Please Recall... von -Moonshine- (Shinji ♥ Natsuki) ================================================================================ Kapitel 12: Unerwarteter Besuch ------------------------------- Natsuki wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als das Prasseln des Regens gegen ihr Fenster einsetzte. Es war der erste Ferientag und das Wetter spielte überhaupt nicht mit. Betrübt ließ das Mädchen ihren Blick aus dem Fenster schweifen. Dicke, graue Wolken bedeckten den Himmel komplett, nicht ein einziger Sonnenstrahl gelang durch die Wolkendecke zur Erde - mit einem baldigen Ende des Regens war nicht zu rechnen, ebenso nicht mit Sonne. Den Kopf in die Hand gestützt stieß Natsuki einen tiefen Seufzer aus. Nicht nur, dass das Wetter zu nichts zu gebrauchen war, sie war kein bisschen weiter mit ihren Nachforschungen gekommen. Deprimiert musste Natsuki sich eingestehen, dass sie sich da in etwas verrannt hatte, und das ganz gewaltig. Wie sollte sie jemanden finden, der überall auf der Welt sein konnte? Wie sollte sie einen einzigen Menschen inmitten von Milliarden von Erdenbewohnern ausfindig machen? Wie sollte sie herausfinden, ob er noch lebte? Wie sollte sie das alles bewerkstelligen können mit der einzigen Angabe eines Namens? Sollte sie jemanden um Hilfe bitten und diesem dann erzählen müssen, der einzige Hinweis wäre ein Traum gewesen, den sie mal geträumt hatte - man würde sie bestimmt sofort in die Psychiatrie einweisen! Und Shinji - er wollte ihr auch nicht helfen. Obwohl sie sicher war, dass er etwas wusste! Doch als sie ihn darauf ansprechen wollte, hatte er sich nicht kooperationsbereit gezeigt... Nachdem Shinji sie auf dem Weg hatte stehen lassen und weggegangen war, ohne ihr irgendwelche Informationen geliefert zu haben, die sie so dringend nötig brauchte, entschloss sich Natsuki dazu, ihm einen Besuch abzustatten und so lange nicht locker zu lassen, bis er ihr alles, was er über Fynn und Access wusste, verriet. Also machte sie sich am nächsten Nachmittag auf zu den Minazukis, um ihren Nachbar zur Rede zu stellen. Natsuki klingelte und wartete einen Moment, bis Miyako ihr die Tür öffnete. Überrascht schaute sie das Mädchen an und trocknete sich die Hände an einem Küchentuch, dass sie dabeihatte. Natsuki besuchte die Minazukis sonst nie ohne ihre Eltern - früher, als sie noch klein war, war Miyako hin und wieder als Babysitter eingesprungen, aber seit Jahren schon war sie nur noch mit Chiaki und Marron zu besonderen Anlässen erschienen. Was sollte sie auch da? Schließlich wohnte Shinji hier und den galt es ja so gut wie möglich zu meiden. Aber heute war es etwas anders. Sie musste mit Shinji sprechen... und da sie das Gefühl hatte, er wollte ihr in dieser Sache nur ausweichen, musste sie ihn direkt konfrontieren, damit er ihr nicht wieder entwischen konnte. "Hallo", begrüßte Natsuki Miyako etwas verunsichert, nicht ohne Zweifel, ob sie das wirklich tun sollte. "Natsuki, nanu, was für eine seltene Überraschung!" Miyako hielt Natsuki die Tür auf und wich etwas zurück, um ihr Einlass zu gewähren. "Hast du etwas auf dem Herzen?", fragte die Hausfrau freundlich, bedachte das Mädchen aber mit einem leicht besorgten Blick. Dass Natsuki plötzlich hier auftauchte, wo sie doch sonst mit aller Macht versuchte, Shinji nicht zu begegnen, verwunderte sie sehr und sie war sich sicher, Natsuki war nicht einfach nur aus einer Laune heraus in die "Höhle des Löwen" gekommen. "Nein...", murmelte diese zögernd, musste dann schlucken. "Ich wollte... ähm... ist Shinji... vielleicht da?", fragt sie und traute sich kaum, Miyako in die Augen zu sehen. Himmel, was musste sie jetzt denken? Natsuki war das Ganze peinlich, denn für Miyako musste es doch so aussehen, als würde Natsuki Shinji besuchen kommen - was sie ja auch zweifellos tat, jedoch hatte sie ganz andere Gründe als reine Sympathie für ihn und genau das wusste Miyako nicht. Shinji‘s Mutter bleib fast der Mund offen stehen. Damit hatte sie nicht wirklich gerechnet: Natsuki wollte tatsächlich zu Shinji! Zu ihrem aufdringlichen Sohn, der der Kleinen schon seit Jahren nachstellte und die Wohnung der Nagoya's zu seinem zweiten Zuhause auserkoren hatte! Oft hatte sie ihm eingebläut, er solle das Mädchen endlich in Ruhe lassen, denn entweder würde die Zeit von selbst kommen oder es wäre ihm nicht vorherbestimmt, mit ihr zusammen zu sein, er jedoch ließ sich von ihren Predigten nicht beeindrucken und war sich so sicher, dass er es nur weiter versuchen müsste, damit alles gut werde. Miyako hatte oft den Kopf geschüttelt über ihren ungehorsamen Sohn, der ihr lauter Probleme machte und auch mit Natsuki hatte sie Mitleid empfunden... das arme Mädchen war nirgends vor Shinji sicher und Miyako konnte ihren Zorn und Ärger sehr gut nachempfinden. Aber dieser plötzliche Stimmungswandel irritierte sie... Sie nickte verwirrt. "Ja... er ist in seinem Zimmer. Einen Moment, ich sag ihm bescheid." Stirnrunzelnd machte sie auf dem Absatz kehrt, durchquerte die Wohnung und blieb vor Shinji's Zimmer stehen. Sie klopfte und ein dumpfes "Herein" ertönte von der anderen Seite der Tür. Miyako betrat das Zimmer. Ihr Sohn saß am Schreibtisch und schrieb etwas am Laptop. "Shinji... Besuch für dich...", kündigte seine Mutter unsicher an und kratzte sich kurz am Hinterkopf. "Mhm..." Shinji nickte kurz angebunden, um ihr zu bedeuten, er habe verstanden, war aber viel zu versunken in seinen Gedankengang, um sich von seiner Hausarbeit abzuwenden. Miyako winkte Natsuki zu sich und ließ die Tür zu Shinji's Zimmer offen, verschwand dann selbst in der Küche. Sie wollte die zwei nicht stören, obwohl sie schrecklich neugierig war... was hatte das alles zu bedeuten? Langsam betrat Natsuki Shinji's Zimmer. Sie war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr hier gewesen. Früher stapelten sich Videospiele auf dem Regal und bedeckten den Fußboden, zusammen mit anderem Kram, ein paar Poster von berühmten Basketballspielern und anderen Sportlern hingen an seinen Wänden, das Bett war meist unordentlich und überall lagen Chipstüten und Süßigkeiten herum. Fast hatte Natsuki mit genau jenem Anblick gerechnet, doch als sie einen Blick in das Zimmer warf, traute sie kaum ihren Augen. Eine große Pinnwand hatte die Poster ersetzt; sie hing direkt über seinem Bett und Shinji hatte viele kleine und große Zettel mit Adressen, Nummern und Terminen daran festgemacht, das Bett war ordentlich gemacht, lediglich ein schwarzes Hemd war über die Lehne geworfen, das Regal war voll gestopft mit Büchern, akademische Sachbücher, aber auch Romane und Fotoalben fanden darin Platz. Auf dem Schreibtisch befand sich sein Laptop, ein gerahmtes Foto, auf dem er - im Alter von vielleicht 12 Jahren - und sein verstorbener Großvater väterlicherseits abgebildet waren, ebenso wie ein Glas Wasser, das schon fast leer war. In einer Ecke des Tisches lagen sorgfältig gestapelt ein paar Sportmagazine. Shinji saß beschäftigt an seinem Laptop, um ihn herum lagen ein paar aufgeschlagene Bücher und vollbeschriebene Papierblätter, in die er ab und zu einen Blick warf, und murmelte ohne Aufzublicken ein abwesendes "Komm rein, ich bin gleich fertig...", als Natsuki unsicher eintrat. Anscheinend hatte er jemand anderen erwartet, ging es Natsuki durch den Kopf und noch bevor sie sich bewusst fragen konnte, wer das wohl sein könnte, räusperte sie sich geräuschvoll, um auf sich aufmerksam zu machen und Shinji darauf hinzuweisen, dass sie nicht der Besuch war, mit dem er rechnete. Es funktionierte. Wie von der Wespe gestochen wirbelte Shinji herum und starrte Natsuki sekundenlang fassungslos an, bevor er sich wieder fing und ihr sein übliches Grinsen zuwarf. "Natsuki-chan, endlich hast du deinen Weg zu mir gefunden!", witzelte er und erhob sich von seinem Stuhl, nicht ohne auf den Speicherbutton auf seinem Laptop zu klicken. Natsuki ignorierte ihn. Jetzt war sie bei ihm zu Hause, in seiner "Welt" und wenn sie wollte, dass alles glatt ging, musste sie ihn eben so lange wie nötig aushalten und versuchen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen - das würde ein schweres Stück Arbeit werden! Shinji musterte neugierig ihren entschlossenen Gesichtsausdruck - sie kam ihm heute etwas steif vor - und räumte sein Hemd vom Bett, bedeutete ihr dann, sich hinzusetzen. Was sie wohl zu ihm geführt hatte? Er war sich fast sicher, dass es nicht die große Liebe war, aber hoffen war doch erlaubt, oder? Natsuki kam seiner Aufforderung zögernd nach und setzte sich an den Rand des Bettes. Ja, bestätigte Shinji seinen Verdacht, sie war wirklich angespannt. "Wie komm ich denn zu der Ehre, dass du mir einen Besuch abstattest?", fragte er und überlegte kurz, ob er sich neben sie auf das Bett oder doch lieber auf den Stuhl in sicherer Entfernung niederlassen sollte. Er entschied sich für den Stuhl und drehte ihn so, dass er Natsuki ansehen konnte. Nach allem, was bisher passiert war, befand er es als besser, sie vorerst mehr oder weniger in Ruhe zu lassen... noch so einen Patzer konnte er sich schwerlich erlauben... "Na ja...", druckste Natsuki herum und zwang sich schließlich dazu, Shinji anzusehen, der sie aufmunternd anlächelte. Sie fühlte sich in dieser Umgebung nicht sehr wohl. Vielleicht war es besser, direkt zur Sache zu kommen? "Ich wollte dich fragen, was du über Fynn und Access weißt..." Als sie sah, wie Shinji's Miene sich wie im Zeitlupe veränderte - verhärtete - beeilte sie sich schnell, weiterzusprechen. "Du weißt doch etwas nicht wahr? Du musst es mir erzählen!", bat sie ihn und merkte gleichzeitig, wie sich das Kräftegleichgewicht verlagerte. Jetzt stand sie hier vor ihm und hatte Sorge, abgewiesen zu werden und nach Shinji's Gesichtsausdruck zu urteilen, würde genau das auch geschehen. Shinji's Laune war sofort in den Keller gesunken. Er hatte es geschafft, den Vorfall von vor ein paar Tagen zu verdrängen, hatte seinen Ärger wieder in den Griff bekommen, doch jetzt saß sie wieder hier vor ihm - dieses Mädchen, das absolut keine Ahnung hatte und ihn unschuldig ansah, dieses Mädchen, das nichts verstand... und wollte das größte Geheimnis erfahren, dass er gezwungenermaßen hütete, ohne es selbst zu wollen! Und wie erwartungsvoll sie ihn ansah, mit diesem flehenden Ausdruck im Gesicht und zugleich dem entschlossenen Flimmern in ihren braunen Augen, die Hände in ihrem Schoß unbewusst zu Fäusten geballt - Shinji musste den Blick von ihr abwenden. Er stand auf und wandte sich von ihr ab, begann die Blätter auf seinem Tisch zu sortieren. "Tut mir leid", wiederholte er, wie auch einige Tage zuvor, ohne sie anzusehen. "Ich kann dir nicht helfen." Natsuki fiel die Kälte in seinem Tonfall auf, die sie vorher so noch nie bei ihm gehört hatte und plötzlich schien ihr, als stünde ein anderer Shinji vor ihr - einer, der ihr nicht das Leben zur Hölle machte mit seinen dämlichen Witzchen und seinem frechen Grinsen, sondern einer, bei dem sie nicht sonderlich willkommen war. "Aber warum denn nicht? Du weißt doch etwas!", bestand Natsuki, erhob sich vom Bett und starrte ihn herausfordernd an, wurde langsam wütend. Der wahrscheinlich einzige Mensch, den sie kannte, der ihr etwas über diese beiden Fremden verraten konnte und ihre seltsamen Träume aufklären konnte, verweigerte die Aussage! Dabei waren es nur ein paar Informationen, die sie haben wollte - und nicht etwa die Anleitung, eine Atombombe zu basteln oder ähnliches! "Ich weiß gar nichts!", schnappte Shinji zurück, heftiger als er eigentlich wollte, und funkelte das Mädchen böse an. Er war sauer. Er war richtig zornig. Auf Natsuki, weil sie hier so ahnungslos vor ihm stand und nicht wusste, wie viel das, was sie wissen wollte, ihm bedeutete - ihr selbst bedeuten sollte und Fynn bedeutet hatte, dass sie nicht wusste, wie sehr es ihn quälte, sich als einziger an die Vergangenheit erinnern zu können, dass sie nicht wusste, was es bedeutete, so hoffnungslos auf jemanden zu warten... er war wütend auf Marron und Chiaki, die ihm nicht erlaubten, Natsuki die ganze Wahrheit zu erzählen, die Wahrheit, die das einzige war, was ihn von ihr trennte! Und zeitgleich wusste er, dass es nicht so war, was ihn aber umso zorniger auf sich selbst machte. Auf sich selbst, weil er sich ganz offensichtlich einer Illusion hingab, denn auch, wenn Natsuki anscheinend über Fynn und Access bescheid wusste - es war ihm immer noch schleierhaft, woher - hatte sie deren Identität absolut verdrängt und würde ihm niemals glauben, dass er derjenige war, den sie suchte... So angefahren zu werden, erschreckte Natsuki und sie wich einen Schritt zurück, wobei sie an sein Regal stieß. Als er ihren verschreckten Gesichtsausdruck bemerkte, wurde er etwas ruhiger. Er hielt kurz inne, als ob er nicht wüsste, was er jetzt tun sollte, fuhr sich mit der Hand erschöpft durch die Haare und sog hörbar die Luft ein. "Hör zu...", begann er, doch Natsuki unterbrach ihn und blickte ihn wieder mit diesem Ausdruck in den Augen an, den er nicht aushalten konnte. "Shinji, du bist vielleicht der Einzige, der mir helfen kann, also..." Sie war an ihn herangetreten und streckte den Arm nach seinem Hemdärmel aus, doch als sie es berührte, schoss für den Bruchteil einer Sekunde ein heißer Schmerz durch ihren Kopf. Natsuki unterbrach sich und blinzelte Shinji irritiert an. Dieser schien nichts bemerkt zu haben und wich ihrem Blick aus. "Du... ich kann dir nicht helfen...", erklärte er ihr abweisend. "Aber...", versuchte sie es noch einmal, doch diesmal wurde sie von einem Klopfen abgelenkt. Beide richteten ihre Blicke blitzartig auf die Tür. Miyako öffnete. "Shinji..." Unbehaglich schaute sie ins Zimmer. "Besuch für dich." Sie trat zurück und Taiki kam zum Vorschein. "Alter, ich wusste gar nicht, dass du Frauenbesuch hast!" Amüsiert lehnte sich Shinji's Freund gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust, Natsuki von Kopf bis Fuß musternd. Etwas überfordert mit der Situation, warf Shinji seinem Kumpel einen mahnenden Blick zu und Natsuki fühlte eine wachsende Abneigung gegen Taiki. Sie hatte ihn zwar nicht oft, aber doch schon einige Male erlebt und er war ihr extrem unsympathisch vorgekommen. ‘Genau der richtige Kumpel für Shinji‘, hatte sie damals in ihrer Antipathie gegen beide gedacht. Wie er sie angaffte - sie musste hier dringend raus. Jetzt, wo er da war, konnte sie ohnehin nicht mit Shinji sprechen und ganz offensichtlich war dieser ja sowieso nicht bereit, ihr zu helfen. "Ich gehe", entschied sie und ohne Shinji, der leicht verzweifelt in der Mitte des Zimmer stand, noch Taiki, der sie immer noch belustigt betrachtete, anzusehen, drückte sie sich an beiden vorbei, verabschiedete sich eilig von Miyako und hastete aus der Wohnung der Minazukis'. Natsuki ärgerte sich. Was hatte Shinji zu verbergen? Warum wollte er ihr nicht sagen, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte? Und warum musste ausgerechnet ER etwas darüber wissen, von all den Menschen, die auf der Erde herumliefen? Es passte dem Mädchen ganz und gar nicht, dass sie nun mehr oder weniger auf ihren verhassten Nachbar angewiesen war. Was sollte sie jetzt bloß tun? Wer würde ihr jetzt noch helfen...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)