Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 13: Hindernis --------------------- Konzentration war alles, was sie brauchte. Mahado hatte es ihr immer schon gesagt, hatte ihr immer wieder versucht zu erklären, wie wichtig es nur war, dass sie mit Herz und Seele bei der Sache war. Sie hatte nie verstanden, was er von ihr wollte. Oft genug hatte er sie dafür ermahnen müssen. Doch nun. Mana konnte es kaum glauben. Sie hatte es geschafft, hatte den Zauber gebrochen, der sie gefangen hielt und sie hatte die Magie so lenken können, wie es ihr gefiel. Und sie hatte Meira geschlagen. Erschöpft, aber stolz senkte Mana den Stab, ließ sich auf Seths Bett nieder. Sie strich ihm über die Stirn, liebevoll und voller Sorge. Nie zuvor hatte sie ihn so verzweifelt schreien hören, ihn, der doch sonst so stark war. Ihr Blick fiel auf sein Bein. Das Blut war getrocknet, doch seine Verletzung sah nach wie vor schlimm aus. Sie seufzte leise, stand wieder auf und säuberte erneut die Wunde. Die Nebelmagie, die Meira gegen ihn eingesetzt hatte, schien nicht folgenlos geblieben zu sein. Der schnelle Wechsel zwischen Hitze und Kälte hatte eine unerwartete Wirkung auf Seths Bein. Eine Weile lang betrachtete sie es unentschlossen, bis sie schließlich nicht mehr länger ruhig sitzen konnte. Warum denn nicht? Warum sollte es ihr nicht gelingen? Gelingen, was doch so nahe lag? Der Stab lag noch immer neben ihr, ein einziger Handgriff reichte aus, um ihn wieder an sich zu nehmen. Sie war doch eine Magierin, oder? Hatte nicht ihr vorläufiger Sieg gegen die Nebeltochter eben jenes bewiesen? Sie war nie so entschlossen, nie so sicher gewesen, dass sie es konnte. Seine Wunde. Von Magie zugefügt, war es doch nur naheliegend, dass sie auch so wieder geheilt werden konnte. Oder? Die Priesterschülerin biss sich auf die Lippen, wie sie es in letzter Zeit schon öfter getan hatte. Eine lästige Angewohnheit, gegen die sie beizeiten etwas würde unternehmen müssen. Doch jetzt hatte sie anderes im Kopf. Sie musste es versuchen, sie war die Einzige, die im Augenblick etwas tun konnte. Und so konzentrierte sie sich auf ihren Stab und richtete seine Kraft auf Seths Bein. Sie schloss die Augen während der Prozedur und wagte kaum zu atmen. Alles hing nun von ihr ab, davon, dass sie es schaffte, die Magie erneut zu beherrschen. Der Stab erweckte den Zauber und verstummte dann von neuem. Es dauerte eine ganze Zeit, ehe Mana es wagte, die Augen zu öffnen und ihren Blick auf das zu lenken, was sie getan hatte. Die Wunde war verschlossen. Mana lächelte. Nun würde alles gut werden. Nun endlich gab es wieder ein Licht am Horizont. Sie strich dem Priester über die Wange, und trat ganz nah an ihn heran. „Wach auf, Seth“, flüsterte sie behutsam, hauchte die Worte fast zärtlich in sein Ohr. Und auch als er seine Augen nicht auf der Stelle öffnete, wusste sie dennoch, dass sie es geschaffen hatte. Die Tür wurde aufgestoßen. Ohne zu klopfen trat Kisara in das Zimmer und fand Mana ruhig atmend und lächelnd an des Priesters Bett. Es bereitete ihr einen Stich im Herzen die Beiden so zu sehen, doch was blieb ihr anderes übrig? Seth hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er sie nicht mehr in seinem Leben wollte. Sie musste es akzeptieren oder verschwinden. Eine andere Möglichkeit hatte sie nicht. Sie war weder von edlem Geblüt noch in einer einflussreichen Position. Ihren Platz im Palast hatte sie einzig und allein Seth zu verdanken. Sie wollte nicht zurück in die Gosse. Sie wollte bleiben. Und aus diesem Grund musste sie akzeptieren, auch wenn sie es nicht verstand. Kisara blieb in einer Ecke des Raumes stehen und wartete. Unendlich viele Erinnerungen hingen an diesem Raum, doch nun musste sie nach vorn sehen, nicht zurück. Sie beobachtete Mana, still und unerwartet beeindruckt. Sie hatte es tatsächlich geschafft. Sie sah zu, wie das Mädchen ihn auf die Stirn küsste und ihm ermunternde Worte zu murmelte, ehe sie sich schließlich zu ihr begab. „Ich denke, er erholt sich wieder“, sagte Mana und Kisara nickte. Alles was er brauchte, war Schlaf und Ruhe. Unruhig lief er im Zimmer auf und ab, immer wieder. Er konnte nicht anders. Nervös sah er sich um, konnte keine Sekunde still stehen. Sie war immer noch nicht zurück. Wo blieb sie nur? Wenn er sie nur hätte warnen können! Aber das hatte dieses Mädchen mit dem Drachen verhindert. Verhindert, dass er ihr, seiner einzigen Schwester, nicht zur Hilfe hatte kommen können. Eines Tages würde sie dafür bezahlen.. Wenn er nur gewusst hätte, wo sie war, wie es ihr ergangen war. „Kannst du mal aufhören?“ Cyrus zuckte zusammen, lief aber dennoch weiter. Er starrte seinen Bruder erbarmungslos an. „Wir müssen Meira finden!“, fauchte er. Es konnte einfach nicht sein, dass seine geliebte Schwester der Preis für Akims Rückkehr sein sollte. Ob Akim Cyrus Gedanken erraten hatte oder nicht, er ließ es sich jedenfalls nicht anmerken. „Dämlich hin und her laufen bringt sie auch nicht her!“, patzte er vorwurfsvoll zurück, ohne sich darum zu kümmern, dass sein Bruder unentwegt weiterlief und auf das Zeichen wartetet, das ihm sagte, dass seine Schwester noch lebte. Warmes Licht fiel durch die Fenster und erhellte den Raum, als seine Glieder aus ihrer Taubheit erwachten. Seth öffnete langsam und blinzelnd die Augen, sah sich um. Neben sich, auf einen Hocker saß Mana, ihren Kopf hatte sie auf seine Decke gebettet. Sie schlief seelenruhig. Seth lächelte. Er setzte sich vorsichtig auf, scheiterte aber an dem Versuch sie dabei nicht zu wecken. Sie gähnte herzhaft, reckte sich und sah dann strahlend in das Gesicht des Priesters. „Guten Morgen“, sagte sie leicht grinsend, „Auch wieder am Leben?“ Erst jetzt wurde Seth bewusst, dass einiges geschehen sein musste, seit er das Bewusstsein verloren hatte. Doch zu wenig hatte er mitbekommen, zu wenig um es wirklich beurteilen zu können. Seine Aufmerksamkeit fiel auf sein verletztes Bein, das nun wieder vollständig geheilt war. „Was ist eigentlich passiert?“, fragte er, und kämpfte gegen das schlechte Gewissen an, das langsam in ihm aufstieg. Mana sah ihn ernst und skeptisch an, den Kopf schiefgelegt. „Ich soll dir etwas erzählen?“, fragte sie und ihre Stimme klang unerwartet kalt und verletzt. „Du sagst mir doch auch nichts!“, klagte sie vorwurfsvoll an. Schuldbewusst sah Seth sie an. Es stimmte. Seufzend musste er es zugeben. Er hatte keinerlei Recht, ihr Fragen zu stellen, wenn sie es nicht wollte. Er wendete seinen Blick von ihr ab, seufzte erneut und machte sich dann daran, aufzustehen. Wenn sie es ihm nicht sagte, musste er eben selbst Informationen auftreiben. Mana drückte ihn entschieden zurück in die Kissen. „Bleibst du wohl sitzen?!“, schimpfte sie, jedoch nicht ohne zu lächeln. Und noch bevor er widersprechen konnte, begann sie zu erzählen. Als sie geendet hatte, sah Seth sie erstaunt an, versuchte sich an einem Lächeln, was ihm jedoch nicht so ganz gelang. Er konnte kaum glauben, dass er sie so in Gefahr gebracht hatte, er wusste kaum, was er sagen sollte. „Danke..“, hauchte er schließlich leise. Das Mädchen lächelte, zwang ihn förmlich sie anzusehen. „Gern geschehen“, grinste sie, „Aber nächstes Mal erzähl mir bitte, wenn ich mich mit einem Feind anfreunde, ja?“ In ihrer Stimme lag kein Vorwurf, es war einfach nur eine Bitte, die sie an ihn richtete. Der Priester nickte. „Ich kann mir absolut nicht erklären, wie es dazu kommen konnte, dass er wieder erwacht..“, meinte er nachdenklich. Noch immer war er diesem Rätsel nicht näher gekommen, noch immer wusste er nicht, warum sein Zauber nicht ewig gehalten hatte, so wie er es einst beabsichtigt hatte. „Vergiss das jetzt mal“, winkte Mana ab, und wirkte plötzlich aufgeregt und hellauf begeistert. „Ich hab ganz vergessen dir etwas zu sagen!“ Überrascht von dem plötzlichen Stimmungswandel blickte Seth sie an. „So? Was denn?“, fragte er interessiert, gab es etwa noch etwas, das ihm entgangen war? Sie lag am Boden. Erschöpft und völlig entkräftet war es ihr dennoch gelungen zu entkommen. Sie kauerte sich keuchend zusammen. Sie lag irgendwo im Sand der Wüste, wo genau sie war, wusste sie nicht und es war auch nicht von Bedeutung. Eine Nebelhülle lag schützend um sie herum, sorgte dafür, dass der Sand nicht in ihre Wunden dringen konnte. Wunden, die ein kleines Mädchen ihr zugefügt hatte. „Wo bin ich?“, fragte sie in die Stille hinein, ohne eine Antwort zu erwarten, und richtete sich mühsam auf. „Ich muss zurück.. zu den.. anderen..“ Sie beschwor einen Nebel, und sah ihn hoffnungsvoll, fast flehend an. „Bring mich zu Cyrus..“, flüsterte sie, und verschwand aus der Wüste. Neben ihrem Bruder tauchte sie wieder auf, fiel zu Boden und seufzte benommen. Sofort hielt Cyrus inne, sah erschrocken zu ihr und rannte dann ohne noch länger zu zögern auf seine Schwester zu. Er beugte sich herunter, nahm sie in seine Arme, sodass er in ihr Gesicht sehen konnte. „Meira?“, flüsterte er, „Hörst du mich?“ Sie öffnete die Augen. „Verzeih mir..“, brachte sie verzweifelt und mit zitternder Stimme hervor, „Ich habe versagt..“ Sie keuchte. Cyrus schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Meira“, widersprach er ihr und wiegte sie sanft in seinen Armen, „Hauptsache ist, du bist entkommen.. Hattest du es mit dem Drachen zu tun?“, fragte er, und war sich sicher, dass er Recht hatte. Doch Meira schüttelte nun ihrerseits den Kopf. „Nein..“, murmelte sie, stockte dann. „Welcher Drache?!“, fragte sie besorgt, und versuchte sich aufzusetzen. Doch sie hatte nicht die Kraft dazu, also blieb sie in den Armen ihres Bruders liegen, der sie festhielt. „Das weißhaarige Mädchen mit dem Drachen“, erklärte er ihr, „Sie ist der Kleinen zur Hilfe gekommen, deswegen mussten wir fliehen. Aber was hat dich dann aufgehalten?“, fragte er überrascht. Meira lächelte gequält. „Die Kleine“, flüsterte sie. „Atemu gibt ein Fest?!“ Ungläubig starrte Seth Mana an, die strahlend nickte. „Jaa, mit Musik und Tanz und großem Festessen“, schwärmte sie. Ihre Augen leuchteten förmlich bei der Vorstellung. „Da gehen wir hin, oder?“ Sie nahm seine Hände in die Ihrigen, lächelte ihn voller Erwartung an. „Biiitte!!“ Es war nicht zu übersehen, wie sehr sie sich darauf freute. Der Priester jedoch schien nicht so angetan von der Idee. Dass der Pharao ein Fest gab, machte überhaupt keinen Sinn, gab es denn etwas zu feiern? Mana schien seine Gedanken erraten zu haben. „Er will die Neuen begrüßen oder sowas“, meinte sie abwinkend, „So genau weiß ich es nicht. Aber er wird alle einladen, wirklich jeden!“ Sie hüpfte vor ihm auf und ab. „Bitte, da gehen wir hin, ja?“ Doch noch immer schien ihre Begeisterung ihn nicht anzustecken. Seth grübelte einen Augenblick vor sich hin, ehe er schließlich antwortete. „Ich weiß nicht, ob ich einfach so mit dir dahin kann..“, sagte er. Mana wirkte enttäuscht. „Wieso nicht?“ „Wenn das ein offizielles Fest ist, dann habe ich vermutlich Pflichten, denen ich nachgehen muss“, setzte Seth an, doch das Mädchen schüttelte ungeduldig den Kopf. „Und was hab ich damit zu tun?“ „Ich bin Hohepriester, Mana“, fuhr er fort, als wäre er gar nicht unterbrochen worden, „Wenn der Pharao es befielt, dann habe ich an seiner Seite zu stehen.. Egal, was für Meinungsverschiedenheiten wir sonst haben, die Etikette muss gewahrt werden.“ Mana verstand nicht. Sie sah ihn an, ließ gleichzeitig seine Hände los und trat unweigerlich einen Schritt zurück. Meiras Worte fielen ihr wieder ein, Worte, die voller Hohn gelungen hatten, und die sie tiefer getroffen hatten, als irgendeine von ihren lächerlichen Nebelkugel. Sie hatte ihm nichts zu bieten.. „Kisara durfte bei dir sein!“, entfuhr es ihr unweigerlich, trotzig. Überrascht blickte er sie an, blieb aber ruhig. „Kisara stand nicht in erster Reihe am Hof des Pharaos. Ich sage doch nur, dass ich nicht mit dir dort hingehen kann, ich habe nicht gesagt, dass du da nicht auftauchen darfst.“ Zweifelnd betrachtete er sie. „Wieso bringst du Kisara da mit rein?“ Doch Mana beachtete diese Frage nicht. Sie weigerte sich, ihn länger anzusehen, blickte traurig und schwach lächelnd zu Boden. „Dann sind wir nicht wirklich.. zusammen?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. Hosted by Animexx e.V. 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