Wolfsträume von Scarla ================================================================================ Kapitel 12: Das erste Treffen der Leitwölfe ------------------------------------------- Lugh Akhtar hatte mit vielem gerechnet, was geschehen würde, als am nächsten Tag ein Bote der Nordwinde kam und Cinder über ein Treffen der Leitwölfe am selben Tag noch informierte. Was er jedoch sah, als er auf die anderen hinab blickte, schien ihm so anders, als erwartet. Ein Treffen der Leitwölfe. Cinder hatte ihm erklärt, dass jedes Rudel ein solches Treffen einberufen durfte und alle Leitwölfe dem Folge zu leisten hatten. Nicht, dass sich je wer geweigert hätte. Ein solches Treffen war ausnehmend selten, meistens betraf es auch nur die Rudel einer bestimmten Region. Dass wirklich alle sieben Leitwölfe daran teilnahmen, hatte Cinder erst einmal erlebt. Auch dieses Mal betraf es nur die vier südlichen Wolfsrudel, von den nördlichen würde keiner dabei sein. Eigentlich hätte er selbst gar nicht dabei sein dürfen, denn zu diesen Treffen kamen lediglich die Rudelführer, niemals andere Wölfe, doch Cinder hatte darauf bestanden, dass einer von ihnen mitkam. Mit fünf Mitgliedern waren sie einfach zu viele, um als Einzelgänger durch zugehen, und so hatten sie abgestimmt. Ice und Lugh Akhtar hatten Sly favorisiert, Nea und Tariq Lugh Akhtar. Sly hatte sich den Beiden angeschlossen, so war nun der weiße Wolf es, der gemeinsam mit Cinder zu der Versammlung ging, obwohl er von den Sitten und Gebräuchen so viel weniger verstand. Und so war er es, der verblüfft auf die drei Wölfe hinab blickte, die schon da waren. Zum einen stand dort Fang, die er mit ihrem haselnussbraunen Fell schnell erkannte. Er erkannte eine falbfarbene Wölfin, die gegen einen schwarzen Wolf mit stechend hellblauen Augen anging. Sie schnappte immer wieder nach ihm, dabei hatte sie ihre Leftzen zu einem bösen Knurren verzogen und das Fell gesträubt. »Das sind...?«, fragte Lugh Akhtar unsicher. »Die Helle ist Artemis von den Nordwinden, der Schwarze Ikaika, der Leitwolf der Blutmonde. Fang von den Eisfellen kennst du ja«, erklärte sie, bevor sie ihm voran zu den Dreien hinab lief. »Cinder!«, fauchte Artemis, als sie die Beiden entdeckte. »Du weißt genau, dass es verboten ist, andere Wölfe mitzubringen!« »Er ist der Leitwolf eines neuen Rudels, dem sich Sly und Ice angeschlossen haben«, erklärte sie und setzte sich zu den anderen Wölfen. »Ein neues Rudel…?«, fragte Ikaika unsicher und kam näher, dabei schaute er Lugh Akhtar an. »Mehr oder weniger… Meine Freunde und ich sind auf der Suche nach jemandem und da haben sich Sly und Ice uns angeschlossen, um uns zu helfen. Wir werden aber nicht hier bleiben«, erklärte er ruhig und hielt sich ein wenig auf Distanz. »Wohin wollt ihr? Und woher kommt ihr?«, fragte Artemis, noch immer böse, und schaute ihn fragend aus ihren hellsilbernen Augen an. »Wir… wollen nach Norden, wir ziehen weiter, so schnell wir können. Wir kommen von… der anderen Seite der Mauer«, erklärte er verunsichert. »Also seid ihr Verbannte. Ihr könnt euch jederzeit Blutmond anschließen, wenn ihr wollt«, mischte sich Ikaika ein, und zuckte verbittert mit dem Ohr. »Nein. Wir sind freiwillig hier. Es ist… eine lange Geschichte«, antwortete Lugh Akhtar. Das brachte ihm einen verblüfften Blick des schwarzen Wolfs ein, denn wie konnte man denn nur freiwillig über die Mauer gehen? »Erzählst du sie mir? Später? Die anderen Neuen, die im Laufe der Zeit hergekommen sind, wissen fast nichts, sie sind… immer so uninteressiert gewesen…«, merkte Ikaika an und blickte traurig zu Boden. »Ich erzähle dir alles, was ich weiß«, versprach Lugh Akhtar und duckte sich, bis er Ikaika in die Augen blicken konnte. »Aber ich möchte, dass du mir auch ein paar Fragen beantwortest, es könnte wichtig sein.« »Was auch immer du wünscht, weißer Wolf«, lachte Ikaika und schüttelte sich. Da schnaubte Artemis unwillig. »Ich fürchte, indem du ihn da mitgebracht hast, hast du das Treffen schon überflüssig gemacht, Cinder«, fauchte sie und stolzierte an Fangs Seite. »Hast du es nur einberufen, um über die Streuner zu beratschlagen?«, fragte die aschfarbene Wölfin zweifelnd und lächelte. »Ja«, knurrte sie schnippisch, doch Fang lachte bellend. »Du weißt doch, dass du Artemis ihre großen Auftritte nicht nehmen darfst«, grinste sie. »Ich habe lediglich dafür gesorgt, dass jeder Leitwolf, der von der Versammlung wusste, auch daran teilnimmt«, antwortete Cinder ruhig. »Er gehört noch nicht zu uns! Er ist ein Fremder«, knurrte die Falbfarbene. »Ich… gehe auch wieder, wenn es dir lieber ist. Ich… wir hatten sowieso nicht vor, lange hier zu bleiben. Wir brauchen lediglich die Erlaubnis, eure Gebiete durchqueren zu dürfen, damit wir weiter nach Norden können«, erklärte Lugh Akhtar. Darauf herrschte Stille, solange, bis Ikaika laut auflachte. »Weißt du eigentlich was genau du gerade erbeten hast, weißer Wolf?«, fragte er lauernd. »Freies Geleit durch Feindesland«, antwortete Lugh Akhtar verunsichert. »Nein, viel mehr als das. Du hast eben Freundschaft erbeten. Aber Rudel sind niemals miteinander befreundet. Nicht auf diese Art und Weise. Wenn wir dir freies Geleit versichern, Lugh Akhtar, würdest du dich auf gewisse Weise unserem Rudel anschließen, doch wie kann ein Rudel zugleich zu einem anderen gehören? Es ist… verrückt, nur ein Mensch kann eine solche Bitte stellen. Spätestens jetzt hättest du deine Herkunft verraten, weißer Wolf«, erklärte er grinsend. »Dann…« Lugh Akhtar schaute Cinder fragend an. »Was bedeutet das?« »Was meint er?«, wollte Fang misstrauisch wissen. »Er hat die Erlaubnis, auf Schattenfang-Gebiet zu bleiben«, lächelte die aschgraue Wölfin. Hätte sie verkündet, der Mond viele auf die Erde, die Aufregung hätte nicht größer sein können. »Das gab es niemals zuvor, was maßt du dir an!«, fauchte Artemis. »Bleibt doch einmal ruhig, lasst mich erklären«, lachte Cinder und erhielt schnell die Aufmerksamkeit der Anderen. »Lugh Akhtar sucht den Winter. Den wirklichen Winter, das, was uns jedes Jahr den Winter bringt, versteht ihr?« »Ja«, nickte Fang und wich ängstlich drei Schritte zurück. Sie duckte sich und legte die Ohren an. »Sehr gut sogar.« Auch Ikaika und Artemis nickten, doch sie alle wirkten nicht begeistert. »Ich…« Sie wandte sich Lugh Akhtar zu. »Ich möchte mit euch gehen.« Damit hatte der weiße Wolf nicht gerechnet. Erstaunt blickte er die aschfarbene Wölfin an. »Wieso?«, fragte er verblüfft. »Weil ich den Winter kenne… zumindest in gewisser Weise. Ich habe Fragen an sie, und ich weiß, dass du sie finden kannst, Lugh Akhtar. Ich möchte mit euch kommen«, erklärte sie bittend. »Das kann ich nicht allein entscheiden, Cinder. Außerdem braucht… dich doch dein Rudel… oder nicht?«, fragte er unruhig. »Nein. Ich habe mit River gesprochen, er wird das Schattenfangrudel führen und ich weiß, dass er was gut machen wird. Und ihr braucht jemanden, der sich im Norden auskennt, es ist… dort anders, als hier… und Sly und Ice waren noch nie dort«, erklärte sie. »Wirst du deine Freunde nicht vermissen?«, fragte er leise. »Nein. Es wird ihnen gut gehen, das weiß ich. Und… ich möchte auch wissen, wer du bist, Lichterstern«, erklärte sie. »Lichterstern…?« »Ja. Das bedeutet dein Name… hat mir… Sly erzählt.« Sie schaute unsicher zu Boden. »Lichterstern… Wenn die Anderen einverstanden sind, dann komme gerne mit uns. Mir ist es nur recht, Cinder. Aber das verhilft uns immer noch nicht zum freien Geleit durch die anderen Rudelgebiete.« Er schaute fragend zu den anderen drei Wölfen. »Das kommt darauf an, wie man es sieht. Cinder ist aus dem Norden, wir würden ihr und ihrem Rudel heile Rückkehr versprechen. Das ist etwas anderes, als wenn ihr einfach so durch unser Gebiet wollt. Blutmond wird euch nicht im Wege stehen«, antwortete Ikaika und ein anerkennendes Blitzen lag in seinen Augen. »Einer Rückkehr können wir uns nicht entgegenstellen, auch Eisfell wird euch unbehelligt lassen«, stimmte Fang zu. »Nordwind wird euch solange auf seinem Land dulden, wie es nötig ist, es zu durchqueren«, sprach Artemis. »Danke. Wir werden euer Gebiet nicht länger als nötig beanspruchen«, dankte Cinder. Darauf folgten einige Belanglosigkeiten unter den drei Wölfinnen. Cinder erklärte, warum ausgerechnet River ihre Nachfolge antreten würde, und Ikaika kam zu Lugh Akhtar. »Ich nehme an, dann wirst du mir deine Berichte nicht liefern können?«, fragte er leise. »Wir werden wieder zurückkehren, wir werden wieder über die Mauer gehen. Und bevor wir das tun, müssen wir wieder hierher, dann werden wir uns lange unterhalten müssen«, antwortete der weiße Wolf ernst. »Gut. Dann warte ich auf dich«, antwortete Ikaika. Sie wollten eben die Versammlung auflösen, als eine fremde Wölfin auf sie zugelaufen kam. »Cinder! Cinder, da bist du endlich!«, rief sie schon vom Weiten. »Soul? Soul, was tust du hier?« Die graue Wölfin lief der Schwarzen entgegen. »Ich will dich warnen, Schwester! Mutter will eine Versammlung der sieben Rudel einberufen«, erklärte die hastig. Lugh Akhtar musste diese Welt nicht kennen, um zu wissen, dass das etwas ganz besonderes war. Da reichte schon ein Blick in die Gesichter der anderen Wölfe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)