Lichtsucher von Scarla ================================================================================ Kapitel 5: »Wohin des Weges?« ----------------------------- »Was willst du?« Len blinzelte verblüfft. »Dich begleiten. Weg von hier, so weit es geht«, erklärte sie und machte einige Schritte in Richtung Fenster, streichelte dabei den Fuchs. Len rappelte sich auf und schaute sie an, in seinem Kopf raste es. »Das heißt, das du mir hier heraushilfst?« »Ja. Zieh dich an, nackt kannst du nicht durch das Schloss laufen.« Reva deutete auf seiner Kleider, die achtlos neben seinem Bett lagen und auf seine Blöße, die sie jedoch nicht wirklich zu stören schien. Len überlegte, ob er sie darauf ansprechen sollte, denn die kühle Neugierde, mit der ihr Blick über seinen nackte Körper strich, kannte er nicht aus Tesfall, nur von den Dirnen aus Westfenia, doch er kam zu dem Schluss, das ihm das in diesem Augenblick ziemlich egal war. Stattdessen zog er sich Hose und Hemd über und griff nach dem Wolfswelpen. »Zieh das hier auch an und zieh dir die Kapuze tief ins Gesicht, damit dich keiner erkennt«, hielt ihn Reva zurück und gab ihm einen langen Umhang. Erst jetzt fiel ihm auf, dass auch sie einen trug, die Kapuze jedoch zurückgeschlagen hatte. Jetzt zog sie diese tief ins Gesicht. »Halt deinen Wolf still, blicke nicht auf und sag kein Wort, sonst erkennen sie dich sofort«, mahnte sie. »Meinst du nicht, die Wachen vor meinem Zimmer werden sowieso merken, wenn eine Person reingeht und zwei hinaus?«, fragte er. »Sie schlafen. Ich habe ihnen ein starkes Schlafmittel gegeben, sie wachen erst in ein paar Stunden wieder auf«, antwortete die junge Frau und musterte ihn kritisch, nickte dann. »Ja, so können wir es wagen.« »Was ist mir Kane?«, wollte Len noch wissen. »Er hält noch immer Mondwacht, wir können nicht auf ihn warten. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck, als würde er sich darum reißen, uns zu begleiten.« Dem musste Len leider zustimmen. So also verbarg er den Wolfswelpen unter dem Umhang und folgte Reva auf leisen Sohlen aus dem Zimmer hinaus. »Du darfst nicht so geduckt schleichen. Geh selbstbewusst, greif im Laufen weit aus, das ist unauffälliger«, erklärte sie, nachdem sie ihn einige Momente lang beobachtet hatte. »So?«, fragte Len und tat, wie ihm geheißen. Reva nickte und ging voran durch die verwirrenden Gänge des Schlosses. Zur selben Zeit trat Kane im Hof unruhig von einem Bein auf das andere. Er konnte sich nicht konzentrieren und sein Rabe krächzte immer wieder unruhig und raschelte mit den Federn, sodass die Meister ihm schon einige böse Blicke zugeworfen hatten. Doch Kane war in seinen Gedanken nicht bei der Mondwacht, er war in Gedanken bei Reva und Len. Er fragte sich, ob sein alter Freund vielleicht etwas sehr, sehr dummes getan haben mochte. Er kannte Reva schon seit seinem ersten Tag im Schloss und er wusste, dass sie eine ausgezeichnete Kämpferin war, aber er war sich nicht sicher, ob sie gegen jemanden wie Len bestehen konnte. Der junge Mann war harte Arbeit gewohnt, er trainierte auch regelmäßig seine Kampfkunst um sich im Notfall gegen die Reiter aus Karelahn wehren zu können und er war zu allem entschlossen. Vielleicht konnte Reva gegen einen Mann im Übungsring mit Leichtigkeit bestehen, gegen einen Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte, war sich Kane einfach nicht sicher. Und so schaute er immer wieder unruhig zum Turmzimmer auf. »Kane.« Einer der Zauberermeister kam zu ihm und er wirkte nicht begeistert. Der junge Zauberer antwortete nicht, neigte aber ehrfürchtig den Kopf. »Du beendest die Mondwacht jetzt und verschwindest in dein Bett«, befahl der Meister. Kane runzelte darauf fragend die Stirn. »Du bist zu unruhig, so nutzt die ganze Sache sowieso nichts, im Gegenteil. Du störst die anderen. Als Strafe wirst du morgen mit Racha die Pferdeställe misten.« Der Meister ging, ohne noch irgendetwas zu sagen oder auf eine Antwort zu warten. Kane wartete, bis er weg war, dann nickte er seinem Nachbarn noch aufmunternd zu und verließ den Platz. Kaum war er nicht mehr im Mondlicht, lehnte er sich mit einem Seufzen an eine Hauswand. Der Silberschein hatte großen Einfluss auf die Magie der Zauberer. Während er dem Licht ausgesetzt war, hatte er es nicht wahrgenommen, aber jetzt, wo er diesem Einfluss entzogen war, spürte er mit aller Macht, wie sehr es ihn angestrengt hatte, seine überlaufende Magie im Zaum zu halten. Wenn das Mondlicht allmählich schwächer wurde, merkte man den Unterschied kaum, doch jetzt, wo er sich dem Licht so plötzlich entzog, schwindelte es ihm und ihm war übel. Er versuchte einen Augenblick lang, es zurück zu halten, doch schließlich gab er auf und erbrach sich, bevor er kraftlos zu Boden sackte. In Wahrheit waren es wohl nur einige Minuten, doch ihm kam es vor, als läge er schon seit Stunden dort, bis es ihm soweit besser ging, dass er wieder aufstehen konnte. Er spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, erst noch einmal zu Len hoch zulaufen, um dort nach dem Rechten zu sehen, doch er sah ein, das er jetzt in seinem Bett deutlich besser aufgehoben war. So verließ er taumelnd den Innenhof und stützte sich dabei an den Wänden ab, um nicht abermals zu Boden zu sinken. Sein Rabe flatterte derweil neben ihm her. Er war schon fast da, als er schnelle, harsche Schritte vernahm. Kane überlegte kurz, ob er so wirklich gesehen werden wollte, den gerade zwischen der Jugend im Schloss herrschte eine erbitterte Rivalität um die Gunst der Ranghohen, doch er konnte in diesem Zustand sowieso nicht mehr ausweichen. So kämpfte er sich mühsam weiter, setzte einen Schritt vor den Nächsten und konzentrierte sich nur darauf. Als er schließlich um die nächste Ecke taumelte, da stieß er unsanft mit jemandem zusammen, sodass er abermals entkräftet zu Boden sackte. »Kannst du nicht aufpassen?«, hörte er jemanden fauchen und als er aufblickte, konnte er Reva erkennen, die ihn erst böse, dann verwundert anblinzelte. »Kane?«, fragte da eine andere bekannte Stimme, Len. »Reva? Len? Was tut ihr hier?« Plötzlich war Kanes Geist wieder hellwach. Er schaute erstaunt auf, versuchte auch kurz aufzustehen, doch sein Körper spielte nach wie vor nach seinen eigenen Regeln. »Kane! Solltest du nicht bei der Mondwache sein?« Reva hielt ihm die Hand hin und zog ihn hoch als er dankbar danach griff. »Sollte ich, ja, aber der Meister hat mich ins Bett geschickt, weil ich mit meiner Nervosität die anderen gestört habe.« Er lallte ein wenig, was seine Freunde mit einem Stirnrunzeln registrierten, aber dennoch stillschweigend hinnahmen. »Du? Ein Störenfried? Hat er sich zu lange mit unserem Kirchenmeister unterhalten?«, wollte Reva abfällig wissen. »Nein. Ich habe mir sorgen gemacht. Ob Len vielleicht etwas Dummes getan haben könnte. Ich hatte nicht erwartet, das ihr in trauter Zweisamkeit zur nachtschlafender Stunde durch das Schloss schleichen würdet.« »Wir schleichen nicht, wir verschwinden«, antwortete Len darauf ruhig und schaute in den Gang zurück, aus dem sie gekommen waren. »Ihr tut was? Beide?« Erstaunt blinzelte Kane von einem zum anderen. »Ja. Mir ist klar geworden, dass es am Besten so ist. Bitte verrate uns nicht«, bat Reva nervös und trat unruhig von einem Bein auf das andere. Kane starrte sie ungläubig an, runzelte die Stirn und war nun ganz eindeutig misstrauisch. »Woher der Sinneswandel, Reva?«, wollte er wissen und lehnte sich schwer an die Wand. »Lass es mich so sagen: Manchmal muss man einsehen, das jemand anderes recht hat. Und Len hat recht. Also verschwinden wir von hier. Beide. Du hast jetzt drei Wege, welchen wirst du gehen?« »Drei Wege?« Kane zog eine Augenbraue hoch. »Wenn du die Möglichkeit euch zu verraten dazu zählst, hast du recht, aber dieser scheidet für mich sofort aus.« »Dann zwei.« Kane legte nachdenklich den Kopf an die Wand, überlegte, nickte dann. »Ich begleite euch. Ich werde euch im Moment zwar eher aufhalten, aber ich möchte euch trotzdem begleiten«, erklärte er schließlich. »Was haben sie mit dir gemacht?«, wollte Len daraufhin wissen. »Nichts, das ist normal wenn man die Mondwacht abbricht. Ich brauche noch meinen Umhang, dann können wir gehen«, lächelte Kane und robbte weiter an der Wand entlang, doch Reva erbarmte sich seiner und stützte ihn. Len übernahm nach kurzem zögern die andere Seite und gemeinsam gingen sie den Weg zu den Unterkünften der jungen Zauberer entlang. Kane trat sogleich ein und seine Freunde folgten ihm, wobei Len jedoch sofort hinter der Tür stehen blieb, als er die fünf Betten erblickte. Er war davon ausgegangen, das Kane ebenso ein Einzelzimmer hatte, wie er auch, doch wie er jetzt sah, war das ein Trugschluss gewesen. »Denkst du nicht, das deinen Zimmergenossen auffallen wird, das du nicht da bist?«, fragte er leise. »Nein. Wenn sie von der Mondwacht wiederkommen werden sie denken, ich bin beim Ställe misten, vor morgen Abend kommt keiner von ihnen auf die Idee nach mir zu fragen«, lächelte Kane. »Ich hatte vergessen, dass du ja jetzt nicht mehr in den Großräumen untergebracht bist«, bemerkte Reva dazu und schaute sich neugierig um, während Kane in seinem Schrank nach seinem Umhang suchte. »Großräume?«, wollte Len daraufhin wissen. »Ja. Wie du hier im Schloss untergebracht bist hängt im Großteil von deinem Beruf und deinem Stand ab. Bei Zauberern ist es so, dass wir in unserer Lehrzeit in den Großräumen untergebracht sind, dort wohnen wir zu zwanzig in einem Raum. Wenn wir unsere Lehre beendet haben, wohnen wir zu fünft und je besser wird sind und desto verdienter wir uns um die Krone gemacht haben, desto weniger Zimmergenossen haben wir. Meine Lehre ist erst seit ein paar Monden vorbei, deswegen stehe ich noch ganz unten in der Zaubererschaft«, erzählte Kane und warf sich einen Umhang aus schimmerndem Stoff über. »Bei den Kriegern ist das etwas anders. Die wohnen zu Anfang für gewöhnlich zu fünfzig und sie bleiben in den Großräumen, bis sie sich verdient gemacht haben. Das kann Jahre, Jahrzehnte dauern, viele schaffen es nie. Dann aber bekommen sie ein Einzelzimmer. Es gibt nur noch zwei andere Möglichkeiten, an ein solches zu kommen.« Reva streichelte nachdenklich ihren Fuchs während sie Kane beobachtete. »Die da wären?« »Als Vertrauter eines Hochrangigen oder als Frau.« Sie lächelte. »Du hast also ein Einzelzimmer?« »Ja«, nickte sie. »Also wird nach dir auch niemand fragen?« »Doch. Weißt du, ein Einzelzimmer ist nicht unbedingt etwas gutes, in der Menge hast du weit mehr Anonymität. Wenn es viele sind, kann man sich nicht um jeden kümmern. Wenn du etwas Besonderes bist, dann fällt es schneller auf, wenn du fehlst. Morgen früh zumindest sollten wir weit, weit weg sein, denn Lord Reff wird sehr schnell auffallen, wenn ich nicht da bin«, erklärte Reva und verließ den Raum als erste wieder. »Kane, meinst du nicht, damit fallen wir zu sehr auf?«, erkundigte sich Len, der den Raum hinter seinem Freund als Letzter wieder verließ und deutete auf den schimmernden Umhang. »Nein, im Gegenteil. Mich wundert eher, das Reva dir nicht die Zaubererkluft verpasst hat«, antwortete Kane. »Wieso das? Ich glaube, ihr solltet mir mal ein wenig über das Leben hier erzählen, ich verstehe im Moment nicht allzu viel«, brummte der junge Mann und runzelte unwillig die Stirn. »Ich erkläre es dir. Um an den Wachen vorbei zu kommen, ohne dass sie verdacht schöpfen, brauchen wir eine gute Ausrede. Das ist unser kleinstes Problem, ich bin die Vertraute von Lord Reff, ich brauche bloß zu behaupten, er hätte mich in privater Sache losgeschickt, keiner wird verdacht schöpfen. Deine Anwesenheit ist auch leicht erklärt, du sollst meine Leibwacht sein. Es ist nur leider so, dass selten zwei Krieger losgeschickt werden, in aller Regel sind es ein Zauberer und ein Krieger und sie wissen, dass ich keine Zauberin bin. Sinnvoll wäre es gewesen, wenn du also als Zauberer hier hinausgingest, aber ich konnte keinen Zaubererumhang besorgen. Dass Kane sich uns jetzt anschließt, ist also nur von Vorteil«, erklärte Reva. »Und warum? Wieso nicht nur Krieger?« »Damit die Boten gegen alle möglichen Feinde abgesichert sind. Ein Krieger kann gegen einen feindlichen Zauberer nur schlecht oder gar nicht bestehen. Diese zu schlagen wäre meine Aufgabe. Allerdings gibt es nicht genug Zauberer, als das es möglich wäre, nur sie als Boten einzusetzen. Wir müssen unsere Kraft sparen für den Fall, das es wichtig ist. Die Krieger bekämpfen gewöhnliche Feinde, wir sind dazu angehalten uns dort nur einzumischen, wenn ein Verlust droht. Zaubererfeinde dagegen sind unsere Aufgabe«, sprach Kane weiter. »Ich glaube, das habe ich jetzt verstanden«, nickte Len. Reva lächelte ihm kurz über die Schulter hin zu, den Rest des Weges legten sie aber schweigend zurück. Im Pferdestall angekommen stockte die junge Frau erschrocken. »Was ist?«, wollte Kane wissen. »Ich habe unsere Pferde schon gesattelt, aber wieso steht der Fuchs jetzt wieder ohne Zaum in der Box?«, flüsterte sie zurück und schaute sich misstrauisch um. »Weil er das falsche Pferd ist«, antwortete eine Stimme und eine Gestalt, im dunklen Stall nicht zu erkennen, trat auf die Stallgasse hinaus. »Sternenläufer passt besser zu ihm.« Kane und Reva erstarrten. Sie hatten die Stimme gleich erkannt, während Len noch überlegte. Die junge Frau schloss die Augen und zitterte leicht, während die Gestalt ins fahle Mondlicht trat, das durch die Stalltür hereinfiel. »Langsam ist das nicht mehr lustig. Warum müssen Sie mir immer alles vereiteln?«, fauchte Len frustriert. »Ich bin nicht hier um euch zu verraten, junger Prinz«, korrigierte Lord Reff mit einem kalten Blick, wandte sich dann an Reva. »Ich möchte nur den Grund wissen.« »Ich habe einen Traum gelebt. Jetzt bin ich aufgewacht«, antwortete sie kalt und drängte sich an Kane, der die Situation misstrauisch beäugte. »Wegen ihm?« Der Schwertmeister wirkte alles anderes als begeistert und sein Blick wurde noch abweisender, als er Kane anschaute. »Nein.« Lord Reff schien das nicht ganz glauben zu können, doch Len beendete die Situation auf seine Art und Weise. »Welches ist Sternenläuferin?«, wollte er von Reva wissen und ging die Stallgasse entlang. Die zögerte noch einen Moment, tauschte kurz einen Blick mit Kane, dann schluckte sie und nahm all ihren Mut zusammen. Sie folgte Len und zeigte ihm eine hübsche weiße Stute mit schwarzem Langhaar, die fertig gesattelt in ihrer Box stand und wartete. Sie holte ihr eigenes Pferd, ebenfalls eine Stute, aber in schwarz, und holte dann Sattel und Zaumzeug, während Kane sein Pferd, ein roter Hengst mit weißem Langhaar, herausführte. Reva sattelte den Hengst mit geübten Handgriffen, dann führten sie ihre Pferde hinaus. Kane kletterte eher unbeholfen auf den Pferderücken, doch seinen Hengst schien das nichts auszumachen. Len dagegen, der öfter auf den Pferden seines Herrn ritt, setzte erst seinen kleinen Wolf in den Sattel, schwang sich dann gekonnt dazu und schaute zu Reva. Die zögerte. Sie stand bei ihrer Stute und eigentlich konnten sie aufbrechen, doch irgendetwas schien sie noch zurückzuhalten. Schließlich wandte sie sich mit einem Ruck ab und lief zurück zu Lord Reff, der im Tor zu den Ställen stand. Sie sprach leise mit ihm und er hörte ihr aufmerksam zu. Schließlich sagte er selbst etwas, doch weder Len noch Kane konnten verstehen, was sie besprachen. Schließlich hielt Reff Reva die Hand hin und sie ergriff selbige. Sie schüttelten einander erst die Hände, dann warf sich das Mädchen in seine Arme, bevor sie fluchartig wieder zu ihrem Pferd lief und aufsaß. »Lasst uns reiten«, sprach sie mit tränenerstickter Stimme. Sie übernahm sogleich die Führung und gemeinsam trabten sie zum Tor. Die wachhabenden Männer wirkten eher gelangweilt und genervt, als sie bei ihnen ankamen. Erst schien es, als konnten sie vollkommen unbehelligt passieren, doch dann besannen sie sich wohl auf ihre Aufgabe und einer trat ihnen unwillig in den Weg. »Wohin des Weges?«, wollte er wissen. »Ich habe einen Auftrag für Lord Reff zu erledigen«, antwortete die junge Frau. Ihre Stimme klang noch immer nicht so harsch und selbstbewusst, wie gewöhnlich, aber sie hatte sich schon nach diesen wenigen Metern wieder erstaunlich gut in der Hand. »Um diese Uhrzeit, Lady Reva?« Erstaunt trat eine andere Wache hinzu, eine, die deutlich jünger wirkte. »Ja, Mev«, antwortete sie bloß. »Und eure Begleiter?«, wollte der Erste wissen, wirkte ein wenig erstaunt darüber, das Reva und die jüngere Wache einander zu kennen schienen. »Meine Leibwache.« »Also ein gefährlicher Auftrag? Darf ich wissen, worum es sich handelt?« Der Ältere wirkte immer misstrauischer. Er griff Revas Pferd in den Zaum und trat ganz nahe an sie heran. »Du musst wissen, wir haben Anweisung von Meister Ratscha, das wir niemanden passieren lassen dürfen«, mischte sich der jüngere, Mev, entschuldigend ein. »Nachdem der junge Prinz heute den ganzen Nachmittag ohne größere Schwierigkeiten hätte entkommen können, will man nichts mehr riskieren.« »Wollt ihr mir etwa unterstellen, ich würde den Prinzen hier herausschmuggeln?«, brauste die junge Frau entrüstet auf. Sie war wieder ganz die alte, wie Len mit einem Lächeln feststellte. »Nein, aber wir haben unsere Anweisungen«, antwortete Mev ruhig. »Lady Reva, in dem Fall können wir wohl nichts tun«, mischte sich nun auch Kane ein. »Wir sollten Lord Reff Meldung machen und auf weitere Anweisungen warten.« »Nein Kane. Seine Anweisungen waren eindeutig«, fauchte sie zurück. Sie schob ihre Kapuze zurück und Len blinzelte erstaunt aus dem Augenwinkel. Er konnte sie nicht offen ansehen, aber das, was er erkennen konnte, ließ ihn unweigerlich an eine Heeresführerin denken, deren Schlachtplan nicht so aufging, wie sie es sich gewünscht hätte, die jetzt überlegte, wie sie den Schaden möglichst gering halten konnte. Er stellte erstaunt fest, dass sie ihm auf eine sehr verquere Art und Weise sympathisch war. Er wusste nichts über sie, aber ihre Art und Weise, wie sie die beiden Wachen musterte, bestätigte ihm nicht nur, das sie in dieser Welt des Adels mächtiger war, als sie zugab, sondern es zeigte ihm auch eine vollkommen andere Facette ihres Seins. »Was uns aber nichts nutzt, wenn sie uns hier nicht durchlassen, Lady. Wir können hier noch stehen und unnötig Zeit vergeuden oder wir gehen zu Lord Reff und setzen ihn darüber in Kenntnis. Ich denke, wenn er persönlich hier auftauchte, müssten sie uns passieren lassen.« »Oh, wenn du ihn und seine Gattin wirklich zu nachtschlafender Stunde stören willst, Kane, dann tu dir keinen Zwang an, ich hatte das nicht vor«, fauchte sie und runzelte unwillig die Stirn. Daraufhin stieß die ältere Wache ein schnaubendes Lachen aus. »Seit ihr wirklich so naiv zu glauben, das er die Nächte bei seiner Frau verbringt, Lady Reva? Jetzt, wo ihr vor mir steht, wird er wohl eher dem Alkohol seine Aufmerksamkeit schenken, jeder im Schloss weiß, das er in den letzten Jahren nur mit euch das Bett geteilt hat«, erklärte er mit einem anzüglichen Grinsen. Revas Miene verdunkelte sich daraufhin vor Wut. Sie wirkt einerseits, als wäre sie kurz davor, wirklich laut zu werden, andererseits schien es ihr auch überaus unangenehm, dass sie vor Kane und Len so bloßgestellt wurde. »Lady Reva, wir sollten mit dieser Scharade aufhören. Sie haben recht, es weiß wirklich das ganze Schloss bescheid«, sprang da der junge Zauberer ein. Reva warf ihm einen fragenden Blick zu, den die Wachen aber nicht sahen, da sie sich nun vollkommen auf Kane konzentrierten. Der schloss mit einem Seufzen die Augen und rutschte dann vom Pferderücken. »Ich will ehrlich zu euch sein. Ja, das ganze Schloss weiß von Lord Reff und Lady Reva, auch seine Frau. Sie hat es all die Jahre stillschweigend hingenommen, warum weiß vermutlich niemand so genau. Aber wie dem auch sei, die Situation hat sich verändert und gewiss nicht zum Besten.« Er seufzte übertrieben theatralisch und Len war sich sicher, das ganz egal war, was er vorhatte, das sie ihm das niemals glauben würde, wenn er weiter so maßlos übertrieb, doch das Gegenteil schien der Fall. Die Wachen hingen geradezu an seinen Lippen. »Ihr müsst wissen, und diese Information habt ihr natürlich nicht von mir, die Lady Reva erwartet ein Kind vom Lord. Die Reaktion seiner Gattin, sollte sie davon erfahren, könnt ihr euch natürlich denken«, sprach der Zauberer munter weiter, währen die junge Frau wirkte, als träfe sie sogleich der Schlag. »Dies ist nämlich unsere eigentliche Aufgabe, also die von mir und dem lieben Rannan dort.« Kane deutete gut gelaunt auf Len, der inständig hoffte, dass die Wachen ihn nicht genauer betrachten mochten. »Wir sollen die Lady zu Freunden des Lords bringen, wo sie das Kind zur Welt bringen soll, fernab seiner Gattin und ihrem Einfluss. Immerhin ist dieses Kind sein erster Nachkomme, es könnte sein Erbe sein, auch wenn es kein eheliches Kind ist!« »Und damit das Verschwinden der Lady nicht auffällt, hat er sie also auf eine geheime Mission geschickt? Schlau wie ein Fuchs der Lord. Es stimmt doch, was der Zauberer sagt, Rannan? Lady Reva?« Mev schaute mit strahlenden Augen von einer Person zur nächsten. Len nickte abgehackt und erkannte aus dem Augenwinkel, wie Misstrauen in den Augen der Wache aufglomm. »Ja, es stimmt, auch wenn ihr davon eigentlich nichts wissen solltet. Und quält den armen Rannan nicht mit einer Antwort, die Männer aus Karelahn haben ihm die Zunge herausgeschnitten, als er einmal auf sie traf, er kann euch nicht antworten«, beeilte sich Reva zu versichern. »Ach, wirklich? Gut, sein Gesicht kann er uns doch wohl dennoch zeigen?« Auch die ältere Wache war misstrauisch. »Selbstverständlich. Nimm die Kapuze runter, Rannan«, sprach Kane. Die Wachen hatten nun ihre volle Aufmerksamkeit Len zugewandt, sodass sie nicht bemerkten, das Reva lächelnd nickte. So schob er also die Kapuze zurück und schaute die Wachen möglichst gelassen an. Die musterten ihn einige Augenblicke lang neugierig, dann nickten sie zufrieden und er schob sie schnell wieder hoch. Die beiden Männer tauschten noch einen Blick, dann ließ der ältere den Zaum von Revas Pferd los. »Ihr dürft passieren. Um euer Wohl und das eures Kindes«, erklärte er und trat zurück. »Vielen dank. Ich werde euch in Erinnerung behalten und Lord Reff berichten, wie großzügig ihr euch zeigtet«, dankte Reva, während Kane wieder auf den Pferderücken kletterte. Schließlich ritten sie weiter. Kaum waren sie außer Hörweite, brach die junge Frau regelrecht auf dem Pferderücken zusammen, als alle Anspannung von ihr wich. »Warum haben sie mich nicht erkannt?«, wollte Len sogleich leise wissen. »Weil sie den Prinzen nie gesehen haben«, antwortete Kane lächelnd. »Eigentlich war es nur Getue, das sie dein Gesicht sehen wollten, für sie warst du von beginn an nur irgendeiner der Kriegerschüler.« »Kane«, begann da Reva. »Ich hoffe dir ist klar, das ich nichts mit Lord Reff hatte?« »Entschuldige, meine Beste, aber als sie behaupteten, das ganze Schloss wüsste bescheid, war das nicht übertrieben.« Der Zauberer lächelte mitleidig. Reva wirkte, als wollte sie erst noch einmal widersprechen, doch schließlich schloss sie den Mund wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Einige Augenblicke lang blieb sie still, bis sie dann doch etwas sagte. »Das klären wir später. Jetzt müssen wir nur erst einmal von hier verschwinden, so weit wie wir können.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)