Please Recall... von -Moonshine- (Shinji ♥ Natsuki) ================================================================================ Kapitel 14: Abends im Park -------------------------- Shinji schlenderte gedankenverloren durch die Parkanlage. Er hatte seine Hände in die Jackentaschen gesteckt und kickte einen Tannenzapfen vor sich her, den er auf dem Kiesweg hat liegen gefunden. Betont langsam durchquerte er den Momokuri Park und fragte sich, was es mit Natsuki’s Erscheinen auf dem Campus und ihrer plötzlichen Flucht auf sich hatte. Falls sie wieder aufgetaucht war, um ihn nach Access und Fynn auszufragen - gab dieses Mädchen denn nie auf? - machte es allerdings keinen Sinn, wieso sie so schnell die Flucht ergriffen, kaum dass sie ihn erspäht hatte. Ein Buch mit sieben Siegeln, dachte Shinji und schüttelte leicht den Kopf, um seiner Ratlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Was ging in ihr vor? Woher wusste sie bescheid über die beiden Engel? Marron hätte ihm gegenüber sicherlich erwähnt, wenn sie sich doch dazu entschieden hätte, Natsuki in Kenntnis über die Vergangenheit zu setzen. Aber das bezweifelte er. Sie und Chiaki wollten Natsuki’s kleine, heile Welt so lange wie möglich bewahren und das konnte Shinji ihnen nicht übel nehmen. So, wie er das Mädchen kannte - und Fynn gekannt hatte - würde sie sich schreckliche Vorwürfe machen. So eine Erinnerung konnte das ganze Leben verändern und obwohl er sicher war, dass Natsuki lernen würde, damit umzugehen, würde sie doch eine Menge daran zu knabbern haben. Vielleicht, dachte Shinji, wäre es besser für Natsuki, sich nie daran erinnern zu können, so schmerzhaft das auch für ihn sein würde. Doch trotzdem... woher hatte Natsuki ihr unvollständiges Wissen? Außer Marron, Chiaki, Miyako und ihm selbst konnte keiner ihr etwas erzählt haben - und er wusste ganz sicher, dass niemand von den in Frage kommenden Personen sie auf diese Fährte gebracht haben könnten. Was also wollte sie sonst da? Shinji runzelte die Stirn. Sein Freund hatte ihm bloß erzählt, er habe sich lediglich mit Natsuki unterhalten und plötzlich hatte sie es sehr eilig. Das konnte Shinji auch sehen... auch worüber haben beide geredet? Doch solange es nicht um Fynn und Access ging - und das konnte nicht sein, denn Taiki war so ahnungslos wie ein Kleinkind mit einem Teddybär - war es Shinji auch nicht sonderlich wichtig. Möglicherweise wollte Natsuki Taiki auch nur ausfragen, ob er, als jemand, der Shinji sehr nahe stand, etwas wusste, um ihn selbst so umgehen zu können. Wie auch immer - auch, wenn es Shinji die ganze Sache sehr beschäftigte, würde er ohnehin nicht darauf kommen. Er würde Natsuki einfach mal fragen, wenn er sie das nächste Mal treffen würde. Aufpassen müsste er dann allerdings auch - er hatte mit seinen unkontrollierten Reaktionen schon mehr verraten, als Natsuki wissen durfte. Das nächste Mal würde er sich darauf gefasst machen müssen... Noch in seine Gedanken versunken bemerkte er wenige Meter weiter eine schattenhafte Gestalt auf einer Parkbank, doch je näher er der Person kam, desto mehr erkannte er den Umriss eines ihm sehr bekannten Mädchens. Shinji würde sie überall erkennen... ihre Haltung, ihre Art, ihr Auftreten... er hatte diesen besonderen, sechsten Sinn für sie... Chiaki behauptete immer, er habe einen Marron-Radar. Vielleicht war es bei ihm ja so ähnlich? Natsuki hatte die Hände im Schoß gefaltet und hielt den Blick geistesabwesend auf den Boden gerichtet, vollkommen vertieft in ihre Gedanken. Shinji konnte ihre sie geradezu greifen, so offensichtlich war es, dass etwas sie so sehr beschäftigte. Etwas sehr Unangenehmes, wie er ihrem verzweifelten Gesichtsausdruck entnehmen konnte. Er kam näher. Als sie seine Schritte auf dem knirschendem Kies vernahm, drehte sie sich zu ihm um und blickte ihn überrascht an. Nicht lange währte diese Gefühlsregung auf ihrem Antlitz, bald schon verschwand jegliche Emotion wieder und das Mädchen wandte sich ab, beobachtete weiterhin die unsichtbare Stelle auf dem Boden, die sie so in ihrem Bann hielt. Shinji war wirklich der Letzte, den sie jetzt sehen oder mit dem sie sprechen wollte. Eigentlich wollte sie nur Ruhe... Er jedoch setzte sich neben sie und zog es vor, erst einmal nichts zu sagen, spielte kurz mit dem Gedanken, sie von seinem Auslandssemester zu unterrichten - vielleicht würde sie das aufheitern? Scheinbar hatte sie schlechte Laune... Einige Augenblicke verharrten sie schweigend nebeneinander, doch als Natsuki immer noch stumm war, ergriff Shinji das Wort. "Warum bist du weggelaufen?", fragte er langsam und schaute sie von der Seite her an. Sie jedoch wandte den Blick nicht ab, als sie ihm tonlos antwortete: "Ich hatte es eilig..." "Verstehe." Shinji nickte leicht amüsiert. "Du hattest eine Verabredung mit der Parkbank hier?", versuchte er es mit einem Witz, doch Natsuki ging gar nicht darauf ein. "So ähnlich", sagte sie leise und immer noch konnte Shinji nicht die Spur eines Ausdrucks auf ihrem Gesicht erkennen. "Natsuki... was ist eigentlich los?", fragte er sanft und legte seine Hand auf ihre Schulter, um sie behutsam zu sich umzudrehen. Wie er es erwartet hatte, schüttelte sie seinen Arm ab und sah ihn endlich an, vollkommen ausdruckslos "Du nervst...", murmelte sie nicht gerade überzeugend und Shinji lachte nur leise. "Du verlierst langsam an Glaubwürdigkeit, meine Kleine...", merkte er belustigt an, wurde dann aber wieder ernst. "Willst du nicht endlich sagen, was mit dir los ist in letzter Zeit?" "Nein, will ich nicht!", sprudelte es aus Natsuki heraus und endlich sah sie ihn wieder mit zornesfunkelnden Augen an. Sie war aufgesprungen und stand nun schräg vor ihm, doch bevor sie die nächste Salve auf ihn abfeuern konnte, meldete Shinji sich selbst zu Wort. "Lass mich raten – und mir schon mal gar nicht, nicht wahr? Es geht mich ja auch gar nichts an." Obwohl ein Hauch Spott aus seinem Tonfall herauszuhören war, grinste er sie erleichtert an – diese Seite an Natsuki war ihm bekannt und vertraut und er konnte besser mit ihr umgehen, als mit der nachdenklichen, deprimierten Natsuki. Shinji lehnte sich entspannt zurück, wobei er sich insgeheim fragte, wie Frauen das so einfach hinkriegten, ihre Launen von einer Sekunde auf die andere zu ändern. "Da hast du verdammt noch mal recht, das geht dich gar nichts an!", giftete Natsuki ihn an. Das war zuviel für sie am heutigen Tag! Erst Taiki, der ihr einredete, sie würde Shinji's Leben zerstören, obwohl sie gar nichts tat und jetzt auch noch dieser Vollidiot, der es doch tatsächlich wagte, sich über sie lustig zu machen! Also hatte es gestimmt, was Taiki gesagt hatte! Dass sie für Shinji bloß ein Kind war... Plötzlich war das Mädchen gar nicht mehr wütend... In ihrem Inneren regte sich kein Gefühl des Zorns mehr, vielmehr fühlte sie sich ausgelaugt und erschöpft. Ein Verlangen, sich im Dunkeln in ihr Kissen zu vergraben und dort für den Rest der Sommerferien nicht mehr herauszukommen, überkam sie. Das angriffslustige Flimmern in ihren Augen schwand und ein anderer Ausdruck spiegelte sich darin wieder - Resignation. Shinji bedachte Natsuki mit einem ernsten Blick. "Und was ist, wenn es mich doch etwas angeht...?", fragte er leise, mit sanfter Bestimmtheit und veranlasste seine Nachbarin, überrascht zu ihm aufzublicken. Argwohn legte sich auf ihr Gesicht, als sie fragen wollte, was er damit gemeint hatte. Shinji jedoch schnitt ihr das Wort ab. "Schon gut, du hast recht, geht mich nichts an...", murmelte er schnell. Hatte er sich nicht vorgenommen, das Thema endgültig ruhen zu lassen? Aber sie provozierte es auch immer wieder... Während Natsuki ihn aufmerksam musterte, wie er sich schnell korrigierte und den Blick abwandte, kam ihr eine Frage in den Sinn, die sie sich vorher seltsamerweise niemals in dieser Form gefragt hatte. Shinji war ständig um sie herum, kein Wunder, dass Taiki daraus falsche Schlüsse zog. Aber warum war Shinji ständig um sie herum...? "Shinji... was willst du eigentlich...?" Er blickte sie an, ratloses Stirnrunzeln. "Was ich will...?", wiederholte er, verstand nicht. Was meinte sie? "Du bist doch ziemlich beliebt...", setzte sie zögernd an, um nichts Falsches zu sagen, das er missverstehen könnte. "Taiki meinte, dir laufen viele Mädchen nach und du könntest jede haben... Warum suchst du dir nicht einfach Eine aus, mit der du dich dauerhaft beschäftigen kannst?" Fragend schaute sie ihn an und beobachtete, wie es hinter seinen verständnislosen Augen arbeitete. Zweifelsohne schwankte da eine Prise Bitterkeit in ihrer Stimmlage mit, die sie nicht beabsichtigt hatte und von der sie nicht wusste, woher sie so plötzlich gekommen war. Diese Worte... das wollte sie ihm doch schon immer sagen... oder etwa nicht? "Andere Mädchen?", wiederholte Shinji irritiert. Was wollte dieses Mädchen ihm damit sagen? Wie sollten ihn andere Mädchen beschäftigen, wenn allein sie ihn in ihrem Bann hielt? Shinji hielt das alles für pure Ironie des Schicksals. Es war noch niemals sonderlich freundlich zu ihm gewesen, warum sollte sich das irgendwann ändern? "Ja, Mädchen", bekräftigte Natsuki. Dass Shinji so begriffsstutzig war auf diesem Gebiet, erstaunte sie. "Du weißt schon... diese Exemplare, die dir laut Taiki so verfallen sind?", half sie ihm auf die Sprünge und bereute ihre gehässigen Worte sofort. Was war nur los mit ihr? Shinji schien zu verstehen, denn seine Augen verengten sich zu kleinen, gefährlichen Schlitzen und in seiner Stimme schwang ganz eindeutig Misstrauen mit, als er seine nächsten Worte sprach. "Taiki? So was hat er dir erzählt?" Er wusste doch von Anfang an, dass da etwas nicht stimmte... Wie konnte er es wagen, Natsuki so einen Blödsinn in den Kopf zu setzen? Nun, gelogen war das nicht, da konnte er seinem Freund keinen Vorwurf machen, aber das Natsuki auf die Nase zu binden, die sowieso schon nicht viel von ihm hielt, war jawohl die allergrößte Sauerei! Doch dann fiel ihm noch etwas anderes auf. Seit wann sprach Natsuki so voller Abneigung von ihm im Zusammenhang mit anderen Frauen?? Er konnte sich ein Grinsen wahrlich nicht verkneifen. "Bist du deshalb so seltsam?", fragte er. "Weil du befürchtest, ich könnte mich für eine von denen interessieren? Du weißt doch, dass mein Herz nur dir gehört, Natsuki-chan", scherzte Shinji, was aber nicht den gehofften Effekt mit sich brachte. Anstatt sich wieder schrecklich darüber aufzuregen und ihn zu beschimpfen, warf sie ihm nur einen vernichtenden Blick zu. "Das ist nicht lustig", erklärte sie ihrem Nachbar angesäuert. "Solche Späße bringen die anderen nur-" "Ich halte nichts von anderen Mädchen", unterbrach Shinji sie energisch, richtete sich blitzschnell auf und griff nach ihrem Handgelenk. "Und rede bitte nicht ständig von ihnen." Seine Stimmung war umgebrochen. Er sprach ungeduldig und ernst, als habe er genug von diesem Gespräch. Verständnislos blickte das Mädchen ihn an. "Hör zu... verstehst du nicht... Die anderen Mädchen sind mir egal...", versuchte er es noch einmal mit einer Erklärung. "Was meinst du damit?", hakte Natsuki argwöhnisch nach. Warum hielt Shinji nichts von Mädchen? Die Frage allerdings schien Shinji regelrecht aufzuregen, ihm die Geduld zu rauben. "Sie sind nicht DU!", sprudelte es etwas heftiger und lauter aus ihm heraus, als er eigentlich wollte. Dann zwang er sich, sich zusammenzureißen und sah sie direkt an. Kein amüsierter Tonfall, kein freches Grinsen im Gesicht, kein Spaß... Natsuki schaute verunsichert zu ihm hoch und ihr ängstlicher Gesichtsausdruck besänftigte ihn etwas. Wie bitte? Natsuki fühlte sich plötzlich ein bisschen schwach auf den Beinen und verspürte den Drang, sich hinzusetzen, doch als sie sehnsüchtig nach der Bank spähte, hörte sie sich selbst mit heiserer Stimme fragen: "Aber... was meinst du...?", was Shinji offenbar den letzten Rest gab. Er seufzte laut auf. "Ich mache keine Witze", gestand er leidvoll. "Ich meine damit, dass ich dich mag und ich frage mich, warum du es einfach nicht sehen willst? Ich mag es, wie du mich so wutentbrannt mit angriffslustigen Augen anfunkelst und wie du mich mit deiner Schlagfertigkeit überrumpelst. Ich mag es, wie du beim Schlafen aussiehst - unschuldig und unangreifbar - und wie du vollkommen versunken in ein Buch abwesend über dessen Inhalt lächelst und die Nase kraus ziehst, wenn du vor dem Problem einer unlösbaren Matheaufgabe stehst..." Shinji‘s Blick wurde weich und er lachte leise in sich hinein. "Ich liebe es, wie du genervt die Augen rollst, wie du dir jeden Morgen, bevor du das Haus verlässt, die rechte Haarsträhne hinter das Ohr klemmst und wie du immer vorgibst, allein zurechtkommen zu können und jegliche Hilfe ablehnst. Ich... ich..." Er rang nach Worten. "...noch viel mehr! Alles!", schloss er dann unbeholfen und zuckte hilflos mit den Schultern, sich nicht sicher, ob er nicht einen schrecklichen Fehler gemacht hatte? Doch was hatte er schon zu verlieren? Eine Stille legte sich über die beiden, schon beinahe im Dunkeln stehenden Personen. Entsetzt starrte Natsuki ihn an. So etwas hatte sie von noch niemandem gehört und sie hatte auch nicht erwartet, es in nächster Zeit von irgendjemandem zu hören zu bekommen – schon gar nicht von Shinji. Sie dachte... nun, zum gegenwärtigen Zeitpunkt wusste sie nicht mehr genau, was sie dachte oder gedacht hatte. Wenn sie ehrlich war, war sie mit der Situation so ziemlich überfordert... Ihre Gedanken rasten alle gleichzeitig durch ihren Kopf und sie konnte sich nicht auf einen Einzigen von ihnen konzentrieren. Sie musste doch irgendetwas darauf erwidern? Nur was? Sie machte den Mund auf und war überrascht, tatsächlich zu hören, wie sie ein "Ähh..." hervorbringen konnte. Darauf folgte ein "Wann hast du mich denn schlafend gesehen?". Natsuki biss sich auf die Unterlippe. Hatte sie ihn das tatsächlich gerade gefragt? Das war wohl das dämlichste, was sie in solch einer Situation sagen konnte, aber sie hatte es ernsthaft zustande gebracht... nicht wahr, oder? Sie warf einen schüchternen Blick zu Shinji, der sie verdutzt anschaute und schließlich vergnügt grinsen musste. Anscheinend hatte er zu seiner alten Form zurückgefunden. "Im Krankenhaus", antwortete er lachend und dann kehrte ein liebevoller Ausdruck in sein Gesicht, den Natsuki schon mehrmals bei ihm beobachtet hatte. "Hör zu... vergiss das, wenn es dich beunruhigt. Ich erwarte nichts von dir", erklärte er, dann fiel sein Blick auf ihr Handgelenk, dass er immer noch umklammert hatte und er ließ sie los. „Ist schon in Ordnung so... Es ist alles so wie immer – eigentlich“, fügte er hinzu und kratzte sich am Hinterkopf, drehte ihr dann den Rücken zu und sagte, er müsse jetzt los. Gleichzeitig wusste er, dass sich ab jetzt alles ändern würde. Nichts war mehr, wie immer. Der Wind rauschte im Laubwerk der Bäume und spielte mit ihrem Haar. Natsuki klemmte sich unbewusst eine Haarsträhne hinter das Ohr, als sie Shinji's verschwindender Silhouette hinterher blickte und ein flaues Gefühl in ihr hochkroch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)