A new Story von Sila (Die Geschichte einer Tänzerin~) ================================================================================ Kapitel 19: ~ Die Stimme des Frühlings ~ ---------------------------------------- Der Schnee hinterließ noch hier und da einige kleine Häufchen. Überall konnte man erkennen wie die ersten Frühlingsblumen ihre Köpfe zur Sonne streckten. Es schien, als würde die Welt wieder tief einatmen und ein neues Leben ankündigen. Man konnte sogar die ersten Vogelgesänge durch das leicht geöffnete Fenster hören. Philphlader hatte ihre Augen geschlossen und lauschte dem Klang der lange vermissten Singvögel. Sie atmete tief die frische Morgenluft ein, während draußen alles noch still war, denn die Sonne war erst wenige Minuten zuvor aufgegangen. Sie ahnte nicht welch ein Anblick sie bot, als der Wind mit ihren Haaren spielte. Ein Augenpaar hing an ihr und das Lächeln spielte um die Lippen ihres Beobachters. Kiso hatte sich schon lange daran gewöhnt so früh aufzustehen. Er tat es seiner Frau zuliebe, die nie lange im Bett bleiben konnte. Meist stand sie noch vor Sonnenaufgang auf, schlich sich mit einer heißen Tasse Tee in das großzügig eingerichtete Arbeitszimmer und nutzte die frühe Zeit um sich ihrem Studium über den dicken Vokabel- und Grammatikbüchern zu widmen. Die erste Zeit nach der Hochzeit, bemerkte Kiso erst viel zu spät, wenn seine Frau nicht mehr neben ihm lag, doch er passte sich schnell daran an und stand mit ihr gemeinsam auf. In der Zeit, in der sie über ihren Büchern grübelte, machte er sich im Badezimmer fertig und ordnete alle Dinge in der Küche. Auch wenn er schon sehr früh alleine eine Wohnung hatte und auch nicht wirklich der Frühaufsteher war, so verließ Kiso, durch das Vorbild seiner Mutter, niemals das Haus ohne vorher vernünftig gefrühstückt zu haben. Seine Frau brachte die unmögliche Eigenschaft in die Ehe mit, dass sie sehr früh aufstand, eine Tasse Tee trank, einige Stunden über ihren Büchern verbrachte, nur um dann Hals über Kopf die Wohnung zu verlassen, um nicht zu spät zur Vorlesung zu kommen. So machte es sich Kiso zur Gewohnheit, für das Frühstück zu sorgen. Philphlader war heute sehr still. Sie schien zu träumen. In der Hand hielt sie noch eine Scheibe Brot, die sie auf eine andere, bereits fertig belegte Brotscheibe, legen wollte. Als sie ihre Augen öffnete, schaute sie direkt in Kisos türkisblaue Augen. Eine leichte Röte der Verlegenheit huschte über ihre Wangen. „Du beobachtest mich?“ „Warum auch nicht? Du siehst süß aus, wenn du vor dich hin träumst, dar!“, gab er grinsend zurück. Ein Lächeln huschte Philphlader über die Lippen, was noch größer wurde, als sie merkte, dass sie ihre Brotscheibe immer noch in den Händen hielt. Sie seufzte wehmütig. „Am liebsten würde ich heute zu hause bleiben.“ „Dann tu's doch!“ „Du weißt doch genau so gut wie ich, dass es für mich wichtig ist, an der Vorlesung teilzunehmen.“ „Ich weiß, ich weiß“, sagte Kiso, stand auf und begann das leere Geschirr abzuräumen. Philphlader beobachtete ihn distanziert. „Du machst es schon wieder!“ „Mmh?“ Kiso ließ sich nicht von seiner Arbeit stören. „Du räumst schon wieder das Geschirr weg. Es ist doch MEINE Aufgabe... Und ich sitze hier faul herum...“ Kiso hielt inne und blickte seine Frau ernst an. Dann legte er in aller Ruhe den letzten Teller in die Geschirrspülmaschine und ging wieder zurück zu ihrem Platz. Da Philphlader immer noch auf ihrem Stuhl saß, musste sie ihren Kopf zu Kiso anheben. Er hatte sich neben sie gestellt. Mit einer Hand umklammerte er ihre Stuhllehne, mit der anderen stützte er sich am Esstisch ab. Sein Lächeln hatte immer wieder die Macht, Philphlader aufzuheitern, genau so wie es an diesem Morgen der Fall war. „Erzähl doch nicht so'n Unsinn, Anata. Du lernst so viel und tanzt auch noch immer dann, wenn du Zeit dazu findest. Wenn ich Mittags heim komme, dann finde ich immer etwas warmes zu Essen oder ich bekomme eine liebevoll gestaltete Lunchbox von dir mit zum Tanzen. Also erzähl mir bitte nicht, dass es auch noch DEINE Aufgabe ist so was leichtes wie das Einräumen des Geschirrs in die Maschine, zu übernehmen. Dann habe ich ja gar nichts, womit ich dich etwas entlasten kann!“ Ein Lächeln huschte über Philphladers Gesicht. Kiso bemühte sich wirklich immer darum sie zu entlasten, wo immer er konnte. „Ach ich weiß auch nicht was heute mit mir los ist“, seufzte sie mutlos. Kiso gab ihr einen Kuss auf die Wange und machte sich wieder ans Werk um die restlichen Lebensmittel an ihre Plätze zu stellen. Als er sich endlich zufrieden ihr gegenüber setzte, sagte er endlich: „Jeder hat mal einen Tag, an dem alles irgendwie merkwürdig ist...“ „Gehst du gleich wieder ins Internat?“, wechselte Philphlader das Thema. „Yeah!“ „Kannst du etwas für Neechan mitnehmen?“ „Klar! Was gibt’s denn?“ Philphlader blickte an Kiso vorbei und konnte aus der geöffneten Tür in den Flur schauen. Auf einer Kommode lagen einige CDs. Kiso folgte ihrem Blick und entdeckte es ebenfalls. „Soll ich ihr die CDs vorbei bringen?“, fragte er. Philphlader überlegte. Sie schien in ihren Gedanken weiter entfernt zu sein. Kiso dachte sich nichts dabei, denn es gab immer einmal Tage, an denen sie stiller war als an anderen. Kiso lernte schnell, es zu akzeptieren. Philphlader erhob sich von ihrem Platz, ging wortlos an Kiso vorbei und stellte sich vor den kleinen Stapel der 3 CDs. Gedankenverloren nahm sie die oberste CD in die Hand. Es folgte die zweite und dritte CD. „Ach weißt du was? Sie hat die Lieder eh schon. Danke, aber du brauchst die Sachen nicht mitzunehmen.“ „Wie du magst.“ Auch Kiso erhob sich von seinem Platz. Er ging an Philphlader vorbei, durchquerte das Wohnzimmer und begann seine Sporttasche für den Tag im Internat zusammenzustellen. „Jetzt wo du Sila erwähnt hast...“, rief er ihr aus dem Schlafzimmer zu, „Ist dir auch schon aufgefallen wie diese Frau zur Zeit drauf ist?!“ „Wie meinst du das?“, Philphlader steckte ihren Kopf ebenfalls in das Schlafzimmer. „Naja“, Kiso schmiss die volle Tasche auf den Boden und setzte sich auf das Bett, „Sie ist so fröhlich.“ „Ist sie nicht immer fröhlich?“ Bei dem Gedanken an Sila, lächelte Philphlader wieder etwas mehr. „Es wäre mir lieber sie würde nicht so fröhlich durch die Gegend hoppeln...“ „Anata! Was redest du da? Gönnst du es ihr denn nicht fröhlich zu sein? Soll sie sich wieder in privaten Räumen einschließen und mit traurigem Blick einen Tanz nach dem anderen bestreiten?“ „So habe ich es auch nicht gemeint“, verteidigte sich Kiso, „Sky ist nun schon so lange weg und sie scheint es überhaupt nicht zu interessieren!“ Philphlader blickte ihren Mann stumm in die Augen. Sie verstand nicht warum er immer noch so ergriffen von der Idee war, dass Sila und dieser Skyre ein Paar sein könnten. Kiso ließ sich mit dem Rücken auf das Bett fallen, verschränkte die Arme hinter seinem Hinterkopf und sagte: „Es sieht so aus, als hätte sie ihn nie kennen gelernt. Seit er wieder nach Korea zurückgeflogen ist um seiner Arbeit nachzugehen, hat sie kein einziges Wort von ihm gesagt. Hallo? Was ist los mit der Frau?“ „Ganz einfach“, sagte Philphlader so ruhig wie sie konnte, „Es scheint, dass sie und Sky wirklich nicht mehr als gute Bekannte waren. Sie haben viel zusammen getanzt, ja, aber mehr auch nicht. Ich glaube Neechan hat ihn nur ihn die Freundesliste aufgenommen, weil wir uns alle so gut mit ihm verstanden haben.“ „Verstehst du dich auch gut mit ihm? Du scheinst einen gewissen Abstand zu ihm zu halten.“ „Ich habe nichts gegen ihn. Ich finde es nur nicht gut von dir Neechan mit jemandem verkuppeln zu wollen, der auf der anderen Seite der Erde zu hause ist... Das ist nicht richtig! Außerdem ist er wieder bei sich zu hause, Anata. Neechan sagte, er kommt nicht wieder.“ „Wie? Er kommt nicht wieder? Er hat doch immer gesagt, wie sehr er es genossen hat, mit uns zusammen zu tanzen. Woher weiß Sis, dass er nicht wieder kommt?“ Philphlader zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte keine Lust an diesem Tag auch noch über den koreanischen Tänzer zu reden. Er war ein ausgezeichneter Tänzer, das stand fest und er war sehr freundlich und ein guter Mittänzer. Er respektierte die Frauen und schien ihre Freundin gerne zu haben. Philphlader war jedoch innerlich dankbar dafür, dass er so weit weg war. Sie hatte schon viel mit Asiaten zu tun gehabt und konnte ihre Gesichter hundert Prozentig auseinander halten. Als sie gemeinsam mit ihrem Freund Koreaner auf „Nexon“ getanzt hatte und diesen unglaublichen Tänzer kennen gelernt hatte, fiel es ihr nicht auf. Doch seit sie ihm beim letzten Mal wieder auf „AuditionEU“ begegnete, kam ihr sein Gesicht sehr bekannt vor. Sie wusste zwar wie es ist, nicht so viel von sich verraten zu wollen und nicht jedem beliebigen Menschen seine Lebensgeschichte kund zu tun, doch sein Ausweichen bei solchen Fragen entfiel Philphlader nicht. Sie war sich zwar nicht ganz sicher ob sie mit ihrer Vermutung vielleicht doch viel zu hoch griff, doch sie wollte ihre Gedanken auch nicht weiterhin damit belasten. Er war weit weg und Philphlader hoffte, dass er an seinem Platz bleiben würde. Es tat so gut, ihre Freundin mal ohne Liebeskummer zu erleben, sie einmal wirklich glücklich zu sehen, dass Philphlader es ihr nicht wünschen wollte, dass sie ihr Herz wieder einmal an jemanden verliert, der gar nicht in ihrer Nähe bleiben konnte. „Dann richte ich deiner Neechan eben nur einen Gruß von dir aus, okay?“, rief Kiso, der bereits seine Schuhe im Flur anzog. „Mach das! Ich komme nachher aber auch dazu.“ Philphlader legte unbemerkt eine von Kisos Lieblingsschockoladentafeln mit in seine Tasche, gab ihm einen Kuss und verschwand im Arbeitszimmer um ebenfalls ihre Tasche für die Uni zu packen. *** ** * ** *** „Du strahlst ja heute so“, freute sich Phie als sie Sila begegnete. Sango ging an ihrer Seite und fragte Sila freundlich: „Gibt es einen besonderen Grund, warum du so glücklich bist?“ Sila lachte über die Aussagen ihrer Freundinnen. „Brauche ich denn immer einen Grund um glücklich zu sein?“ Sila atmete die klare Luft ein und lächelte noch mehr. „Endlich kommt der Frühling! Endlich scheint die Sonne wieder stärker. Habt ihr schon die Vögel singen gehört?“ Sila schien ganz aus dem Häuschen zu sein. Phie und Sango lachten. Es war ein freundliches, freundschaftliches Lachen, denn es wurde von Sila angesteckt. „Du klingst als wärst du frisch verliebt, Sila“, scherzte Sango. „Wenn man sich in den Frühling verlieben könnte, dann würde ich dir natürlich Recht geben, Sango-chan.“ Sila blickte die junge Tänzerin an. Die Tänzerin mit den goldenen, welligen Haaren, hatte Silas Herz im Sturm erobert. Früher kannten sie sich nur auf Grund ihrer Bilder, doch seit Sango ebenfalls tanzte, lernten sie sich als gute Freundinnen schätzen. „Außerdem bin ich einfach zufrieden so wie es zur Zeit ist. Es tut so gut, frei von dem Gedanken an irgendeinen Mann zu sein. Findest du nicht, dass es ein schöner Grund ist, sich zu freuen?“ Sila und Phie entging nicht wie sich die Wangen von Sango erröteten. Unbewusst hatte Sila ein Thema angesprochen, was sie zu beschäftigen schien. Wie gerne hätte Sila ihre Worte hinuntergeschluckt, aber das Lächeln von Sango weckte solch eine Neugierde in ihr, dass sie sich nicht mehr halten konnte. „Und was ist mit DIR, Sango-chan?“ „Mit mir?“, stockte sie verlegen. „Was sollte mit mir sein? Ich mag auch den Frühling...“ „Gibt es nicht noch jemanden, den du gerne magst?“ Sila sah mit einem Lächeln, wie Sangos Augen größer wurden. Voller Scham hielt sie ihre Hände an die Wangen. Silas Grinsen zeigte eindeutig, dass sie diese Frage eigentlich nur rhetorisch gestellt hatte. „Du bist gemein. Sowas fragt man doch nicht einfach so jemanden ins Gesicht!“, beschwerte sich Sango. Sila lachte erneut. In ihrem Blick stand ein belustigtes Funkeln. „Wen soll ich denn sonst fragen? Dann bin ich lieber so direkt und frage dich selbst, bevor ich irgendwelche Dinge hinter deinem Rücken sage...“ Sango schätzte die Ehrlichkeit ihrer Freundin. Sie blickte Phie an und schaute wieder zu Sila. „Ja! Wir sind Tanzpartner... Gestern Abend hat mich Shadow gefragt und ich habe 'Ja!' gesagt... Was ist denn schon dabei? Wir tanzen gut zusammen.“ Sila seufzte: „Oooch! Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, Sango-chan! Ist es eine reine Tanzpartnerschaft oder ist da mehr?“ Nun bemerkte sie, wie Sango aufgab. Sie holte tief Luft, schaute jedoch etwas traurig. „Es ist eine Tanzpartnerschaft... Ich weiß auch nicht ... Ich habe mich nicht getraut ihn zu fragen ob da nicht vielleicht ... na ja ... ob er nicht vielleicht auch eine andere Partnerschaft im Sinn hat.“ „Sango-chan! Wenn du Shadow magst und wenn du mehr möchtest, als nur seine Tanzpartnerin zu sein, dann solltest du deinen Mut zusammen nehmen und es ihm sagen! Wenn er nicht interessiert ist, dann weißt du wenigstens woran du bist. Falls doch, so hast du dir dann jede Menge Ärger und Herzschmerz erspart.“ „Hört, hört!“, meldete sich nun auch Phie zu Wort, „Da hat wohl jemand einiges dazugelernt?“ Sango bemerkte den Blick, den Sila und Phie austauschten. „Es ist aber so schwer“, sagte sie leise. „Glaube mir, ich weiß wie schwer das ist, Sango-chan. Aus eigener Erfahrung!“, sagte Sila, „Aber du machst es keinem leichter, wenn du den guten Shadow nicht einweihst...“ Aus Sangos Augen sprach nun neuer Mut, als sie antwortete: „Vielleicht hast du Recht! Ich hoffe ich werde dann auch noch genug Mut haben, wenn ich vor ihm stehe...“ „Auf in den Kampf!“, rief Sila fröhlich. „Yeah! Ganz meine Meinung!“ Alle drei Frauen drehten sich zeitgleich um. Kiso stand grinsend hinter ihnen. „Heeey! Brüderchen!!!“ Sila warf sich quietschend in seine Arme. Kiso hob eine Augenbraue an und schaute verwirrt zu Phie und Sango. „Okay...“, sagte er vorsichtig, „Wer ist es?“ „Wer ist WAS?“ „In welchen Typen hast du dich verliebt, Sis?“ Phie und Sango seufzten. Sie brauchten sich die Szene nicht mit anzusehen, die auf Kisos Kommentar folgte. Sila stürzte sich mit roten Wangen auf ihren Bruder, Kiso tat so als würde er gar nicht wissen, aus welchem Grund er gejagt werden würde und so weiter. Phie und Sango ergriffen ihre Tanztaschen, winkten dem spielerisch zankendem Geschwisterpaar zu und gingen schon mal in die Umkleidekabinen voraus. Es dauerte nicht lange, bis die vier Freunde die Tanzhallen unsicher machten. Silas gute Laune steckte alle an. Selbst Kiso „beschwerte“ sich nicht mehr darüber, dass seine Adoptivschwester solch eine Fröhlichkeit an den Tag legte. Erst als die Tür geöffnet wurde und Shadow sich zu den Tänzern gesellte, merkte er dass die Stimmung wechselte. Sango wurde stiller, sogar etwas nervöser. Kiso bemerkte wie sich Sila und Phie immer häufiger vielsagende Blicke zuwarfen. 'Frauen!', dachte Kiso, 'Immer wissen die mehr als ich!' „Wohoooo! Ey Alter!“, rief er jedoch auf einmal aus, nachdem er die Daten seines Freundes im Kommunikationsgerät durchgesehen hatte. Er sah, wie Shadow und die Frauen ihn verwundert anblickten. Kiso ging auf Shadow zu und klopfte freundschaftlich auf seine Schulter. „Warum erzählst du mir denn nicht, dass du und Sango Tanzpartner seit?“ Shadow und Sango wechselten einen Blick aus, wobei sich Phie im Stillen fragte wer von den Beiden verlegender aussah. „Also ... weil ... Äh.“ „Jetzt hör auf zu stammeln und lass dich mal drücken! Eine feine Lady hast du dir da ausgesucht!“ Kiso ergriff eine Hand von Shadow und zog ihn kumpelhaft an sich heran um ihm erneut einen Klapps auf den Rücken zu versetzen. „Ich wünsche euch eine gute Tanzpartnerschaft!“ „Danke Kumpel!“ „Ja, danke Kiso“, lächelte auch Sango. Trotz Sangos Lächeln verliefen die darauf folgenden Tänze recht schweigsam. Sila fühlte die Spannung, wusste aber nicht wie sie eingreifen konnte, und beschloss daher, sich einfach auf die Tänze zu konzentrieren. Es dauerte nicht lange, bis Sango bei ihrem „Okay“ für den nächsten Tanz zögerte. Alle Augen wurden auf sie gerichtet als sie schüchtern sagte: „Entschuldigt bitte. Ich bin heute nicht in der Stimmung zu tanzen...“ „Willst du heim?“, fragte Shadow. „Ich denke schon...“ „Soll ich dich begleiten?“, schlug er höflich vor, „Mir ist heute auch nicht so sehr nach Tanzen zu mute.“ „Gerne.“ Sangsos Lächeln war aufrichtig. „Vielleicht könnten wir einen kleinen Umweg durch den Park machen? Ich könnte etwas frische Luft gebrauchen.“ „Ihr Wunsch ist mein Befehl.“ Shadow und Sango verabschiedeten sich von ihren Freunden und verließen die Tanzhalle. Phie rückte näher zu Sila heran und flüsterte: „Meinst du, sie spricht es an?“ Sila blickte auf die Tür, aus der das Tanzpaar hinausgegangen war und zuckte nur mit der Schulter, „Ich weiß es nicht. Ich wünschte sie würde es klären.“ Lächelnd drehte sie sich zu Phie. „Ich wünsche niemandem so lange auf eine Enttäuschung warten zu müssen, wie ich es gemacht habe.“ Phies Blick wurde trauriger, doch Sila nickte ihr fröhlich zu. In ihrem Blick war kein Selbstmitleid zu sehen. „Ich bin darüber hinweg. Wir haben uns als Freunde verabschiedet und Sou hat mir geholfen die Sache mit Chuckie zu verarbeiten.“ Sie streckte sich ausgiebig. „Außerdem habe ich erst einmal genug davon Männern hinterher zu laufen! Es ist schön, sein Leben ohne Liebeskummer genießen zu können.“ Kiso, der die beiden Frauen beobachtet hatte, mischte sich mit ernster Mine ein: „Gibt es wirklich keinen, an den du denkst, Sis?“ „Hmm?“, verdutzt drehte sich Sila zu ihrem Bruder um und erforschte seinen Blick. „Wieso fragst du?“ „Nur so. Irgendwie kann ich es mir bei dir nicht vorstellen, dass es keinen Mann gibt, der dir etwas bedeutet.“ Sila lächelte, ging auf Kiso zu und hackte sich vergnügt in seinen Arm ein. „DU bedeutest mir etwas!“ „Hallo? Ich bin dein Bruder!“ „Aber du bist auch ein Mann und auf deine Frage habe ich geantwortet. Die anderen Männer interessieren mich nicht.“ Sie streckte ihre Zunge heraus und lief wieder an ihren Platz hinter dem Spieleführerpult. „Auch kein gewisser Koreaner?“, hörte sie Kiso sagen. „Eh?“ „Ach komm! Du weißt wen ich meine!“ Kiso wurde etwas grimmig, weil sich Sila angeblich so unwissend stellte. „Wen meinst du? Koreaner? Imôtos Koreaner???“ Phie kicherte, denn sie erkannte Kisos Andeutungen schon sehr lange. Irgendetwas führte er im Schilde, dass wusste sie. „Doch nicht den Koreaner!!! Ich rede hier von deinem tanzenden Poeten!“ „MEIN tanzender Poet?“, rief Sila empört aus und betonte das erste Wort. „Wovon bitteschön sprichst du? Mich interessiert Sky nicht die Bohne!“ Silas Blick war eindeutig genervt. Schon wieder zeigte sich ihre Eigenschaft der schnell wechselnden Stimmung. Phie fühlte sich etwas fehl am Platz. Einerseits wollte sie die Wolke, die sich über Sila und Kiso ausbreitete, lichten, aber andererseits war sie der Überzeugung, dass es sie nichts anging. Also blieb sie an ihrem Platz stehen und entschloss sich das Geschehen einfach zu beobachten. „Ach ja? Aber Asiaten ziehen dich doch magisch an. Er ist auch einer und du...“ „...und ich habe überhaupt gar kein Interesse an DIESEM Asiaten! Wer hat dir denn so etwas in den Kopf gesetzt?!“ „Ihr habt immer zusammen getanzt und ihr habt euch gut verstanden!“ „Er ist ein guter Tänzer, ja! Er mag Paartänze, so wie ich, ja! Aber nur weil er ein Asiat ist, heißt es doch noch lange nicht, dass ich ihm um den Hals fallen möchte!“ Silas Stimme wurde lauter. „Außerdem habe ich ihn nur in meine Freundesliste aufgenommen, weil IHR ihn alle so mochtet!“ Damit verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und warf Kiso einen bitterbösen Blick zu. Er bereute schon fast das Thema angesprochen zu haben, doch sein Temperament war entfacht und auch er verschränkte seine Arme vor der Brust: „Ach so. Und wenn dich dieser Sky nicht interessiert, warum regst du dich dann so darüber auf, dass ich einfach nur etwas vermutet habe?“ Sila riss ihren Mund auf um eine Antwort zu geben, doch ihre Argumente blieben aus. Sie schüttelte den Kopf und holte erneut Luft: „Deine Vermutung war blöde! Ich bin zufrieden so wie es ist!“ „Aha. Und was machst du, wenn er sich in dich verlieben sollte?“ „Was erzählst du da für ein Blödsinn? Hast du Tomaten in den Ohren oder willst du mir heute jedes meiner Worte im Mund verdrehen?“, Sila knallte mit ihrer flachen Hand auf ihren Pult. Sie ging wütend um den Pult herum, baute sich vor Kiso in voller Größe auf und zischte: „Außerdem kommt er nie wieder!“, ohne einen weiteren Blick auf ihn zu richten und ohne daran zu denken, dass auch Phie noch im Raum war, schritt sie zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um und grinste triumphierend: „Und das ist auch gut so! Er soll in Korea bleiben und uns hier in Ruhe lassen!“ *** ** * ** *** Als Philphlader mit ihren Vorlesungen und Aufgaben für den nächsten Tag fertig war, lief sie fröhlich den Gang zum Tanzraum, in denen ihre Freunde tanzten, entlang. Während sie darauf wartete, dass die Tür zum Raum freigegeben wurde, summte sie leise eine Melodie. Sie war zufrieden mit ihrer Entscheidung Sila die CDs nicht zu zeigen. Warum sollte sie Sila unnötig beunruhigen, indem sie ihr etwas zeigte, wovon sie noch nicht einmal selbst überzeugt war? Es war schon spät am Abend, aber sie freute sich wenigstens noch eine Stunde mit ihren Freunden zusammen tanzen zu können. Als die Tür freigegeben wurde und sie den Raum betrat, stutzte sie jedoch. „Nanu?“, sie blickte sich verwundert um, als sie nur Kiso und Phie im Raum sah, „Wo sind denn die anderen?“ Phie begrüßte ihre Schwester mit einer Umarmung. Dann sagte sie sachlich: „Sango und Shadow sind zu Zweit weggegangen. Sie wollten heute nicht mehr tanzen.“ „Und Neechan?“, Philphlader blickte auf ihre Uhr, „Normalerweise tanzt sie doch um diese Uhrzeit.“ „Tja ... Sila ist...“, Phie wollte den Satz auch sachlich weitergeben, aber Kiso beendete ihn für sie: „Sila ist abgehauen. Ich habe sie geärgert!“ Philphlader blickte ihren Mann verdutzt an, weil sie nicht genau wusste, ob er scherzte oder nicht. Doch als sie Phies Seufzen wahrnahm, wusste sie, dass es stimmte. „Warum hast du sie geärgert?“ „Das ist eine lange Geschichte...“ „Ich gehe sie suchen!“ Philphlader drehte sich auf der Stelle um, doch eine Hand hielt sie am Arm fest. Sie drehte sich um und sah Phie in die Augen. „Mach dir keine Sorgen um sie. Sila und Kiso ärgern sich doch ständig. Er hat nur einen Nerv bei ihr getroffen. Sie wird sich sicherlich wieder beruhigen. So wie ich sie kenne, ist sie morgen wieder die Alte.“ Philphlader blickte besorgt zu ihrem Mann. „Ich hoffe nur es hat nichts mit Sky zu tun...“ Als sie Kisos finstere Mine sah, seufzte sie: „Ach Anata! Das führt doch zu nichts...“ „Ich weiß, ich weiß.“ Kiso klang wie ein kleiner Schuljunge, der bei einen von seinen Streichen erwischt wurde. „Versprich mir bitte, dass du dich bei ihr entschuldigst, ja?“ „...Okay... Wenn's sein muss.“ „Es MUSS sein, Anata!“ „Ist ja schon gut! Wenn ich sie sehe, sage ich ihr, dass es mir leid tut! Können wir jetzt tanzen?“ Philphlader und Phie tauschten einen erleichterten Blick aus und schlossen sich Kiso an. *** ** * ** *** Als sie bemerkte, dass die Laternen im Park angezündet wurden, schaute Sila auf. Auf ihrem Schoß lag ein Roman, in dem sie so lange gelesen hatte, dass sie die Zeit ganz vergaß. Nachdem sie sich so kindisch angestellt hatte und die Tanzräume verlassen hatte, spürte sie nicht das Verlangen erneut zurück zu gehen um sich, gut möglich, weiter mit Kiso zu streiten. Sie wusste selbst nicht warum seine Bemerkung sie so verärgert hatte. „Du dummes Mädchen!“, schalt sie sich laut. 'Du hast dich aufgeführt wie eine Grundschülerin!' Das, was sie so verärgert hatte, war der Blick, den Kiso ihr zuwarf, als er Skyre erwähnte. Sila hatte es schon gemerkt, als Skyre noch vor einigen Monaten zu Besuch war. Irgendetwas an seinem Blick, an seiner Art Sila in ein besseres Licht zu stellen, hatte sie von Anfang an verärgert. Sie wusste nicht genau warum er es tat, doch gefiel ihr nicht, dass er sich in ihre Angelegenheiten einzumischen versuchte. Sie war alt genug um sich mit der Person anzufreunden, mit der sie sich anfreunden wollte. Skyre war ein sehr lieber Mensch und ein ausgezeichneter Tänzer. Sie schätzte ihn eindeutig mehr, als zu Beginn und doch spürte sie, wie sie ihm gegenüber eine Mauer aufbaute. Sie befürchtete, dass es tatsächlich etwas damit zu tun hatte, dass Asiaten eine Anziehungskraft auf sie ausübten. Sila blickte sich im Park um. Sie hatte gar nicht bemerkt wie leer der Park geworden war. Normalerweise hatte sie kein Problem damit, alleine zu der Uhrzeit unterwegs zu sein, doch heute lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Es war eindeutig klüger, wenn sie in ihr Apartment zurückkehren würde, beschloss sie. Sie nahm ihr Buch, steckte das selbstgemachte Lesezeichen an die zuletzt gelesene Stelle und stand auf, um sich auf den Heimweg zu machen. Als sie ein Knacken hinter sich hörte fuhr sie aufgeschreckt herum. Dabei fiel ihr Buch auf den Boden. Erschrocken beugte sie sich hinunter um es aufzuheben. Doch bevor sie das Buch erreichen konnte, bemerkte Sila eine große Hand, die schneller war als sie. Blitzartig zog sie ihre Hand zurück und blickte die Gestalt an, die nun mit ihrem Buch in den Händen vor ihr stand. Ihr Gesicht verlor jegliche Farbe, als sie ihrem Gegenüber in die Augen blickte... Ende Kapitel 19: ~ Die Stimme des Frühlings ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)