Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 5: Nebellabyrinth ------------------------- Es war ruhig, der Raum, der von schweren steinernen Wänden umsäumt war, wirkte kalt und verlassen. Riesige Berge von Grabschätzen stapelten sich bis unter die Decke. Im Tempel des Anubis war Stille eingekehrt. Nur eine einzelne Person rührte sich, in all der Anmut, die der Tempel versprühte. Stolz sah er sich um, sein weißes Haar hing schwer mit Ketten beladen herab. Er betrachtete seine Schätze, das Gold, das sich sehr zu seinem Wohlgefallen vor seinen Füßen aufstapelte. Er war sehr stolz und eitel, der König der Diebe. Eine Tage waren vergangen, doch noch immer war Seth auf Kisara äußerst schlecht zu sprechen. Wann immer er sie sah, mied er ihren Blick und auch wenn sie es zu akzeptieren schien, seine Laune sank trotz allem jedes Mal aufs Neue, er war wirklich sauer auf sie. Mana betrachtete ihn besorgt, während sie neben ihm herlief. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Schuldbewusst sah der Priester sie an, nickte knapp. Er wusste, sie würde nicht locker lassen, er wusste, er konnte ihr nichts vormachen. „Woran hast du gedacht?“, fragte die Priesterschülerin ihn grinsend und erwartete seine Reaktion, die jedes Mal wenn sie ihm diese Frage stellte, gleich ausfiel. Seth grummelte. „Kisara..“ Mana lächelte ihn an. „Mach dir nichts daraus“, meinte sie aufbauend, „Das war vielleicht nicht die beste Trennung, aber du kommst schon über sie hinweg!“ Doch Seth schüttelte den Kopf. „Darum geht es mir gar nicht“, widersprach er entschieden, „Aber dass sie dich da mit hineingezogen hat, ist unverzeihlich..“ Er spürte ihren bohrenden Blick auf sich, dennoch, seine Meinung stand fest. „Sie wollte dich verletzen um mich zu schwächen“, er sah sie an, „Das ist doch.. feige.“ Das Mädchen sah ihn verwundert an, mit so etwas hatte sie nicht gerechnet, ganz im Gegenteil. Dass er so offen mit ihr sprach, das war wirklich etwas eigenartiges, brachte sie leicht in Verlegenheit. „Mag schon sein..“, flüsterte sie gedankenverloren und sah sich um. Sie waren wirklich ziellos durch die Gänge gewandert, wie sie jetzt feststellte. Kurzentschlossen setzte sie sich auf eine breite Fensterbank und zog ihn neben sich. Sie kicherte. „Du hast auch nicht darauf geachtet, wo wir hingegangen sind, oder?“ Die Frage beantwortete sich von selbst, trotzdem bereute Mana es nicht sie gestellt zu haben. Seths Blick war wirklich einzigartig gewesen, als er erkannte, dass sie Recht hatte. „Das habe ich tatsächlich nicht“, gab er überrascht zu, und setzte sich neben sie. Es entstand eine ungewöhnliche Stille, die Mana nicht ertragen konnte. Sie war einfach niemand, der lange schwieg und schon gar nicht jetzt. Ihre Gedanken überschlugen sich, die ganze Zeit hatte sie darüber nachgedacht, Seth zu fragen, sich aber nie wirklich getraut, weil sie ihn nicht gleich wieder in Rage bringen wollte. Doch nun, da er selbst angefangen hatte, über das Thema zu sprechen, sah sie ihre Chance gekommen. „Kisara hat dir ja einiges an den Kopf geworfen..“, meinte sie leise und sah ihn an. Als er nickte, fuhr sie fort, „Stimmten denn die Sachen, die sie gesagt hat?“ Unsicher senkte sie ihren Blick und starrte auf ihren Schoß. Doch nichts geschah, was darauf hindeuten ließ, dass Seth ihr die Frage übel nahm. Sie atmete tief durch. Eine Weile lang antwortete der Priester nicht, dann jedoch schob er mit einer Hand geschickt ihr Gesicht hoch, sodass sie ihn ansehen musste. „Was von all dem meinst du?“, fragte er ruhig und sah ihr in die Augen. Schüchtern rutschte Mana auf der Fensterbank hin und her. „Najaa.. vor allem die, die mit mir zu tun haben..“ Inzwischen bereute sie es doch wieder, überhaupt damit angefangen zu haben. Seth jedoch blieb ruhig, blickte leicht lächelnd nach unten. „Und wenn es so wäre?“ Diese Antwort, die doch keine war, überraschte die Priesterschülerin so sehr, dass sie errötete und noch stärker hin und her rutschte. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen. „Ich weiß nicht“, nuschelte sie verlegen, „Fänd ich..“, sie holte tief Luft, „Fänd ich.. sehr.. schön..“ Erleichtert lächelte Seth sie an. „Dann..“, er rutschte dichter an sie heran, „Dann stört dich das auch nicht?“ Und noch bevor Mana lächelnd den Kopf schütteln konnte, spürte sie des Priesters Lippen direkt auf ihren. Stille machte sich breit, verlegene Stille, in der Beide überrascht und berührt zugleich zu Boden sahen, nicht wagten den Anderen anzusehen. Verwirrung herrschte in ihren Köpfen, Mana lächelte und rutschte dabei ein Stück von ihm weg. Das jedoch brachte Seth endgültig aus der Fassung, verunsichert sah er sie an. Er verstand selbst nicht, was in ihn gefahren war, wieso sie ihn so durcheinander brachte, er verstand es alles nicht. „Habe ich etwas Falsches gemacht?“, fragte er schüchtern, ihre Geste fehldeutend. Mana schüttelte den Kopf. „Nein, das hast du nicht“, wollte sie ihn beruhigen, war sich aber selbst nicht so sicher, „Aber..“, sie zögerte, „Ist das denn wirklich in Ordnung?“ Sie wünschte sich im Augenblick nichts sehnlicher, als dass er zustimmen würde, dass er ihr sagte, dass er nur sie wollte, doch in ihrem Kopf blieben Zweifel. Schließlich war sie nur Priesterschülerin, er jedoch Hohepriester am Hofe des Pharaos. Ihre Frage hatte Seth noch verunsicherter zurück gelassen. „Wieso sollte es nicht in Ordnung sein? Spricht etwas dagegen?“ Mana zuckte mit den Schultern, ehe sie leise einen Namen flüsterte, „Kisara?“ Erneut missverstand der Priester sie. „Was sollte mit ihr sein? Hast du Angst, dass sie dir etwas antut?“ Sollte es so sein, könnte er es schon verstehen, schließlich hatte Kisara nun schon mehrfach nicht gezögert, sich an Mana zu vergreifen. Er würde es ihr nie verzeihen. Doch Manas Antwort erfuhr Seth nicht mehr. Denn gerade als sie zum Sprechen angesetzt hatte, zog ein dichter Nebel auf, und ließ sie stocken. „Was.. was ist das?!“, fragte sie entsetzt, der Nebel war ihr nicht geheuer. Weder im Palast noch in der Wüste generell, war ein solcher Nebel gewöhnlich. Seth sprang auf, den Millenniumsstab in der Hand. Der Nebel wurde dichter, legte sich um alles, was er fand, so auch zwischen Mana und Seth. Es war ganz so, als wollte er sie voneinander trennen, und noch bevor die Beiden es verhindern konnten, war es geschehen. Verwirrt drehte Mana sich um, sprang ebenfalls von der Fensterbank auf. Sie konnte Seth nicht mehr sehen, sah sich verzweifelt nach ihm um. „Seth?“, fragte sie kleinlaut in die Gänge, tat ein paar Schritte und entfernte sich dabei immer weiter von dem Priester. Der Nebel verdeckte ihr die Sicht, sodass sie kaum noch etwas erkennen konnte. „Seth!“, rief sie erneut, dieses Mal lauter und panischer. Doch auch ihm ging es nicht anders. Auch er suchte nach ihr, überrascht und verwirrt zugleich, dass sie einfach so von ihm getrennt worden war. Er hörte zwar ihr Rufen, doch es war leise und wirkte gedämpft, obwohl sie nur wenige Schritte von ihm entfernt sein konnte. Die Entfernung zwischen ihnen nahm mit jedem Schritt zu. Ihr langes rotes Haar wehte im Nebel, umspielte dabei ihr lächelndes Gesicht. Der erste Schritt war getan, alles verlief nach Plan. Meira kontrollierte den Nebel, lenkte ihn nach ihrem Gewissen. Die Millenniumskette an ihrem Hals leuchtete. Neben ihr, tief in seine eigenen Gedanken versunken, stand ihr Bruder Cyrus, der ebenfalls den Nebel nach Belieben manipulieren konnte. „Bald ist sie hier..“, flüsterte er ihr zu, und Meira nickte. „Sie kommt immer näher.. der Nebel führt sie.“ Belustigt betrachteten sie Mana, die noch immer durch die Gänge irrte. In der Zwischenzeit hatte sie ihren Stab erscheinen lassen, ein Stab, mit dem sie ihre Magie, die zwar nicht ausgereift, aber dennoch vorhanden war, lenken konnte. Erneut rief sie nach dem Priester. Meira lachte, und ihre Stimme erschien Mana wie aus dem Nebel, „Was hast du denn?“, sie genoss es, mit dem Mädchen zu spielen, ihre Angst vor dem Unbekannten auszunutzen, während der Nebel sie verhüllte. „Wer ist da?“, rief Mana erschrocken, versuchte nicht zu zeigen, wie sehr es sie ängstigte, doch es misslang völlig. Sie taumelte ein Stück zurück, hielt den Stab schützend vor sich. Sie wollte einfach nur weg, zurück zu Seth, zurück in seine starken Arme, die ihr noch vor wenigen Augenblicken so viel Wärme gegeben hatten. Meiras Lachen hallte durch den Raum, noch immer zeigte sie sich nicht. Und auch Cyrus war nicht untätig. Während seine Schwester mit dem Mädchen und ihrer Angst spielte, schlich er sich an sie heran, verhüllt durch den Nebel und dadurch unentdeckt. Genau in dem Moment, als Meira durch den Nebel auf die Priesterschülerin zu ging, und aus dem Schutz des Nebels trat, griff Cyrus nach Manas Stab, und entriss ihn ihr. „Hey!!“, schrie sie den Nebel an, denn sehen konnte sie Cyrus noch immer nicht, „Gib ihn mir zurück! Sofort!“ Und auch Cyrus trat aus dem Nebel auf sie zu. „Bedaure“, sagte er, ohne viel Mitgefühl, „Den brauchst du doch sowieso nicht, du kannst doch gar nicht damit umgehen.“ Mana zog scharf die Luft ein. Es war wahr, der Stab bereitete ihr tatsächlich einige Probleme, sie hatte noch viel zu lernen, bevor er ihr bedingungslos gehorchte. Doch das zählte jetzt nicht für sie, auch wenn sie ihn nicht fehlerfrei beherrschen konnte, es war dennoch ihrer. „Das stimmt nicht!“, fauchte sie, drehte sich erneut um, und wollte in die Richtung laufen, aus der sie kam. Immer wieder murmelte sie des Priesters Namen vor sich hin. Meira bemerkte es, schnitt Mana den Weg ab. Finster lächelnd sah sie sie an. „Was willst du von ihm? Brauchst du seine Hilfe? Hast du etwa Angst vor uns?“ Sie wusste, dass es stimmte, doch sie wusste auch, wie sehr es Mana quälte zu wissen, dass sie Recht hatte. Sauer blieb das Mädchen stehen. „Was wollt ihr hier?“ Meira ging auf sie zu, legte ihre Arme um ihre Schultern und zog sie so an sich. „Mit dir spielen?“, fragte sie vergnügt und hielt sie fest. Erschrocken versuchte Mana sich aus ihrer Umklammerung zu befreien, keuchte und wand sich. „Lass mich los!“, rief sie verzweifelt, wenn auch ohne Hoffnung. „Magst du mich etwa nicht?“, fragte Meira lächelnd und sorgte damit dafür, dass Manas Wut noch weiter anstieg. Dieses Lächeln auf dem bleichen Gesicht machte sie rasend, regte sie unendlich auf. Entschieden schüttelte Mana den Kopf. „Natürlich nicht!“ Ihr Blick fiel wieder auf Cyrus, der noch immer ihren Stab in der Hand hielt. „Gib mir meinen Stab wieder!!!“ Meira ließ sie los, beugte sich zu ihr herunter und sah sie an. „Und was willst du damit? Uns Angst machen?“ Belustigt betrachtete sie des Mädchens entsetzten Blick und auch Cyrus schien von ihrer Idee alles andere als begeistert zu sein. „Ich denke, den behalt ich lieber“, meinte er abwesend. Mana wollte unbedingt weg, aber gleichzeitig wollte sie es den beiden auch beweisen, dass sie nicht so hilflos ist, wie sie glaubten. „Unterschätz mich nicht!“, zickte sie, und klang dabei mutiger als sie sich fühlte, „Ich kann mehr als du glaubst!“ Doch die beiden zeigten sich unberührt. „Und das wäre?“ Die Priesterschülerin blinzelte unsicher. „Das wirst du noch früh genug erfahren“, meinte sie schließlich patzig. Erneutes Lachen der Rothaarigen war die Antwort. „Das ist aber keine besonders schlaue Antwort.“ Sie grinste, als Mana verzweifelt versuchte einen Weg durch den Nebel zu Seth zu finden und dabei ihren Fängen zu entkommen. Meira lief hinter ihr her, lachend. „Du kannst uns nicht entkommen“, flüsterte sie ihr in ihr Ohr, als sie sie erreicht hatte, und ließ Panik in Mana aufsteigen, während sie weiter durch den Nebel lief. Seth lief und lief, Manas Stimme wurde immer deutlicher. Er konnte sich nicht erklären, wo der dichte Nebel auf einmal hergekommen war, doch es bedeutete ganz gewiss nichts Gutes. Eine ungute Ahnung stieg in ihm auf, ließ einen Schauer über seinen Rücken laufen. Ein Schatten seiner Vergangenheit. Seine Schritte führten ihn weiter durch den Nebel, und je weiter er kam, desto undurchdringlicher wurde er. „Wo bist du?“, rief er in den Nebel, in der Hoffnung, dass sie ihn hörte. Und tatsächlich, sie rief nach ihm. Die Angst in ihrer Stimme war nicht zu überhören, und trieb Seths Schritte an. Dieser Nebel konnte nur eines bedeuten. Doch er konnte sich jetzt nicht darum kümmern, er musste Mana finden und zwar schnell. Er war sich sicher, dass er fast am Ziel war. Mana versuchte, Meira zu entkommen, doch wohin sie sich auch wendete, immer wieder tauchte sie vor ihr auf. Sie hatte inzwischen die Orientierung im Nebel völlig verloren. Wenn es nicht Meira war, dann stand sie Cyrus gegenüber, der sie mit offenen Armen empfing. „Nicht so schnell, Kleine!“, grinste er sie an. Mana verfiel in Panik. „Ihr sollt mich in Ruhe lassen!“, schluchzte sie, die Tränen unterdrückend. Cyrus hielt sie fest. „Was hast du denn?!“, fragte er, gespielt beleidigt, „Wir haben dir doch gar nichts getan.“ Er grinste böse. „Ihr sollt es auch nicht tun!“, schrie Mana verzweifelt. Sie versuchte sich von ihm wegzustoßen, zitternd stand sie vor ihm. Doch sie konnte den beiden nicht entkommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)