A new Story von Sila (Die Geschichte einer Tänzerin~) ================================================================================ Kapitel 2: ~ Vergleiche und Stolz ~ ----------------------------------- Die neue Tanzpartnerschaft mit EraChan entwickelte sich für Sila anders als sie es sich gedacht hatte. Die Freundschaft mit diesem Tänzer führte sie ein Stück weit aus ihrem Schneckenhaus. So wurde sie fröhlicher und hin und wieder gestattete sie einem Mittänzer sich in ihre Freundesliste eintragen zu lassen. Trotzdem begann sie unbewusst die Tanzpartnerschaft mit Chuckie und EraChan zu vergleichen. EraChan tanzte wesentlich häufiger als Chuckie. So konnten sie nach den regulären Tanzkursen viele Erfahrungen im Partnertanz sammeln. Zu bestimmten Zeiten verabredeten sie sich und tanzten bis in die Nacht hinein. Dennoch verlief diese Partnerschaft nicht so harmonisch, wie es unter Tanzpartnern sein sollte. Es schlich sich bei ihr immer mehr das Gefühl ein, dass EraChan sie eher als Konkurrentin ansah. Jedes Mal wenn sie einen Fehler beim Tanzen machte, jubelte er: „Haha! Du warst die Erste!“ Er war auch weniger ein Freund, sonder mehr ein flüchtiger Bekannter, obwohl sie so viel Zeit gemeinsam auf der Tanzfläche verbrachten. Auch kam sie mit seinem Freundeskreis nicht zurecht. Chuckie war ein echter Freund, mit dem sie durch dick und dünn gehen konnte. Er erkannte sofort, wenn es ihr nicht gut ging. Wenn sie einen Fehler immer wieder machte, motivierte er sie dazu nicht aufzugeben. Es interessierte ihn wie sie mit ihren Kursen voran kam oder wo noch mehr Übungseinheiten gebraucht wurden. Die Unterschiede der Tanzpartnerschaften legten sich schwer auf Silas Gemüt. Dazu kam der Charakter des Tänzers immer mehr zum Vorschein. Viel zu spät bemerkte Sila, dass EraChan durchaus bewusst war, was für einen Eindruck er bei den Damen hinterließ. Er war auf jeden Fall ein gut aussehender Tänzer, musste sie zugeben. Das Problem lag darin, dass er genau wusste wie gerne die Frauen von ihm beachtet wurden. Sein Kleidungsstil diente anscheinend auch diesem Zweck. Generell bemühte sich Sila bei dem Geflirte nicht hinzuhören oder sich darüber zu ärgern. Sie war seine Tanzpartnerin, niemand konnte es leugnen. Aber so richtig zu ihm gehörte sie auch nicht. 'Was denke ich denn da? Normalerweise würde ich noch nicht einmal im Traum daran denken zu so einem dazu gehören zu wollen! Wir sind noch nicht einmal richtige Freunde', schalt sie sich selbst. Die gemeinsamen Tanzzeiten wurden immer häufiger von Sila unterbrochen. Das Herumbaggern ihres Partners und die aufreizend gekleideten Tänzerinnen um ihn herum, gingen ihr auf die Nerven. So tanzte sie lieber mit fremden Leuten oder ihren neu gewonnenen Freunden. Einer davon heiß Aron. Er war das genau Gegenteil von EraChan: Liebevoll und ausgesprochen höflich zu jeder Tänzerin in seiner Umgebung. Zu ihrem Erstaunen merkte Sila schnell wie groß der weibliche Freundeskreis von Aron war. Mit einem Lächeln ahnte sie woran es lag. Auch Aron war ein gut aussehender Tänzer. Obwohl er äußerlich eher einem Macho ähnelte, war seine Höflichkeit sein ständiger Begleiter. Etwas an seiner Art erinnerte sie sehr an ihren Ziehbruder. Oft wenn sie ihn im Stillen beobachtete, fühlte sie sich wieder in die alte Schule zurückversetzt, in der sie sehr gerne mit ihm zusammen getanzt hatte. Die Wirkung auf Frauen gehörte nicht zu den Unterschieden. Dafür war Aron muskulöser, wenn auch jünger als ihr Bruder. Er gehörte zu den ersten Freunden, die sich immer bei Sila meldeten, wenn sie sich in der Lobby registriert hatte. „Hey Sila. Schön, dich wieder auf der Liste zu sehen“, war ein häufiger Gruß, den sie über ihr Kommunikationsgerät von Aron erhielt. Hatte er einen Platz in seinem Raum frei, was nicht unbedingt häufig vorkam, rief er sie gerne zu sich. Mit ihm konnte sie sich über alles mögliche unterhalten. Er half ihr so gut er konnte und dank seiner Freundschaft wurde ihr Heimweh seltener. *** Normalerweise trafen sich EraChan und Sila in der Lobby, bevor sie sich einen Tanzraum aussuchten. An diesem Abend war EraChan nicht auffindbar. Ein Blick auf das Kommunikationsgerät zeigte Sila, dass er sich bereits für einen Tanzraum registriert hatte. Sie begab sich zu der Raumnummer, die ihr Gerät angezeigt hatte, und wartete darauf eingelassen zu werden. Befanden sich die Tänzer mitten im Tanz, wurde die Außentür automatisch verriegelt. Erst wenn sich die Tänzer im Vorbereitungsraum befanden, wurde die Tür entriegelt und neue Tänzer konnten den Raum betreten oder verlassen. Zu ihrer Überraschung befand sich in dem Vorbereitungsraum außer EraChan nur eine junge Tänzerin. Sie war unter dem Namen Alissa registriert. EraChan beeilte sich Sila der Unbekannten vorzustellen. „Sila, das ist Alissa. Sie ist eine gute Freundin von mir und tanzt seit kurzem auch auf dem Internat.“ Höflich verbeugte sich Sila vor ihr. Sie hatte so lange im Ausland gelebt, dass sie sich dem Verhalten der Asiaten angepasst hatte. Die verwunderten Blicke ihrer Mitstudenten und -schüler störten sie dabei nicht. Es entging Silas Blick nicht, dass Alissa jünger wirkte als sie und eher schüchtern und zurückhaltend reagierte. Ihr Level zeigte, dass sie tatsächlich noch ein Neuling auf dem Internat war. Noch bevor sie zu dritt anfangen konnten zu tanzen, begab sich Alissa in den Zuschauerbereich. „Ich möchte lieber nicht mittanzen!“ „Warum denn nicht?“, wollte Sila verwundert wissen. Sie fragte EraChan ob sie etwas falsch gemacht hätte. „Nein!“, meinte dieser, „Sie tanzt einfach nicht gerne mit anderen außer mir. Sie ist etwas scheu. Sorry, aber ich denke ich muss jetzt auch los.“ EraChan winkte Alissa zu und gemeinsam verließen sie den Raum. Es war noch nicht spät genug für Sila um ins Bett gehen zu können. Sie war noch nicht so ausgepowert um in der Lage zu sein, sich ins Bett legen zu können. Also begab sie sich an das Steuerpult, aktivierte einen neuen Tanz und wartete auf neue Mittänzer. *** Die Tage und Wochen vergingen, ohne dass Sila und EraChan sich zum Tanzen trafen. Jeden Abend reservierte er einen Raum nur für sich und Alissa. „Sie macht noch viele Fehler und mag es nicht, wenn Fremde dabei sind“, schrieb er ihr mit dem Kommunikationsgerät. Sila akzeptierte diese Entscheidung. Sie konnte sich gut vorstellen wie schwierig der Anfang auf dem Internat sein konnte. Als sie ganz neu auf ihrem alten Internat war, kümmerte sich ihr Bruder sehr um sie. Er hatte viel Geduld mit ihr und hielt sie von den dummen Jungs fern. Ohne ihn wäre es sicherlich schwer gewesen einen guten Start hinzulegen. So nutzte sie die Abende um mit ihren neuen Freunden oder fremden Tänzern zusammen zu tanzen. An solchen Abenden schlich sich das Heimweh nach ihrem Bruder und den alten Freunden wieder in ihr Herz. Besonders Chuckie fehlte ihr immer schmerzlicher. Eines Abends betrat Sila zur gewohnten Zeit die Lobby. Die große Übersichtstafel zeigte die freien Tanzsäle und andere Übersichten. Keiner der bekannten Mittänzer, die ebenfalls registriert waren, tanzte in einem freien Raum. Während sie sich auf eine Bank setzte um einen Gruß an Aron zu senden, kam ein Mitarbeiter auf sie zu. „Sila Diamon?“ Sila sah von ihrem Kommunikationsgerät auf. „Ja, die bin ich...“ „Das System hat uns Bescheid gegeben, als sie sich in der Lobby registriert haben.“ Sila runzelte die Stirn. Warum sollte das System einen Mitarbeiter informieren, wenn sie zum Tanzen kam? Der Mann machte keine großen Worte, sondern streckte ihr ein Schreiben entgegen. „Das sollten wir ihnen umgehend aushändigen. Schönen Abend noch, Miss.“ Ein höfliches Nicken zeigte ihm den Dank für das Überbringen der Nachricht. Als Sila wieder alleine war, öffnete sie den Umschlag und nahm ein formell aussehendes Schreiben heraus. Hätte jemand in der Lobby die junge Frau auf der Bank beobachtet, hätte er mitbekommen wie ihr Gesicht von einem Moment auf den Andern alle Farbe verlor. Ungläubig las Sila das Schreiben ein zweites Mal. Was sie dort lesen musste, ging nicht spurlos an ihr vorüber. „Hiermit möchten wir Ihnen, Sila Diamon, bekannt geben, dass ihr Partner EraChan die Tanzpartnerschaft beendet hat. Alle nötigen Formalitäten wurden bereits von ihm geregelt. Sie sind nun frei einen neuen Antrag nach der Wahl eines neuen Tanzpartners zu stellen, sofern Sie die Ihnen bekannten Voraussetzungen im Coupledance erfüllt haben.“ Silas Hände zitterten, als sie zum dritten Mal die wenigen Zeilen durchgelesen hatte. 'Alles wegen Alissa', spukte in ihrem Kopf herum. Es war nicht das Schreiben an sich, das Sila so verletzt hatte. Es war die unpersönliche Art dessen, was sie in Händen hielt. Sie musste hart gegen die angestauten Tränen ankämpfen. Hätte er ganz normal mit ihr geredet, wäre es nicht so schmerzhaft gewesen. Eigentlich fühlte es sich tief im Herzen so an, als hätte man ihr gerade eine Last von den Schultern genommen. Aber mit der Art der Auflösung dieser merkwürdigen Tanzpartnerschaft hatte EraChan ihr letztes Bisschen an Stolz verletzt. Ein schneller Blick auf ihre Freundesliste zeige, dass er die Freundschaft nicht gelöscht hatte. Wütend stand sie kurz davor diesen arroganten möchte-gern von Tanzpartner aus ihrer Liste zu entfernen. Stattdessen ließ sie ihre Schultern sinken und seufzte laut. So etwas war nicht ihre Art. Sie würde nicht einfach so eine Freundschaft beenden, ohne demjenigen wenigstens den Grund dafür zu nennen. Auch wenn EraChan nie ein echter Freund war. Vielleicht mochten sich EraChan und Alissa gerne leiden. Selbstverständlich wollte sie ihnen nicht im Weg stehen. Weil aber ihr Stolz nun einmal verletzt worden war, wollte sie sich so nicht von ihm abschreiben lassen. EraChan sollte bemerken was für eine gute Tänzerin Sila geworden war. Im Gegensatz zu ihr war Alissa noch eine blutige Anfängerin. Wenn sie auf eine Tanzpartnerschaft aus waren, würde es eine Zeit lang dauern, bis Alissa die Anforderungen dafür erfüllen konnte. Diese Zeit wollte Sila nutzen um dem Draufgänger zu zeigen was er an ihr hatte. Zugelassene Bitterkeit nahm ihr Denken ein. So begann sie noch am selben Tag ihr Training bis zur Erschöpfung auszudehnen. Nur um EraChan zu zeigen, dass sie besser war als er. Tatsächlich dauerte es nicht lange bis Sila – laut Rangliste – weit über EraChan stand. Seit dem Bruch wurde sie von dem Gedanken besessen, dem Partner, der sie verschmäht hatte, zu zeigen, dass sie die bessere Tänzerin war. Der Lohn ihrer harten Trainingseinheiten war, dass sie sich nur noch erschöpft fühlte. Um genau zu sein, stand sie kurz vor dem Zusammenbruch. Ihr Körper wehrte sich vehement gegen diese Überlastung. So lag sie eines Morgens im Bett und war nicht in der Lage aufzustehen, ohne dass sich ihr Zimmer wie ein Kreisel um sie herum zu drehen begann. Diese Situation zwang Sila schließlich über ihre Situation nachzudenken. Der dritte Tag begann, ohne dass sie in der Lage war an den Kursen teilnehmen zu können. War es wirklich das, was sie wollte, als sie Familie und Freunde hinter sich ließ um auf dieser Schule zu tanzen? War es das, wofür sie Tag für Tag ins Internat ging? Die Zeit war reif ihren Stolz bei Seite zu legen oder sich von ihm zerstören zu lassen. EraChan hatte sie seit dem Bruch nicht mehr gesehen. Auffällig war auch, dass er sie mied. 'Vielleicht ist er auch nicht glücklich darüber wie er die Auflösung angegangen ist'. Langsam erhob sie sich auf dem Bett. Ganz langsam und mit Pausen. Ihr Körper forderte Ruhe und diese Ruhe musste sie ihm gestatten. Ein müdes Seufzen erfüllte das Zimmer. Sila wusste, dass sie selbst Schuld an den schlaflosen Nächten hatte. Schlechte Träume plagten sie schnell, wenn sie so hilflos war. Erinnerungen, Bruchteile von fehlenden Erinnerungsfetzen schlichen sich in ihren Verstand und drohten sie zu ersticken. Entschieden schüttelte sie ihren Kopf. Sie musste alles dafür tun um wieder fit zu werden und das richtige Maß beim Tanzen zurückzusetzen. Trotz ihrer zwanzig Jahre, hatte Sila sich wie ein pubertäres Mädchen EraChan gegenüber benommen. Als er die Tanzpartnerschaft auflöste, löste er damit auch die Bindung zu ihm. Sila sollte ihm viel mehr dankbar dafür sein ihre Freiheit wieder zurück erhalten zu haben. *** Die Tanzpause dauerte länger an, als es sich Sila gewünscht hatte. Der Tag kam, an dem sie wieder an ihren Tanzkursen teilnehmen konnte. Langsam tastete sie sich an ihren gewohnten Schwierigkeitsgrad heran. Die bewusste Entscheidung den selbsternannten Kampf mit EraChan beizulegen, gab ihr wieder ein Stück Freude am Tanzen zurück. Ihren ehemaligen Tanzpartner sah sie jedoch nicht so schnell wieder. Trafen sie sich mal in der Lobby oder außerhalb des Geländes, war er kurz angebunden und suchte von ihr zu fliehen. So tanzte sie mit den weiteren Freunden ihrer Freundesliste oder suchte Tanzräume auf, bei denen sie unbekannt war. Den „Clubdance“ und den „Coupledance“ ließ sie dabei links liegen. Vorerst hatte sie genug von Tanzpartnerschaften. Zur bevorzugten Zeit am Abend, registrierte sich Sila in der Lobby zum Tanz. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, erst einmal zu sehen in welchen Räumen sich ihre Freunde befanden. Auf der Suche nach der Raumnummer in der sie Aron antreffen würde, streifte ihr Blick die Namensliste der anwesenden Tänzer. Ein vertrauter Name stahl ihre Aufmerksamkeit. Ihr Herz schien einen kurzen Moment auszusetzen, als sie diesen Namen wiederholte. 'D – Dass kann doch nicht sein... Nein! Das muss ein Missverständnis sein...', sagte sie sich den ganzen Weg bis zu dem Raum mit der Nummer, in dem die Person mit diesem Namen tanzten sollte. Dort angekommen wartete sie mit klopfendem Herzen bis die Eingangstür entriegelt wurde. Leider öffnete sich nur der Zuschauerbereich. Wurde die gewünschte Anzahl der Personen erreicht, die für einen Tanz vorgesehen waren, konnten weitere Tänzer nur noch den Zuschauerbereich betreten. Erst wenn ein Tänzer seinen Platz im Vorbereitungsraum verließ, konnte jemand aus dem Zuschauerbereich oder von draußen dessen Platz einnehmen. Von der leicht erhöhten Zuschauertribüne aus, hatte Sila einen guten Ausblick auf die Tänzer des Raumes. Sie brauchte nicht lange um die Person wieder zu erkennen, dessen Name sie in diesen Raum geführt hatte. Als sie den jungen Mann sah, der sich immer wieder in ihre Gedanken stahl, klopfte ihr Herz noch viel stärker als ohnehin schon. Gerade als sie zu ihm hinunter rufen wollte, trafen sich ihre Blicke. Er zögerte keinen Augenblick, nahm sein „OK“ zum nächsten Tanz zurück und begab sich zielgerichtet auf die Zuschauertribüne... Ende Kapitel 2 – Vergleiche und Stolz Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)