A new Story von Sila (Die Geschichte einer Tänzerin~) ================================================================================ Kapitel 20: ~ Der Mann mit den zwei Gesichtern ~ ------------------------------------------------ Ohne ein Wort zu sagen, stand Sila an der Stelle, an der sie sich wieder aufgerichtet hatte und starrte ihr Gegenüber an. „Oh bitte! Ich wollte dich nicht erschrecken... Aber... Sila! Jetzt bin ich selbst überrascht!“, hörte sie eine bekannte Stimme zu ihr sagen. Silas Augen wurden ganz groß. Würde ein Geist vor ihr stehen, so könnte sie nicht erschrockener sein. „Sky...“ Sie hauchte den Namen eher als sie ihn aussprach und schaute zu ihm hinauf, als würde sie alles nur träumen. Zu erst dachte Sila, er wäre ein Fremder, denn die Laterne warf mehr Schatten auf sein Gesicht als Licht. „Du ... du trägst ja deine Haare ganz anders...“, war das Einzige, was sie in dieser Situation über ihre Lippen bringen konnte. Fragen flogen in ihren Gedanken kreuz und quer, doch der Kloß in ihrem Hals ließ keine der Fragen hinaus. Etwas verlegen berührte Skyre mit einer Hand seine Haare. Er trug sie nun kürzer und wirkte damit irgendwie etwas älter, männlicher. „Ach das ist nichts! Es war wohl nur ein schwacher Versuch meine Situation auf der Arbeit positiv zu beeinflussen...“ Sila zog verwirrt ihre Augenbrauen zusammen. Nun verstand sie gar nichts mehr. „Was haben denn deine Haare mit deiner Arbeit zu tun?“, fragte sie vorsichtig. Er hatte ihre Neugierde geweckt. Doch statt eines Lächelns, wie sie es von ihm gewohnt war, legte sich ein Schatten auf sein Gesicht. Irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. „Ich wollte nicht unhöflich sein... Ich dachte nur... Naja, du warst nicht sehr lange in Korea...“ „Als ich zurückkehrte, dachte ich, ich könnte alles wieder in Ordnung bringen, aber es wurde nur noch schlimmer.“ Skyre gab ihr das Buch zurück, das er aufgehoben hatte. Als Sila jedoch merkte, dass er nicht in der Stimmung war noch weiter zu reden, versuchte sie ein anderes Thema anzuschneiden. Doch Skyre kam ihr zuvor: „Ich hätte nie gedacht, dass noch jemand um diese Zeit durch den Park geht und dann treffe ich ausgerechnet dich! Bist du auf dem Weg zu den Apartments?“ „Ja!“, sagte Sila, „Ich wollte gerade heim gehen und du?“ „Ich bin auch auf dem Weg dort hin. Man hatte zwar leider nicht mehr mein altes Apartment für mich, aber das Neue ist auch nicht so weit davon entfernt... Darf ich dich begleiten?“ Sila nickte und beide machten sich auf den Weg in Richtung Internatsapartment, wobei sie jedoch schweigsam nebeneinander gingen. Das Schweigen war Sila fürchterlich unangenehm, so versuchte sie wenigstens irgendetwas zu fragen: „Du bleibst also wieder für ein paar Tage?“ Stille. Sila schaute zu ihm auf und erkannte sein ernstes Gesicht. Er schien tief in Gedanken zu sein und Sila bemerkte wie ihr langsam die Ideen ausgingen. „Ich weiß nicht wie lange ich bleiben werde, Sila, ich...“ So hatte sie ihn noch nie zuvor erlebt und es schien als hätte Skyre eine schwere Bürde mitgebracht. Er sah so durcheinander aus, dass sich Sila nicht einmal mehr traute noch irgendetwas weiter zu fragen. „Ich brauchte Abstand zu allem! Abstand vor meinem Alltag und auch Abstand von allen meinen Verpflichtungen... Hier fühle ich mich frei. Es ist als könnte ich endlich durch atmen.“ Skyre sprach über Dinge, die für Sila überhaupt keinen Sinn zu haben schienen, denn sie musste sich selbst eingestehen, dass sie über ihn so gut wie nichts wusste. Es war schon merkwürdig; Nur wenige Stunden zuvor noch, hatte sie sich so sehr mit Kiso über Skyre gestritten, dass sie das Weite gesucht hatte. Das Letzte, was sie an diesem Tag wollte, war auch noch Skyre leibhaftig zu begegnen. So etwas hätte sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorzustellen vermocht, doch plötzlich stand er wie aus dem Nichts vor ihr und benahm sich wie ein anderer Mensch. Am Nachmittag verspürte sie noch Wut darüber, dass sie sich wegen Skyre mit Kiso gestritten hatte, doch nun, als sie ihn vor sich stehen sah, zerfloss ihr Herz vor Mitleid zu ihm. Kein Mann mochte es, bemitleidet zu werden, dass wusste Sila, doch es tat ihr weh, den fröhlichen und energiegeladenen Tänzer in solch einem Zustand zu sehen. Seine ganze Haltung zeigte wie verzweifelt er sein musste. Sonst hatte er einen aufrechten Gang, sein Blick hatte ein gewisses Funkeln, gerade wenn er zu einer Melodie summte, oder zu einem Lied tanzte, das er gerne mochte oder wenn er irgendwelche poetischen Dinge von sich gab. Der Skyre, der nun vor ihr stand, ließ seine Schultern hängen und das Leuchten in den Augen war gar nicht mehr erkennbar. „Da sind wir“, sagte sie leise, als sie nur noch wenige Schritte vor ihrem Haupteingang standen. Skyre blickte verwundert auf, als hätte er gar nicht gemerkt, dass er bereits 20 Minuten lang neben Sila gegangen war. „Danke, dass du mich begleitet hast.“ Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. Skyre schüttelte nur traurig den Kopf. „So habe ich mir unser Wiedersehen gar nicht vorgestellt. Entschuldige bitte meine bedrückte Stimmung. Wenn ich etwas Schlaf abbekomme, kann ich es sicherlich besser im Griff haben. Außerdem...“, er bemerkte den Wachmann, der vor dem Haupteingang seine Pflicht tat und atmete erleichtert auf, „Außerdem ist dies nicht die rechte Zeit für eine Frau, um alleine durch den dunklen Park zu gehen... Schon gar nicht wenn sie so hübsch ist wie du.“ Verwunderung stand in ihrem Blick geschrieben, als Sila zu Skyre hinauf schaute. In Gedanken versuchte sie sein Lob irgendwie einzuordnen, doch sie tat alle Möglichkeiten ab, in der Meinung, dass er einfach nur etwas nettes sagen wollte und beschloss so, seine Bemerkung einfach zu ignorieren. „Ich wünsche dir eine gute Nachtruhe“, sagte sie stattdessen und verbeugte sich. Ein Nicken war ihre Antwort und so drehte sie sich um und ging einige Schritte in Richtung Haupteingang, wo sie auch dem Wachmann ein freundliches Nicken schenkte. Erst als sie stehen blieb und sich erneut zu Skyre umdrehte, bemerkte sie, dass er immer noch an seinem Platz stand und ihr nachschaute. Fragend zog er die Augenbrauen hoch, als er bemerkte, dass Sila Luft holte um etwas zu sagen. „Ich hoffe, dass du hier bei uns das findest, was du suchst...“, sagte sie ehrlich und lächelte. „Willkommen zurück!“ Ihren Dank für die aufrichtigen Worte erhielt Sila nun in dem Lächeln, dass sie von Skyre noch so gut in Erinnerung hatte. Er brauchte nichts zu sagen, denn sein Lächeln genügte Sila. So drehte sie sich um und betrat die Lobby der Apartments. Erst als sie in ihrem Apartment angekommen war, sich ihren Pyjama anzog und sich im Badezimmer die Zähne putzte, bemerkte Sila wie erschöpft sie war. Sie hatte in den letzten Wochen eindeutig zu viel getanzt und sich zu wenig geschont. Ihr Arzt hatte sie gewarnt und ihr das Versprechen abgenommen sich nicht gleich wieder auf ihrem gewohnten Niveau zu verausgaben. Die Schwäche, die ihren Körper nun durchdrang, war eindeutig ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht an das Versprechen gehalten hatte und Sila war wieder erneut gezwungen die Intensität ihres täglichen Trainings zurück zu stellen, um sich mehr Ruhe und Pausen zu gönnen. Während sie das Licht in ihrem Schlafzimmer ausschaltete, sich in ihre warme Decke kuschelte und sich schlaftrunken fragte, ob dieser merkwürdige Tag nicht einfach nur ein Erzeugnis ihrer wirren Fantasie war, ahnte sie nicht, dass ein einsamer Mann seinen Blick erst vom Fenster nahm, als das Licht nicht mehr schien. Erleichtert drehte sich Skyre in die Richtung der Apartments für männliche Tänzer um und machte sich, tief in Gedanken versunken, auf den Weg zu seinem neuen Apartment. Erst in diesem Augenblick wurde ihm klar, wie dringend er die Auszeit brauchte und wie nahe er dran war in eine bodenlose Depression zu fallen. *** ** * ** *** „Es tut mir leid, Sis, dass ich dich gestern wieder gereizt habe...“ Staunend stand Sila vor ihrem Adoptivbruder und hörte sich seine Entschuldigung an. Phie, Philphlader und Sango waren ebenfalls anwesend und lächelten sie freundlich an. Als Sila noch vor wenigen Minuten vor der Tür zum Vorbereitungssaal stand und sich fragte, wie Kiso wohl auf sie reagieren würde, hätte sie niemals damit gerechnet, dass er sofort auf sie zustürmen würde um sich vor allen anderen bei ihr zu entschuldigen. Beschämt über seine Initiative, verbeugte sie sich und erwiderte mit leicht geröteten Wangen: „Nicht doch! Ich hätte nicht gleich so an die Decke gehen sollen! Ich habe mich wie ein kleines Mädchen verhalten, als ich weggelaufen bin.“ Kiso grinste, denn er war auch froh, dass die Sache so schnell bereinigt werden konnte. „Nun“, sagte er und nahm seine Schwester in den Arm, „für mich wirst du wohl trotzdem mein kleines Mädchen bleiben!“ Sila hörte nur wie ihre Freundinnen kicherten. Normalerweise würde sie auf seine Neckerei eingehen, aber ihr tat Kisos Wärme an diesem Tag gut und sie verweilte einen Augenblick in seiner Umarmung. Kiso, der mit ihr gemeinsam aufgewachsen war, und sie besser kannte, als jeder andere, bemerkte sofort, dass sich Sila an diesem Tag anders verhielt. Vorsichtig ließ er sie los und beobachtete ihre Gesichtszüge aufmerksam. „Du wirkst etwas abgespannt, Sis!“, stellte er fest, „Hast du dich nicht vielleicht doch etwas zu sehr beim Tanzen angestrengt?“ Sila nickte nur. „Das denke ich auch. Ich fürchte ich muss wieder mehr Pausen einlegen...“ „Neechan!“, klang es von der Seite als Philphlader auf Sila zueilte. „Du musst uns doch sagen, wenn wir zu wenig Pausen machen...“ „Mach dir keine Gedanken“, lächelte Sila, „Ich bin alt genug um selbst auf mich aufzupassen... Ich habe es nur übertrieben, dass ist alles.“ Phie und Sango traten hinzu und Phie wechselte das Thema. „Hast du gestern deine Zeit noch sinnvoll nutzen können?“ Über Phies Talent Themen, die für eine Gesprächsperson unangenehm wurden, zu umgehen, indem sie gezielte Fragen zu einem anderen Thema stellte, wunderte Sila sich schon seit sie Phie begegnete. Lächelnd antwortete sie: „Ich bin in den Park gegangen. Es war doch so schönes Wetter und da habe ich beschlossen meinen Roman weiter zu lesen.“ Sie klopfte sich auf ihre Trainingstasche und lächelte. „Ich nehme es zwar immer mit, aber ich habe schon lange nicht mehr weiter gelesen.“ In demselben Augenblick fiel ihr etwas ein und sie stellte sich neugierig neben Sango. „Und wie hast du gestern deinen Tag verbracht, Sango-chan?“ „Du bist auch gar nicht neugierig?!“, gab Sango zurück. „Nur weil du dir immer alles aus der Nase ziehen lässt!“ Sango seufzte und gab sich geschlagen. Zudem war sie sich bewusst, dass ihre Ausstrahlung sie mit Sicherheit vor Sila verraten würde. „Shadow und ich sind spazieren gegangen...“ „Und?“ „Und dann hat er mich heim gebracht...“ „Uuunnd?“ „Och man, Sila! Du bist ja manchmal ungeduldiger als deine Imôto!“ „Eh?“, Sila blickte zu Philphlader und dann auf Phie, die beide grinsend vor ihr standen. Sogar Kiso schien eingeweiht worden zu sein. „Das kommt nur daher, dass ich anscheinend immer die Letzte bin, die irgendetwas mitbekommt!“, schmollte Sila. Sango schmunzelte und schien es zu genießen endlich auch einmal die Möglichkeit zu haben Sila auf die Folter zu spannen. Sie erinnerte sich zu gut daran, dass es sonst eher umgekehrt war. „Keine Sorge, ich sage es dir ja!“, berichtete sie weiter, „Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe ihn auf eine Tasse Tee bei mir eingeladen.“ Silas Augen wurden groß. „Männlicher Besuch im Apartment?“ „Es war Nachmittag, da ist das kein Verbrechen“, rollte Sango mit den Augen. „Außerdem haben wir uns nur bei einer Tasse Tee unterhalten!“ Da Sila befürchtete, Sango würde nicht mehr weiter erzählen, wenn sie sich weiterhin einmischen würde, schaute sie sie nur mit erwartungsvollem Blick an. „Und irgendwann musste ich daran denken, was du mir gesagt hast... Dass es keinem etwas bringt, wenn man nicht ausspricht, was einen bewegt. Also“, Sango holte tief Luft, „habe ich allen Mut zusammengenommen und ihn gefragt wie er unsere Partnerschaft sieht.“ Sila nickte ihr nur mit großen Augen zu, doch als sie Sangos rote Wangen sah, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht. „Er war so schüchtern und hat kaum ein Wort herausgebracht.“, schmunzelte Sango, „aber dann hat er mir gestanden, dass er mich auch gerne als Partnerin kennen lernen würde...“ „Und jetzt?“, konnte sich Sila nicht mehr zurückhalten. „Und jetzt sind wir nicht nur Tanzpartner, sondern auch ein verliebtes Pärchen.“ Strahlend und voller Freude für ihre Freundin, umarmte Sila ihre Freundin und quietschte dabei auf ihre typische Art. „Aber warum bist du denn jetzt alleine hier? Wo ist der Held des Tages?“, wollte Sila wissen. „Er bringt Shizumi zu den Eltern, sie hat sich in ihrer Heimatstadt an einem Zeichenkurs angemeldet.“ „Eh? Und ich weiß nichts davon?“ „Sie musste sich sehr kurzfristig entscheiden, weil ein Platz frei geworden ist.“ „Gestern war sie hier, um sich für ein paar Wochen zu verabschieden, aber wir konnten dich nicht erreichen...“, warf nun Philphlader ein. „Oh“, bemerkte Sila, „Ich hatte mein Kommunikationsgerät ausgeschaltet... Schade... Ich hätte mich gerne verabschiedet...“ „Ach, Kopf hoch, Neechan! Sie kommt ja wieder!“ „Oh ... Äh! Apropos Wiederkommen...“, sagte Sila leise und wunderte sich selbst, dass sie das Thema angesprochen hatte. Als sie die verwunderten Blicke ihrer Freunde spürte, wurde sie noch verlegener. „Gestern Abend, also wenn ich das nicht alles geträumt habe, habe ich auch jemanden getroffen der wieder gekommen ist...“ Alle Anwesenden tauschten verdutzte Blicke unter sich aus, doch Sila nahm gerade noch wahr, wie Kisos Kopf in die Höhe schreckte und sein Gesichtsausdruck ärgerlich wurde als er ernst fragte: „Wer ist zurück gekommen? Doch nicht etwa einer deiner 'guten Bekannten'?“ Die Art wie Kiso die letzten beiden Worte aussprach, ließ Sila erkennen, dass er entweder von Chuckie oder von Soujirou sprach. Sie schüttelte beschwichtigend mit dem Kopf, denn sie wollte nicht schon wieder einen Streit mit ihrem Bruder riskieren. „Nein, nein! Es war eher ein neuer Bekannter... Also wenn ich nicht völlig durch den Wind bin, dann habe ich gestern Sky gesehen.“ „Sky?!“, klang es synchron von allen. Kiso, Phie und Sango blickten Sila verwundert an, doch Philphladers Reaktion hinterließ ein ungutes Gefühl bei Sila, denn kaum hatte sie Skyre erwähnt, schien Philphlader zu erstarren. „Er ist wieder da?“, fragte Sango aufgeregt. Man sah ihr an, dass sie den Koreaner gerne hatte. „Wie kann Sky wieder da sein, wenn du gerade gestern noch behauptet hast, dass er nie wieder kommen würde?“, hörte sie Kiso sagen, der nun mit verschränkten Armen vor ihr stand. Schon wieder fühlte sich Sila in die Ecke gedrängt, doch sie wollte nicht erneut riskieren, dass sie von jedem missverstanden wurde. „Um ehrlich zu sein, hat er immer davon gesprochen, dass er auf jeden Fall wieder kommen wollte...“, sagte sie und bemühte sich völlig gleichgültig zu klingen, „Ich habe es ihm aber einfach nicht geglaubt! Wisst ihr? Es ist mir wirklich egal ob er in Korea oder hier ist! Ich muss mich nicht unbedingt mit noch jemandem anfreunden!“ Kaum hatte Sila die Worte gesagt, welche sie auch so gemeint hatte, taten sie ihr dennoch leid. Es war ziemlich unfreundlich von ihr, Skyre noch nicht einmal die Chance zu geben ein Freund von ihr werden zu können. Sie hatte ihn gleich in eine Schublade gesteckt und weigerte sich partout ihn dort herauszuholen. Zudem hatte sie immer noch seinen Gesichtsausdruck vor ihr, als er so nachdenklich und mit seinen Gedanken so weit weg zu sein schien. Ihre Freunde merkten ihren traurigen Blick und selbst Kiso war so verwundert über Silas Reaktion, dass er die bissige Bemerkung, die er auf der Zunge hatte, hinunterschluckte. „Aber ...“, versuchte Sila auch ihre anderen Gedanken ans Licht zu bringen, „Aber gestern war er nicht er selbst ... Er war so seltsam!“ „Wie meinst du das, Neechan? Hat er dir was getan?“ Philphladers Augen wurden größer. Kiso legte seinen Arm um seine Frau. „Jetzt spielt dir aber deine Fantasie einen Streich, Anata.“ „Ach was, nein!“, beruhigte Sila ihre Freundin, „Er hat mich sogar nach hause begleitet. Es war was anderes... Irgendwie habe ich den Eindruck, dass er auf der Flucht war.“ „Auf der Flucht?“ Sila zuckte mit der Schulter. Sie konnte einfach nicht ausdrücken was sie sagen wollte. „Auf der Flucht vor seinem Leben in Korea... Er hat eigentlich kaum etwas gesagt, was einen Sinn ergab, aber er sah sehr bedrückt aus...“ „Sky und bedrückt? Kann ich mir gar nicht vorstellen bei ihm“, wunderte sich Sango, „Sonst ist er immer total fröhlich und summt beim Tanzen die Melodie mit und so...“ „Ich hab auch keine Ahnung“, versuchte Sila mit dem Thema abzuschließen, „Vielleicht habe ich das alles ja auch nur geträumt!“ Sie bemerkte dass der Platz hinter dem Spieleführerpult frei war und nahm ihren gewohnten Platz dahinter ein. „So! Wer etwas tanzen möchte, der stellt sich jetzt auf seinen Platz!“ „Oh, die Leiterin hat gesprochen“, rief Phie freundlich und folgte aufs Wort. Kiso, Philphlader und Sango stellten sich ebenfalls an die vorgesehenen Plätze. Es war offensichtlich, dass niemand wusste, was man zu dem sagen konnte, was Sila erzählt hatte und selbst Kiso fragte sich ernsthaft ob seine Schwester das Erzählte nicht doch geträumt haben musste. „Aber du denkst dran, dass du dich schonen musst, Neechan?“, fragte Philphlader Sila besorgt, bevor sie ihr „Okay!“ zum Tanzen gab. Sila zwinkerte ihr zu und zeigte auf den Monitor. „Schau! Ich habe heute mal leichte Lieder ausgesucht und die Geschwindigkeit ist wirklich einfach. Wenn ich mich dabei verausgaben sollte, dann brauche ich erst gar nicht mehr zu tanzen.“ Philphlader und die anderen waren erleichtert und einverstanden. Wieder einmal merkte Sila, was den inneren Freundeskreis ausmachte; Alle passten sich den Fähigkeiten oder der Geschwindigkeit der Schwächsten der Gruppe an. Sie lächelte und wählte das Lieblingslied des inneren Freundeskreises: „Take a look“. Nach guten 2 Stunden Tanztraining, war es Zeit zu Mittag zu essen. Sila war es mehr als Recht, denn ihr tat eine längere Pause gut. „Wie sieht es bei euch aus?“, wollte Sango wissen, „Ich hätte richtig Lust heute in der Kantine zu essen. Wer kommt mit?“ „Wiii! Ich bin dabei!“, jubelte Sila. „Habe heute einfach keine Lust gehabt mir eine anständige Lunchbox zu machen.“ „Gut, einverstanden! Ich komme gerne mit euch“, nickte Phie höflich. Philphlader nickte ebenfalls und suchte Kisos Antwort. Dieser seufzte künstlich und sprach: „Ich ergebe mich. Also! Ich habe eine tolle Luchbox und brauch gar nicht in die Kantine zu gehen, aber wenn ihr alle hin wollt, dann muss ich mein Essen eben wieder rein schmuggeln...“ „Ach was. Niemand wird sich beschweren. Außerdem ist es eh nur ein Gerücht, dass man kein Essen in die Kantine nehmen darf!“, stellte Sila klar. Phie half ihr das Führerpult ordnungsgemäß herunterzufahren und den Raum für die nächsten Tänzer vorzubereiten. Der Weg zur Internatskantine dauerte gerade mal 5 Minuten, denn die Kantine war, neben der Lobby, im Zentrum der Internatsgebäude errichtet worden. Gerade zur Mittagszeit waren dort recht viele Tänzer anzutreffen, so dass reger Betrieb in der großen Kantine herrschte. Obwohl das Tanzinternat „AuditionEU“ zu den kleineren Internaten gehörte, spürte man auch dort, dass immer mehr Andrang herrschte. Dies konnte man besonders gut an der 2. Etage der Kantine erkennen, denn obwohl in beiden Stockwerken die gleichen Farben und Accessoires verwendet wurden, konnte man noch gut den Neubau von dem Altbau unterscheiden. Als Sila auf das Internat kam, bestand die große Kantine aus nur einer Etage. „Ich gehe schon rauf und suche uns einen Tisch!“, hörten die Tänzerinnen Kiso rufen, während sie sich dem Buffet zuwandten. Kiso schritt eine der beiden breiten Treppen zur 2. Etage hinauf. Er war zufrieden mit seiner Wahl, denn wie immer waren oben viel weniger Leute anwesend und der Geräuschpegel war durchaus erträglich. Seit die 2. Etage eingeweiht wurde, tummelten sich dort eher die Neulinge des Internats. Es lag meist daran, dass Tänzer, die das Internat schon wesentlich länger besuchten, ihre eigenen Stammtische hatten. Obwohl jeder sich setzen konnte, wo er wollte, waren diese Stammtische immer von den gleichen Tänzern und Gruppen besetzt. Es konnte natürlich auch sein, dass die meisten Tänzer einfach zu faul waren die Treppe zu nehmen. Kiso war es nur recht, denn er mochte es sein Essen in Ruhe einnehmen zu können, oder einfach in Ruhe den Ausblick auf die Internatsgebäude und die Außenanlagen zu genießen. Zudem konnte Kiso das Gehabe der „besseren“ Tänzer nicht ertragen. Deren Gesprächsstoff ging selten über die eigenen Rekorde oder Rivalitäten hinaus. Solche Dinge forderten Kisos Zorn heraus. Er erinnerte sich, dass er sich, bevor er Philphladers Gunst gewonnen hatte, immer wieder mit solchen möchtegern Tänzern anlegte. Meistens endeten solche Debatten in einem Tanzsaal und ziemlich unfreundlichen Worten. „So sehr in Gedanken versunken, mein lieber Schwager?“, hörte er Phie neben sich sagen. Er blicke zu ihr herauf und musste über seine Tagträumerei schmunzeln. „Du erwischt mich einfach immer wieder in solchen Situationen. Wenn ich es nicht besser wüsste“, sagte er lächelnd und bot ihr einen Platz ihm gegenüber an, „dann würde ich meinen, du wartest nur darauf mich dabei zu ertappen.“ Phie setzte sich mit ihrem Essenstablett Kiso gegenüber und lächelte freundlich, während sie sich eine Serviette auf den Schoß faltete. Sie mochte seine Art sehr gerne, auch wenn er manchmal etwas zu weit ging, mit seiner Neckerei. „Wo ist denn der Rest?“, fragte er und hielt nach Philphlader, Sango und Sila Ausschau. „Sango wollte unbedingt warmen Reis haben. Sie hat sich mit Mimi angestellt um darauf zu warten und Sila habe ich aus den Augen verloren. Ich glaube sie wollte sich eine heiße Schokolade holen.“ Gerade als Phie sich ihre Teller passend zurecht gestellt hatte, wie sie es immer zu tun pflegte, gesellten sich Philphlader und Sango an den großen Tisch, den Kiso für die Gruppe ausgesucht hatte. „Wo ist denn Neechan?“, wunderte sich Philphlader, während sie sich neben ihren Mann setzte. „Da hinten ist sie! Sie hat die andere Treppe genommen!“, rief Sango und zeigte in Silas Richtung. Doch anstatt sich ihrem Essen zuzuwenden, stutzte sie und tippte Phie an, die ihre Tischnachbarin war. Ohne ihren Blick von dem Mann zu wenden, der ihr Interesse auf sich gelenkt hatte, sagte sie zu Phie: „Kommt der Typ dir nicht auch bekannt vor?“ Phie blickte auf, um Sangos Blick zu folgen. Auch Philphlader und Kiso wurden neugierig und schauten ebenfalls in die Ecke, neben der großen Treppe, welche Sila in dem Moment hinauf stieg. Sie sahen einen großen, schwarzhaarigen Mann, der gerade dabei war, sein leeres Tablett in den Geschirrwagen zu räumen. Da er jedoch mit dem Rücken zu ihnen stand, warteten die Freunde bis er sich umdrehen würde. Gerade als sich der Tänzer umdrehen wollte, geriet er ins Schleudern weil er eine Pfütze, die sich unter dem Getränkewagen gebildet hatte, übersehen hatte. Kiso wollte gerade noch Sila laut zurufen, dass sie sich nicht bewegen sollte, da krachte es auch schon lautstark vor der Treppe. Alle Anwesenden, die diese Ecke von ihren Plätzen aus sehen konnten, hielten erschrocken inne und wandten sich um, um zu sehen was geschehen war. Sila hatte noch versucht ihr Tablett zu retten, als sie spürte wie jemand sie mit voller Wucht gegen die Seite rammte, doch es war ihr nicht gelungen. So purzelte ihr Geschirr mitsamt dem Essen auf den Boden und verursachte einen gewaltigen Lärm. Zu allem Überfluss wurde auch sie von der Wucht des Aufpralls mitgerissen und fand sich mit ihrem Hintern auf dem Boden wieder. Benommen und mit glühenden Wangen, weil sie genau wusste, dass alle Blicke nun unfreiwillig auf sie gerichtet sein mussten, bemerkte sie erst gar nicht, dass eine Person sich neben sie gehockt hatte und dabei war den Schaden zu inspizieren. „Es tut mir schrecklich leid! Ich bin eben in der Pfütze ausgerutscht und konnte mich nicht mehr halten“, hörte sie eine bekannte Stimme verlegen sagen. Der Tänzer hatte sie noch nicht einmal angesehen, doch sie wusste genau wer es war. „Sky?!“, rief sie erschrocken. Skyre hielt beim Zusammensuchen der Scherben inne und wandte seinen Blick ruckartig Sila zu. „Das gibt es doch nicht!“, war das Einzige was er ihr gegenüber herausbringen konnte. Er sprang auf und reichte Sila die Hand. Beim Aufstehen biss sie die Zähne zusammen, als sie einen stechenden Schmerz am Steißbein spürte, auf dem sie unglücklicherweise gelandet war. „Ich bin untröstlich, Sila! Wie kann ich das nur wieder gut machen?“, fragte er voller Bedauern, als er sah, wie sie sich die wunde Stelle rieb. Doch Sila hatte nicht mehr die Gelegenheit Skyre eine Antwort darauf zu geben, denn sie hörte schon wie ihre Freunde zu den beiden Unglücksraben eilten. „Es ist tatsächlich wahr! Sky ist wieder da!“, rief Sango fröhlich aus und begrüßte ihn stürmisch. Während Phie und Philphlader sich bei Sila nach ihrem Wohlergehen erkundigten, grüßte auch Kiso den Neuankömmling grinsend. Nachdem auch Phie und Philphlader Skyre gegrüßt hatten, halfen alle erst einmal den Schaden zu beheben. Sango eilte um einen Aufnehmer zu organisieren, Phie und Philphlader besorgten einen Besen und Handfeger, während Kiso und Skyre sich um die Scherben kümmerten. Sila stand nur Abseits und konnte die Szene beobachten. Nachdem alles wieder sauber war, bestand Skyre darauf Sila das Essen zu ersetzen. Nach mehreren Entschuldigungen und einem neuen Essen saßen die Freunde nun endlich am Tisch und genossen, bis auf Skyre, der schon fertig war, ihr Essen. Sila nahm das Essen fast schweigend ein, während Kiso, Sango und Phie fröhlich mit dem unerwarteten Tischnachbarn sprachen. Nur Philphlader war ähnlich schweigsam wie Sila. Sila bemerkte, dass Philphlader immer wieder verstohlene Blicke zu Skyre hinüber warf, so, als müsste sie irgendetwas in ihren Gedanken bestätigen. Dieses Verhalten Skyre gegenüber machte Sila neugierig, aber sie wollte es nicht ansprechen, wenn andere dabei waren. Doch eine Sache weckte Silas Neugierde noch mehr als alles andere; Es war Skyre selbst. Genau so wie er da saß und fröhlich mit ihren Freunden redete und mit seinen Armen und Händen gestikulierte, genau so kannte sie Skyre. Der Skyre, dem sie am Vorabend begegnete, war ihr mehr als fremd. Sila stocherte lustlos im Essen herum, während sich ihre Gedanken immer wieder um den niedergeschlagenen Skyre drehten. Lag sie so falsch? War Skyre vielleicht einfach nur erschöpft von dem langen Flug? Oder war alles doch nur ein Traum? „Neechan? Du hast ja kaum dein Essen angerührt“, hörte sie Philphlader besorgt sagen. Als sie aufschaute, bemerkte sie, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren. Röte stieg in ihr auf, denn sie konnte noch nie gut damit klar kommen, wenn man so auf sie achtete. Skyre, der ihr gegenüber Platz genommen hatte, blickte sie besorgt an. „Es war alles meine Schuld! Wegen mir bist du auf das Steißbein gefallen...“ „Ach! Ist doch schon gut“, gab Sila zurück, „Du hast dich schon mehr als genug entschuldigt. Es war ein blöder Zufall, mehr nicht!“ Ihre Blicke trafen sich, doch Sila fand nichts, nicht einmal annähernd den Blick, den sie am Vorabend bei Skyre hatte sehen können. 'Und doch weiß ich, dass es genau so war, wie ich es in Erinnerung habe!', machte sie sich in Gedanken bewusst, während sie es aufgab den Teller leer zu bekommen. So legte sie ihr Besteck und die benutzte Serviette auf den Teller und schob ihn zur Tischmitte. Sie warf erneut einen flüchtigen Blick auf Skyre, der sich in einem heiteren Gespräch mit Sango befand. 'Deine neue Frisur hat dich verraten!', dachte sie, 'Was auch immer du verbirgst, Skyre, ich muss zugeben, dass du ein hervorragender Schauspieler bist!' *** ** * ** *** Mittlerweile glaubte jeder, dass Silas Bericht über den niedergeschlagenen Skyre nur ihrer Fantasie entsprang. Sila hatte auch nicht das Bedürfnis darauf zu bestehen, dass es sich genau so zugetragen hatte, wie an jenem Abend vor gut 8 Tagen, als sie ihm im Dunklen begegnete. Es war eindeutig für sie, dass Skyre irgendetwas verheimlichen wollte, denn sie beobachtete ihn schon seit er sie in der Kantine umgeworfen hatte, und sie konnte keine Veränderung in seinem Verhalten erkennen. Skyre redete, lachte, summte, dichtete und tanzte, genau so, wie er es bei seinem letzten Aufenthalt auf dem Internat getan hatte. Sila zuckte bei den Gedanken mit der Schulter, denn sie hatte eindeutig besseres zu tun, als sich über die Probleme von anderen Gedanken zu machen. „Wie fühlst du dich, Neechan?“ Philphlader hatte sich zu ihr in den Zuschauerbereich gesetzt. Während Phie, Kiso, Sango und Shadow mit Skyre gemeinsam tanzten, hatte sich Sila irgendwann zurückgezogen um ihre Pausen einzuhalten. Diese Zeit nutzte sie immer wieder gerne um sich in eines ihrer Romane zu vertiefen. Sila blickte freundlich zu ihrer Freundin. „Ich fühle mich gut. Ich darf nur nicht vergessen mich an die Pausen zu halten, sonst werde ich wieder daran erinnert, dass mein Körper noch nicht in der Form ist, wie er früher war.“ „Es tut mir so leid für dich, Neechan... Du warst immer so ehrgeizig bemüht Fortschritte zu machen!“ „Mach dir um mich keine Gedanken, Imôto“, suchte Sila ihre Freundin aufzumuntern, „Es könnte viel schlimmer sein. Außerdem bin ich hier in Gesellschaft. Das ist schön und ich merke wie es mir gut tun.“ Sila schloss ihr Buch, stand auf und streckte sich. „Sag, möchtest du mit mir ein wenig im Park spazieren? Es ist so schönes Wetter und ich habe den Drang etwas frische Luft zu atmen.“ „Natürlich“, war die blitzschnelle Antwort, „Ich sage nur Anata Bescheid.“ Als Sila gerade ihre Sporttasche fertig gepackt hatte, hörte sie mehrere Stimmen hinter ihr. Erstaunt stellte sie fest, dass alle anderen im Raum ihre Taschen ebenfalls fertig gepackt hatten und erwartungsvoll auf sie blickten. „W – was ist denn jetzt?“, wollte sie verwirrt wissen. Philphlader seufzte: „Als ich Kiso sagte, dass ich mit dir in den Park gehen möchte, ließ er alles stehen und liegen um uns zu begleiten... Tja“, sie blickte zu den anderen, „und der Rest wollte nicht ohne uns tanzen und alle haben sich entschlossen mit zu gehen.“ Obwohl Sila gerne alleine mit Philphlader spazieren gegangen wäre, musste sie doch schmunzeln. So war der engere Freundeskreis eben. Wenn es sein musste, so warfen alle ihre Termine über Bord, nur um gemeinsam etwas zu unternehmen. Nachdem alle Sporttaschen in den entsprechenden Schließfächern verstaut waren und die Gruppe von sieben Freunden im Park angekommen war, bildeten sich schon die ersten kleineren Grüppchen: Sango und Shadow waren eindeutig ein verliebtes Paar, denn sie suchten jede Gelegenheit um Zeit mit einander zu verbringen. Und wenn sie zusammen waren, so wurde gekichert und geflirtet, so viel wie möglich. Phie, Philphlader und Sila nahmen unter einem großen Baum auf einer steinernen Bank platz, während Skyre und Kiso ihre Scherze am Brunnen, wenige Meter vor den Damen, machten. Sila genoss den Frühling. Obwohl sie eher die kalte Jahreszeit bevorzugte, so war es der Frühling, der sie durch die frische Luft, die Farbenpracht und die warmen Sonnenstrahlen, immer wieder zum staunen über die Natur brachte. Vor gut zwei Jahren, hatte sie nur ihr Tanzen im Kopf, doch seit sie solch eine lange Zeit krank im Bett liegen musste und genug Zeit hatte über alles nachzudenken, merkte sie, dass sie nun vieles in ihrer Umgebung auf eine andere Weise zu schätzen lernte. „Ach, sag mal Imôto!“, wandte sich Sila ihrer Freundin zu, „Du wolltest mir doch neulich mal ein paar von deinen neuen Alben von 'RedMotion' ausleihen?! Hast du mal dran gedacht?“ Philphlader stutzte bei der Erwähnung von ihrer und Silas Lieblingsband aus Korea, doch dann hörte Sila Philphlader in einer für sie ungewohnten Lautstärke sagen: „'RedMotion' sagtest du? Stimmt! Ich erinnere mich. Entschuldige bitte, ich kam noch nicht dazu dir die neuen CDs vorbei zu bringen.“ Sila und Phie blickten sich verwundert an. Es war sonst nicht Philphladers Art die Lautstärke anzuheben. „Macht doch nichts“, erwiderte Sila freundlich, „Ich habe ja selbst nicht mehr dran gedacht...“ Philphlader sagte eine Weile nichts, als würde sie ihre Worte abwägen. Keiner der beiden Frauen, die mit Philphlader auf der Bank saßen, bemerkten den Blick, den sie zu Skyre und Kiso warf. In der Überzeugung, dass ihre Lautstärke ausgereicht hatte, damit die Männer am Brunnen mithören konnten, sprach Philphlader weiter: „Weißt du was? Yong-Kyun, hat jetzt eine neue Frisur!“ Scheinbar ahnungslos blickte sie beim Reden lächelnd zu Skyre und Kiso. „Ist schon faszinierend wie oft ein Bandsänger sein Erscheinungsbild verändert. Oder was sagst du dazu, Neechan?“ Verdutzt blickte Sila Philphlader an, schüttelte ihren Kopf und erklärte: „Dazu kann ich nichts sagen, denn ich habe doch nur die Lieder von dir bekommen, Imôto! Ich weiß gar nicht wie die Bandmitglieder aussehen. Du hast mir nur einmal erzählt wie der Sänger heißt, mehr nicht...“ Mit einem verschmitzten Lächeln nahm Philphlader wahr, dass Skyre plötzlich Interesse für ihr Gespräch mit Sila zeigte, obwohl sie zugeben musste, dass er es sehr gut versteckten konnte. Kiso, Phie und Sila schien überhaupt nicht aufgefallen zu sein, dass Skyre mit einem Ohr an jedem Wort von Philphlader und Sila hing. „Sie sind halt Koreaner... und so sehen sie auch aus“, sagte sie schlicht, doch sie wusste, dass sie damit ihre Freundin, die Asiaten sehr gerne mochte und durchaus an ihren Gesichtern unterscheiden konnte, neugierig gemacht hatte. „Jetzt hast du mich aber so weit! Du hast doch sicher Bilder von ihnen?! Da höre ich schon so lange ihre Lieder und weiß gar nicht mal wie die Band eigentlich aussieht.“ Sila hüpfte von ihrem Platz und klatschte fröhlich in die Hände, so wie sie es immer tat, wenn sie eine Idee bekommen hatte. „Ich hab's! Ich komme nachher einfach zu euch und hole mir die CDs ab! Was hältst du davon, Imôto?“ „Ähm ... Das ist keine so gute Idee, Neechan“, suchte Philphlader Sila noch etwas hinzuhalten. „Warum nicht?“ „Weil ... weil ich die CDs zur Zeit selber gerne höre ... Beim Lernen... Du weißt schon!“ „Oh! Wenn das so ist... Sag mir bitte Bescheid, wenn du sie weggeben möchtest, ja?“ Für Sila war das Thema damit abgeschlossen, doch für Philphlader fing es gerade erst an, denn weder ihre Freundinnen, noch Kiso bemerkten, dass Philphladers und Skyres Blicke sich in dem Augenblick trafen. Als Skyre den Namen „RedMotion“ aus Silas Lippen hörte, war er überrascht, doch als er nun dem durchdringenden Blick von Philphlader standhielt, schlich sich in ihm das Gefühl ein, dass es vielleicht doch jemanden geben könnte, der ihn durchschauen konnte, jemand, der vermutlich bereits mehr wusste, als sie zuzugeben bereit war. Schnell wandte er sich wieder Kiso zu, der ihm gerade etwas lustiges von sich und Sila erzählte, als sie noch kleiner waren, und hoffte, dass Philphlader nur zufällig zu ihm geschaut hatte. Sila hatte nicht oft die Möglichkeit genutzt um in der Stadt einkaufen zu gehen, doch an diesem Tag war jeder ihrer Freunde verhindert und so beschloss sie, die Zeit zu nutzen um die Stadt zu besuchen. Sie verbrachte viel Zeit in einem Zeichenladen, denn obwohl Tanzen ihr Beruf geworden war, zeichnete sie immer noch sehr gerne, besonders in der letzten Zeit, in der sie nicht mehr so viel tanzen konnte wie früher. Auch im Buchladen fand Sila einige neue Romane, wobei sie befürchtete, dass sie wieder einmal zu viel kaufen würde und gar nicht so bald Zeit finden würde, sie alle zu lesen. Doch wenn Sila einmal im Kaufrausch war, dann fiel es ihr nicht sehr leicht, auf ihre Vernunft zu hören. Gerade als sie sich auf den Heimweg machen wollte, lief Sila an einem Musikladen vorbei. Gerne vertrieb sie sich auch die Zeit damit, die CDs durchzuwühlen, immer in der Hoffnung ein Schnäppchen zu machen. Gerade als sie wieder gehen wollte, bemerkte sie eine Reihe von Schildern auf denen „Musik vom asiatischen Markt“ zu lesen war. Nun wurde sie neugierig. Sie ging näher an den Ständer heran und sah, dass die CDs nach Ländern sortiert waren. Gerne hörte sie japanische Lieder, doch seit Philphlader die Gruppe 'RedMotion' entdeckt hatte und seit sie im Tanzinternat zu koreanischer Musik tanzen konnte, lenkte Sila ihr Augenmerk auf die koreanischen CDs. 'Vielleicht haben sie hier auch CDs von „RedMotion“', dachte sie und klappte eine CD nach der anderen nach vorne, 'dann kann Imôto ihre CDs noch weiter hören!' Mit einem kleinen Jubel fand sie tatsächlich eine CD, auf der in großer, roter Schrift „RedMotion“ geschrieben stand. „Na wen haben wir denn da?“, begrüßte Sila die CD in ihrer Hand. Sie sah auf das Cover und konnte fünf männliche Bandmitglieder sehen. Sehr zufrieden mit ihrem Fund, hob sie die CD näher an ihr Gesicht um jeden Einzelnen der hübschen Koreaner ansehen zu können. Als ihr Blick jedoch auf den 3. Koreaner fiel, hielt sie plötzlich inne. Sie hielt die CD wieder weiter weg, wich mit ihrem Blick jedoch nicht von der Person in der Mitte, ab. Dann hob sie die CD wieder näher an ihr Gesicht um auch ja sicher zu gehen, dass ihre Fantasie ihr keinen Streich spielte, doch das Gesicht änderte sich nicht. Ihre Augen wurden vor Staunen ganz groß, während sie die leere Hülle hastig öffnete um das Booklet herauszunehmen. Alle Bandmitglieder waren dort einzeln oder zusammen auf mehreren Fotos abgebildet. „Stimmt etwas nicht mit der CD, Miss?“, fragte der Verkäufer, der Silas Reaktion bemerkt hatte. Sila blickte verwirrt auf, steckte entschlossen das Booklet wieder an seinen Platz, klappte die CD zu und schritt zur Kasse. „Ganz im Gegenteil! Haben sie noch mehr CDs von der koreanischen Band 'RedMotion'? Ich möchte sie kaufen!“ Zehn Minuten später verließ Sila mit vier eigenen CDs ihrer Lieblingsband den Musikladen. Ihr Blick war ernster und entschlossener denn je, als sie mit schnellem Schritt in Richtung Tanzinternat ging. 'Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten, Yong-Kyun Sky! ... Oder wie auch immer du heißen magst...' Ende Kapitel 20: ~ Der Mann mit den zwei Gesichtern ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)