Wolfsträume von Scarla ================================================================================ Kapitel 2: Bei Rose ------------------- »Nein, kein Wort, aber tief haben wir auch nicht gerade gebohrt…«, antwortete Nea auf die Frage ihrer Schwester. »Genau genommen hab ich bloß einmal nachgefragt, was die Sache mit uns zu tun habe«, fügte Lugh Akhtar hinzu. Dabei wandte er nicht einmal den Blick. Er hätte sich kaum ein besseres Haus innerhalb der wehrhaften Mauern dieser Stadt suchen können. Es lag direkt am Rand, in einer ruhigen Gegend, in der nicht mehr viel von der magischen Kraft Altenas zu spüren war. Hier lag Schnee, vom Fenster aus konnte man die weite Winterlandschaft und den unendlichen Sternenhimmel sehen und eigentlich hatte man nicht mehr das Gefühl, in Altena zu sein. »Lass mich raten, er hat dich komplett ignoriert und stattdessen etwas unglaublich Weises, was aber keiner versteht, von sich gegeben, stimmt’s?«, lachte Rose. »Nein. Er hat mir gekonnt einer seiner Nichtantworten gegeben und wir haben es dabei belassen. In einer Woche wissen wir es sowieso«, antwortete Lugh Akhtar und fuhr mit der Hand durch die Luft, über die schmale Mondsichel, als wolle er die Wolken davon wischen. Doch er ließ keine Magie wirken. »Nun gut, von mir aus auch so, es ist aber trotzdem typisch für ihn«, fand Rose und streckte sich, wobei dem jungen Mann auffiel, wie passend doch ihr Name war. Sie war wunderschön anzusehen, doch hatte sie das Herz einer Löwin, eine Zunge wie ein Dolch und war so unberechenbar wie der Wind. Ein wenig wie Dornen. Nea wollte gerade etwas sagen, vermutlich, dass sie nicht so gemein gegenüber dem guten alten Herrn sein sollen, da öffnete sich die Tür und zwei neugierige Kinderaugen lugten durch den Spalt. Eine Löwin konnte man zähmen, den Wind mit Magie beherrschen und auch ein Dolch wurde stumpf, und alles durch die Hand eines Menschen…, dachte sich Lugh Akhtar und lächelte still und wissend in sich hinein, als er sah, wie Roses Töchter sich darum stritten, wer nun als Erste hineingehen sollte. Auch ihre Mutter indes hatte die offene Tür bemerkt und riss sie mit einem Ruck auf. »Was wollt ihr?«, fragte sie barsch. Rose fand offensichtlich, dass man Kinder streng erziehen musste, und sie setzte es gnadenlos in die Tat um. Wie sollte es auch anders sein, wenn man mit zwölf jüngeren Geschwistern aufgewachsen war. Und die Mädchen, mit dem Löwenherz der Mutter gesegnet, ließen sich davon nicht beeindrucken, oder gar verschrecken. »Wir wollen bei Tante Nea sein«, erklärte die Jüngere kühn, obwohl sie und ihre Schwester Nea bisher keines Blickes gewürdigt hatte. Lugh Akhtar dafür umso mehr. Rose wollte eben loswüten, da kam Nea den Beiden zur Hilfe. »Lass sie hier, Rose, es würde mich sehr freuen. Und du kannst sie sowieso nicht die ganze Woche bis zur Versammlung aussperren, und wer weiß, wie lange es dann noch dauert, bis wir wieder gehen…!« Dem konnte sich Rose nicht verschließen und so nickte sie, überschüttete die Beiden aber sogleich mit allen möglichen Ermahnungen. Dies ignorierte vor allem die Jüngere sehr gekonnt. Sie lächelte zufrieden, ging dann zu Lugh Akhtar, kletterte ungefragt auf seinen Schoß, um ihn von dort aus mit großen Augen anzusehen und zu fragen: »Wieso hast du so seltsame Augen? Bist du wirklich der große, böse Zauberer, wie Papa behauptet?« Sogleich schien es, als wolle Rose komplett in die Luft gehen, doch Lugh Akhtar lächelte freundlich. »Ja, manchmal bin ich der böse Zauberer, aber nicht immer. Du musst wissen, dass ich verschiedene Personen sein kann, je nachdem, wie ich es gerne möchte«, erklärte er und die Mädchen schauten ihn mit großen Augen an. »Und deine Augen? Ich möchte auch solche Augen, sie sehen aus, wie ein Regenbogen«, erklärte die Ältere sehnsuchtsvoll. »Die habe ich, weil mich einmal ein anderer, mächtiger Zauberer verwandelt hat. In einen Wolf. Und Nea hat mich zurückverwandelt«, erklärte er wahrheitsgetreu. Die Kleine auf seinem Schoß blickte erst ihn, dann Nea und noch einmal ihn mit gerunzelter Stirn an, bevor sie meinte: »Großmama und Tante Robin haben überlegt, ob ihr zwei, also du und Nea, ob ihr nicht irgendwann heiraten werdet!« Da hatten sich die Mädchen jede Chance verspielt, den Abend mit ihnen zu verbringen. Während Rose zeternd und keifend ihre Töchter aus dem Wohnzimmer verbannte, warf Lugh Akhtar Nea einen kurzen Blick zu, um sich dann den Fußboden genauer zu besehen. Nea dagegen wurde feuerrot und besah sich eifrig die Decke des Raums. »Entschuldigt, ich wusste, dass so etwas passieren würde, deswegen wollte ich…« Rose runzelte verwundert die Stirn, als sie die Beiden so sitzen sah, dann lachte sie laut. »Oh nein, meint ihr das ernst? Ihr seid wirklich ein Paar?« »Nein, sind wir nicht!«, ereiferte sich Nea und machte damit jedoch alles eher noch schlimmer. Rose kicherte: »Ihr benehmt euch, wie zwei Schulkinder. Warum hast du mir nichts von deinem Geliebten erzählt?« »Weil er nicht mein Geliebter ist! Er ist… bloß ein guter Freund«, antwortete sie, noch immer rot im Gesicht. »Und wie siehst du das, Lugh?« Rose hatte sofort angekündigt, ihn bloß so zu nennen, denn sein voller Name war ihr zu lang. »Geliebter…?« Er lauschte nach der Melodie des Wortes, doch sie gefiel ihm nicht. »Ich denke nicht. Wegbegleiter, ja, Zuhörer ebenfalls und auch Mutsprecher. Ein Freund eben. Aber nicht ihr Geliebter.« »Du liebst Nea also nicht, ja? Kein Stück, nicht einmal ein Bisschen?«, lauerte Rose. »Liebe… das ist so ein großes Wort… ich denke nicht, dass ich es ausfüllen kann. Ich brauche sie, das ist ein Teil von Liebe, aber mehr…?« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Ich denke nicht…« Er merkte es nicht, doch Rose spürte die tiefe Enttäuschung ihrer Schwester sofort. Äußerlich ließ sich Nea nichts anmerken, doch innerlich überfiel sie die Trauer. »Ich denke, es ist spät, wir sollten schlafen gehen«, bot Rose ihrer Schwester sogleich die perfekte Möglichkeit, sich zurück zu ziehen. Nea nutzte die auch sofort dankbar, indem sie lächelte und zustimmend nickte. »Dann geht schlafen, ich bleibe noch ein wenig hier… wenn die Dame des Hauses es gestattet, heißt das«, erklärte er und blickte Rose fragend an. Die zuckte mit den Schultern, während sie aufstand. »Mach, was du willst.« »Geht leider nicht. Ich denke nicht, dass es Nikolai gefallen würde, wenn ich nun einfach nach Hause ginge.« Er lächelte milde. Rose schnitt eine Grimasse, dann verließ sie mit Nea gemeinsam den Raum. Lugh Akhtar schaute noch einen Moment die geschlossene Tür an, dann schaute er wieder aus dem Fenster hinaus. Er dachte nach, dachte an Nea und ihre Schwester und an die Liebe, an ewig währendes Glück. Das Leben als Mensch war schon verwirrend, wie einfach war doch alles gewesen, als er noch als Wolf sein Dasein fristete. Doch das war vorbei. Er war tief in Gedanken versunken, da öffnete sich die Tür und Roses Ehemann trat ein. Es war dunkel, denn alle Kerzen waren verloschen, deswegen bemerkte er Lugh Akhtar im ersten Moment nicht. »Oh, entschuldige, ich dachte, du wärst mit den Damen gemeinsam schlafen gegangen«, erklärte er und wollte schon wieder gehen, doch Lugh Akhtar starrte ihn nur still an, da blieb er doch, druckste einen Moment herum, bevor er zu einem der Sessel ging, und sich setzte. »Du bist der Zauberer Fjodor, nicht wahr?«, fragte er leise. »Ja«, antwortete Lugh Akhtar. »Wieso bist du hier? Ich dachte, du wolltest Altena für immer den Rücken kehren…?« Es klang neugierig, nicht vorwurfsvoll. »Man sagte mir, es sei auch für mich von Bedeutung, was auf der Versammlung besprochen werden soll. Ansonsten wäre ich gewiss nicht gekommen. Und ich werde auch schnell wieder gehen«, antwortete er. »Weißt du, worum es gehen wird?« »Nein.« »Ich schon.« Lugh Akhtar erinnerte sich. Ja, Roses Ehemann hatte zu seiner Lehrzeit schon einen recht hohen Rang inne gehabt, und er wird wohl noch weiter empor geklettert sein. »Und worum wird es gehen? Oder darfst du es mir nicht verraten?« »Eigentlich nicht, selbst Rose weiß nicht Bescheid. Aber ich werde es dennoch tun…« Er seufzte tief und schaute einmal kurz in Lugh Akhtars Augen. Zum ersten Mal, wie dem sofort auffiel. »Nun, es ist so. Der Winter, er wird immer kürzer und auch immer wärmer. Natürlich, die Menschen freut es, sie müssen nicht mehr so lange hungern und frieren, sie brauchen ihre Häuser nicht mehr winterfest machen, keine großen Vorräte für sich, oder das Vieh anlegen, Winterkleidung nähen, Schneestürme fürchten und so unendlich vieles mehr, aber…« Er zuckte die Achseln. »Die Natur hat keine Zeit mehr, sich von dem zu erholen, was wir ihr jedes Jahr abverlangen.« Lugh Akhtar wusste trotzdem, wie der Satz endete. Er zuckte gleichmütig die Schultern. »Das lassen die Zauberer von jeher nicht zu. Sie halten die Stadt doch schon seit Jahren künstlich warm, deswegen blüht hier auch schon seit Jahren nichts mehr. Aber wieso dazu eine Versammlung einberufen?« »Wir wollen diskutieren, ob wir nicht einen künstlichen Winter erzeugen wollen. Deswegen sind auch die Menschenherrscher dabei, sie müssen uns ihre Erlaubnis geben, es zu tun«, antwortete er. Lugh Akhtar schaute ihn Wort- und Bewegungslos an und dachte nach über den Namen des Mannes. Der schüttelte lächelnd den Kopf. »Wie hat Kathlyn sich ausgedrückt? Der Winter ist davon gelaufen, weil wir böse zu ihm waren. Und jetzt müssen wir ihn davon überzeugen, Heim zu kehren…« Es sollte wohl eine scherzhafte Bemerkung sein, doch Lugh Akhtar starrte ihn irritiert an. Ihm war wieder sein Traum eingefallen. Wie nur hatte er ihn vergessen können? Doch er war sich nun nicht mehr sicher, ob es wirklich ein Traum war. »Was wäre, wenn sie recht hätte?«, fragte er langsam. »Womit? Das man den Winter bestechen muss, damit er wieder kommt?« Er lachte. Lugh Akhtar schüttelte den Kopf. In seinen Gedanken wuchs ein Plan heran. Er stand auf und ging zur Tür. »Ich denke, auch für dich wird die Versammlung noch eine Überraschung werden«, erklärte er, lächelte und verließ den Raum, um sich in seinem Zimmer schlafen zu legen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)