In Nottingham von -Moonshine- ================================================================================ Kapitel 16: Home sweet home --------------------------- Als Kate mit ihren Schlüssel die Wohnungstür zu Claire's und ihrer Wohnung aufmachte, stieg ihr sogleich ein eigenartiger Geruch in die Nase, den sie nicht sofort zuordnen konnte. Seltsam eigentlich, denn Claire war eine außergewöhnlich gute Köchen und noch seltsamer, denn Claire kochte selten bis niemals. Kate vermutete, dass dahinter die Angst lag, zu einem Hausmütterchen abgestempelt zu werden. Sie war in dieser Hinsicht etwa ähnlich beschaffen wie Lizzie... Als Kate ihren Koffer abstellte und ihre Jacke an den Haken hängte, hörte sie zwei sich streitende, dumpfe Stimmen aus der Küche herausdringen. Claire war also nicht alleine. Kate lächelte. Es gab nur einen, mit dem Claire im Dauerclinch lag. Sie streifte ihre Schuhe ab und öffnete vorsichtig die Tür zur Küche. Sie war selbst ganz erstaunt, wie sehr sie sich freute, Jake wiederzusehen. Sie hatte ihn ganz schön vermisst, seine stressfreie Art und sein Geplapper und London hatte ihr richtig gut getan, um ein bisschen Abstand von den Dingen zu nehmen. Obwohl das, was zwischen ihnen passiert war, wirklich dumm war, ließ es sich nicht rückgängig machen und sie durfte wegen so einem Fehltritt auf keinen Fall ihre Freundschaft mit Jake auf’s Spiel setzen. Vor allem, da sie sowieso die einzige war, die sich daran erinnern konnte. Claire lehnte gegen den Küchentisch und hatte ihr den Rücken zugewandt und die Arme verschränkt. Jake hingegen hing über der Spüle, die Ärmel seines Pullovers hochgekrempelt, die Haare in der Stirn total nass, ebenso wie die Vorderfront seines Pullis. Das Wasser lief, der Boden unter ihm war klatschnass, sodass er mit den besockten Füßen in einer Wasserlache stand. Auf der Ablage stapelten sich verschiedene, schmutzige Schüsseln und der Herd war so verdreckt wie noch nie. Eine matschige Tomatenscheibe lag auf dem Boden, der Rest davon auf einem Schneidebrettchen auf dem Tisch, neben einem Salatkopf. "Du Vollidiot!", schimpfte Claire gerade. "Hast du verwöhntes Balg überhaupt jemals einen Lappen angefasst, geschweige denn einen einzigen Fuß in eine Küche gesetzt?!" "Wieso machst du das denn nicht, wenn's dir nicht passt?", konterte Jake, allerdings klang er mehr als nur verzweifelt. Claire schnaubte nur genervt. "Das würde dir so passen. Immerhin war das DEINE Idee!" "Ich wollte Katie nur etwas Gutes tun, das kann man von dir ja nicht gerade behaupten", knurrte ihr bester Freund verdrießlich und schmiss einen Löffel, am dem er gerade viel zu lange herumgeschrubbt hatte, wieder in das Spülbecken. Kate konnte ein Kichern nicht unterdrücken und sofort schossen die zwei Köpfe zu ihr herum. "Katie", rief Jake, sprang auf sie zu und fiel ihr um den Hals. Mit milder Überraschung tätschelte sie verhalten seinen Rücken, ein bisschen peinlich berührt. Claire betrachtete ihre Freundin, die von Jake umarmt wurde, von weitem. Fast meinte Kate, eine missbilligend hochgehobene Augenbraue bei Claire gesehen zu haben, aber sie könnte sie auch getäuscht haben. Diese lehnte sich mit dem Rücken gegen die Anrichte und lächelte. "Du siehst erholt aus", stellte sie fest und klang recht zufrieden, als wäre das ihr eigener Verdienst. Jake indessen trat ein paar Schritte zurück und musterte Kate, die ihrer besten Freundin begeistert zunickte. "London war toll", erzählte sie fasziniert und ein gedankenverlorenes Lächeln umspielt ihre Lippen, als ihr Blick erinnerungsselig abschweifte und sie anfing, von ihrer Kurzreise in die große Stadt zu berichten. Allem voran von dem abenteuerlichem Aufenthalt bei ihrer Schwester Liz. Jake zog einen Stuhl unter dem vollbepackten Tisch hervor und setzte sich schweigend, lauschte Kate's Schilderungen von dem plötzlichen Auftauchen John's und von Lizzie's stundenlangem Wegbleiben. Claire grinste. "Ich dachte, 'Johnny' wär ein Bandmitglied?", hakte sie nach und verschränkte belustigt die Arme vor der Brust. "Dazu passt deine Beschreibung von seinem Aufzug aber gar nicht." Kate nickte ernst. "Ich hab auch den Verdacht, dass das der Grund ist, warum sie ihn Mum und den anderen noch nie vorgestellt und ihn vor uns geheim gehalten hat. Weil er zu anständig ist, ihrer Meinung nach, und das ist ihr peinlich." Nebenbei entledigte sie sich ihres Pullovers und hängte ihn sich über den Arm, wandte sich zum Gehen und versuchte, so gut, wie es ihr möglich war, die unangenehme Tatsache zu ignorieren, dass Jake sie die ganze Zeit über von der Seite her anstarrte. "Eine seltsame Schwester hast du", murmelte er schließlich leise und handelte sich einen weiteren - bestimmt an diesem Tag nicht gerade den ersten - abfällig-mitleidigen Blick von Claire ein. "Du hast ja echt keine Ahnung", stichelte sie ihn und Kate seufzte. Sie musste aus diesem Stresszimmer schnellstens raus. "Ich geh erst mal auspacken." Froh, wieder in ihr geliebtes Zimmer zurückzukehren, nahm Kate ihren Koffer und zog ihn hinter sich her, im Hintergrund die beleidigte Stimme Jake's. "Hast du etwa eine?!" Als sie die Tür aufstieß, die beiden Streithähne mit ihren irdischen Probleme hinter sich ließ und das Zimmer betrat, fiel ihr Blick sofort auf ihren Schreibtisch, der belagert wurde von einem riesigen Stapel Büchern. Interessiert trat sie näher, der Koffer war längst vergessen, und nahm das erste Buch, das oben drauf lag, in die Hand, las sich den Titel durch. Es war eine Biographie über den englischen Dichter William Blake. Kate warf einen Blick auf das Buch darunter und auch das handelte von den Dichtern und Denkern der Literaturepoche der Romantik. Verwirrt runzelte Kate die Stirn. Sie konnte sich nicht erinnern, vor ihrer Abreise in der Bibliothek gewesen zu sein und diese Bücher ausgeliehen zu haben. Abrupt drehte sie sich um und schlenderte in die Küche, wo Claire und Jake noch immer ihren Kochkrieg ausfochten. Ohne sich von dem Gekeife und den fliegenden Kochlöffeln beeindrucken zu lassen, schwenkte Kate abwesend das Buch hin und her. "Claire? Woher kommen denn die Bücher?" Claire drehte sich augenblicklich zu ihrer Freundin um und grinste selbstzufrieden. "Ach, weißt du... ich hatte eine Menge freie Zeit und irgendwann wurde mir langweilig, also hab ich dir ein paar Bücher ausgeliehen, von denen ich dachte, sie könnten zu deinem Hausarbeitsthema passen. Es ist doch irgendwas über die Romantik, oder?" Sie hielt inne und grübelte kurz nach. "Motivationen der romantischen Schriftsteller und Dichter? Ich hab die Bücher extra nach diesem Thema ausgesucht." Gerührt nickte Kate. "Danke, Claire. Du ahnst ja gar nicht, wie viel Arbeit mir das erspart. Du bist die Beste!" Sie fiel Claire um den Hals und drückte sie an sich. Kate hatte ihre Freundin wirklich vermisst, immerhin verbrachte sie Tag für Tag mit ihr zusammen und nur sehr selten bekamen sie sich in die Haare. Ohne Claire war sie wie auf Entzug, niemand, der dumme Sprüche losließ und niemand, der ihr ins Gewissen redete und niemand, der sie nervte und sie dazu zwang, die Küche aufzuräumen. Jake verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während er die zwei beobachtete. "Ich hätte das auch machen können, wenn ich gewusst hätte, dass du so was brauchst", verteidigte er sich ein wenig eingeschnappt. Kate schenkte ihm ein Lächeln, kam jedoch nicht dazu etwas zu sagen, denn Claire schaltete sich nun schon ins Gespräch ein. "Du würdest die Literaturabteilung in der Bibliothek doch nicht mal finden, geschweige denn die Suchmaschine im Computer bedienen können", spottete sie gehässig und grinste bis über beide Ohren, als Jake vor Wut rot anlief und nur ein fassungsloses Schnauben von sich gab. "Lass dich nicht von ihr ärgern, Jake", riet Kate ihm gutgelaunt und stupste ihre Freundin warnend in die Seite. "Und du sei ein bisschen netter, klar? Ich will keine Schlägereien sehen." Mit diesen Worten verließ sie die Küche wieder, um sich endlich dem Auspacken zu widmen. Außerdem wollte sie noch kurz in die Dusche hüpfen, denn der Rückweg war viel zu lang gewesen, da ihr Zug Verspätung gehabt hatte und erst nach fast einer Stunde aufgetaucht war. Frisch geduscht, trocken und in sauberer Kleidung fühlte sich Kate schon viel besser, wunderte sich jedoch, weshalb überall Jake’s Klamotten herumlagen: im Bad hatte sie seinen Pulli ausfindig gemacht, im Flur lag eine von seinen Socken; die zweite war nirgends in Sicht. Hatte er etwa hier übernachtet? Es sah jedenfalls ganz so aus, als hätte er sich bereits heimisch gemacht. "Sag mal, Claire", begann sie abwesend und rubbelte sich nebenbei die Haare mit einem Handtuch ab, schaute sich in der Küche um, "hattest du denn nichts zu tun?" Diese verzog das Gesicht. "Ich sag ja, ich hatte etwas Zeit..." "Hast du nicht bald Klausuren?" Kate trat an den Schrank heran, öffnete ihn und nahm sich ein Glas heraus, um sich etwas zu trinken einzugießen. Sie griff nach der Flasche, öffnete sie und ließ den dunkelroten, leckeren Cranberrysaft ins Glas ein. "Doch. Aber ich konnte mich nicht auf's Lernen konzentrieren, weil unser lieber Freund hier..." Sie warf Jake einen ihrer missbilligenden Blicke zu, "einer Klettpflanze gleicht, die man nach zwei Tagen erst am Ärmel oder in der Kapuze seiner Jacke entdeckt." Was nichts anderes heiß, als dass Jake Claire so lange nicht in Ruhe gelassen hatte, bis sie alle Versuche, ihn von sich fernzuhalten, aufgegeben hatte. Jake war ganz und gar nicht Claire's Meinung, wagte aber nicht, sich zu beschweren und murmelte lediglich missmutig vor sich hin, Claire sei eine Sklaventreiberin und selber daran schuld. Kate schluckte den Saft herunter und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Ihr hattet also Spaß", stellte sie amüsiert und nicht ganz so ernstgemeint fest, beförderte das Glas in das überquellende Spülbecken und betrachtete die griesgrämigen Gesichter ihrer beiden Freunde. "So würde ich das nicht gerade nennen", kam die trockene, fast schon verächtliche Antwort von Claire. Dann fiel Kate ein, was sie eigentlich hatte fragen wollen, als sie Jake's Socke auf dem Gang erblickt hatte, und seine Medizinbücher auf ihrem - ihrem! - Bett. "Warum liegen hier eigentlich überall Jake's Klamotten herum?" Anstatt diesen direkt zu adressieren, war die Frage an Claire gerichtet und erst in diesem Augenblick fiel ihr so richtig auf, dass sie ihn unbewusst ignorierte - oder ihm aus de Weg ging. Irgendwie war ihr seine Anwesenheit unangenehm - das war ein neues Gefühl für sie, aber andererseits auch nicht verwunderlich: er machte sie zu der Person, die sie war, und die sie nicht sein wollte: eine traurige, hoffnungslose Gestalt. Verblüfft von dieser Erkenntnis hielt sie einen Moment lang inne, wagte es aber nun auch nicht mehr, Jake ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen, da ihr die ganze Situation irgendwie unangenehm war. Claire merkte zum Glück gar nichts, schüttelte nur fassungslos den Kopf. "Der hat hier übernachtet", antwortete sie finster. "Um für heute 'alles vorzubereiten' - als käme ich ohne ihn nicht zurecht." Sie war gerade mal eine Woche weg, aber das hat ihren beiden Freunden schon gereicht, um zu bemerken, dass sie allein doch irgendwie einsam waren. Das war der Grund, weshalb Jake hier war. Und es war auch der Grund, weshalb Claire ihn nicht weggeschickt hatte - was auch immer sie behauptete, Kate war sich sicher, dass sie es nicht aus vollster Überzeugung versucht hatte. Dazu kannte sie Claire viel zu gut. Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, ganz allein in dieser Wohnung zu sein, ohne Claire, und das für längere Zeit, und stellte fest, dass es ihr wohl ebenso ergehen würde. Diese Wohnung bestand nun mal aus Claire und ihr, und ohne eine von beiden war sie so schrecklich leer, als ob etwas nicht stimmte - als ob jemand fehlte, im wahrsten Sinne des Wortes. Normalerweise reiste Kate in den Ferien, wenn Claire ihren Vater in Dublin besuchte, nach Hause nach Collingham, deshalb fiel es ihr nie auf, aber wenn sie so recht drüber nachdachte, wusste sie auch, warum sie es so hielt. Müsste sie zwischen der leeren Wohnung ohne Claire und jedem anderen Ort wählen, würde sie jeden anderen Ort - vorausgesetzt, es waren Menschen anwesend - wohl vorziehen. Sie lächelte ob der Loyalität ihrer Freunde und beschloss, das leidige Thema zu wechseln, denn Claire und Jake waren beide nicht besonders glücklich damit, was sie an ihren unwilligen Gesichtern erkennen konnte - wenn sie mal aufhörten, sich beleidigte und tödliche Blicke zuzuwerfen. Gerade, als Kate den Mund aufmachen wollte, erfüllte ein grässlicher Gestank die Luft. Die drei Freunde schnupperten verwirrt, bis Jake plötzlich aufsprang - der Stuhl hinter ihm krachte scheppernd zu Boden - und blitzschnell den Deckel vom Topf herunterriss, aus dem zunächst nur dichter Dampf aufstieg. Bestürzt blickte er in den Topf hinein und bewegte sich nicht vom Fleck. Nur wenige Sekunden später - Kate runzelte gerade die Stirn - war Claire an seiner Seite und schubste ihn mitsamt dem Deckel in seiner Hand zur Seite, nahm den Topf von der Platte und hielt ihn in die Höhe. "Du sollst nicht dumm rumstehen und da reingucken, davon wird es auch nicht besser", fuhr sie ihn entzürnt an, und warf dann selbst einen Blick in den Topf. "Na toll, jetzt hast du es vermasselt!" "Was ist denn da drin?", wollte Kate neugierig wissen. "Das stinkt ja fürchterlich." "Das waren Nudeln", antwortete Jake kleinlaut und hielt sich noch immer den Deckel vor die Brust, wie ein Schild, als könnte er damit Claire's Schimpftiraden abwenden. Kate riss verblüfft die Augen auf. "Ihr habt Nudeln anbrennen lassen?" Dann brach sie in lautes Gelächter aus, sie konnte einfach nicht anders. "Wie schafft man denn SO etwas?" Claire stellte kommentarlos den Kochtopf ab und nahm sich eine Gabel, versuchte, ein paar Nudeln zu retten, und schüttelte dann den Kopf. "Die sind am Boden festgeschweißt und kohlrabenschwarz", gab sie zur Auskunft, und fügte dann ein gehässiges "Gut gemacht, Mister Chefkoch!" hinzu. Jake, hin- und hergerissen zwischen dem Drang sich zu verteidigen und seinen Schuldgefühlen, entschied sich dafür, in die Defensive zu gehen. "Wenn du mir ein bisschen geholfen hättest, wäre das nicht passiert! Immerhin kannst du doch kochen!" Oh ja, das stimmte. Claire war eine Superköchin - ihr gelang alles, was sie anfasste - nur, dass sie nie etwas anfasste. Sie hasste es und kochte nur, wenn es dringend erforderlich war. Ansonsten hielt sie sich mit Sandwiches und Fast Food über Wasser - eben alles, was schnell ging und zudem ungesund war. Claire machte das nichts aus. "Und du nicht, wie wir deutlich sehen können", erwiderte sie darauf trocken und schob den Topf weg, entfernte sich ein paar Schritte von der Anrichte und lehnte sich wieder mit dem Rücken an die Wand, neben die Pinnwand, an der sämtliche Flyer von Bringdiensten hingen. Wie beiläufig riss sie die Broschüre des nächstgelegenen Chinesen von dem Korkbrett und wedelte damit in der Luft herum. "Noch ist es nicht zu spät", sagte sie bedeutungsvoll und warf Kate einen wissenden Blick zu, aber Jake ignorierte das. "Du wolltest mir ja nicht helfen!", warf er Claire vor. "DU hast dich aufgedrängt!", schoss sie zurück. "Außerdem... für irgendetwas musst du ja gut sein. Hätte ich bloß vorher gewusst, dass dieses irgendetwas nicht Kochen ist..." Jake verzog sein schmollendes Gesicht. "Der Salat ist gut", verteidigte er sich und deutete auf eine Schüssel ganz in seiner Nähe, aus der große Salatblätter herauslugten, und hielt dann inne. "...glaube ich." "Du hast ihn nicht mal gewaschen", argumentierte Claire unbeeindruckt und hob zweifelnd die Augenbrauen, was ihr einen sehr arroganten Gesichtsausdruck verlieh. Jake resignierte, seine Schultern fielen in sich zusammen. "Dann ruf halt deinen Chinesen an", verkündete er grimmig mit dem kleinen Rest Stolz, der Claire noch nicht zum Opfer gefallen war. "Das wollte ich nur hören", murmelte Claire zufrieden im Weggehen und blätterte durch den Flyer zu ihren Lieblingsgerichten auf der Speisekarte. "Kate, was soll ich für dich bestellen?", rief sie dann aus dem Wohnzimmer, wo sie sich bereits das Telefon geschnappt hatte und abwesend die Ziffern eintippte. Kate war sich plötzlich nur allzu sehr des Alleinseins mit Jake bewusst, auch, wenn ihre Freundin nur einen Raum weiter hockte. Unbehaglich räusperte sie sich leise, eigentlich nur, um selbst zu hören, wie ihre Stimme klang. War noch alles da. "Irgendwas mit Huhn!", antwortete sie Claire rufend und gesellte sich neben Jake, der niedergeschlagen und besiegt an der Spüle stand und die Salatblätter unter das Wasser hielt. "Ich glaub, die Nudeln können wir wegschmeißen", sagte sie vorsichtig und zwang sich zu einem Lächeln. "Aber der Salat sieht gut aus. Irgendwo im Kühlschrank ist vielleicht noch Joghurtdressing?" Eigentlich wollte sie ihn darauf aufmerksam machen, aber es klang wie ein Vorschlag, eine Frage. Jake verstand trotzdem und, äußerst dankbar, dass wenigstens eine Person in diesem Haus nicht gegen ihn war, beeilte er sich, um selbige zu holen. Ganz von sich selbst aus entsorgte er die verkochten und anschließend angebrannten Nudeln, wobei er ein wenig am Boden des Topfes kratzen musste, um sie wirklich alle herausbefördern zu können. Claire währenddessen beendete ihr Bestelltelefonat und gesellte sich wieder zu Kate und Jake in die Küche, die eifrig dabei waren, diese aufzuräumen. Kate ertrug es einfach nicht, wenn alles so schrecklich chaotisch und schmutzig war, und normalerweise war es das zum Glück auch nie. Aber normalerweise ließ sie auch nie zwei Streithähne tagelang herrenlos zurück, ohne hin und wieder nach dem Rechten zu sehen. "In einer halben Stunde sollten sie da sein." Sie warf einen Blick auf den halbfertigen Salat in der Schüssel. "Soll ich die Paprika schneiden?" Jake machte große Augen, doch bevor er etwas sagen konnte - sein Mund war schon offen, aber die Worte wollten noch nicht so recht heraus - sprang Kate hilfreich ein und bewahrte ihn vor einem erneuten Wutanfall Claire's. "Ja, danke, das wäre toll." Erschüttert ließ der Junge sich auf einem Stuhl nieder und betrachtete schweigend beide Mädchen, die behände in der Küche herumhantierten. Dann schüttelte er fassungslos den Kopf, aber schwieg. Kate, die dazu übergangen war, das dreckige Geschirr zu spülen, entschied sich für ein unverfängliches Thema, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen und auf einer lockeren Ebene zu bleiben. "Wie ich sehe, scheint ihr euch ja fabelhaft zu verstehen", scherzte sie. Claire's Antwort war mehr ein tierisches Knurren. "Oh ja, wir sind während deiner Abwesenheit die besten Freunde geworden." Zur Bekräftigung ihrer ironischen Worte verdrehte sie genervt die Augen und glitt mit dem Messer kraftvoll durch eine grüne Paprika. Jake rückte ein wenig von ihr ab, nachdem er ihr einen unsicheren Blick zugeworfen hatte, und lehnte sich mehr in Kate's Richtung. "Sie lügt", flüsterte er ernst, beinahe ehrfurchtsvoll, und handelte sich ein drohendes Augenverengen seitens Claire ein, entschied sich wohl aber dafür, sich nicht in die Enge treiben zu lassen. "Ehrlich, Katie", sagte er dann etwas lauter und nun im Tonfall einer Beschwerde, "es kommt mir vor, als sei Claire nur solange nett, solange du dich noch innerhalb der Stadtgrenzen befindest." Kate musste lachen, aber Claire durchbohrte ihn beinahe mit ihren Blicken. "Daran bist du selbst schuld, du Jammerlappen", erklärte sie ihm warnend, leise. "Was hab ich denn getan?!", quengelte der Neunzehnjährige verzweifelt, als sei ihm jegliche Ungerechtigkeit der Welt zuteil geworden, nicht bloß die einer alten Schulfreundin. Claire schnaubte nur und sparte sich die Antwort, die nicht laut ausgesprochen werden durfte. Obwohl Kate das ganze Ausmaß von Jake's Misere durchaus verstand und nachvollziehen konnte, fand sie die Frotzeleien ihrer beiden Freunde doch äußerst amüsant. Sicher, Claire ging ein wenig zu weit, aber sie beide wussten, dass sie es nicht wirklich böse meinte. Kate wusste sogar noch etwas mehr als das, aber die Tatsache, dass Claire momentan erbost auf die ganze Welt war, unter anderen wegen gerade erst aus Australien zurückgekommenen Gentlemen, die ihr das Leben wieder schwer machten, würde sie ihrer besten Freundin ganz sicherlich nicht auf die Nase binden. Sie sollte selbst herausfinden, dass es so war - und warum es so war, wie es nun mal war. "Das reicht jetzt", beendete sie die Streitereien. "Euch kann man nicht mal ein paar Tage lang allein lassen, ohne, dass hier das Chaos ausbricht." Jake setzte seine trotzige Miene auf. "Claire hatte AUCH Langeweile!", beharrte er und Kate glaubte ihm auf's Wort. Natürlich hatte Claire Langeweile gehabt. Claire hatte jemanden zum Aggressionen-auslassen gebraucht und das perfekte Opfer gefunden. Zu Jake's Unglück! Ein eisiger Blick von Claire, den aber beide ignorierten, folgte. Kate legte den letzten sauberen Teller weg und wischte sich die nassen Hände an einem Handtuch ab. "Da fällt mir ein." Jake kratzte sich ein bisschen nervös am Hinterkopf. "In meinem Wohnheim ist nächste Woche eine Party und da, na ja, vielleicht möchtet ihr auch kommen?" Kate's und Claire's skeptischer Blick trafen sich und beide wussten schon sogleich die Antwort auf diese Frage. "Nicht schon wieder eine Party", stöhnte Kate und schüttelte gequält den Kopf. "Macht ihr Mediziner eigentlich noch irgendetwas Anderes?" Jake merkte, dass das nicht ganz so gut lief. "Gabe kommt nicht, wirklich", sagte er ein wenig kleinlaut und sah Claire ganz kurz ehrfürchtig an. Diese ließ sich absolut nichts anmerken und zuckte nur mit den Achseln. "Wen interessiert das?" "Na ja, ich dachte nur, weil..." "Wir haben schon was vor", verkündete Kate's Freundin ziemlich selbstsicher, doch die Tatsache, dass sie und Claire tatsächlich etwas vorhatten, war ihr neu. Neugierig betrachtete sie ihre Freundin. Jake blinzelte irritiert. "Was denn?" "Mädchenabend", verkündete Claire sogleich munter und setzte ein freches Grinsen auf. "Du weißt schon, sich gegenseitig die Beine rasieren, über Mädchensachen reden und aneinandergekuschelt in einem Bett einschlafen - nur in Unterwäsche, versteht sich." Jake wurde augenblicklich rot, Kate hingegen wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Es war klar, worauf Claire es abzielte, und ganz eindeutig hatte sie bei Jake genau die erwünschte Reaktion herbeigerufen, doch die Wahrheit war, dass keiner ihrer Mädchenabende so ablief - zumindest teilweise nicht. Der Part mit dem Mädchenzeugs stimmte durchaus, aber das taten sie sowieso immer und nicht nur an sogenannten "Mädchenabenden". Jake jedoch war so verlegen, dass er sich gar nicht mehr traute, irgendetwas zu diesem Thema zu bemerken. Er erweckte Kate's Mitleid. "Wir könnten vielleicht zum Frühstück vorbeikommen?", bot sie an und handelte sich zwei verwunderte Blicke ein, die sie ein wenig verunsicherten. "Na ja, mit.. ihr wisst schon, Kaffee und so..." Claire verdrehte genervt die Augen, kommentierte das jedoch nicht, Jake zeigte sich jedoch viel versöhnlicher und stimmte sogleich begeistert zu. Er würde nie etwas zu essen ablehnen, und schon gar nicht, wenn dieses Etwas aus Zucker bestand oder zumindest welchen beinhaltete. "Dann wäre das ja geklärt", verkündete er zufrieden und warf sogleich einen Blick auf die Uhr. "Wann kommt das Essen, Clairie-Bear?" Unnötig zu erwähnen, was als nächstes passiert ist... Oh Gott, ich weiß, ich hab ewig gebraucht! Schande über mich und meine Kuh. ^^ War auch ein bisschen holprig, der Einstieg. Aber jetzt beginnt der zweite Teil der ganzen Story. ^^ Danke für's Lesen! PS: Alle, die 'ne Liebeserklärung an Claire abgeben wollen, stellen sich bitte hinten an. XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)