Sonnenaufgang im Westen von Hotepneith (Aus den jungen Jahren eines Hundefürsten...) ================================================================================ Kapitel 4: Fallen ----------------- Das junge Ehepaar traf sich wochenlang abends mit solcher Regelmäßigkeit und Ausdauer, dass niemand an ihrem Eifer zweifeln konnte für den vom Fürsten gewünschten Nachwuchs zu sorgen. Kaum einer hätte sich jedoch vorstellen können, dass sie über Wirtschaft, Steuern und Magie sprachen, einige Bannkreise diskutierten, ehe sie ihrer Pflicht nachkamen. So näherten sie sich jede Nacht geistig weiter an und beide spürten, wie es mit dem gegenseitigen Respekt auch angenehmer wurde sich körperlich zu berühren. Die Prinzessin fand nur einen einzigen Punkt, über den ihr Ehemann mit ihr nicht sprechen wollte: Politik. Sie nahm an, dass das auf Befehl seines Vaters geschah oder auch eine reine Vorsichtsmaßnahme war. Schließlich war sie die Tochter eines Rebellen und mochte ihr Gefährte auch kein großer Krieger sein – er war klug. Ihre tägliche Stickarbeit wurde dadurch versüßt, dass er ihr regelmäßig Bücher mitgab, aus denen sie lernen konnte, oder auch wiederholen, was sie bereits wusste, zwischen der Tagesarbeit und den nächtlichen Gesprächen, oder auch an den wenigen Abenden, an denen er keine Zeit für sie fand. Der Prinz hätte ihr durchaus Neuigkeiten berichten können, wurde er doch von seinem Vater auf dem Laufenden gehalten, nahm auch inzwischen an fast allen Botenberichten teil. Die politische Lage hatte sich verändert, denn in den Bergländern östlich von ihnen war jemand gestorben: der Herr der dort lebenden Drachen. Und dieser hatte sich durch vollständige Feindseligkeit nicht nur gegenüber Dämonen im Allgemeinen sondern auch dem Taishou im Besonderen ausgezeichnet. Mit dem Boten, der die Todesnachricht brachte, kam auch der Verhandlungsvorschlag des neuen Drachenkönigs, mit der Bitte um ein persönliches Treffen zwischen ihnen. „Das könnte eine Falle sein, verehrter Vater,“ gab der Prinz zu bedenken, als ihm der Hundefürst dies mitteilte und seine Meinung wissen wollte: „Ein Treffen zwischen Euch und ihm mit nur fünf Kriegern je Partei? Wer garantiert, dass er nicht mehr mitbringt?“ „Und wer sagt ihm, dass ich nicht mehr mitbringe? Es mag eine Falle sein, ja. Aber nach all dem Blutvergießen der letzten Jahrzehnte, Jahrhunderte, wäre es an der Zeit auf dieser Seite Frieden zu schaffen. Vergiss nicht, im Süden lauert Susumu.“ „Das könnte auch einen Zweifrontenkrieg ergeben.“ „Genau dieser könnte dadurch verhindert werden, dass sich die Drachen ruhig halten. Nichts wird ohne ein Risiko gewonnen, schon gar nicht als Herrscher.“ „Bitte, erlaubt, dass ich mit Euch gehe.“ „Ich hoffe, du traust mir zu mich zu verteidigen.“ „Verehrter Vater!“ „Deine Idee ist gar nicht schlecht,“ sagte der Fürst dann nachdenklich: „Wenn du mit mir gehst und dafür nur vier andere Krieger, könnte es einen besseren Eindruck machen. Immerhin bist du mein einziger Sohn und Erbe, das müsste Shigatsu einen Beweis meines Vertrauens geben. Schließlich kommt er mir ja auch entgegen, in dem er den Treffpunkt bereits innerhalb der westlichen Länder vorschlug.“ „Ja, das spricht für ihn,“ gab der Prinz zu: „Wann wünscht Ihr aufzubrechen?“ „In zwei Tagen. Das genügt, um an dem vorgeschlagenen Treffpunkt am Abend anzukommen. Ich kenne Shigatsu nicht persönlich, aber ich hoffe, dass er kein Narr ist. Der Treffpunkt liegt auf meinem Land und er sollte wissen, dass Hundedämonen über ein gutes Geruchsvermögen verfügen. - Dann geh jetzt.“ Sein Sohn verneigte sich gehorsam und verließ das Arbeitszimmer seines Vaters, wenn auch in Gedanken. Irgendetwas störte ihn an dem Treffpunkt, ohne, dass er hätte sagen können,was. War es doch eine Falle? Aber Vater hatte Recht: der Drachenkönig ging seinerseits ein Risiko ein, in dem er in das Land seines Gegners reiste. Und eine Armee oder auch nur ein größerer Heertrupp sollte doch bemerkbar sein. Dennoch war er froh, dass er dabei sein konnte. Sicher, der Herr der Hunde verfügte mit dem Höllenschwert über eine furchtbare Waffe, die allerdings besser nicht eingesetzt wurde. Solange letzteres freilich die Gegner nicht wussten, erschreckte allein der Ruf sie. Und Kodoros schnelle, aber schmerzhafte, Niederlage würde sich durchaus verbreitet haben. Was also störte ihn nur an dem Treffen dort in den Bergen? Näher heran würde Shigatsu kaum kommen wollen, dazu war der Krieg in den letzten Jahrhunderten viel zu oft aufgeflammt. Es war eigentlich sowieso erstaunlich, dass der neue Drachenkönig nach Frieden trachtete, damit alle Kriegsopfer und deren Angedenken auf seiner Seite praktisch für nutzlos erklärte. Aber ihm war ja selbst nur zu bewusst, dass auch er einiges anders als sein verehrter Vater machen würde, wenn er das Sagen hätte. So sehr er ihn bewunderte und achtete – manche Dinge hatten sich überholt. Als am Abend seine Ehefrau zu ihm kam, winkte er ihr sich zu setzen, und sagte in der Hoffnung auf eine Klärung: „Kennt Ihr die Berge von Me?“ „Ja.“ War heute Geographie dran? Sie war amüsiert, dass er jeden Abend ein neues Thema anschnitt. Wollte er herausfinden, was sie so alles wusste? Aber es war ein weitaus unterhaltsameres Gespräch als diese nichtigen Kleinigkeiten, mit denen ihre Kammerfrauen sie zu erheitern gedachten. Klatsch und Tratsch des Schlosses, zumal von Leuten, die sie kaum je gesehen hatte, oder auch nie, lagen ihr nicht. „Was wisst Ihr darüber?“ „Die Berge von Me liegen im Osten, am Rande des Herrschaftsgebietes Eures mächtigen Vaters, unseres Fürsten. Sie sind recht steil und felsig, wie ich hörte, und selbst von Dämonen nicht bewohnt. Das dürfte aber daran liegen, dass im westlichen Teil Paradiesvögel leben.“ „Paradiesvögel.“ Der Prinz starrte sie an: „Das bedeutet, um von hier zur Grenze zu gelangen, muss man durch deren Gebiet?“ Das also war es gewesen, dass in ihm genagt hatte. Natürlich hatte er schon von diesen Wesen gehört, aber ihren Wohnort vergessen. „Ich bin mir nicht sicher,“ erklärte sie, ehe sie begriff: „Ihr sollt dorthin?“ Er war kein Krieger und Paradiesvögel galten als stark und gefräßig. Sie ertappte sich bei einer gewissen Besorgnis. „Ich werde übermorgen abreisen. Ich wollte Euch sowieso noch davon in Kenntnis setzen, dass Ihr einige Abende auf mich verzichten müsst.“ „Ich bedauere dies,“ sagte sie ehrlich. Die Gespräche würden ihr fehlen – und das Andere auch, gab sie zu: „Aber ich bin erfreut, dass Ihr mir dies mitteilt.“ „Ich vermute, es wäre Euch aufgefallen, dass weder ich noch der Fürst hier sind,“ meinte er mit einem Lächeln: „Es sind nur wenige Tage.“ Sie dachte kurz nach, ehe sie ihren Scharfsinn bewies: „Es geht um die Drachen?“ „Kein Krieg. Und fragt nicht weiter.“ „Verzeiht. Ich bin mir bewusst, dass Ihr nicht darüber sprechen dürft.“ Kein Krieg, aber Fürst und Erbprinz reisten in diese Richtung? Dann konnte es eigentlich nur um Friedensverhandlungen gehen. Aber vermutlich würde sie davon erst erfahren dürfen, wenn ein offizielles Fest angesetzt würde oder sonst etwas. Leider hielt ihr Schwiegervater Frauen im Allgemeinen für recht dumme Geschöpfe. Aber er war der Fürst und er hatte das alleinige Sagen, war Herr über Leben und Tod aller. So war sie auch nicht verwundert, als sie am folgenden Abend nicht mehr gerufen wurde. Vermutlich war er bei seinem Vater, um die kurze Reise vorzubereiten. Sorano, die ältere ihrer beiden Kammerzofen, hatte sich von ihr Befreiung erteilen lassen, da sie zur Totenfeier ihrer Mutter reiste, und so half ihr nur Sumu, die jüngere, aus einem Falkenclan. Die Prinzessin kannte solche Wesen, lebten sie doch in den Ländereien ihres Vaters, in den Bergen an der Grenze zum Süden, aber sie fand es immer wieder ein wenig eigenartig, dass Sumu statt Haare Federn auf dem Kopf besaß, selbst in menschlicher Gestalt. Konnte oder wollte sie sich nicht vollständig verwandeln? Sumu meinte leise: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dass Sorano nicht hier ist, Prinzessin, um Euch mitzuteilen, dass ich für Euren verehrten Vater arbeite.“ „Eine Spionin?“ fragte die junge Dame prompt, um zu verbergen, dass allein das ein seltsames Gefühl in ihr weckte. Vater, das schwebende Schloss, das sie nie zuvor verlassen hatte – und hier war jemand von zuhause. „So würde ich das nicht nennen.“ Die Vogelfrau klang indigniert: „Er wünscht eben Nachricht, falls Ihr schlecht behandelt werden solltet, oder auch, falls Ihr Nachwuchs erwarten solltet.“ „Du scheinst nicht ungeschickt zu sein, wenn es dir gelang, dich unter die Kammerfrauen zu mischen, die mir zugewiesen wurden.“ Vater – er dachte an sie, machte sich Sorgen. Ihr wurde etwas warm ums Herz, ungewohnt, aber das ließ eine gewisse Vertrautheit zu dieser fast Fremden zu. „Danke.“ Sumu bürstete das lange, weiße Haar ihrer Herrin: „Falls Ihr also eine Nachricht habt, könnt Ihr sie mir geben.“ „Wie du selbst weißt, werde ich nicht schlecht behandelt. Und was das Thema Nachwuchs angeht, so ist es noch zu früh, etwas genaues zu sagen. Überdies sollte mein Gemahl zuerst davon erfahren.“ „Er ließ Euch heute nicht rufen....“ War das ein, selbstverständlich indirekter, Vorwurf gegen ihren Gemahl? „Nein, und er wird es auch die nächsten Tage nicht tun.“ „So...wird er Eurer doch nicht schon überdrüssig?“ Die Falkendämonin klang besorgt. Unwillkürlich bemüht ihn zu schützen, sagte die Prinzessin kühl: „Er geht morgen auf eine kurze Reise in die Berge von Me, das ist alles.“ „Wohl dann eine Jagd, denn auch der Fürst wollte irgendwohin aufbrechen.“ Sumu nickte: „Er ließ den Rat zusammenkommen, das macht er immer, ehe er das Schloss verlässt.“ „Möglich.“ „Habt Ihr noch einen Wunsch, Prinzessin?“ „Nein, du kannst gehen.“ Auf sie wartete neue Lektüre. Mit Gartenanlage und Botanik hatte sie sich nie zuvor befasst und das würde sie an den Abenden lesen, bis er zurück war, sicher, dass dies die Themen waren, die er als nächstes anschneiden wollte. Am folgenden Tag erreichten der Inu no Taishou, sein Sohn und vier ausgewählte Elitekrieger, Hundedämonen, am frühen Nachmittag die steilen Berge von Me. Während sie auf dem kaum sichtbaren Pfad immer höher und tiefer in das Gebirge schritten, bewahrten sie stets die gleiche Ordnung: der Fürst voran, dahinter sein Sohn, dann die Hundekrieger. Der Prinz warf immer wieder einen Blick empor zu den schroffen Gipfeln. Paradiesvögel waren groß, aber auch aggressiv und eine Verständigung eigentlich nur mit dem Schwert möglich. „Nervös, mein Sohn?“ Natürlich war dem Taishou das nicht entgangen: „In diesen Bergen leben Paradiesvögel, verehrter Vater,“ erläuterte der Prinz daher sein Verhalten. „In der Tat. Jedoch weiter im Westen, ungefähr einen halben Tag entfernt. Und sie verlassen ungern ihre heimatlichen Horste. Vor ihnen sind wir hier sicher. Allerdings ist Vorsicht durchaus angebracht. Wir haben in wenigen Stunden ein Treffen mit Drachen.“ Und es mochte ein Hinterhalt sein, aber das brauchte er nicht erneut auszusprechen. Der Prinz nickte. Aber irgendwie war ihm bei dem Gedanken an die riesigen Vögel mit zwei menschlichen Oberkörpern darauf nicht wohl. Er war jedoch zu gut erzogen, um seinem Vater zu widersprechen. So ließ er seinen Blick immer wieder über die Berghänge schweifen, suchte nach dem Geruch von Drachen oder Dämonen. Ansonsten betrachtete er das Schwert auf dem Rücken des Fürsten vor ihm. Geboren aus der Hölle war es auch eine wahrhaft höllische Waffe, wie Kodoro erst hatte feststellen müssen. Allerdings hatte sein Vater ihm eingeschärft, dass er es, sollte er es durch Erbe erhalten, nie zu oft einsetzen dürfe. Wie nach allen Seelen dürstete es vor allem nach der seines Trägers. Besaß es sie, würde ein sinnloses Morden alles Leben vernichten. Der Prinz fragte sich, nicht zum ersten Mal, wie diese Waffe eigentlich in das Diesseits gelangt war – und wie man sie wieder dorthin schicken konnte, wohin sie gehörte. Das betrachtete er als seine eigentliche Lebensaufgabe: die Familie von diesem Fluch zu befreien. Denn das war es. Nur ein Mitglied aus ihrem Blut war in der Lage, den finsteren Geist des Schwertes zu besiegen. Und das auch nur, wenn man es nicht zu oft einsetzte. Aus diesem Grund hatte er sich auch so viel mit Magie, gerade auch magischen Schwertern, befasst und suchte immer noch nach neuen Erklärungen, weiteren weisen Dämonen zu diesem Thema. Ein junger Schmied an einem Feuerberg war ihm besonders geeignet erschienen. Dieser Toutousai hatte zwar einige Schrullen, aber das hatten Genies nun einmal. Er hatte ihm auch einiges schon zu dem Höllenschwert sagen können, nur leider nicht, wie man es wieder in der Unterwelt versiegeln könnte. Sein Vater hatte sich dafür nie so interessiert – er war Krieger mit Leib und Seele und ein sorgfältiger Verwalter seines Landes. Nun, letzteres würde er auch sein, er würde auch kämpfen, aber im Höllenschwert, genauer, dessen Versiegelung, sah er den Kernpunkt seines Lebens. Sie gingen einen Abhang entlang, der aus Felsgeröll bestand, als die Falle zuschnappte. Ohne dass ein Geruch sie gewarnt hätte, schossen von oberhalb Pfeile auf sie zu, gezielt vor allem auf den Fürsten, der in die Knie ging, aber unwillkürlich nach seinem Schwert griff. Im nächsten Moment war der Angriff einer vielfachen Überzahl an Dämonen auf seltsamen vierbeinigen Vögeln reitend auch schon über ihnen. Der Prinz hatte bislang am wenigsten Verletzungen abbekommen. Zum einen reichte seine Rüstung auch über die Oberarme und er trug Unterarmschützer, zum anderen hatten die Angreifer wohlweislich zuerst den Taishou attackiert. Der junge Hundedämon griff zu seinem Schwert und warf einen Blick zurück, nur, um zu sehen, dass die Krieger niedergemacht wurden. Dann waren die Angreifer auch schon bei ihm und seinem verletzten Vater. Der hatte das Höllenschwert noch halb aus der Scheide gebracht, als ihn ein geworfenes Beil am Kopf traf, tief in die Stirn drang. Der Hundefürst brach endgültig zusammen. „Vater!“ keuchte der Prinz unwillkürlich auf, ehe er alle Hände voll damit zu tun hatte, sich irgendwie selbst zu schützen, ohne den Hang hinunterzustürzen. Tat er dies, war er den Attacken der fliegenden Angreifer wehrlos ausgeliefert. Das Höllenschwert! Wenn er es in die Hand bekam, es führen konnte...Das war die einzige Chance für ihn, und wohl auch für seinen verehrten Vater, diesen Hinterhalt zu überleben. Mit seiner eigenen Klinge wehrte er Beile ab, die auf ihn geworfen wurde, deckte sich gegen Schwerter, wie, konnte er sich auch später nicht erklären. Nur, dass er irgendwie noch immer klar und nüchtern denken konnte, jede Entfernung, jede Bewegung zu analysieren vermochte. Die drei Schritte bis zu seinem liegenden Vater schienen ihm eine endlose Zeit zu brauchen, ehe er seine eigene Waffe wegwarf, um mit beiden Händen das Höllenschwert zu ziehen. „Töte!“ sagte fast sofort eine dunkle Stimme in ihm: „Ich will Seelen!“ „Nimm sie dir!“ Der Prinz warf sich herum, und ließ die Klinge machen, überließ sich dem mörderischen Willen in ihr. Als er Sekunden später wieder klar zu Bewusstsein kam, starrte er entsetzt auf das Bild vor sich. Der Geröllabhang vor ihm war von einer größeren Lawine herabgerissen worden, aber das war nicht der Grund. Von den sicher dreißig Dämonen und ihren seltsamen Reitwesen waren nur mehr Fetzen übriggeblieben. In der Tat. Ein höllisches Schwert. „Töte weiter. Ich will mehr Seelen.“ „Vergiss es. Hier gibt es keine.“ Aber er bemerkte, dass sich der Wille der Klinge des seinen bemächtigen wollte. Es waren nur seine langen Übungen, die es ihm ermöglichten, den Geist des Schwertes zurückzudrängen – und seine Sorge um seinen Vater und die Krieger. Endlich gelang es ihm die Klinge zurück in die Scheide zu stecken, die der Hundefürst noch auf seinem Rücken trug. Besorgt tastete er nach dessen Hals. Die Stirnverletzung durch das Beil, die Pfeile in den ungeschützten Körperteilen...Die Krieger waren tot, da war er sicher, aber Vater....nicht Vater? Dann jedoch musste er erkennen, dass er ihn verloren hatte. Er stand auf und schrie, dass es im Tal widerhallte. Nein, nicht! So hatte der Taishou doch Recht behalten, dass die Verantwortung für den Westen und das Höllenschwert nur zu bald auf ihn selbst übergehen sollte. Er war nun der Herr der Hunde, der Herr der westlichen Länder – und der Besitzer einer wahrhaft mörderischen Klinge. Und jemand würde für das hier teuer bezahlen. Sollten die Drachen nur warten, das war jetzt gleich. Die Angreifer waren keine gewesen, das kam aus einer anderen Ecke – oder dieser neue Drachenkönig Shigatsu hatte schon mehr als weitreichende Plänen geschmiedet. Das sollte er sich noch gut überlegen. Erst einmal jedoch musste er zurück. Vater sollte bestattet werden, wie es sich für ihn ziemte. Mit etwas zitternden Händen löste er die Scheide des Schwertes und schnallte es sich selbst um. Erst jetzt bemerkte er seine eigenen Verletzungen an den Händen, den Beinen und im Gesicht, die Erschöpfung durch den so plötzlichen Kampf und auch den gegen das Höllenschwert. Immerhin, er war noch am Leben, und das hatten die Angreifer ganz sicher nicht als Ziel gehabt. Mühsam hob er den verstorbenen Fürsten auf. Die Krieger konnte er unmöglich mitnehmen, aber er würde sofort Leute herschicken, um sie zu holen und ebenfalls würdig bestatten zu lassen. Es wurde ein anstrengender, bitterer Rückweg für ihn, auf dem seine Gedanken ständig darum kreisten: wer? Wer hatte alles gewusst, dass Vater und er heute mit nur wenigen Kriegern in die Berge von Me gehen würden? Und eigentlich fiel ihm nur eine einzige Antwort ein: seine eigene Frau. Er hatte ihr vertraut, ja, sie gemocht, und sie hatte ihn verraten, Vater verraten... Mit jedem Schritt nach Hause stiegen sein Schmerz - und sein Zorn. Die Prinzessin saß mit ihren Damen wie jeden Tag in ihrem Zimmer und stickte an einem Kimono, als die Tür aufgestoßen wurde. Die Kammerfrauen sprangen auf, ihre junge Herrin erhob sich deutlich gelassener, ehe sie erkannten, wer dort stand. Jetzt erst sahen sie alle, dass die dämonische Energie, die sie zuvor schon gespürt hatten, aber den übenden Kriegern draußen zugeschrieben hatten, allein zu ihm gehörte, genährt von einer Empfindung: tobender Zorn. „Hinaus!“ Der Befehl ließ die Damen förmlich hinausrennen und die Tür hinter ihm schließen, froh, der bedrohlichen Nähe entkommen zu können. Die Prinzessin betrachtete ihren Ehemann, der seine volle Energie zeigte – und das war eine Menge. Himmel, war er stark. Das hatte sie nie zuvor so bemerkt. Er stand da, ein Schwert auf dem Rücken, Blutspuren im Gesicht und auf der Rüstung und verschränkte die Arme. Ja, er lächelte nun sogar, und sie schauderte in einem Vorgefühl der Angst. Nie zuvor hatte sie einen Dämon so gesehen. Sie bemühte sich, ihre instinktive Furcht zu unterdrücken, aber er hatte es gesehen, da war sie sicher, denn er erkundigte sich fast freundlich: „Ihr wisst, warum ich hier bin?“ „Ich...ich bin erfreut, dass Ihr bereits zurück seid.“ Noch während sie die höfische Formel murmelte, fragte sie sich, was geschehen war, dass er so zornig war – und eindeutig auf sie. „Lügnerin!“ Im nächsten Moment stand er vor ihr und schlug zu. Einen zweiten Schlag verhinderte ihre instinktive Abwehrbewegung, während bereits ihre eigene Energie aufflammte, um sie zu schützen. Das war der Moment, in dem es die Damen im Vorzimmer wirklich für klüger hielten, das zu räumen. Ehekrach war ja immer unangenehm, aber das schien auch noch heftig zu werden. Hoffentlich würde sich die Prinzessin daran erinnern, dass sich bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem Gemahl ziemte. Niemand hatte ihn je zuvor in solcher Stimmung gesehen und was auch immer diesen Zorn ausgelöst hatte – es wäre klüger, ihn nicht noch mehr zu reizen. Auch der Prinzessin war das klar geworden, und während sie noch ihre Selbstbeherrschung zusammensuchte, versuchte, sich etwas zu überlegen um ihn zu besänftigen, fühlte sie bereits eine Klaue an der Kehle, die sie drosselte und rückwärts gegen die Wand drückte. „Ehe ich dir die Zunge herausreißen lasse, sag mir, warum...“ Warum was? Aber sie war zu nüchtern, um nicht zu erkennen, dass das die sicher falscheste Antwort gewesen wäre. Er war so zornig, so außer sich, und seine Energie deutlich höher als die ihre. Überdies hatte er das Recht und die Macht auf seiner Seite. Sie musste ihn irgendwie beruhigen. „Ich...ich bitte Euch, schont mich. Denkt an das Kind....“ Tatsächlich gab er sie frei: „Das Kind? Erwartet Ihr eines?“ „Ich vermute es,“ gab sie mit unheilbarer Ehrlichkeit zu: „Aber ich wollte Euch davon erst nach Eurer Rückkehr berichten, wenn ich sicherer sein könnte.“ Er musterte sie, ehe er sich umdrehte. Da er zu ihrer Erleichterung seine Energie wieder verbarg, zog auch sie ihre Macht wieder in sich zurück. Keine Minute später kam er wieder. „Ich habe nach der Heilerin gesandt.“ Das war zu erwarten gewesen. Immerhin schien er nun ruhiger zu sein – und würde seine Drohung hoffentlich nicht wahr machen, auch, wenn sie nicht guter Hoffnung wäre. Was war nur geschehen? Aber etwas in ihr sagte ihr, dass sie dazu im Moment lieber noch schweigen sollte. ** Die Flitterwochen sind vorbei. Im nächsten Kapitel gibt es für viele Neuigkeiten. Für den neuen Taishou, Fürst Susumu und nicht zuletzt für die Prinzessin. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)