Wolfsträume von Scarla ================================================================================ Kapitel 17: »Bewahre dir dieses Lächeln...« ------------------------------------------- Das Nordlicht leuchtete nur sehr schwach über Cinder. Sie schaute sich um, doch natürlich sah sie auch jetzt niemanden ihrer Freunde. Sie wusste nicht, wann sie die anderen verloren hatte, doch so weit sie auch blicken konnte, in dieser schier unendlich wirkenden Ebene, so konnte sie dennoch keinen von ihnen sehen. Sie war schon einmal hier gewesen. Sie wusste nicht, was das genau für eine Welt war, aber sie wusste, dass hier der Winter mit seinem Rudel lebte. Vielleicht war es eine Art Zwischenwelt, oder etwas, was neben der eigentlichen Welt existierte. Deswegen war das Nordlicht auch so wichtig, es schuf den einzigen Zugang zu dieser Anderswelt. Doch jetzt glitzerte es nur so schwach über ihr. Sie wusste, was das hieß. Sie wollte Nalani noch einmal besuchen, doch in dieser fremden Welt kannte sie den Weg nicht. Da gewahr sie in der Ferne ein paar Felsen, vielleicht auch der Beginn eines Berges. Sie überlegte nicht lange, sondern lief los. Vielleicht war das der Weg in den Himmel, und wo sollte man das Nordlicht auch sonst suchen? Sie hätte gerne jemanden gefragt, doch nichts Lebendes schien auf dieser Ebene zu sein. Nichts, außer ihr. Sie kletterte und sprang die scharfen Felsen hinauf, dabei riss sie sich Fellbüschel aus, und riss sich die Haut auf, sodass sie bald eine blutige Spur hinter sich her zog. Doch sie spürte den Schmerz gar nicht. In ihren Gedanken und in ihrem Fühlen war sie bei Nalani. Sie kletterte immer höher hinauf. Sie wusste nicht, wie lange sie schon kletterte, aber eigentlich war es auch egal, solange sie nur irgendwann ankam. Es schienen Äonen vergangen zu sein, als es keinen neuen Felsen mehr gab, auf dem sie springen konnte. Sie war ganz oben angekommen. Ihre Haut und ihr Fell hingen ihr nur noch in Fetzen herab, sie war unzählige Male gestürzt und blutete aus zahlreichen Wunden, doch sie war angekommen. Da sackte sie in sich zusammen. Sie konnte einfach nicht mehr. Sie wollte weiter, sie musste doch zu Nalani, doch sie konnte einfach nicht. Mit einem Mal legte sich Dunkelheit über sie. Sie war zu schwach, die Augen zu öffnen, doch spürte sie dennoch, wie die Dunkelheit sie zudeckte. »Ist sie wirklich allein bis hier hinauf geklettert?«, fragte eine Stimme, die seltsam ruhig und klar wirkte. »JA!«, wollte Cinder schreien, doch blieb sie stumm. Sie konnte nicht mehr. Und wenn ihr Leben davon abhinge. »Hilf ihr«, bat eine matte Stimme, die Cinder nur zu gut kannte. Nalani war hier. »Aber sie dürfte eigentlich nicht hier sein.« »Wenn nicht sie, wer dann? Weißt du nicht, wer sie ist?« »Sie ist jemand, der nicht hier sein sollte.« Nalani lachte leise. »Sie hat mehr recht, hier zu sein, als wir es haben, mein Freund. Und jetzt hilf ihr. Tu es für mich.« Die fremde Stimme seufzte. Dann spürte Cinder, wie sich etwas über sie legte, für das sie keine Beschreibung fand. Es war ein wenig, wie eine Decke, aber eine, die viel zu dick war und sie zu erdrücken schien. Dann walzte sich eine Welle der Müdigkeit über sie und sie schlief ein. Als sie erwachte, wusste sie, dass Stunden vergangen waren. Für einen Moment benebelte noch der Schlaf ihre Sinne, doch als der Gedanke von Nalani in ihre Gedanken kam, da war sie hellwach und zuckte hoch. Es war immer noch Nacht, tausende von Sterne funkelten am Himmel, aber das Nordlicht war erloschen. »Ausgeschlafen?«, fragte die fremde Stimme. Als sie in die entsprechende Richtung blickte, gewahr sie einen Wolf. Er wirkte seltsam, einerseits, als könnte man ihn berühren, ganz nah und wie samt, andererseits auch seltsam fern und rauchig. Außerdem funkelten in seinem Fell tausende von Sternen. Als sie jedoch in seine Augen blickte, da erschrak sie. Er besaß keine Augen, sondern an ihrer Stelle waren zwei Scheiben in seine leeren Augenhöhlen gesetzt worden. Die Wunde blutete, es wirkte, als weinte er blutige Tränen. Auf den Scheiben war ein silberner Halbmond und ein goldener Vollmond zu sehen. »Du musst nicht erschrecken, ich tue dir nichts«, sprach er und stand auf. Als er einen Schritt auf sie zu tat, machte sie unwillkürlich einen Schritt zurück. »Entschuldige, aber deine Augen…!« Er verzog die blutverkrustete Schnauze zu einem grausamen Lächeln. »Nett anzusehen, oder?«, fragte er böse. »Ich…« Cinder wusste nicht, was sie antworten sollte. »Es tut nicht weh, es sieht einfach nur sehr… fies aus. Geht es dir besser?«, fragte er, mit einem Mal sehr fürsorglich. »Ja«, antwortete Cinder erstaunt. Nun, da sie einmal darauf aufmerksam gemacht wurde, fiel ihr auf, dass ihr nichts mehr schmerzte. Sie schaute auf ihre Hinterläufe und stellte fest, dass sie wieder genauso heile und gesund waren, wie vor ihrem Aufstieg. »Warst du das?« »Zum Teil… lass es mich so sagen: Ich habe geholfen, den Löwenanteil daran hast aber du gebracht«, antwortete der schwarze Wolf. »Ich wusste nicht, dass das Rudel des Winters über Heilkräfte verfügt…«, bemerkte Cinder lauernd. »Tut es auch nicht. Keiner von uns kann heilen, aber… weißt du, wer ich sein könnte?«, fragte er aufmerksam. »Ich… vielleicht… die Winternacht?«, fragte sie unsicher. »Ganz genau. Die Polarnacht, oder von mir aus auch Winternacht. Die Nacht. Und weil ich die Nacht bin, habe ich die Fähigkeit, anderen Wesen den Schlaf zu schenken. Wenn er dieses Geschenk denn annehmen möchte, heißt das. Und du warst mehr als nur dazu bereit«, erklärte er. »Und… deswegen hat mein Körper geruht und konnte die Wunden schneller verschließen.« Sie nickte verstehend, aber auch ein wenig traurig. Sie hätte es lieber gehabt, wenn er ihr von irgendwelcher Zaubermacht erzählt hätte. Dann hätte er vielleicht auch Nalani heilen können. »Genau so ist es. Aber was tust du hier? Für dich ist es gefährlich, in den Himmel zu laufen«, fand er. »Aber ich bin noch nicht dort, wo ich hin möchte. Ich möchte das Nordlicht besuchen, bevor es stirbt. Ich habe ihr noch so viel zu sagen!« Tränen glitzerten in den ungleichen Augen. »Dann musst du noch viel höher gehen. Dann nämlich, führt dich dein Weg nicht nur an die Grenze des Himmels, sondern in den Himmel selbst.« Die Nacht schien nicht glücklich über ihre Antwort. »Dann zeig mir bitte den Weg. Ich bin bereit, jedes Opfer zu bringen, jeden Preis zu zahlen, wenn ich nur Nalani noch einmal sehen kann, bevor sie geht!«, ereiferte sich die aschgraue Wölfin. »So leicht ist das aber nicht. Du wirst über den Himmel laufen müssen, ich weiß aber nicht, ob du das kannst. Über das Licht laufen wäre einfacher, über die Nacht laufen ist aber so schwer für euch…«, fand der schwarze Wolf ruhig. »Ich kann es versuchen!«, rief Cinder verzweifelt aus. »Natürlich kannst du das. Aber was passiert, wenn du es nicht schaffst? Du hast nicht unendlich viele Versuche. Wenn du aus dem Himmel stürzt, dann stürzt du solange, bis du am Boden bist, und dort wirst du zerschmettern. Und das würde mir das Nordlicht niemals verzeihen.« Die Nacht machte einen neuerlichen Versuch, einige Schritte an sie heranzutreten und nun ließ sie es geschehen. »Um noch einmal mit ihr sprechen zu können, würde ich bis ans Ende der Welt laufen. Ich habe keine Angst davor, am Boden zu zerschmettern, ich habe Angst davor, nicht alles versucht zu haben«, weinte sie. Da schwieg die Nacht für eine ganze Weile. Wenn seine Augen nicht durch die Scheiben geöffnet wären, hätte er wohl die Augen geschlossen. So jedoch brütete er nur dumpf vor sich hin, bis er offensichtlich zu einem Entschluss kam, denn er nickte. »Sag mir, wie ist dein Name?«, fragte er leise. »Cinder«, antwortete sie, nur unmerklich lauter als er. »Der Name der Asche. Was nur macht das kalte Feuer im Reiche des Winters?« Er schüttelte den Kopf und machte noch einen Schritt auf sie zu. Nun stand er direkt vor ihr, und sie konnte sich selbst in den Scheiben sehen. »Welche Farbe haben deine Augen, Cinder?«, flüsterte er und offenbarte damit, dass er blind war. Die funkelnden Mondscheiben schmerzten ihn zwar nicht, aber sie brachten ihn auch darum, die Welt in all ihrer Pracht bestaunen zu dürfen. »Sie… ich weiß es nicht«, antwortete sie leise. »Aber siehst du sie denn nicht? Im Spiegel des Mondes?«, fragte er leise. »Ich sehe nur das Eine. Und wenn ich den Kopf bewege, um auch das Andere zu sehen, dann verliere ich den Blick darauf«, erklärte sie mit einem heiseren Flüstern. »Dann bist du mir gleich. Dann versuche es, Sternenwanderin. Tue es dem gleich, der deinem Rudel seinen Namen gab. Versuche es und folge mir«, sprach die Nacht. Dann wandte er sich um und setzte über den Rand der Felsen hinweg. Statt jedoch zu fallen, bis auch er am Boden zerschmettert wurde, lief er durch die Luft weiter. Cinder zögerte nicht eine Sekunde. Sie war mit zwei Sätzen beim Rand und ohne langsamer zu werden, lief auch sie weiter. Und auch sie stürzte nicht in den sicheren Tod, sondern lief den Sternen entgegen. Es war ein seltsames Gefühl, durch die Nacht zu laufen, ohne Erde unter den Pfoten. Überall um sich herum die Sterne zu sehen, die normalerweise nur am Himmel leuchteten. Sie hatte auch nicht gedacht, dass es so viele Sterne gab, denn in den meisten Nächten schluckten Wolken oder das Nordlicht das Sternenlicht. Und wenn dies nicht der Fall war, so schlief sie doch meist. Sie liefen gemeinsam auf den Mond zu, der einer großen, silbernen Scheibe gleich. Cinder hätte nicht geglaubt, dass der Mond wirklich so groß war, doch je näher sie kam, desto größer wurde er. Wie ja auch die Sterne, auch sie waren hier oben so viel größer als von der Erde aus. Der Weg bis zum Mond hinauf musste Ewigkeiten gedauert haben, doch ihr kam er nur vor, wie wenige Augenblicke. Dann berührten ihre Pfoten den großen Himmelskörper, den sie so oft schon von der Erde aus bewundert hatte. Er fühlte sich seltsam an, seltsam weich und nachgiebig. Wie verfestigter Nebel vielleicht. »Das ist der Mond?«, fragte sie leise und unsicher. »Ja. Er liegt außerhalb des Winterreichs, denn den Mond sieht man jede Nacht, unabhängig davon, wer außerhalb des Winterreichs regiert«, erklärte die Nacht. »Dann gehörst du auch den anderen Rudeln an?«, fragte sie staunend. »Ja. Ich und meine Schwester. Im Rudel des Sommers bin ich allerdings nicht gern gesehen, ebenso, wie sie sich hier nicht gerne verweilt. Deswegen liegen unsere Lager auch außerhalb der eigentlichen Rudelgebiete«, erklärte er lächelnd. »Und warum ist dann das Nordlicht hier? Sie gehört doch nur dem Winter an… oder?« »Ja. Aber wir herrschen zu dritt über den Himmel, deswegen haben wir… nun, nennen wir es eine Sonderstellung.« Cinder nickte langsam, kam dann aber zum Wesentlichen zurück. »Wo ist das Nordlicht?« Darauf antwortete die Nacht nicht, sondern blickte nur auf ein schwaches Leuchten, ein Stück entfernt. Sogleich lief Cinder darauf zu und er folgte ihr langsam. Auf dem Boden lag eine Polarfüchsin. Nalani. »Nalani… ich habe dich gefunden«, flüsterte die aschgraue Wölfin leise. »Cinder… du solltest nicht hier sein. Es gibt einen viel wichtigeren Ort, an dem du sein solltest«, antwortete die Füchsin leise und mit matter Stimme. »Ich bin an deiner Seite. Das ist der einzige Ort, zu dem ich gehöre.« Sie legte ihren Kopf auf die Schulter der Füchsin und legte sich neben sie. »Ich werde später wiederkommen und dich abholen, Sternenwanderin«, erklärte die Nacht leise und verschwand. »Nalani… ich habe dich vermisst«, flüsterte Cinder leise. »Ich weiß, mein Herz, aber das hättest du nicht tun müssen. Ich war immer bei dir, zumindest irgendwie.« »Ich wollte, es wäre wie früher. Dass du da bist, dass wir mit River gemeinsam jagen gehen. Wieso nur bist du gegangen?« »Weil es meine Bestimmung war, Cinder.« Die Füchsin verdrehte den Kopf um die Wölfin anzuschauen. »Aber wieso? Du hättest es auch zu deiner Bestimmung machen können, weiter mit uns zu leben.« »Nein. Es war mein Schicksal, nur dafür ist das alles passiert. Nur dafür bin ich in das Winterreich gekommen. Weil ich beim Winter sein musste. Sie brauchte mich.« »Aber ich auch!« »Nicht so sehr, wie sie«, lächelte die Füchsin nachsichtig. »Braucht sie dich denn jetzt nicht mehr? Oder warum lässt sie dich sterben?« »Es ist mein eigener Wunsch zu gehen, mein Herz. Meine Zeit ist gekommen, dafür fängt deine aber erst an.« »Und was ist, wenn ich eine Zeit ohne dich nicht will?«, fragte Cinder leise. »Ich werde auch danach noch bei dir bleiben. Ich werde dich nicht verlassen, solange auch nur ein Teil von dir an mich denkt und um mich trauert. Denn du wirst meine Nachfolgerin sein«, lächelte die Füchsin. »Nachfolgerin? Aber ich will nicht das Nordlicht werden.« »Diese Nachfolge meine ich auch nicht. Aber du wirst es verstehen. Nicht jetzt, nicht Morgen, aber irgendwann.« »Ich will doch bloß, dass du bei mir bleibst. Du und Soul und River. Nur wir vier.« »Nein Cinder. Das geht nicht und das weißt du. Gehe mit der Nacht, er wird dich dorthin führen, wo du viel dringender gebraucht wirst. Er hat ein Geschenk für dich, ein sehr, sehr kostbares Geschenk.« Die Stimme der Füchsin wurde leiser. »Ich will kein Geschenk. Ich will, dass das erste Wesen, das mir vollkommen fremd war, und mich dennoch genommen hat, wie ich bin, dass dieses Wesen bei mir bleibt«, weinte die Wölfin. »Ich bleibe bei dir. Ich komme mit dir, aber auf eine andere Art und Weise. Wir sehen uns schneller wieder, als du glaubst. Weine nicht mehr, mein Herz, denn es ist nicht nötig. Ich will dich viel lieber lächeln sehen…« Da lächelte Cinder. Es war ein trauriges Lächeln, es zerriss ihr schier das Herz, jetzt gerade fröhlich aussehen zu wollen, aussehen zu müssen, doch für Nalani lächelte sie. Da lächelte auch die Füchsin. Und während sie lächelte, wurde ihr Körper zu Licht. Zu einem Leuchten, zu unzähligen Sternen, die um Cinder herumflogen. »Bewahre dir dieses Lächeln, mein Herz. Es steht dir so viel besser als die Tränen. Und es lässt Herzen leuchten«, flüsterte das Licht zärtlich, bevor es in alle Himmelsrichtungen zerstob und seinen Platz unter den Sternen einnahm. Für einen Moment blieb Cinder allein mit ihrem Schmerz, doch dann war die Nacht bei ihr, ebenso plötzlich, wie er verschwunden war. Sie schmiegte sich eng an ihn und weinte bitterlich, solange, bis keine Träne mehr in ihr war. »Du musst nicht weinen. Der Tod ist für manche nicht das Ende. Vor allem nicht für jene, die im Leben so sehr geliebt wurden«, tröstete der schwarze Wolf sie, als ihre Tränen versiegt waren. »Aber sie ist tot«, antwortete Cinder bitter. »Nein. Wirklich tot sind nur jene, die vergessen werden. Also, vergiss sie nicht, dann wird sie ewig leben«, antwortete die Nacht. Und damit half er Cinder mehr über ihren Schmerz hinweg, als alle anderen Worte dieser Welt es zu tun vermocht hätten. »Jetzt trockne deine Tränen und komm mit mir. Du wirst noch woanders gebraucht. Und ich habe ein Geschenk für dich«, flüsterte er, während er aufstand. Auch Cinder erhob sich und schaute ihn fragend an. »Wieso willst du mir etwas schenken? Immerhin bin ich eine Fremde für dich«, fand sie. »Nicht so fremd, wie du glauben magst. Immerhin bist du meine Nichte«, lächelte die Nacht. Da schaute ihn Cinder erstaunt an. »Duana hat gesagt, dass unser Onkel gestorben sei«, meinte sie. »Nein. Ich bin nur zum Winter gegangen«, lächelte der schwarze Wolf. »Also bist du wirklich Drafnar?« »Ja. Aber ich hätte auch so ein Geschenk für dich, Sternenwanderin«, erklärte er und lächelte. Sie sprach darauf nichts mehr, doch Drafnar lächelte. Um ihn herum glitzerten Sterne und einer dieser Sterne flog auf Cinder zu. Er flog zu ihrem blinden Auge, sodass sie ihn nicht mehr sah, doch wusste sie, dass ihr nichts geschehen würde, und so zuckte sie nicht zurück. Und da geschah es. Als sie abermals in die Schieben blickte, die Drafnars Augen ersetzten, da sah sie in der einen ihr goldenes Auge und in der anderen das zuvor blinde. »Du hast… mir das Augenlicht auf meinem blinden Auge geschenkt?«, fragte sie erstaunt. »Nicht nur das. Aber den zweiten Teil meines Geschenks musst du selbst herausfinden. Und nun komm mit, die Anderen warten schon auf uns«, erklärte die Nacht. Gemeinsam liefen sie wieder zurück zur Erde. Kurz vor den Felsen blieben sie stehen. »Ab hier musst du alleine gehen, doch der Weg ist nicht mehr weit. Und es gibt jemanden, der dich dabei begleiten wird«, lächelte Drafnar und nickte an Cinders Seite. Als sie den Kopf wandte, stand dort Nalani und lächelte. »Ich bin bei dir. Komm mit, wir gehen gemeinsam«, sagte sie leise. Obwohl Cinder nicht verstand, wie das möglich war, fragte sie nicht weiter. Stattdessen sprang sie gemeinsam mit der Polarfüchsin zu Boden, dabei weinte sie, vor Freunde und vor Leid. Ein wenig entfernt sah sie Lugh Akhtar neben einem schwarzen Wolf mit einem weißen Halbmond stehen. Kanoa. Sie verstand auch nicht, wieso er hier war, doch für den Augenblick war es ihr gleich. Sie lief zu ihm. Nalani begrüßte Kanoa mit einem Nasenstupsen, doch Cinder und Lugh Akhtar schwiegen. Da lief Soul, begleitet von einer großen, weißen Katze mit schwarzen Streifen von der anderen Seite über das erstarrte Eis eines Sees auf sie zu. Sie schaute teilnahmslos, ja fast schon abweisend auf Kanoa und ein wenig fragend auf die Polarfüchsin, sagte jedoch nichts, als sie sich auf die andere Seite neben den weißen Wolf stellte, die Katze, die die beiden Anderen mit einem Schwanzzucken begrüßte, neben sich. »Wo sind Sly und Ice?«, fragte Lugh Akhtar. »Sie sind in Sicherheit, aber nicht hier«, antwortete eine Stimme hinter ihnen. Sofort fuhren die drei Wölfe herum, nur Nalani, die Katze und Kanoa erschraken nicht, und wandten sich nur langsam um. Dort stand sie. Die weiße Wölfin, in dessen Augen sich die ganze Welt zu spiegeln schien. Um sie herum gruppierte sich ihr Rudel, einzig das Nordlicht fehlte. Denn sie stand nun an Cinders Seite. »Ich habe euch bereits erwartet. Fjodor, Cinder und Soul.« »Ist das der Winter?«, fragte Cinder so leise, dass nur Nalani sie hörte und Ehrfurcht schwang in ihrer Stimme. »Ja. Das ist sie. Aber für mich ist sie nicht mehr wichtig. Das bist nur noch du«, antwortete Nalani ebenso leise. »Und so stehen wir nun wirklich gemeinsam vor dem Winter«, flüsterte Lugh Akhtar an ihrer Seite. »Natürlich, ich halte meine Versprechen«, antwortete Kanoa sanft. Dann verschwand er und tauchte an der Seite des Winters wieder auf. Sie rieben kurz ihre Schnauzen aneinander, dann widmete sie sich jedoch wieder ihren Gästen. »Willkommen zurück, ihr drei. Ich freu mich, euch wieder zu sehen.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)