Wolfsträume von Scarla ================================================================================ Kapitel 3: Der Stein -------------------- Es dauerte nicht mehr lange, da trafen sie auch Tariq wieder. Er war als Stellvertreter des Königs von Lanta da und trieb sich seit Tagen schon in der Nähe des Zaubererturms herum, in der Hoffnung, dass er seine Freunde wieder treffen würde. Er wusste, dass auch Lugh Akhtar und Nea eingeladen waren, so hoffte er, sie bei ihrer Ankunft treffen zu können. Doch es war Kathlyn, die er fand. Sie war mit Nea und Lugh Akhtar einkaufen gegangen und mir nichts, dir nichts einfach verschwunden, um ihre Neugierde zu befriedigen. Und Roses ältere Tochter war sehr neugierig. Da sah sie also Tariq auf dem Rand des Brunnens sitzen und den Zaubererturm beobachten, stellte sich vor ihm auf und fragte mit Unschuldsblick: »Willst du in den Turm?« Im ersten Moment blinzelte der Prinz verblüfft, denn bisher hatte ihn nicht nur niemand angesprochen, sondern die Mütter hatten ihren Kindern auch eingeschärft, sich von dem seltsamen jungen Mann fern zu halten. »Nein, ich warte auf jemanden. Er wird in den Turm gehen, wenn er kommt, deswegen bin ich hier«, antwortete der freundlich. »Wieso bist du dir da so sicher?«, erkundigte sich das Mädchen. »Weil er keine Verwandten in der Stadt hat, bei denen er unterkommen könnte. Und weil er ein mächtiger Zauberer ist. Er wird hierher kommen«, erklärte der junge Prinz. »Klingt logisch. Ist es ein guter Freund von dir?« »Ja, der Beste, den ich je hatte. Der Beste, den sich ein Mensch nur wünschen kann«, lächelte er. »Das freut mich, gute Freunde kann man nie genug haben, sagt Mama immer.« Sie lachte ebenfalls, dann schaute sie sich suchend um. »Ich glaube, ich muss gehen, Tante Nea wird sich bestimmt schon wundern, wo ich bin.« Da stutzte Tariq. »Deine Tante Nea… Ist sie eine Zauberin?« »Ja, und eine besonders mächtige noch dazu! Sie wohnt im Moment bei uns gemeinsam mit ihrem Freund. In Wirklichkeit ist er bestimmt ihr Geliebter, aber sie wollen es nicht zugeben.« Sie kicherte. »Das denkt Mama auch, aber sie ist jetzt ein bisschen sauer auf ihn, weil er so tut, als wäre ihm Nea egal. Und er begreift auch gar nicht, dass er böse zu Nea war. Aber niemand will ihm das sagen, Nea nicht, weil sie ihn ja liebt und Mama und Papa nicht, weil sie ein bisschen Angst vor ihm haben, auch wenn sie es abstreiten.« »Das ist sehr… interessant… Ist sein Name zufällig… nein, anders. Nennt Nea ihn immer Lugh Akhtar?«, fragte er aufgeregt. »Ja, macht sie«, antwortete der Zauberer, der unbemerkt an sie heran getreten war. Ohne seinen alten Freund zu beachten, trat er an Kathlyn heran und ergriff grob ihren Arm. »Wo bist du gewesen? Du kannst doch nicht einfach verschwinden, Kath! Und schon gar nicht, wo hier so viele Menschen sind. Sie hätten dich einfach mit sich fortziehen können, vielleicht hättest du dann nicht mehr zurück gefunden. Weißt du, was sich Nea für Sorgen um dich macht? Von ihren Selbstvorwürfen ganz zu schweigen. Kath, das kannst du doch nicht tun.« Seine Stimme war immer ruhiger und leiser geworden. Kathlyn starrte ihn aus großen Augen ängstlich an, dann begann sie fürchterlich zu weinen. »Ich will es nicht wieder tun, es tut mir Leid«, rief sie und vergrub ihr Gesicht in Lugh Akhtars Kleidern. »Ich weiß doch, dass du es nicht absichtlich getan hast, Kath. Versprich mir einfach, dass du es nicht wieder tun wirst, ja?«, bat er leise und das Mädchen nickte mit tränenverschmiertem Gesicht. »Ich will ganz lieb und brav sein«, versprach sie. Lugh Akhtar nickte und wandte sich dann Tariq zu. »Schön, dich wieder zu sehen, alter Freund«, sprach er. »Die Freude liegt ganz bei mir«, lachte Tariq, während die Drei einem stillen Einvernehmen folgend in Richtung von Kathlyns zu Hause liefen, das kleine Mädchen immer ein paar Schritte vor den beiden jungen Männern. »Es ist ja schon eine Weile her. Du hast dich verändert«, fand der Zauberer und hatte recht damit. Das letzte Mal, als der den jungen Prinzen gesehen hatte, hatte Tariq zierlich und verletzlich gewirkt, mehr wie ein junges Mädchen, denn wie der mächtige König, der er einst werden würde. Nun tat er dem schon mehr Ehre. Er war größer und kräftiger geworden, sein Haar war gewachsen, was ihm ein wildes Aussehen verlieh, und er hatte vor allem diese weiblichen Züge verloren, die vorher so manchen an seinem Geschlecht haben zweifeln lassen. Aber was hatte man erwartet? Immerhin war es drei Jahre her, dass sie einander das letzte Mal begegnet waren, und diese Zeitspanne ließ wohl kaum einen Menschen unberührt. »Ja, du auch«, lachte Tariq und griff unvermittelt in die schwarzen Strähnen inmitten des weißen Haarschopfes. »Sie fallen sehr auf.« »Nicht so sehr, wie meine Augen, aber was hast du erwartet? Einen Verwandelten erkennt man immer«, lächelte Lugh Akhtar. »Mich wundert ein wenig, dass du wirklich her gekommen bist. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, obwohl ich wusste, dass du eingeladen bist«, wechselte Tariq das Thema. »Manchmal muss man eben Dinge tun, die man nicht tun will. Mich wundert eher, dass bei so einer wichtigen Sache nicht dein Vater hier ist. Ich hätte damit gerechnet, dass er das Königreich von Lanta vertreten würde.« »Einer so wichtigen Sache? Weißt du etwa, worum es gehen wird? Und hat man bloß um unser Erscheinen gebeten.« »Der Ehemann von Rose, also Neas Schwager, hat es mir erzählt. Ansonsten wüsste auch ich von nichts.« Der Zauberer warf einen unbehaglichen Blick zu beiden Seiten. »Nun, ich bin im Namen meines Vaters hier, allerdings besitze ich alle Rechte. Ich kann in dieser Sache verfahren, wie es mir beliebt.« Man hörte dem jungen Prinzen deutlich an, wie wenig ihm dies gefiel. Er hatte immer schon unter dem Prinzsein gelitten und es war in den letzten Jahren nicht besser geworden. Er wäre viel lieber aus weniger politischen Dingen hierher gekommen. »Das ist gut. Ich denke nicht, dass allzu viele Herrscher hierher kommen werden und die wenigsten Vertreter werden volles Stimmrecht besitzen. Dabei wäre es gerade so wichtig… Wo bist du untergekommen?« »In einem verlassenen Haus, ziemlich zentral gelegen. Mein Leibwächter...« Tariq schnitt eine Grimasse. »...hätten das Wirtshaus räumen lassen, wenn ich es nicht gefunden hätte.« »Das wäre dein gutes Recht gewesen. Das Königreich schließt auch Altena mit ein. Ist dir eigentlich bewusst, dass diese Stadt von Rechtswegen dir gehört? Die Zauberer könnten nichts dagegen tun, wenn du sie für dich beanspruchen würdest.« Lugh Akhtar lächelte auf eine eigentümliche Art und Weise, die deutlich machte, dass er schon ein Wunschschicksal für die Stadt der Zauberer hatte. Allerdings war dies auch nicht schwer zu erraten, wenn man um seine Geschichte wusste. »Das stimmt so aber nicht ganz. Sie wird mir bald gehören, jetzt aber noch nicht.« Tariq schnitt eine Grimasse, wirkte dann aber angespannt und unglücklich. »Papperlapapp, Tariq. Natürlich gehört sie dir, vom Erbrecht her schon. Aber eigentlich ist es auch egal.« Der Prinz seufzte, nickte und schaute dann zum Himmel auf. »Wie schade, dass es hier keinen Schnee gibt…«, sagte er leise, da schien ihm etwas einzufallen, denn er begann hektisch in seiner Tasche zu suchen. »Wo ist es denn… eben hatte ich es doch noch…«, murmelte er vor sich hin. »Hast du etwas verloren?«, fragte Lugh Akhtar, doch Tariq zog schon lächelnd seine Hand aus der Tasche. »Ich hab es«, erklärte er und hielt es dem Zauberer unter die Nase. »Was… ist das? Und woher hast du es?«, fragte der und streckte die Hand danach aus, wagte jedoch nicht, es zu berühren. »Ich weiß es nicht. Es lag einfach eines Morgens auf meiner Fensterbank in Lanta. Daneben lag ein Zettel, dass es für dich sei, und dass es von großem Wert wäre. Unterschrieben hat niemand und die Schrift kannte ich auch nicht. Sie war so fein und geschwungen, dass ich mir nicht einmal sicher bin, dass es von einem Menschen geschrieben wurde. Ich meine, in einer Welt voller Zauberer und verwandelter Menschen kann man es nicht ausschließen…«, erzählte Tariq. »Es steckt auf jeden Fall voller Magie, ich spüre sie selbst hier noch«, erklärte Lugh Akhtar, obwohl seine Hand einige Zentimeter von dem Stein entfernt war. »Nun, es gehört auf jeden Fall dir, was auch immer es sein mag.« Da nickte der Zauberer und berührte es sacht und in dem festen Glauben, dass nun etwas geschehen würde. Dem war auch so, nur war es für Tariq nicht sichtbar. Eine ungeheure Macht durchströmte ihn. Etwas, was er noch nie zuvor gespürt hatte, es war nicht die Art Magie, der er sich sonst bediente. Doch auch sie wurde durch den Prinzen noch einmal um einiges verstärkt und war somit so mächtig, dass Lugh Akhtar, der als größter Zauberer seiner Zeit galt, vielleicht auch als größter Zauberer aller Zeitalter, es niemals geschafft hätte, sie zu zähmen, hätte sie böses tun wollen. Sie strömte einmal durch seinen Körper und versiegte dann wieder im Stein. Wäre es anders hätte sie ihn wohl getötet. Tariq bekam davon freilich nichts mit, er sah nur, wie sich die Hand des Zauberers fest um den Stein schloss und er mit einem Keuchen zurück taumelte. Schwer atmend sank er zu Boden und starrte dabei mit großen Augen auf den Stein. »Lugh Akhtar, was ist los?«, fragte der Prinz besorgt und sank ebenfalls zum Boden nieder, und auch die Passanten blieben besorgt stehen. Kathlyn begann zu weinen. »Nichts, es ist alles in Ordnung«, keuchte der Zauberer, ließ sich von Tariq aufhelfen und lief dann, so schnell es seine wackligen Beine zuließen in eine Seitengasse, in der sie vor neugierigen Blicken geschützt waren. »Was ist los?«, fragte Tariq noch einmal eindringlicher. »So etwas habe ich noch nie… Tariq, ich weiß nicht, was es für ein Stein ist, aber er ist mächtiger, als alle Zauberer von Altena, einschließlich mir und Nea. Wenn die Magie böses wollte, wir könnten sie nicht bezwingen«, erklärte er und eine seltsame Mischung zwischen Machtbesessenheit, Todesangst und Neugierde fesselte ihn. Er wusste, dass er der Einzige war, der die wahre Macht des Steines nutzen konnte, auch wenn er noch nicht wusste, wieso dem so war. Und wer ihm einen solch mächtigen Zauber an die Seite stellte. »Ist nur Magie in dem Stein?«, fragte Tariq leise und mit ehrfürchtiger Stimme. »Ja. Er besteht aus reiner Magie. Aber ich habe keine Ahnung, worin sein Zauber besteht, ich glaube nicht, dass ich sie einfach so nutzen kann. Dazu ist sie zu… anders.« »Zu anders?« »Es ist nicht die Magie, derer die Zauberer sich sonst bedienen. Sie ist einfach… anders. Lass uns gehen«, bat Lugh Akhtar und Tariq folgte ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)