Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 32: Entschlossen ------------------------ Verächtliches Schnauben ertönte durch die Gänge, der Abstecher bei Seth und Mana war alles andere als wie erhofft verlaufen. Die Kleine hatte es also wirklich gewagt den Mund auf zu machen. Er zog die Augenbrauen finster zusammen. Das würde sie bereuen... Gut, sie hatte versucht, es zu leugnen, offensichtlich hatte sie es wirklich nicht absichtlich verraten, nichtsdestotrotz hatte sie es getan. Sie hatte sich nicht an die Abmachung gehalten, nun hatte sie die Folgen dafür zu tragen. Wer ihn herausforderte, der musste damit rechnen, niedergeschlagen zu werden, und das ohne jede Gnade. Doch nichts musste überstürzt werden, die Gelegenheit hätte kaum günstiger kommen können. Nun war es also soweit, der Krieg würde beginnen, und das schon sehr bald. In aller Frühe würden die Truppen aufbrechen, keine Zeit verlieren und Richtung Grenze ziehen. In die Schlacht. In den Tod. Sie alle kämpften für ihr Königreich, niemand von ihnen wusste, dass sie die ganze Zeit über betrogen wurden. Das Mädchen an des Hohepriesters Seite, das sie alle so bejubelt hatten – sie gehörte zum Feind, hatte vielleicht sogar alles hinterrücks geplant. Geboren von einer libyschen Hure, der Vater der König der Räuber. Das Land konnte kaum noch tiefer sinken, sollte sie jemals Königin werden. Und trotzdem. Sie mussten sie zur Herrscherin machen, mussten es zumindest so aussehen lassen, als würden sie Bakuras Auftrag erfüllen. Ihn zum Feind zu haben, barg zu viele Gefahren in sich, offene Feindschaft war nicht zu riskieren. Er würde später sehen, was er davon hatte. Fürs erste jedoch galt es den Hohepriester zu verdammen. Seine selbstsichere und arrogante Art hatte sie vorgeführt wie Schuljungen, sie zu demütigen versucht, ohne dass es ihm gelungen war. Niemand würde sie jemals übertreffen, sie bezwingen. Sie alle würden bezahlen. Die Zeit musste nur kommen, jeder von ihnen würde bezahlen. Ein verächtliches Lächeln legte sich auf Shadas Gesicht. Oh ja, ihre Zeit würde kommen, die Zeit, da sie über alle triumphieren würden. Die Zeit, da der Priester seine arrogante Art bereuen würde. Niemand legte sich ungestraft mit ihnen an, nicht der Hohepriester und auch nicht die kleine libysche Göre. „Was bildet der sich eigentlich ein?! Und was erlaubt sie sich eigentlich?!“, fauchte er ungehalten. „Es ist eine absolute Frechheit!“, empörte sich auch Karim, der nicht weniger sauer war über den Verlauf, den ihr Besuch in des Hohepriesters Gemach genommen hatte. Er wollte sich gerade lautstark über Mana und Seth aufregen, als ein junger Mann in den Gang einbog, in dem sie sich in diesem Augenblick befanden. Genervt sah dieser sie an, er schien durch irgendetwas, das Karim und Shada weder wussten, noch sie interessierte, ziemlich aufgebracht zu sein. Karim sah ihn herausfordernd an. Er trug einen grünlichen Umhang, als käme er von einer längeren Reise, darunter ein schlichtes Leinengewand. Sein Haar fiel ihm in dunkelbraunen Strähnen ins Gesicht. Man hätte meinen können, er sähe dem Hohepriester ähnlich, jedoch war dieser bei weitem nicht so heruntergekommen, wie dieser Fremde. Der Name des Mannes war Xerxes. „Geht mir aus dem Weg“, sagte er entnervt, „Ich habe keine Zeit für eure Spielchen.“ Shada starrte den Mann an, voller Unglauben und Entsetzen. Ein weiteres Gesicht wie das von Seth konnte er wirklich nicht ertragen, und nun schien dieser genauso ungeduldig und reizbar zu sein wie dieser. Er verengte seine Augen, blickte ihn gefährlich funkelnd an. „Wir sollen dir aus dem Weg gehen?!“ Er schrie fast, so sauer war er. Der Mann sollte sich nicht so aufspielen, als wäre er etwas besonderes. „Oh welch eine Überraschung“, entgegnete Xerxes, und schüttelte leicht den Kopf. „Deine Ohren scheinen ihren Dienst noch zu erfüllen...“ Wirkte er wirklich überrascht? Er machte sich über sie lustig, schien nicht zu wissen, wer sie waren. „Was erlaubst du dir eigentlich?!“, fauchte Shada erneut, dieses Mal dem Mann entgegen und stellte sich ihm erst recht in den Weg. Wenn er sie herausforderte, würde er es bereuen und das schon sehr bald. Karim stellte sich neben ihn, baute sich groß vor Xerxes auf, und doch konnte er ihn nur knapp überragen. „Du weißt anscheinend nicht, mit wem du es zu tun hast!“, rief er sauer. Xerxes jedoch blickte sie nur gelangweilt an. „Seid ihr bald fertig mit eurem Theater?“, fragte er und unterdrückte gekünstelt ein Gähnen und regte die Beiden damit noch weiter auf. „Er weiß es wohl wirklich nicht!“, zischte Shada sauer, „Theater, ich werde dir gleich zeigen, was Theater bedeutet!“ Seine Drohung war ernst gemeint, gefährlich ernst gemeint, doch Xerxes ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Dann mach' es doch“, gab er herausfordernd zurück, die Beiden gaben ihm keinerlei Grund dazu, ihnen mit Achtung entgegen zu treten. Karim trat einige Schritte nach vorne, auf den Brünetten zu. „Du wagst es, uns herauszufordern?!“ Seine Stimme war kraftvoll und angespannt. „Uns? Wir sind Priester hier! Du hast uns zu gehorchen!“ Während Karim sich noch darüber ausließ, wie wenig Respekt der Fremde vor ihnen hatte, spürte er einen leichten Stoß in die Seite. Shada war gegen ihn gerempelt, als er auf Xerxes zuging um ihn zur Seite zu schubsen, laut brummend und vor Verachtung schnaubend. Dabei löste er in dem Mann einen Schwall an Erinnerungen aus, ganz so wie er es bei Mana getan hatte, doch ohne wirklich daran interessiert zu sein. „Komm' Karim, das ist sinnlos!“, sagte er patzig, „Bei dem wäre es Zeitverschwendung.“ Er sah Xerxes kalt und völlig emotionslos an. „Bei ihm hat es keinen Sinn irgendetwas zu versuchen.“ Mit der Berührung kamen die Erinnerungen über Xerxes, er riss überrascht die Augen auf. Leichen, überall verstümmelte Körper auf dem Boden, das Blut, allgegenwärtig der Geruch von sterbenden Menschen, Freunden, Familie. Er starrte Shada entsetzt an. „Was hast du getan?!“, schrie er kalt, und gleichzeitig auch verwirrt, in seinen Erinnerungen hatte niemand etwas zu suchen, niemand hatte darin herumzuwühlen. „Das wüsstest du gerne, ja?“, fragte er, sah ihn abschätzend an und grinste hinterhältig, bevor er sich jedoch wieder von ihm abwendete. Der Fremde stammte jedenfalls nicht aus einem der Tempel, nicht aus dem friedfertigen Königreich, dessen Ruhe jetzt gestört wurde. Nein, seine Erinnerungen... Es waren Bilder von der Schlacht, die er gesehen hatte, die Schlacht, die jetzt erst jetzt wirklich begann. „Nein“, gab Xerxes zurück und schüttelte seinen Kopf, „Eigentlich ist es mir ganz egal. Ich wüsste nur gern, ob du genügend Grips hast, mir aus dem Weg zu gehen.“ Die zwei Priester hatten ihn zwar für einen kurzen Moment verunsichert, doch das ließ ihn nicht an sich selbst zweifeln. Sollten sie doch machen, was sie wollten, sie würden ihm nicht so leicht entkommen. In Anbetracht der Tatsache, dass keiner der Beiden sich noch weiter um ihn kümmerte, bewiesen sie ihm, dass sie nicht schlau genug waren. Er ließ sie vorbeiziehen, wartete ein paar Sekunden und folgte ihnen schließlich. Die zwei waren so unfreundlich und kaltherzig, dass es ihn wirklich interessierte, was sie vor hatten, wo sie hin wollten und was ihre Ziele waren. Sie waren ganz offensichtlich grausam genug um über Leichen zu gehen, sie schienen sich nicht im geringsten um andere zu kümmern. Karim und Shada gingen an Xerxes vorbei, ließen ihn einfach stehen, ohne ihm eine weitere Antwort zu geben. „Was hast du gesehen?“, fragte Karim, der genau verstanden hatte, dass Shada seine Gedankenkontrolle bei dem Mann angewendet hatte, er hatte ihm schon oft dabei zugesehen und erkannte inzwischen genau, wann sein Freund in das Gedächtnis eines anderen eindrang. „Bilder von der Schlacht, er muss der Mann gewesen sein, der dem Pharao seine Informationen gebracht hatte“ erklärte der Kleinere knapp, dieser Fremde war wirklich nicht sonderlich interessant, einzig und allein seine Ähnlichkeit zum Hohepriester machte ihn verachtenswert. Ihn jedoch weiter zu beachten, wäre überflüssig, Zeitverschwendung ohne gleichen. „Da ist noch jemand, mit dem gespielt werden sollte“, sagte er und wechselte auf diese Weise das Thema. Er sah Karim wissend an. „Sie hat eindeutig zu viel gewagt, sie hätte besser aufpassen müssen!“ Der lächerliche Priester war zwar schrecklich neugierig und überheblich, doch auch vor ihm konnte man Dinge verheimlichen. Mana hatte einfach nur versagt, schrecklich versagt und dafür würde sie bezahlen. Niemand stellte sie ungestraft bloß, schon gar nicht vor jemandem, der ihnen wirklich gefährlich werden konnte. „Du hast Recht“, stimmte Karim ihm zu, „Ab morgen ist sie allein, das dürfte ihrer Seele zu denken geben!“, er lachte laut auf, wurde dann wieder ruhiger. „Ich muss aber zugeben, ihr Aussehen war ziemlich ansprechend.“ „Es war nur das Kleid, nichts weiter“, antwortete Shada abwertend, „Sie wird niemals eine ansprechende Königin werden...“ Karim sah ihn an, nickte zwar, dachte aber in Wahrheit an etwas ganz anderes. Sie hatten genau das versprochen, eine Königin aus Mana zu machen war essentiell um Bakura nicht zu verärgern. Doch trotz seines Unbehagens ließ er sich nichts anmerken. „Sie wird den Krieg erleben...“, sagte er und lächelte finster. Der kahle Priester blieb stehen, sah ihn sauer an, stockte jedoch. „Wie meinst du das?“, fauchte er seinen Freund an, ohne jedoch, dass dieser sich davon angegriffen fühlte. Er kannte Shada einfach viel zu gut, seine Handlungen, seine Emotionen, einfach alles. Auch Karim blieb stehen, setzte an zu erklären: „Der Krieg fordert Opfer... Und was das heißt, wird sie erfahren, wenn wir mit ihr fertig sind!“ Nun verstand auch Shada. Er nickte zufrieden, überzeugt und doch voller Hass. Das versprach interessant zu werden, die Kleine würde sie viel schneller kennenlernen als ihr lieb war. Gemeinsam gingen sie den Gang entlang, im Hass vereint und voller Vorfreude auf ihre Rache an dem Mädchen, das als Balg des Königs der Räuber nie einen Platz im Palast hätte bekommen dürfen. Stille war eingetreten im Gemach des Hohepriesters, stumm starrte Mana auf die Tür, die soeben zugefallen war. Die Tür, durch die Shada und Karim verschwunden waren. Endlich. Viel zu lange schon hatte sie die Gesichter der Beiden sehen müssen, viel zu lange schon versuchten sie sie zu erniedrigen. Was hatte sie denn falsch gemacht? Sie hatte doch einfach nur lernen wollen, wie sie sich zu benehmen hatte als Dame, wie nur sollte sie die Aufgaben an Seths Seite jemals meistern können? Wie sollte sie es lernen? Es war wirklich zum verrückt werden. Sie hatte sich so viel Mühe gegeben allen zu gefallen, aber Shada und Karim... Sie hassten sie einfach, was auch immer sie ihnen getan hatte. Und jetzt musste sie auch noch Seth Frage und Antwort stehen, sie hatte sich wirklich nicht sonderlich gut geschlagen. In dem Punkt hatten die beiden Lehrer wohl Recht, auf sie war wirklich kein Verlass. Sie seufzte leise. Wenn nur der Tag endlich vorbei wäre – hätte sie gedacht, doch heute war alles anders. Egal wie grausam der Tag auch gewesen war, der Nächste würde noch schlimmer werden. Dann begannen die Tage der Angst. Seth zog in den Krieg. Würde er zurückkommen? Würden sie siegreich sein? Wie viele würden wohl fallen? Welche Opfer würde der Krieg fordern und wie viele Familien würde er auseinander reißen? All dies waren Fragen, die Mana durch den Kopf schwirrten, doch es war nicht an der Zeit, sie zu stellen, das wusste sie. Sie wusste, was Seth von ihr verlangen würde, ihm weiterhin etwas vorzumachen, wäre nicht nur aussichtslos, sondern auch dumm. Er würde ihr nicht glauben, egal was sie auch erzählte. Einzig und allein die Wahrheit würde ihm genügen. Und tatsächlich - „Womit haben sie dir gedroht?“, fragte er ruhig, sanft, ohne Wut aufzubauen und dennoch mit Nachdruck. Mana biss sich auf die Lippen, zuckte leicht mit den Schultern. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte, brachte einfach kein passendes Wort heraus, nichts, so schien ihr, konnte wirklich ausdrücken, was sie fühlte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn belogen hatte, es schnürte ihr fast den Hals zu. Sie hatte Angst davor, die Wahrheit zu sagen und sie hatte Angst davor, weiterhin zu schweigen. Nicht vor Seth, sondern davor, was geschehen könnte, wenn Shada und Karim erneut auf sie treffen würden. Wenn sie allein war. Wenn Seth weit weg an der Grenze für die Sicherheit des Landes kämpfte. Wenn er sie an diesem Ort zurückließ. Der Hohepriester beugte sich leicht zu ihr hinunter, legte ihr seine starken Hände auf die Schultern. „Mana, bitte“, sagte er leise, „Ich kann nichts für dich tun, wenn du es mir verschweigst.“ Sie sah ihm in die eisblauen Augen, deren Wärme wohl außer ihr noch kaum jemand gesehen hatte, atmete tief durch und schloss unentschlossen die Augen. Als sie sie schließlich wieder öffnete, starrte ihr Blick ins Leere. Leise begann sie zu erzählen, zunächst nur stockend, dann fester. „Sie haben gesagt, ich solle mich anstrengen ... und dass ich es niemals zu etwas bringen könnte ... Du kennst mich, ich habe mich gewehrt ... bis Karim gewalttätig wurde ... und Shada Magie angewendet hat ... Sie haben mir gedroht, wenn ich nicht dicht halte, werde ich schon sehen, was ich davon habe ...“ Verzweifelt blickte sie wieder zu ihm, die Tränen liefen über ihre Wangen, ohne dass sie es selbst gewollt hatte. Sie konnte einfach nichts dagegen tun, sie fielen herunter, hinab wie dicke Tropfen, die nichts aufhalten konnte. Seth zögerte keine Sekunde. Stumm hatte er sie sprechen lassen, nun hielt er sie in seinen Armen, fest und sicher. „Glaube mir, das werden sie bereuen...“, sagte er und seine Stimme klang gefährlich. Grimmig starrte er vor sich hin, strich Mana beruhigend über ihr Haar. Hilflos drückte sich das Mädchen an ihn, schüttelte schwach lächelnd den Kopf. „Wie denn das?“, fragte sie mit schwacher Stimme, sie konnte sich nicht vorstellen, dass es so einfach sein sollte, die Beiden bereuen zu lassen. „Sie werden im Krieg an vorderster Front stehen“, sagte Seth mit einer Entschlossenheit, die Mana beeindruckt hätte, wenn sie nicht so durch den Wind gewesen wäre. „Wirklich?“, fragte sie verschüchtert nach, „Ich muss nicht mit denen hier zurückbleiben?“ Es war ihre größte Angst, auch wenn sie sie nicht aussprechen konnte. Noch einmal auf Shada und Karim zu treffen, hilflos, schutzlos zu sein. Sie würde es nicht ertragen. Entschlossen schüttelte Seth den Kopf, seine Intention war klar. Und wenn er den Pharao vergiften musste, um das durchzukriegen, er würde sein Ziel erreichen, egal was es kostete. „Musst du nicht“, sagte er und drückte sie ganz fest an sich. „Hab' keine Angst, die Beiden bleiben nicht hier...“ Am liebsten hätte er sie sofort in der Luft zerrissen für das, was sie Mana angetan hatten, sie hatten ihr Amt schamlos ausgenutzt, jedes Privileg, das ihnen ihr Posten verlieh, verwirkt. Ein tiefes Seufzen war von Mana zu vernehmen, Tränen standen ihr in den Augen und doch lächelte sie. „Danke“, hauchte sie, und klammerte sich an ihn, „Danke...“ Der Hohepriester ließ sie nicht los. „Glaube mir, sie werden für das, was sie getan haben, bezahlen...“ Er selbst würde dafür Sorge tragen, niemandem anderes wollte er diese Aufgabe übertragen, niemand wäre dafür geeigneter als er. Denn er wusste Manas Verzweiflung in Wut und Hass zu übertragen, Gefühle, die die Beiden nie gekannt hatten. Er starrte grimmig vor sich hin. Sie würden ihm nicht entkommen. Mana blickte zu ihm auf, schwach lächelnd. „Vor allem für die Haare, ja?“, sagte sie leise und verbittert. Seth nickte. „Vor allem für die Haare...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)