Please Recall... von -Moonshine- (Shinji ♥ Natsuki) ================================================================================ Kapitel 5: Nachwirkungen ------------------------ Naomi hockte bei den Nagoya's auf dem Wohnzimmerteppich, Natsuki lag neben ihr, stützte sich mit den Ellbogen ab und wedelte abwechselnd mit den Beinen in der Luft, während sie in das vor ihr liegende Buch starrte. Naomi hatte hingegen ein Heft vor sich liegen, in das sie Zahlen reinschrieb, die Natsuki ihr diktierte. Sie seufzte und legte den Kugelschreiber beiseite. "Das reicht für's erste", entschied sie und schaute Natsuki's Hinterkopf an, als wartete sie auf eine Antwort. "Okay." Ihre Freundin schlug das Buch zu, setzt sich auf und rutschte näher zu Naomi, um einen Blick in das Heft zu werfen. Wortlos schauten sich die beiden Freundinnen an, in beiden Gesichtern stand Ratlosigkeit geschrieben. "Vielleicht weiß deine Mutter ja eine Lösung?", schlug Naomi nach einigen Schweigesekunden vor, Natsuki jedoch schüttelte nur bedauernd den Kopf. "Die hat leider selbst keine Ahnung davon", erklärte sie, rief aber trotzdem nach ihrer Mutter, die bei dem schönen Wetter - die Sonne schien heiter vom Himmel herab und es war herrlich warm - auf dem Balkon saß und ein Buch las. Marron legte ihr Buch weg, jedoch nicht, bevor sie sich nicht die Seite, auf der sie gerade war, gemerkt hatte, und betrat den Raum, in dem die zwei Mädchen gerade versuchten, ihre Hausaufgaben zu machen. Sie warf einen Blick auf das Lehrbuch, das Natsuki hatte am Boden liegen lassen und lächelte die Mädchen entschuldigend an. "Tut mir leid, aber falls ihr Hilfe braucht, seid ihr bei mir an der falschen Adresse. Ich bin in Mathe fast durchgefallen seinerzeit", informierte sie die Freundinnen und setzte sich auf die Couch, vor der sich die zwei niedergelassen hatten. "Wirklich?", fragte Naomi interessiert - würde sie doch bald das gleiche Schicksal ereilen, sollte nicht bald irgendein Wunder geschehen. Marron nickte. "Ich bin nur durchgekommen, weil Chiaki, Natsuki's Vater, mir damals tagtäglich seine Hilfe aufgezwungen hat..." Sie lachte, als sie sich daran erinnerte, wie Chiaki früher ungefragt ihre Wohnung betrat, ohne hereingebeten worden zu sein, und sie gerade bei den Aufgaben erwischt hatte, die sie nicht zu lösen vermochte. Seitdem war er fast jeden Tag gekommen, hatte ungebeten ihr Mathebuch aufgeschlagen, hatte erklärt und immer wieder erklärt und egal, wie oft sie ihn zum Teufel wünschte, er blieb und half ihr - gegen ihren Willen. Das war natürlich noch zu der Zeit, wo sie sich niemals eingestanden hätte, dass sie tatsächlich Gefühle für ihn hatte - haben könnte. Und außerdem traute sie seinen Absichten auch nicht... Aber das war ja sowieso eine ganz andere Geschichte gewesen. irgendwann gewöhnte sie sich an seine Anwesenheit und sie bestand auch die Matheprüfungen - zwar nicht mit links, aber doch mit ganz akzeptablen Noten. Marron kräuselte die Stirn. Wie es wohl mit ihr und der Mathematik ausgegangen wäre, wenn Chiaki nicht da gewesen wäre? Sie wendete ihre Aufmerksamkeit wieder den Mädchen zu. Auch wenn sie damals Hilfe gehabt hatte - sie hatte den Stoff so schnell wie möglich aus ihrem Kopf verbannt, nachdem es sicher war, dass sie ihn nie wieder hatte brauchen können. Und - wie konnte es auch anders sein? - konnte sie sich heute an nichts mehr erinnern und demnach den beiden auch keine große Hilfe sein. Marron schüttelte den Kopf. "Ihr müsst Chiaki fragen, der ist ein Ass auf diesem Gebiet." "Ja, wenn er da wäre, wäre das auch kein großes Problem, aber er muss ja wieder Doppelschichten im Krankenhaus einlegen", beschwerte sich Natsuki genervt. Manchmal ging ihr ihr Vater schon ab, wenn er so lange arbeiten musste oder es einen schlimmen Unfall gab und alle kompetenten Hilfskräfte gebraucht wurden, die aufzufinden waren. Ihr Vater war einer der Besten, also wen wunderte es schon, dass man ihn ständig irgendwo brauchte? Natsuki ging das zwar gehörig gegen den Strich, musste sie doch ihren Vater mit zig anderen Leuten - Kranken, Alten, Kindern, Erwachsenen, Säuglingen - teilen, dennoch war sie sehr stolz auf ihn. Er rettete Leben, war hoch angesehen und tat alles, um den Menschen zu helfen. Und darüber hinaus schaffte er es doch irgendwie, ein intaktes Familien- und Privatleben zu führen. Na ja, korrigierte sie sich, zumindest oftmals. Er gab sein Bestes. Marron lächelte und stand wieder auf. Auch, wenn Natsuki nicht selten über den Beruf ihres Vaters und seine Abwesenheit schimpfte, so wusste sie doch, dass sie sehr gerne mit ihrem Vater prahlte und ihm gar nicht richtig böse sein konnte. Im Weggehen schmunzelte sie. Der Gedanke, dass es einen Menschen auf der Welt geben könnte, der Chiaki wegen irgendetwas ernsthaft böse sein könnte, amüsierte sie sehr. Mit ein wenig Anstrengung und Glück schafften es die zwei Mädchen, sich bis zur dritten Aufgabe durchzukämpfen, als es gerade an der Tür läutete. "Ich mach schon auf!", informierte Natsuki ihre Mutter, sprang auf und beeilte sich zur Tür. Ohne durch den Spion zuschauen oder nachzufragen - ein Fehler, den sie wahrscheinlich ein Leben lang bereuen würde, dachte sie sich kurz darauf - öffnete sie die Tür und lächelte den Besucher an. Zumindest hatte sie das vorgehabt, aber als sie sah, wer der Besucher war, gefror ihr das lächeln auf der Stelle im Gesicht. Vor der Tür stand Shinji. Der hatte ihr gerade noch gefehlt. Seit dem "Vorfall" - so nannte sie in Gedanken den flüchtigen Kuss, den er ihr aufgedrückt hatte - hatte sie ihn nicht mehr gesehen und obwohl der Gedanke sie immer noch quälte und demütigte, hatte sie versucht, ihn so gut es ging in die hintersten Ecke ihres Gedächtnisses zu vertreiben. Das war nun schon ein paar Tage her. Aber da stand er wieder. Stand in voller Größe vor ihr, seinen Rucksack hatte er über den Rücken geworfen und hielt ihn mit einer Hand fest, grinste sie an. Natsuki starrte ihn an, bewegte sich nicht vom Fleck. Der Gedanke kroch wieder heraus und platzierte sich im Mittelpunkt ihres Kopfes, tanzte und hüpfte dort herum. Wie entwürdigt sie sich doch vorkam...! "Ah, Natsuki", begrüßte Shinji sie frech grinsend. "Es ist immer wieder eine Freude, deinen wunderschönen, unglücklichen Gesichtsausdruck zu sehen, wenn du mich erblickst." Er lachte und marschierte an ihr vorbei in die Diele. Dabei vergaß er natürlich nicht, ihr schelmisch zuzuzwinkern. Er streifte mit dem rechten Fuß seinen linken Schuh ab, wiederholte das Verfahren andersherum und steuerte auf den Wohnraum zu. Natsuki schloss leise die Tür hinter ihm und folgte ihm mit einem skeptischen Blick. "Hallo Shinji", hörte sie Naomi begeistert den jungen Mann begrüßen. Er grüßte freundlich zurück und fragte nach Marron oder Chiaki. Marron steckte sogleich ihren Kopf ins Zimmer. "Ah, Shinji, guten Tag." "Ich wollte Chiaki nur das Buch zurückgeben, das er mir letzten Monat geliehen hat", erklärte Shinji und hielt ein Buch in die Höhe, das er in der Hand hatte, was Natsuki vorher aber nicht registriert hatte. Sie machte einen großen Bogen um Shinji, indem sie an der anderen Seite der Couch vorbeiging und sich wieder neben Naomi setzte, ohne Shinji und Marron dabei aus den Augen zu lassen. "Er arbeitet heute länger im Krankenhaus, tut mir leid. Leg es einfach auf den Tisch, ich werde ihm bescheid sagen." Ihre Mutter war inzwischen eingetreten und betrachtete Shinji eingehend. "Du warst schon lange nicht mehr hier, ist etwas passiert?", fragte sie freundlich, aber interessiert und fügte beiläufig hinzu, ob sie ihm nicht etwas zu essen machen sollte. Ohne eine Antwort auf die Essensfrage abzuwarten, ging sie an ihm vorbei, Richtung Küche und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Shinji ließ sich das nicht zweimal sagen. Natsuki wandte sich ab und schaute auf das Blatt Papier, das vor ihr lag, vollgeschrieben mit Zahlen, die für sie keine Bedeutung hatten. Im Gehen antwortete Shinji etwas von "das Gefühl gehabt, die Gemüter waren schon erhitzt genug". Natsuki war so, als werfe er ihr bei diesen Worten einen kurzen Seitenblick zu, jedoch war sie sich nicht sicher. Vielleicht würde sie auch langsam paranoid werden und sich bloß was einbilden? Shinji war wirklich ungesund für ihre Psyche, stellte das Mädchen fest, hakte diesen Gedankengang ab, blinzelte und starrte geradewegs in Naomi's forschendes Antlitz. Natsuki zuckte erschrocken zurück. "Was ist?", blaffte sie ihre Freundin an, brüsker, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Doch Naomi blieb davon unbeeindruckt, musterte Natsuki abschätzig an und stellte dann treffsicher fest, dass etwas mit ihr nicht stimmen konnte. "Ach was", winkte diese ab, "alles in Ordnung." "Na klar", erwiderte Naomi. "Was ist los mit dir? Shinji kommt rein - du tobst nicht, du schreist nicht, du bist still und beleidigst ihn nicht einmal! Das war ja sonst immer das MINDESTE, was du getan hast!", ereiferte sich die Blonde und fuhr auch schon, ohne eine Antwort abzuwarten, fort. "Und letztens in der Schule warst du auch so seltsam, von wegen Pancakes! Denkst du echt, ich hätte dir das abgekauft?" Auffordernd schaute sie ihre Freundin an, die sich in ihrer Haut ganz klar nicht mehr wohlfühlte und Naomi während ihrem Ausbruch immer wieder "Shhh" zugeraunt hatte. Natsuki warf einen Blick auf die geschlossene Küchentür und als sie sich überzeugt hatte, dass diese nicht im Begriff war, aufzugeben, sah sie Naomi streng in ihre grün-blitzenden Augen, die nach einer Antwort verlangten. "Schon gut, schon gut...", besänftigte Natsuki sie. "Ich erzähl es dir, aber lass dir bloß nichts anmerken, klar?? Das ist so... widerlich!", schloss sie. Gespannt nickte Naomi zweimal mit dem Kopf und lehnte sich zu ihrer Freundin rüber, um ihr Geheimnis nun auch endlich in Empfang nehmen zu können. "Als Shinji mich letzte Woche zur Schule gefahren hat, da..." Natsuki stockte. Es war noch viel demütigender, es auszusprechen, als sie anfangs gedacht hatte. "Also er...", begann sie noch einmal von vorne, "er hat versucht, mich zu küs..." "Oh mein Gott!", rief Naomi laut aus, noch ehe Natsuki ihren Satz zu Ende hatte aussprechen können, und starrte ihre Freundin fassungslos an. Natsuki nickte und öffnete wieder den Mund, um etwas zu sagen. "Aber - " Sie wurde jäh unterbrochen, denn die Küchentür schwang weit auf. "Hey Mädels, es gibt Pfannkuchen, wollt ihr mitessen?" Beide Mädchen fuhren erschrocken zusammen, stierten den strahlenden Shinji, der in der Tür stand, entsetzt an und bewegten sich keinen Millimeter vom Fleck, als wären sie in ihren Bewegungen eingefroren. Beide knieten auf dem Boden und hatten die Köpfe zusammengesteckt, die jetzt verschreckt auf Shinji gerichtet waren. Der junge Mann betrachtete verblüfft die geschockten Gesichter, die ihn mit aufgerissenen Augen anstarren und machte dann eine wegwerfende Bewegung mit der Hand, rollte mit den Augen. "Dass ihr Pfannkuchen SO verabscheut, konnte ich ja nicht ahnen. Na ja, bleibt mehr für mich übrig." Mit diesen Worten ließ er die Tür wieder hinter sich zufallen und man hörte aus der Küche gedämpfte Stimme herausdringen, als er seine Unterhaltung mit Marron wieder aufgenommen hatte. Die beiden Mädchen atmeten angesichts dieses Schocks tief durch und Natsuki lehnte sich erleichtert gegen die Couch. Als ihr Blick dem von Naomi begegnete, grinsten sie sich an und beruhigten sich beide wieder ein bisschen, wohl in dem Wissen, dass sie nun ein unglaubliches, schreckliches Geheimnis teilten. "Und?", fragte Naomi mit einem süffisanten Grinsen und ihre Freundin warf ihr einen fragenden Blick zu. "Wie war's denn so??" Natsuki rollte fassungslos mit den Augen und stieß einen genervten Seufzer aus. Ganz eideutig: Irrenhaus! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)