kopf weg. Der Junge lachte leise, als er die Hand ausstreckte, um mit einem Finger die Kinnkontur des anderen nachzuzeichnen. „Ich kann das Licht auch löschen, wenn es dir lieber ist.“ Er streckte die Hand nach der Kerze aus. „Im Dunkeln ist es einfacher, dem Verlangen nachzugeben, nicht wahr? Selbst Sodom kann dich nur zur Salzsäule erstarren lassen, wenn du es ansiehst. So wie Lots törichtes Weib…“ Doch Riffs Hand packte seinen Arm, bevor er die Kerze erreicht hatte. „Nein.“ Cain lachte wieder, doch es war ein so merkwürdiges, unglückliches Lachen, dass der andere sich nur wünschte, es würde aufhören und seine Lippen hilflos auf den Mund des Jungen presste. Er genoss die Stille, doch als er sich zurückzog, um zu atmen, war das Lachen immer noch da. Leiser diesmal, ruhiger und nicht minder erschreckend. „Dreh dich um.“ Riff gehorchte – wie immer – ließ sich zuerst auf die Seite rollen, sodass er nun neben seinem Herrn lag, anstatt halb über ihm zu kauern und drehte sich dann folgsam auf den Bauch. Doch er war froh, so eine Ausrede zu haben, sein Gesicht abzuwenden, denn er glaubte nicht, Cains seltsamen Gesichtsausdruck noch länger ertragen zu können. Nachdenklich betrachtete dieser den starken, makellosen Rücken vor sich, zeichnete mit langsamen Strichen Linien nach, die nicht da waren. Riff erschauderte unter der Berührung. War ihm denn nicht einmal für einen einzigen Augenblick die Illusion gegönnt, sie wären nur normale Liebende? Schuldig zwar vor Gott und dem Gesetz ihres Landes, aber getrieben von nichts als Liebe und Verlangen. Im ersten Moment war es so schlimm, dass Riff einen Aufschrei unterdrücken musste. Cain war nicht sanft, doch nach wenigen Augenblicken begann sein Körper sich an den ungewohnten Druck zu gewöhnen und der Schmerz wurde zumindest erträglich; ja, nach einigen Stößen war er überzeugt, es genießen zu können. Die Mischung aus körperlichem Schmerz und ebenso körperlicher Lust ließ ihn vergessen: dass dies kein Akt der Liebe war, oder zumindest, dass es keine Liebe war, die ihn vollzog oder dazu geführt hatte. Es dauerte nicht lange, aber als er fertig war, rief er Riffs Namen. Riff dagegen vergrub sein Gesicht in den Kissen, denn er hatte Angst, sein Körper könnte etwas sagen, das sein Geist später bereuen würde. Sie lagen nebeneinander im Halbdunklen. Die Kerze war schon weit herunter gebrannt und würde bald verlöschen. „Ich sollte jetzt gehen. Wenn ich es nicht tue, muss ich meine Kleidung im Dunkeln zusammensuchen.“ „Du musst nicht gehen. Kein anderer Diener würde es wagen, mich zu wecken.“ „Sie vergessen Miss Merryweather, Master Cain.“ Er stand auf und begann sich anzuziehen, während Cain jede seiner Bewegungen genau aber scheinbar teilnahmslos beobachtete. „Hasst du mich jetzt?“ Seine Stimme klang vollkommen gleichgültig. Der sicherste Beweis, dass er es nicht war. „Stände ich jetzt hier, wenn ich Sie hassen würde? Ich hätte Sie schon in meinem Zimmer zurückgewiesen und wäre gegangen.“ Das hatte er nicht gemeint und sie beide wussten es. „Komm noch einmal her.“ Riff hatte sich Hose und Hemd seines Schlafanzug zwar schon angezogen, hielt den Morgenmantel aber immer noch in der Hand, als er sich zu seinem Herrn umdrehte, der sich auf dem Bett auf die Knie aufgerichtet hatte. Cain blickte ihm lange in die Augen und suchte in dem Blick, den Riff ohne zu zögern erwiderte, nach etwas Neuem. Als er nichts fand, zog er den Kopf anderen näher und küsste ihn auf die Lippen. Wenn man es recht bedachte, war es ihr erster richtiger Kuss. „Danke.“ Cain wusste nicht genau, wie spät es nun war, als Riff schließlich ging. Der Himmel draußen vor dem Fenster war immer noch pechschwarz, ohne die geringste Andeutung der nahenden Dämmerung, aber es konnte nicht mehr lange dauern. Er glaubte nicht, dass er in jener Nacht noch Schlaf würde finden können, aber dennoch ließ er sich zurück in die Kissen fallen und presste die Handballen gegen seine Augen, wie um sich vor dem flackernden Kerzenlicht zu schützen. Doch die Ereignisse der beinahe vergangenen Nacht schienen ihn mehr erschöpft zu haben, als er es sich eingestanden hatte, denn nur wenige Augenblicke später war er in einen leichten, dämmrigen Halbschlaf gesunken. Als er wieder erwachte, war die Kerze schließlich erloschen, aber das fahle Licht, die erste Ahnung der Morgensonne, die sein Zimmer erfüllte, sagte ihm, dass er nicht lange geschlafen haben konnte. Er war sich nicht sicher, ob Riff tatsächlich in sein Bett zurückgekehrt war, aber mittlerweile war es für die Diener bereits Zeit zum Aufstehen. Seinen Herrn wecken würde er allerdings frühestens in drei oder vier Stunden. An jedem anderen Tag hätte er – sobald er mit seinen Gedanken zu diesem Punkt gelangt wäre – schon lange nach Riff geklingelt, gerufen oder ihn anderweitig zu sich befohlen. Einfach, damit Riff ihm sein Bad einlassen, ihm danach das Handtuch reichen und kurz darauf sein Hemd zuknöpfen würde – all die Dinge der allmorgendlichen Routine, die er selbstverständlich problemlos allein hätte erledigen können (auch wenn er vermutlich niemals an Riffs absolut tadellose Krawattenknoten heranreichen würde) und bei denen er Riffs Hilfe dennoch so sehr schätzte. An jedem anderen Tag, doch an diesem Morgen zögerte er. Er war wütend auf sich selbst. Was sollte das? Hatte er etwa Angst, seinem eigenen Diener gegenüberzutreten? Wie vollkommen lächerlich! Aber er wusste, wie wenig diese Gedanken mit der tatsächlichen Situation gemein hatten und so klingelte er nicht. Er rief auch nicht. Als er schließlich aufstand, schlich er eher ins Bad, als dass er ging. Sein Badezimmer lag in einem Raum gleich hinter seinem Schlafzimmer. Als er an den hohen Fenstern vorüberschritt, tanzten die ersten rötlichen Strahlen der Morgensonne über seine nackte Haut. Er fühlte sich schmutzig, aber das war nichts wirklich Neues. Schon vor langer Zeit hatte er aufgegeben, den Schmutz seiner Seele mit Wasser fortwaschen zu wollen. Lange vor Riff, als er noch ein kleines Kind gewesen war. Damals, als er erkannt hatte, dass man Narben nicht fortwaschen konnte – weder geistige noch körperliche – egal, wie sehr man es auch versuchte. Im Laufe der Jahre mochten sie verblassen, manchmal sogar beinahe unsichtbar werden, aber wirklich verschwinden würden sie niemals. Einmal gezeichnet würde man niemals wieder völlig rein sein. Dieses Mal allerdings war das Gefühl des Schmutzes, der Schande um so vieles... körperlicher. Er spürte das Wasser kaum, das heftig gegen seinen Rücken prasselte. Vor wenigen Jahren noch hatte es sich jedes Mal angefühlt, als würden sich Glassplitter in seinen Rücken bohren und das Fleisch in Fetzen hinabreißen. Manchmal war es schlimmer gewesen als die Strafe selbst. Als Merryweather morgens erwachte, fand sie neben ihrem Bett einen Stuhl. Über der Lehne hing das dunkelblaue Jackett, das Cain gestern getragen hatte, und daneben am Boden lag seine Weste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)