Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 33: Allein ------------------ Mit diesem Kapitel sind wir beim ersten Wendepunkt der Geschichte angekommen, und auch wenn ich sonst nicht viel dazu sage, dieses Mal: Wenn jemand mit unschönen Szenen nicht klar kommt, dann sollte er oder sie vielleicht lieber Abstand hiervon nehmen, das ganze könnte den einen oder anderen üblen Nachgeschmack haben Oo Nun aber genug der Vorrede, ich hoffe es gefällt euch trotzdem irgendwie ^.^" _____________________ Noch immer lagen unzählige unausgesprochene Worte zwischen ihnen, Worte, die weder Mana noch Seth auszusprechen wagten. In den nächsten Tagen konnte sich so vieles ändern, schlagartig, ganz ohne, dass jemand Einfluss darauf nehmen konnte. Von einer Sekunde auf die nächste hatte sich die Perspektive völlig geändert, und es war fraglich, ob sie je wieder dieselbe werden würde. „Hast du noch viel zu erledigen?“, fragte Mana schließlich leise, sie schienen im Stillen darüber eingekommen zu sein, dass sie über ihre jeweiligen Gedanken schwiegen, um es nicht schwerer zu gestalten, als es ohnehin schon war. Ernst blickte der Hohepriester sie an, ja er hatte noch einiges zu tun, vieles um es genau zu nehmen, mehr als man in einer Nacht wirklich schaffen konnte, doch es ließ sich nicht ändern. Er musste es schaffen die Truppen zusammen zu rufen, die Planung soweit sie denn möglich war, abzuschließen, und alle nötigen Kommandos zu geben. Es hing alles davon ab, dass er den Aufbruch koordinieren konnte, damit es nicht zu Verzögerungen kam, die Ägyptens Untergang mit Sicherheit besiegeln würden. Leicht quengelnd sah Mana zu ihm auf. „Musst so etwas eigentlich immer du machen? Gibt es dafür keine Diener oder so?“ Sie wollte wirklich die letzten Stunden, die ihr noch blieben, mit ihm verbringen, sie hatte wenig Interesse daran, ihn jetzt schon herzugeben. Beleidigt zog sie eine Schnute. „Ich fürchte, die sind dafür nicht geeignet“, gab Seth geringschätzig zurück, „Sie sind in so etwas nicht geschult.“ Würdevoll blickte er auf sie herab, majestätisch, mächtig. Mana lachte. Hatte sie etwa eine andere Reaktion von ihm erwartet? Nein, hatte sie nicht. Es passte so sehr zu Seth, dass es sie schon fast wieder gruselte, wie durchschaubar er in solchen Dingen war. „Du bist dafür natürlich viel besser geeignet“, stimmte sie ihm zu, und sah ihn wissend an. „Du bist schon sehr arrogant, oder?“ „Arrogant?“, der Hohepriester sah sie an, ernst, leicht gekränkt. „Eingebildet?“, versuchte das Mädchen es ein weiteres Mal, „Sehr von dir überzeugt?“ Es gefiel ihr, so mit ihm zu sprechen, weil sie wusste, dass er es ihr niemals übel nehmen würde. Sicher, es hat Zeiten gegeben, da hätte sie nicht im Traum daran gedacht, so mit Hohepriester Seth zu sprechen, doch diese Zeiten waren schon lange her, so lange, dass Mana sich schon gar nicht mehr vorstellen konnte, wie es ohne ihn war. Nun hatte er ihr ihren hübschen Kopf völlig verdreht und schien auch noch stolz darauf zu sein. Noch immer blickte er sie äußerst skeptisch an. „Ich weiß nicht, wie du darauf kommst“, gab er eitel zurück und blieb gestellt ernst. „Ich bin doch wirklich alles andere als eingebildet und arrogant“, sagte er nachdenklich, „Aber es stimmt schon, ich bin von mir überzeugt!“ Es hätte nicht viel gefehlt, und Mana hätte vor Lachen losgeprustet, es kostete sie einiges es sich zu verkneifen. Eingebildet war wohl doch das richtige Wort, auch wenn er es so vehement abstritt. „Und deswegen bist du besser als alle anderen, oder?“, fragte sie grinsend. Es war doch wirklich albern, aber es passte zu ihm. Er schien wirklich stolz auf die Macht zu sein, die ihm als Hohepriester zufiel. Seth richtete sich gerade auf, eindrucksvoll und edel. Er war wirklich jemand, vor dem man Angst haben konnte, das wusste Mana, aber sie wollte keine Angst haben müssen vor diesem Mann und sie wusste auch, dass sie dieses Gefühl nicht spüren musste. „Natürlich“, sagte er stolz, „Außerdem habe ich von Geburt an Anrecht auf eine sehr hohe Position.“ Er sagte es leicht dahin, doch Mana las in seinem hellen blauen Augen, wie wichtig es ihm zu sein schien, das klar zu stellen. Wie albern, dachte sie, als ob eine Position so wichtig wäre. Doch dann stockte sie. Für Seth war eine Position wichtig, er hatte es in der Vergangenheit oft genug bewiesen. Nicht nur, dass er versucht hatte, Atemu vom Thron zu stoßen, nein, auch Akims Unterwerfung bewies es nur allzu deutlich. Der Gedanke an Akim versetzte ihr einen Stich in ihr Herz, er fehlte ihr. Einfach unbeschwert lachen, Unsinn machen, ohne an die Folgen zu denken, all das schien nun in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. „Du wirkst verwirrt“, sagte Seth leise, „Ist alles in Ordnung?“ Sie durfte jetzt nicht an Akim denken, er würde wohl nicht mehr zu ihr zurückkehren, sie musste es ohne ihn schaffen. Sie blickte wieder zu Seth, er war jetzt hier, er war bei ihr. Sie lächelte leicht. „Von Geburt an, ja?“, fragte sie spöttisch und wischte so ihre Gedanken fort, „Und trotzdem bist du nur Hohepriester?“ Er verzog leicht das Gesicht. „Ja, leider“, antwortete er, sehr zu Manas Überraschung. „Leider?“, fragte sie verwirrt, war es denn schlecht Hohepriester zu sein? Er war schließlich fast so mächtig und einflussreich wie Atemu selbst, konnte er damit etwa nicht zufrieden sein? Sie legte ihren Kopf leicht schief, sah ihn aus großen grünen Augen an. Was nur wollte er wirklich? Sie wollte verstehen, wollte wissen, wonach er trachtete, was für ihn so wichtig war. Schließlich musste sie es doch wissen, wollte sie ihn wirklich nachvollziehen können. Verwirrt und niedlich blinzelte sie ihn an, flehend, dass er es ihr erklärte. Und er gab schmunzelnd nach. „Meinst du wirklich, jemand wie ich gibt sich mit dem Amt des Hohepriesters zufrieden, wenn er Pharao hätte sein können?“, fragte er, und es war nur allzu deutlich, dass diese Frage sich ohne Probleme selbst beantwortete. Mana legte den Kopf noch schiefer, blickte ihn verwirrt an. „Hättest du?“, fragte sie leise, sie wusste zwar, dass er versucht hatte, die Macht an sich zu reißen, aber dass er ein Anrecht darauf gehabt hätte, war ihr völlig neu. „Ja, hätte ich“, gab Seth leicht verbittert zurück, „Ich hätte Pharao werden sollen, doch dann kam Atemu.“ Er war also tatsächlich nicht zufrieden mit dem Amt des Hohepriesters. Mana zog die Augenbrauen hoch. Das hatte sie nicht erwartet, sie hatte geglaubt, er hätte sich damit nun zufrieden gegeben. Sicher, er hörte nicht immer auf des Pharaos Befehle, aber sie hatte geglaubt, das wäre eine Sache, die Atemu und Seth miteinander ausgemacht hatten. „Das verstehe ich nicht“, antwortete sie wahrheitsgetreu. Seth lächelte und schüttelte den Kopf. „Das musst du nicht. Ich habe das Amt nicht bekommen, das ist der wichtige Punkt dabei.“ Mana sah ihn an. Nein, er hatte das Amt nicht bekommen. Doch was würde nun geschehen? Atemu hatte ihn zu seinem offiziellen Nachfolger erklärt, und sie beide würden in die Schacht ziehen. Vieles geriet nun in Bewegung. Seth hatte die Krone bereits schon einmal nicht bekommen, würde er es noch ein weiteres Mal einfach so hinnehmen? Wozu war er wirklich fähig? Mana hatte Seths Gemach verlassen, er hatte noch sovieles zu tun, sie durfte ihn nicht stören. Sie hatten sich nicht verabschiedet, diese Nacht noch würde er zu ihr kommen. Sie durfte ihn jetzt nicht aufhalten, der Abend war schon fortgeschritten, und Seth sollte zumindest noch ein paar Stunden Schlaf bekommen, ehe er schließlich loszog, an der Spitze des Heeres, um die libyschen Truppen zurückzuschlagen und siegreich zu ihr zurückzukehren. Sie glaubte daran, musste daran glauben, wollte sie nicht den Verstand verlieren vor Angst. Langsame Schritte trugen sie vorwärts, zu ihrem Zimmer. Es war nicht mehr der Raum, in dem sie sonst gelebt hatte. Als Verlobte des Hohepriesters hatte sie Anspruch auf einen größeren, helleren Raum gehabt. Einen Raum, der wesentlich leichter zu erreichen war von Seths Gemach aus. Insgeheim war sich Mana nicht ganz sicher, ob sie sich wirklich über dieses Zimmer freute, sie hing an dem alten, und trennte sich nur ungern davon, doch es entsprach einfach nicht mehr ihrem jetzigen Stand. Es machte einen falschen Eindruck, wenn die mögliche zukünftige Königin in einem Raum lebte, der nicht viel größer war, als eine einfache Abstellkammer, unabhängig davon, ob es ihr dort gefiel oder nicht. Am liebsten wäre sie direkt bei Seth eingezogen, doch das ging natürlich auch nicht. Sie konnte sich nicht immer in den Vordergrund drängen, er hatte Pflichten zu erfüllen, Pflichten, die nicht warten durften, dazu waren seine Aufgabenbereiche zu groß, umfangreich und wichtig. Und so war sie gegangen, hatte ihn allein gelassen, ihn seine Aufgaben erfüllen zu lassen. Es war wichtig, dass alles klappte, die Möglichkeit, er könnte nicht zurückkommen... Nun, sie wollte lieber nicht darüber nachdenken. Zu groß war die Angst, zu groß wäre der Verlust, nicht nur für sie, sondern für das gesamte Königreich. Schließlich erreichte sie ihren neuen Raum, er war groß und einladend, durch einige Kerzen erleuchtet und doch unvertraut und fremd. Der Raum erschien ihr leer, kalt. Trotz all der Annehmlichkeiten, dies war nicht ihr Zuhause. Auf einem Tisch lagen ihre alten Unterlagen, viel mehr hatte man aus ihrem Raum nicht retten können, viel mehr hatte sie auch nicht. Sie lächelte als sie ihre eigene krakelige Schrift auf den Rollen sah. Da war etwas bekanntes, etwas eigenes. Sie atmete tief durch, ließ sich dann auf ihr neues Bett fallen. Es war weich und groß, machte den Eindruck, als könnte sie sich daran gewöhnen. Sie durfte einfach nicht nur die negativen Seiten sehen. Dieser Raum war schön, viel schöner als sie je einen gehabt hatte. Sie war nur einfach viel zu besorgt im Augenblick, deswegen könnte sie seine Schönheit nicht sehen. Auch ihr Gewand, das sie noch immer trug, hatte sie noch nicht recht zu würdigen gewusst. Der grüne Stoff brachte vor allem ihre Augen wunderbar zur Geltung, sie konnte wirklich stolz darauf sein, dass man soviel aus ihr herausholen konnte, nie hätte sie erwartet jemals so aussehen zu können, hätte ihr jemand davon erzählt, sie hätte kein einziges Wort geglaubt. Doch all dies war wirklich wahr geworden. Nach dem Krieg würde alles wieder gut werden, all die Besorgnis und all die Angst wäre sicher wie weggewischt, wenn sie sich nur wieder in Seths Arme kuscheln konnte, wenn er wieder bei ihr wäre, und das Land in Frieden läge. Es klopfte an der Tür. Mana blinzelte. Wer sollte hier vorbei kommen? Und das jetzt noch? War Seth etwa schon fertig mit seiner Arbeit? Es konnte nicht sein, er konnte es nicht sein. Verwirrt stand sie auf, ging zur Tür. „Ja?“, fragte sie noch immer mit Überraschung in der Stimme, und öffnete die Tür einen Spalt, damit sie hinaus sehen konnte. Doch sofort wurde die Tür aufgeschlagen, Mana konnte der Wucht gerade so ausweichen. Keuchend sprach sie zurück, die Augen voller Angst geweitet. Was machten die denn hier?! Was wollten sie noch von ihr?! Mana versuchte noch am Eintreten zu hindern, doch da war es schon zu spät. Karim hatte sich bereits in die Tür gestellt und hielt sie Shada auf diese Weise auf, Mana konnte sie nicht wieder schließen, ohne Karim zur Seite zu schubsen und das konnte sie auf keinen Fall schaffen. Sie wich zurück. Karim grinste das Mädchen an. „Wir haben etwas zu klären“, sagte er und trat ungebeten ein. „Und zwar ganz dringend!“ Shada schloss die Tür hinter sich, nickte Karim vielsagend zu. Das Zimmer war versiegelt, sie hatten den Zauber ausgesprochen noch bevor sie den Raum betreten hatten, und nun, da die Tür verschlossen war, wurde der Zauber besiegelt. „Vergesst es!“, fauchte Mana laut und aufgebracht, sie wollte weg, wollte zurück zu Seth, auf keinen Fall wollte sie mit den Beiden allein sein. Nicht jetzt und auch nicht später. Der Tag war wirklich verflucht. Sie lief zur Tür, wollte sie öffnen um zu entkommen, doch es ging nicht. Sie gab nicht nach, nicht einen einzigen Millimeter. Was war nur los?! Wieso ging die Tür nicht auf?! Es war wirklich nicht ihr Tag... Leicht panisch ließ sie ihren Stab erscheinen, richtete ihn bedrohlich auf Shada und Karim, die jedoch nur leicht lächelten. „Wehe ihr kommt näher!“, rief Mana voller Schrecken in der Stimme. „Meinst du, dein kleines Spielzeug macht uns Angst?“ „Den kannst du vergessen.“ Shada stand noch immer an der Tür, beobachtete amüsiert ihre verzweifelten Versuche zu entkommen. „Du kannst doch gar nicht damit umgehen.“ Wieso nur gingen alle davon aus? Es machte Mana sauer. Meira hatte ihr auch immer vorgeworfen, sie könnte mit ihrer Magie gar nicht umgehen und nun Shada. Wieso nur gingen sie alle da von aus? Wieso glaubten alle, sie könnte sich nicht verteidigen?! Sie hielt den Stab weiter vor sich, blickte die Beiden gefasst an. Sie hatte nicht vor, sich ihnen zu unterwerfen, sie würde kämpfen, egal was es kostete. Sie hatte noch niemals aufgegeben... „Ich habe mich an die Abmachung gehalten!“, zischte sie ungehalten, „Ich habe nichts gesagt!“ Bedrohlich trat Karim einige Schritte auf sie zu. „Bist du dir da auch sicher?“, fragte er grimmig, „Woher sonst wusste der Priester davon? Wie willst du das erklären?“ Mana schüttelte den Kopf. Sie hatte es gewusst, sie hatte es genau gewusst! Sie würden ihr nicht glauben, niemand hätte ihr das geglaubt. Und trotzdem war da immer noch Hoffnung gewesen, Hoffnung, die nun zerstört war. „Durch das Kleid sieht man das eben!“, versuchte sie fast verzweifelt zu erklären, „Er ist eben nicht so dumm, wie ihr glaubt! Ich habe nichts gesagt!“ Sie wiederholte sich, das wusste sie, doch ihr blieb keine andere Wahl. „Ich habe euch doch sogar noch verteidigt...“, ihre Stimme klang bittend, flehend, doch die Priester blieben ohne Gnade. „Du? Uns verteidigt?“, der Schwarzhaarige ging noch weiter auf Mana zu, bedrohlich, finster. „Mach' dich nicht lächerlich!“ „Aber es ist wahr!“, schrie Mana mit schriller Stimme, sie wich ein weiteres Stück zurück, bald schon würde sie die Wand erreicht haben, dann würde sie wieder... Nein, sie musste hier raus, musste es schaffen, egal wie! Wenn nur Seth noch hier wäre, er war doch so nah dran...? Wieso nur hörte er sie nicht, ihre Stimme musste doch durch alle Gänge hallen... Wieso nur ließ er sie jetzt allein...? „Bleib' stehen!“ Karim durfte nicht näher kommen, nicht einen einzigen Schritt näher. Doch wieder hörte er nicht auf sie. „Wieso sollte ich?“, fragte er gelangweilt, „Hast du etwa Angst?“ Das Mädchen starrte ihn an, entgeistert, hilflos, verzweifelt. Ja, sie hatte Angst! Sie hatte sogar wahnsinnige Angst, aber das durfte sie ihm nicht sagen, er durfte es nicht wissen, durfte nicht sehen, wie erfolgreich er war. Erneut versuchte sie, ihren Stab als Waffe zu nutzen, doch gerade als sie sich an einem Zauber versuchen wollte, war er verschwunden und tauchte in der nächsten Sekunde in Shadas Hand wieder auf. „Was soll das?!“, rief sie erschrocken aus. Karim lächelte vergnügt. „Was hast du denn? Du scheinst nervös zu sein.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Unterstellung und die Tatsache amüsierte ihn bestens. Shada unterdessen hielt Manas Stab triumphierend in seiner Hand, ging ein paar Schritte im Zimmer umher. „Nun sei doch nicht so gemein“, hauchte er Karim zu, „Du machst der Kleinen doch Angst! Meinst du nicht, sie hat durch den Krieg mit ihrem Heimatland nicht schon genug um die Ohren?“ Voller Spott und Hohn beobachtete er die Wirkung seiner Worte, konnte sie in ihrem Gesicht lesen. „Aber natürlich“, stimmte der Größere ein, „Es muss verdammt hart sein, so zwischen den Fronten zu stehen.“ Sein Blick fiel wieder auf Mana. „Hast du dir das so gewünscht?“ Verwirrt starrte sie die Beiden an, hatten sie nun völlig den Verstand verloren? Heimatland? Was sollte das? Wovon redeten sie? Nun verstand sie überhaupt nichts mehr, verstand nicht, was sie von ihr wollten und was sie ihr sagen wollten. Wie sollte sie das verstehen? Sie blickte durcheinander von Karim zu Shada, doch keiner schien es ihr zu erklären. Shada schritt weiterhin auf und ab, sah sie kalt lachend an. „Und es muss hart sein, zu wissen dass die eigenen Landsleute abgeschlachtet werden und das ausgerechnet von dem eigenen Verlobten.“ Er klang fast mitleidig als er es sagte, doch seine Worte schnitten tief unter die Haut, verletzend, nicht einfühlsam. Wovon nur redeten sie? „Aber genau das wolltest du ja, ein Spiel spielen, nicht wahr? Niemand sollte wissen, wer du wirklich bist!“ Mana zitterte leicht, versuchte aber das zu verbergen. „Hört auf!“, schrie sie befehlend, doch natürlich nahmen die zwei sie nicht ernst, „Ich weiß nicht, wovon ihr redet!“ Konnten sie das nicht verstehen? Wollten sie es nicht? Wieso Landsleute? Wie kamen sie darauf? Was hatte sie denn mit Libyen zu tun? Mana biss sich von innen auf die Lippen, wusste sie, wer sie wirklich war? Wo sie wirklich herkam? Was wäre, wenn die Beiden Recht hätten? Sie konnte sich kaum an ihre Kindheit erinnern, nur das Gesicht ihrer Mutter war in ihrem Gedächtnis hängengeblieben, der Rest war weg, einfach verschwunden. Sie war im Palast aufgewachsen, in diesem Palast, nicht in Libyen, sie kannte das Land nicht einmal! Karim lachte herzhaft. Nicht um sich zu amüsieren, sondern um sie bloßzustellen. „Lüg' nicht“, sagte er ihr grinsend ins Gesicht und kam ihr dabei gefährlich nahe, „Du bist doch nichts weiter als ein kleines libysches Miststück!“ „Ich lüge nicht! Ich habe keine Ahnung!“ Was musste sie machen um sich Gehör zu verschaffen? Damit sie es endlich verstanden? Sie wusste nicht, wovon sie sprachen, was auch immer sie glauben ließ, sie käme aus Libyen, es war ihr völlig unbekannt. Langsam hielt sie es nicht mehr aus, spürte die kalte Wand im Rücken, sie konnte nicht weiter zurückweichen. „Ist das wahr?“, fragte Karim schließlich und lächelte, „Das muss hart sein...“ Ängstlich sah sie ihn an, sie wusste nicht, wovon er sprach, ja und? „Was muss hart sein?“ Sie wollte es eigentlich gar nicht wissen und es konnte ihr auch egal sein, aber nicht zu verstehen, worum es hier überhaupt ging, regte sie auf. „So unwissend durchs Leben zu gehen“, antwortete Karim prompt und war ihr nun so nahe, dass sie seinen Atem in ihrem Gesicht spüren konnte. „Bist du wirklich so naiv, Süße?“ Mana kniff die Augen zusammen, drehte ihren Kopf zur Seite und versuchte hartnäckig sich zusammenzureißen. „Ich bin ... nicht ... naiv...“, presste sie hervor, probierte irgendwie an der Seite an Karim vorbei und von ihm wegzukommen, doch er versperrte ihr jeden Weg. „Was bist du dann?“ Sie sah ihn sauer an, sie wollte doch nur weg, einfach nur verschwinden, war das denn zu viel verlangt? Sie würde sicher niemals mehr auch nur eine Sekunde der Beiden in Anspruch nehmen, nie im Leben, niemals wieder. „Unwissend, was meine Vergangenheit angeht, aber mehr auch nicht!“, fauchte sie, wieso konnten sie sie nicht einfach in Ruhe lassen? Karim stützte sich mit seinen beiden Händen an der Wand ab, und hielt sie so zwischen seinen Armen gefangen. „Und über alles andere auch!“ er wiederholte seine Frage von vor ein paar Minuten: „Hast du Angst?“ Mana weigerte sich ihn anzusehen, starrte stattdessen auf den Boden, jedoch ohne etwas zu sehen, denn sie hatte die Augen geschlossen. Sie nickte leicht. „Was wisst ihr über meine Vergangenheit?“, fragte sie leise nach. Shada sah sie an, lachte kalt auf. „Na los, erzähl ihr, was für eine Bedrohung sie darstellt!“, ermunterte er seinen Freund, es passte ihm gut, dass dieser das Gespräch übernommen hatte, „Für ihren Hohepriester!“ „Dann sage es mir doch endlich“, knurrte Mana und klang dabei um einiges mutiger als sie sich fühlte. Sauer sah sie ihn an. „Verrate es mir doch, wenn du so allwissend bist!“ Was sollte das wieder heißen? Sie war eine Bedrohung für Seth? Konnten sie nicht endlich damit aufhören, sich ständig irgendwelche Geschichten über sie auszudenken nur um sie schlecht zu machen? Sie verstand es nicht. Sie verstand nur, dass Shada und Karim Seths Wahl mehr als in Frage stellten, dass sie sie anzweifelten und das bis aufs Blut. Und sie wusste nicht, was sie tun sollte um das zu ändern. Karim verdrehte die Augen. „Du hast libysche Vorfahren!“, erklärte er, „Und dein Priester zieht in den Krieg gegen Libyen. Was meinst du wohl, was passiert, wenn das bekannt wird?“ Erschrocken starrte sie ihn an. Das konnte nicht sein, das war gelogen! Wenn sie wirklich libysche Vorfahren hatte, dann wüsste sie das doch. Wieso sollte sie dann hier sein? „Das geht nicht“, widersprach sie und sah ihn fragend an, wie kam er darauf? „Aber sicher, Kleine“, antwortete Karim und lächelte überlegen, „Dein Vater ist der König der Räuber!“ Nun war es an Mana, laut aufzulachen. „Guter Witz“, meinte sie und reagierte so ohne es zu wissen, genau so, wie auch Bakura es auch getan hatte. Bakura war in ganz Ägypten bekannt, wenn er eine Tochter hätte, dann wäre es mit Sicherheit kein Geheimnis. „Aber es ist wahr“, gab der Priester zurück. Ob sie es glaubte oder nicht... Er strich ihr über die Wangen. „Ich weiß, solche Zusammenhänge sind schwer zu verstehen“, sagte er Mitleid heuchelnd, „Besonders wenn man so dumm ist, wie du es bist.“ Mana zog ihren Kopf weg, hatte aber wenig Spielraum sich zu bewegen. „Lass mich in Ruhe!“, rief sie aufgebracht, zischte bedrohlich. „Ich bin nicht dumm!“ „Warum sollte ich auf dich hören?“, fragte Karim, von Shada war nur ein verächtliches Schnauben zu vernehmen, er genoss es sichtlich, wie Karim mit Mana umging. „Du hast doch auch nicht gehört, als wir dir gesagt haben, du sollst schweigen!“ Panik stieg in Mana auf. „Ich hab geschwiegen, ich hab nichts gesagt!“, quietschte sie schrill und wurde noch schriller als er seine Hand an ihr Kinn legte und sie so zwang ihn anzusehen. „Du lügst!“, zischte er wütend. Mana versuchte seinen Arm wegzuschieben, von ihm loszukommen, doch sie hatte keine Chance, es gelang ihr einfach nicht. „Nein...“, sagte sie leise, „Nein, ich habe nichts gesagt...“ Wenn sie ihr nur glauben würden... Was sollte sie denn noch tun? „Das ist nicht wahr“, widersprach der Priester, und führte seinen Kopf nahe an den ihren, um ihr seine weiteren Worte ins Ohr hauchen zu können: „Und das weißt du auch.“ Sie erschauderte, es lief ihr eiskalt den Rücken herunter. Er widerte sie an, war viel zu aufdringlich. Sie biss sich auf die Lippen. Sie musste weg, sie musste einfach weg von hier, weg von diesem Raum, und besonders weg von den Beiden. „Geh weg...“, hauchte sie verzweifelt, Tränen standen in ihren Augenwinkeln. „Selbst wenn ich etwas gesagt hätte, das würde doch nun auch nichts mehr ändern...“ „Oh doch“, gab Karim lächelnd zurück, „Das ändert einiges. Dann wärst du jetzt nämlich gar nicht in dieser ach so misslichen Situation.“ Sie versuchte ihn fortzustoßen, wieder Raum zwischen ihren und seinen Körper zu bringen. Es gefiel ihr gar nicht, machte ihr Angst, große Angst. Letztes Mal war sie mit ein paar Schlägen davon gekommen, doch wie sollte sie das dieses Mal schaffen? Wie sollte sie entkommen? Er war so schrecklich stark, viel stärker als sie, und an ihren Stab kam sie auch nicht heran. Selbst wenn sie also in der Lage gewesen wäre, sich mit Magie zu befreien, sie konnte es nicht umsetzen. Ohne ihren Stab war sie machtlos. Völlig machtlos. Hilflos. Allein. Ausgeliefert. „Lass mich!“, schrie sie in einem weiteren tapferen Anflug von Trotz, doch den Schwarzhaarigen amüsierte es nur. Mana rief nach Seth, schrie so laut sie konnte. Er musste sie hören, er war doch gleich nebenan, er konnte nicht so taub sein. Selbst wenn er beschäftigt war, er würde kommen, würde zu ihr eilen um sie zu retten. Hoffnung ... „Er wird dich nicht hören.“ ... zerbrach. „Dieser Raum ist komplett abgeriegelt“, erklärte Shada, der es sich inzwischen auf ihrem Bett bequem gemacht hatte, und gespannt beobachtete, wie Karims Hand erneut über Manas Wange strich und wie sie dabei erzitterte. „Nichts kommt herein, nichts kommt heraus, nicht einmal dein eindrucksvolles Geschrei.“ Mana blickte kurz voller Hass zu dem Sitzenden, wurde aber mit schmerzlicher Gewalt wieder zurückgezogen. Karim packte ihre Handgelenke, drückte sie gegen die Wand. „Niemand wird dich hören“, hauchte er und der Klang seiner Stimme stand im kompletten Gegensatz zu seinen Handlungen. „Du bist ganz allein...“ Entsetzt starrte Mana ihn an, aus angstverzehrten Augen betrachtete sie ihn als hätte sie ihn nie zuvor gesehen. Er genoss ihre Angst, er genoss es sichtlich, dass sie ihm so ausgeliefert war. „Das tut weh...“, sagte Mana weinerlich, kniff die Augen zusammen. Er sollte sie endlich in Ruhe lassen... Seth. Sie dachte einfach nur an Seth, versuchte sich sein Gesicht in Erinnerung zu rufen, versuchte, Karim und Shada auszublenden. Er würde ihr helfen, er würde ganz sicher ... Nein, sie war allein, Karim hatte Recht. „Was hast du denn?“, fragte er amüsiert, ohne sie loszulassen, „Sei doch nicht so verkrampft.“ Verkrampft? Was bildete er sich ein? „Ich bin nicht verkrampft!“, fauchte sie, irgendjemand musste sie hier herausholen, egal wer... Seth... Akim ... Sie mussten sie doch hören ... Ein dumpfer Schlag in ihr Gesicht holte sie zurück in die Wirklichkeit und sorgte dafür, dass die Tränen aus ihren Augen perlten. Mana schrie leicht auf, biss sich auf die Zunge, kniff die Augen zusammen. Sie musste sich wehren... „Sei nicht zu hart, Karim“, Shadas Stimme ertönte durch den Raum, abwertend, kalt. „Sie sollte es überleben.“ Kurz lächelte der Angesprochene zu seinem Freund herüber. „Du kennst mich doch“, sagte er, „Ich lasse dir etwas übrig!“ Wieder schlug er sie, sie fiel gegen die Wand, konnte nicht ausweichen. „Mir bleibt wieder der verkümmerte Rest?“, fragte Shada leicht vorwurfsvoll und lachte auf, „Habe du nur deinen Spaß!“, zischte er fies, „Ich komme auch so auf meine Kosten.“ „Lasst mich in Ruhe!“, schrie Mana, strampelte und schlug fuchtelnd um sich. Sie musste weg, endlich das Zimmer verlassen, sie musste - Klatsch. Ein weiterer stechender Schmerz zog sich über ihren Kopf, besonders ihr Hinterkopf pochte. Die Wucht von Karims Schlag hatte sie gegen die Wand stoßen lassen, vor der sie nun leicht benommen zusammensackte. Das Wasser ihrer Tränen mischte sich unter ihr eigenes Blut, sie musste eine Platzwunde haben, sie hatte es nicht wirklich gespürt. Sie spürte nur das dumpfe Pochen und die Wucht der Schläge, was daraus wurde, konnte sie nicht sagen. „Sei still!“, brüllte Karim sie an, und das Dröhnen in ihrem Schädel verstärkte seine Lautstärke um ein Vielfaches. Mana zuckte zusammen. „Lass mich...“, flüsterte sie schwach, „Lass mich endlich los...“ Doch sie bereute es sofort wieder. „Du sollst still sein, hab ich gesagt!“ Karims Worte nahm sie kaum noch wahr. Ein Hagel an Händen, so schien es, ging auf sie nieder, schmerzvoll verzog sie ihr Gesicht, verkrampfte noch mehr. Und plötzlich legte sich Entsetzen über ihre Augen. Er kam näher, noch näher, trat sie, sodass sie sich zusammenkauerte, dann packten seine schweren Finger ihre Kleidung, die unter der groben Behandlung sofort zerriss. Ein paar Minuten später war alles vorbei. Der schwarzhaarige Priester richtete sein Gewand, ließ das Mädchen in sich zusammengesunken am Boden liegen, blickte voller Verachtung zu ihr herab. Dann wandte er sich von ihr ab, ging auf Shada zu. „Das war schon ganz gut“, meinte er abfällig, und sah seinen Freund an. „Du hattest deinen Spaß, nicht wahr?“ Der Angesprochene erhob sich, trat auf Mana zu, ließ seinen gierigen Blick auf sie fallen. „Allerdings, ja“, stimmte er zu, „Sollte ich etwa nicht? War sie so schlecht? Sollte ich es lassen?“ „Aber nein“, gab Karim zufrieden zurück, „Ich habe dir doch noch etwas übrig gelassen von ihr.“ Er betrachtete sie, schüttelte mitleidig den Kopf. „Sieh sie dir an“, sagte er mit einem finsteren Lachen auf den Lippen, „Jämmerlich, nicht wahr?“ Anstatt zu antworten beugte sich Shada zu ihr herunter, berührte ihre geschundene Haut. „Ich mag Menschen in diesem Zustand“, flüsterte er, „Vor allem, wenn man sie alles noch einmal erleben lassen kann...“ Die Augen, die Mana erneut aufriss, waren leer, und doch voller Trauer und Angst. Sie konnte sich kaum rühren, jede Faser ihres Körpers schien zu schmerzen, ihr kaum noch zu gehorchen, so unbändig zitterte sie. Sie kämpfte dagegen an, ihren Mageninhalt zu erbrechen, konnte kaum an sich halten. Nicht noch einmal... Aufhören... Doch ihre Worte klangen wie Hohn, kein Ton trug die Laute fort, sie blieben ungehört. „Ich wünsche dir viel Spaß!“, wünschte Karim und Shada bedankte sich lachend. Dieses Mal ging es schneller als das mal davor, alles in Mana zog sich zusammen, ihr Blick verschwamm. Alles brannte, ihr Körper schien in Flammen zu stehen, doch kein Tropfen Wasser war erreichbar. „Jämmerlich, du hast Recht.“ Sie würgte, krampfte sich zusammen. Die Welt um sie wurde immer dunkler, ihre Sicht undeutlicher. Das Letzte, das Mana wahrnahm, waren zwei Gestalten, die zu Boden gingen und eine tief dunkle Silhouette. Seth... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)